IT- und Medienrecht

Rechtswegfeststellung, Petitionsrecht, Verwaltungsrechtsweg betreffend Gegenvorstellung

Aktenzeichen  M 30 K 21.988

Datum:
25.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41356
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a
VwGO § 40 Abs. 2 S. 1
GG Art. 17
BV Art. 115
EGGVG § 23

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Mit Schriftsatz vom … Februar 2021, eingegangen bei Gericht am 25. Februar 2021, hat der Kläger Klage gegen den Beklagten im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige wegen Freiheitsberaubungen, Misshandlung Schutzbefohlener und psychischer Misshandlung des Klägers als ehemaliger Mitarbeiter eines Kindesheimes erhoben. Er trägt vor, die Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft hätten rechtswidrig die Ermittlungen durch Berufung auf Verjährung eingestellt. Insoweit verweist der Kläger unter anderem auf seine Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft vom *. Mai 2020 und einen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft vom 19. Juni 2020 – 702 Zs 1280/20 b -, mit dem dieser Beschwerde keine Folge gegeben wird.
Der Kläger hat im Klageschriftsatz zunächst beantragt,
Das Gericht stellt fest, dass genannte Behörden entgegen BGH Urteil vom 23. Aug. 2018 BGH 3 StR 149/18 (Anlage I Anhang) betr. Verjährung missachtet und zu Unrecht das Ermittlungsverfahren einstellt.
Weiter ist die sofortige Wiederaufnahme der Ermittlung, mit Wiedereinsetzungstermin auf 20.1.20 anzuordnen.
Nach richterlichem Hinweis auf § 172 StPO und Anhörung zur Verweisung an die Strafgerichtsbarkeit vom 1. März 2021 stelle der Kläger mit Schriftsätzen vom *. März 2021 und … Mai 2021 heraus, dass seine Klage so zu verstehen sei, dass sie sich gegen die Behandlung und Entscheidung der von ihm gestellten Aufsichtsbeschwerden gegen die Generalstaatsanwaltschaft und das Bayerische Staatsministerium der Justiz wende. Das Klageerzwingungsverfahren stehe ihm als Täter nicht offen. Aufgrund Art. 19 Abs. 4 GG müsse ihm aber ein Rechtsweg offenstehen.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat für den Beklagten gemäß § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG beantragt,
den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig zu erklären und den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht München zu verweisen,
hilfsweise die Klage abzuweisen.
Der Leitende Oberstaatsanwalt in Traunstein sowie das Bayerische Staatsministerium der Justiz haben mit Schriftsätzen vom 10. März 2021 und 28. April 2021 Stellung genommen. Im Schriftsatz vom 10. März 2021 wurde zunächst ausgeführt, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet, es handle sich um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO. Im Schriftsatz vom 28. April 2021 wird – nach den klarstellenden Ausführungen des Klägers – sodann argumentiert, für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren würden die Vorschriften über der Strafprozessordnung gelten. Streitigkeiten über Maßnahmen der Justizbehörden seien nach § 23 EGGVG den ordentlichen Gerichten zugewiesen. Hierzu wird näher ausgeführt.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 GVG hat das Gericht die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs durch Beschluss (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG) auszusprechen, wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs von einer Partei gerügt wird.
Der Kläger hat nach richterlichem Hinweis und Anhörung zur Verweisung deutlich herausgestellt, dass sein Begehren nicht auf ein – an das Oberlandesgericht zu verweisendes – Klageerzwingungsverfahren nach § 172 StPO abzielt, sondern er sich gegen die Behandlung seiner Beschwerden durch die Behörden des Freistaats Bayern wendet. Eine Auslegung des Klagebegehrens gegen den ausdrücklichen Willen des Klägers als Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Rahmen eines Klageerzwingungsverfahren kommt daher nicht (mehr) in Betracht. Vielmehr ist das – im Auslegungswege i.S.v. § 88 VwGO zu ermittelnde – Klagebegehren über die Formulierung des Klageantrags hinaus insoweit zu verstehen, dass der Kläger eine gerichtliche Überprüfung begehrt, ob Staatsanwalt, Generalstaatsanwaltschaft und Bayerisches Staatsministerium der Justiz die klägerischen Beschwerden rechtmäßig behandelt haben.
Diesbezüglich ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
1. Es liegt eine öffentlichrechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor.
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Das Vorliegen einer öffentlichrechtlichen Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmt sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Anspruch hergeleitet wird (BVerwG, B.v. 28.1.2016 – 4 B 43/14 – juris Rn. 8 m.w.N.). Danach liegt eine öffentlichrechtliche Streitigkeit vor, wenn sie nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu entscheiden ist, wenn also die Rechtsnormen, um deren Anwendbarkeit die Beteiligten streiten oder nach denen die zugrundeliegende Rechtsbeziehung zu beurteilen ist, dem öffentlichen Recht angehören (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 31.10.2014 – OVG 1 L 72.13 – juris Rn. 2). Dies ist hier der Fall.
Die klägerischen Beschwerden gehören zu den Petitionen i.S.d. Art. 17 GG und Art. 115 BV (BayVerfGH, E.v. 2.5.2017 – Vf. 64-VI-15 – juris Rn. 15). Die einem Petenten durch Art. 17 GG und Art. 115 BV verliehenen Ansprüche auf Entgegennahme und Erledigung seiner Petition sind nach allgemeiner Auffassung Ansprüche auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (BVerwG, U.v. 28.11.1975 – VII C 53.73 – juris Rn. 15; BayVerfGH, a.a.O., juris Rn. 16 m.w.N. – unter Aufgabe seiner früheren Rspr; BayObLG, B.v. 24.11.2020 – 204 VAs 180/20 – BeckRS 2020, 37675 Rn.19 m.w.N.; HessStGH, B.v. 7.7.1977 – P.St. 797 – juris Rn. 22 m. w. N.).
2. Der Rechtsweg ist vorliegend auch nicht wegen § 23 EGGVG den ordentlichen Gerichten ausdrücklich zugewiesen.
Zum einen stellen Petitionsbescheide schon keine Justizverwaltungsakte i.S.d. § 23 EGGVG dar (OLG Hamm, B.v. 10.6.1970 – 15 VA 1/70 – OLGZ 1970, 434/435 m.w.N.; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, § 23 EGGVG Rn. 141; Köhnlein in Graf, BeckOK GVG, 10. Edition Stand: 15.02.2021, § 23 EGGVG Rn. 141). Petitionsbescheiden kommt keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung zu; vielmehr stellen diese eine nur tatsächliche Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 17 GG dar (vgl. auch BVerwG, B.v. 1.9.1976 – VII B 101/75 – NJW 1977, 118/118).
Zum anderen stellt die Behandlung von Aufsichtsbeschwerden als Petitionen auch keine Amtshandlung in Wahrnehmung einer spezifischen Aufgabe einer der in § 23 Abs. 1 EGGVG aufgeführten Rechtsgebiete dar (BGH, B.v. 15.1988 – IVa ARZ (VZ) 5/88 – NJW 1988, 587/588 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 27.4.1984 – 1 C 10/84 – NJW 1984, 2233/2233f.). Dabei reicht es nicht aus, wenn die Maßnahme in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG steht und damit ihren Ausgangspunkt auf einem der dort genannten Gebiete genommen hat, sondern es kommt maßgeblich darauf an, ob die streitgegenständliche Maßnahme und die aus ihr folgende Behördentätigkeit funktional zu den dort genannten Gebieten zu rechnen ist (SächsOVG, B.v. 27.11.2020 – 5 D 59/20 – juris Rn. 10). Eine Bescheidung von Petitionen stellt keine spezifische Aufgabe im Rahmen der Strafrechtspflege dar, sondern gehört zum allgemeinen Aufgabenkreis einer jeden Behörde (SächsOVG, ebd.).
Eine Zuweisung nach § 23 EGGVG ergibt sich auch nicht aufgrund eines engen Bezugs der Petition zu den in der Norm genannten justiziellen Tätigkeiten (a.A. BayVGH, B.v. 29.1.1998 – 5 C 97.2604 – juris). In einem Rechtstreit betreffend die Behandlung einer Petition ist nicht eine Prüfung und Bewertung derjenigen justiziellen Tätigkeit verfahrensgegenständlich, welche Ausgangspunkt der Gegenvorstellung war, sondern allein die inhaltlich anders gelagerte Frage, ob den im öffentlichen Recht verankerten Ansprüchen des Klägers aus Art. 17 GG und Art. 115 BV auf begründete Bescheidung seiner Petition Genüge getan worden ist (SächsOVG, a.a.O. – juris Rn. 11). Der Petent kann nur wegen der Frage, ob seine Petition den Anforderungen des Art. 17 GG und Art. 115 BV entsprechend geprüft und beschieden worden ist, um Rechtsschutz nachsuchen, ist aber nicht berechtigt, sein mit der Petition verfolgtes Anliegen selbst vor Gericht zu bringen (SächsOVG, ebd.; BVerwG, B.v. 13.11.1990 – 7 B 85/90 – juris Rn. 7). Das Petitionsrecht i. S. v. Art. 17 GG und Art. 115 BV begründet hierbei nur einen Anspruch auf Entgegennahme einer Petition, sachliche Prüfung des Anliegens und begründete Bescheidung in angemessener Frist (allg. Rspr.). Der Petitionsbescheid muss hingegen keine besondere, die inhaltlich entscheidenden Erwägungen wiedergebende Begründung enthalten; auch Art und Umfang der sachlichen Prüfung des Petitionsanliegens unterliegen nicht der gerichtlichen Kontrolle (BVerfG, B.v. 15.5.1992 – 1 BvR 1553/90 – juris Rn. 18 ff.; zum Ganzen auch SächsOVG, B.v. 16.12.2019 – 5 E 108/19 – juris Rn. 10).
Ferner handelt es sich beim Kläger auch um keinen Strafgefangenen, weshalb sich eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung auch ausnahmsweise nicht über § 109 Abs. 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG ergeben kann (vgl. hierzu BayObLG, B.v. 24.11.2020 – 204 VAs 180/20 – BeckRS 2020, 37675 Rn. 18 ff.).
Der Verwaltungsrechtsweg ist daher zulässig.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG der Endentscheidung vorbehalten.


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