IT- und Medienrecht

Rechtswidrigkeit einer qualifizierten Missbilligung wegen fehlender Ermessensausübung des Dienstherrn

Aktenzeichen  RN 1 K 18.90

Datum:
13.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 491
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 7 Abs. 1 S. 2, Art. 33 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114
BeamtStG § 34 S. 3, § 35 S. 1
StPO § 170 Abs. 2
BayDSG Art. 9
BayVwVfG Art. 35 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine qualifizierte Mißbilligung ist rechtswidrig, wenn der Dienstherr nicht darlegt, ob und inwieweit er das ihm beim Ausspruch einer Missbilligung obliegende Entschließungsermessen, als auch das Auswahlermessen hinsichtlich der Art der missbilligenden Äußerung ausgeübt hat. (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn der Dienstherr ursprünglich von einem Dienstvergehen ausgegangen ist, besteht in einem solchen Fall weder ein intendiertes Ermessen noch eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass nur der Ausspruch einer qualifizierten Missbilligung ermessensgerecht wäre (ebenso BayVGH, BeckRS 2015, 42580). (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Ziffer 2 des Bescheids des Beklagten vom 19.12.2017 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist auch gegen Ziffer 2 des Bescheids die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da es sich bei der ausgesprochenen Missbilligung um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) handelt. Dies folgt zum einen daraus, dass es sich vorliegend um eine qualifizierte Missbilligung handelt, diese also mit dem Vorwurf der Begehung eines Dienstvergehens, § 47 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), verbunden ist (vgl. BayVGH, B.v. 05.07.2016 – 3 ZB 14.1781 – BeckRs Rn. 18; VG München, U.v. 22.09.2015 – M 5 K 15.1047 – BeckRs; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand Juni 2006, Art. 7 Rn. 13). Vorliegend wurde eine solche qualifizierte Missbilligung ausgesprochen. Dem Beamten wird ausdrücklich der Vorwurf einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung, also eines Dienstvergehens gemacht. Die Verfügung setzt sich ausführlich mit der Verletzung der Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtstG auseinander. Zudem ergibt sich der Vorwurf eines Dienstvergehens auch aus einer Zusammenschau mit Ziffer 1 des Bescheids des Beklagten vom 19.12.2017. Darin wird das Disziplinarverfahren nach Art. 33 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) eingestellt, was voraussetzt, dass der Beklagte vom Erwiesensein eines Dienstvergehens ausgeht. Überdies erging die Missbilligung in Bescheidsform (Ziffer 2 des Bescheids der JVA Landshut vom 19.12.2017).
2. Soweit sich die Klage gegen Ziffer 2 des Bescheids der JVA … vom 19.12.2017 wendet, ist sie auch begründet. Ziffer 2 des Bescheids ist rechtswidrig und verletzt den Klägern in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG erwähnten missbilligenden Äußerungen, die nicht ausdrücklich als Verweis bezeichnet werden, finden ihre Rechtsgrundlage in der dem Dienstherrn im Rahmen des beamtenrechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnisses zustehenden Leitungs-, Aufsichts- und Weisungsbefugnis. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG stellt ausdrücklich klar, dass es sich dabei um keine Disziplinarmaßnahme handelt. Der Dienstherr ist aufgrund dieser Befugnis berechtigt und nach den Umständen des Einzelfalls sogar verpflichtet, auf die reibungslose und fehlerfreie Erledigung der Dienstgeschäfte hinzuwirken und erforderlichenfalls kritisch-missbilligend gegen unterstellte Beamte einzuschreiten (vgl. BayVGH, B.v. 05.07.2016 – 3 ZB 14.1781 – BeckRs Rn. 8 ff.; VG München, U.v. 22.09.2015 – M 5 K 15.1047 – BeckRs; VG Ansbach, U.v. 11.11.2014 – AN 1 K 13.02125 – BeckRS; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand Juni 2006, Art. 7 Rn. 9). Die schriftliche, bzw. qualifizierte Missbilligung, bildet eine Unterform der in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG vorgesehenen misbilligenden Äußerungen (vgl. BayVGH, B.v. 05.07.2016 – 3 ZB 14.1781 – BeckRs Rn. 8).
Eine missbilligende Äußerung kann nur ausgesprochen werden, wenn ein objektiver Anlass bestanden hat, sich missbilligend über den Beamten zu äußern. Wenn ein solcher Anlass besteht, steht der Ausspruch einer Missbilligung im Ermessen des Dienstvorgesetzten. Dies umfasst sowohl das Entschließungsermessen, ob überhaupt eine Missbilligung ausgesprochen wird, als auch ein Auswahlermessen hinsichtlich der Art der missbilligenden Äußerung (vgl. OVG LSA, B.v. 17.05.2016 – 1 L 176/15 – juris Rn. 23; VG Minden, U.v. 21.02.2017 – 4 K 3301/13 – juris Rn. 20). Diese Ermessensentscheidung des Dienstherrn, ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, § 114 Satz 1 VwGO. Überprüft werden kann, ob der gesetzliche Rahmen verkannt wurde, ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet wurden oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden. Auch zu prüfen ist, ob die missbilligende Äußerung in einem angemessenen Verhältnis zum Anlass steht (vgl. BayVGH, B.v. 05.07.2016 – 3 ZB 14.1781 – BeckRs Rn. 11 ff.; VG München, U.v. 22.09.2015 – M 5 K 15.1047 – BeckRs; VG Ansbach, U.v. 11.11.2014 – AN 1 K 13.02125 – BeckRS).
Vorliegend kann dahinstehen, ob ein objektiver Anlass – im Fall der hier vorliegenden qualifizierten Missbilligung ein Dienstvergehen – vorgelegen hat, da es jedenfalls an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung fehlt. Der Beklagte hat vorliegend keinerlei Auswahlermessen ausgeübt, es liegt insoweit ein Ermessensausfall vor.
Der Beklagte hat vorliegend mit der qualifizierten Missbilligung die schärfste Form der missbilligenden Äußerung gewählt. Daneben existieren weitere, relativ mildere Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn, wie z.B. die einfache Missbilligung, Zurechtweisungen, Mahnungen, Rügen, der tadelnde Hinweis, kritische Äußerungen, Belehrungen, Vorbehalte, Warnungen, ernsthafte Missfallensbekundungen oder dringliche Ersuchen. Insoweit steht der Behörde ein Auswahlermessen zu (vgl. BayVGH, B.v. 27.01.2015 – 6 ZB 14.2121, BeckRs Rn. 6; VG Ansbach, U.v. 11.11.2014 – AN 1 K 13.02125 – BeckRS; OVG LSA, B.v. 17.05.2016 – 1 L 176/15 – juris Rn. 23).
Vorliegend fehlen seitens des Beklagten Ausführungen dazu, ob auch mildere Reaktionsmöglichkeiten, z.B. eine einfache Missbilligung, überhaupt bedacht worden sind. Der Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass und weshalb mildere Mittel als die qualifizierte Missbilligung im konkreten Einzelfall nicht ausgereicht hätten. Eine solche Auswahl hätte aber getroffen werden müssen.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Beklagte hier vom Vorliegen eines Dienstvergehens ausgegangen ist. Auch in einem solchen Fall besteht weder intendiertes Ermessen noch eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass nur der Ausspruch einer qualifizierten Missbilligung ermessensgerecht wäre (vgl. BayVGH, B.v. 27.01.2015 – 6 ZB 14.2121 – BeckRs Rn. 7; VG Ansbach, U.v. 11.11.2014 – AN 1 K 13.02125 – BeckRS).
Auch das OVG LSA führt insoweit mit Beschluss vom 17.05.2016 – 1 L 176/15 – juris Rn. 24 – die vergleichbare Regelung im Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (§ 6 Satz 2 DG LSA) betreffend – aus:
„Selbst wenn – wie im vorliegenden Fall – nach Auffassung des Dienstherrn ein begangenes Dienstvergehen zu missbilligen ist, besteht keine allgemeine Regel, dass dies nur in Form der qualifizierten Missbilligung geschehen könnte und deshalb kein Ermessen auszuüben wäre (vgl. Gansen, a. a. O. Rn. 9 f). Auch bei einer Maßnahme nach § 6 Satz 2 DG LSA, die im Zusammenhang mit der Einstellung eines Disziplinarverfahrens erfolgt, kann grundsätzlich nicht im Sinne eines intendierten Ermessens oder einer Ermessensreduzierung auf Null davon ausgegangen werden, dass regelmäßig oder ausschließlich die qualifizierte Missbilligung mit Vorrang gegenüber milderen Mitteln zu wählen wäre. Die qualifizierte Missbilligung mag in derartigen Konstellationen zwar aus Sicht des Disziplinarrechts als naheliegend erscheinen, da sie nach dem Verweis als mildester disziplinarischer Reaktionsmöglichkeit die schärfste nicht-disziplinarische Reaktionsmöglichkeit darstellt. Zwingend ist diese Annahme jedoch nicht; vielmehr ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, welche Form der Äußerung zur Erreichung ihres Erziehungszwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist“
3. Soweit sich die Klage gegen die in der mündlichen Verhandlung zu Ziffer 2 ausgesprochenen Kostenentscheidung – betreffend den Ausspruch „der Kläger hat seine Auslagen selbst zu tragen“ – wendet, ist sie unbegründet. Die Kostenentscheidung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz. 1 VwGO.
Es besteht kein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Erstattung seiner Auslagen im Verwaltungsverfahren.
Es existiert kein allgemeiner Grundsatz dergestalt, dass Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungskosten außerhalb eines Prozesses, die einem Beteiligten im Verwaltungsverfahren bei der Ausgangsbehörde entstanden sind, zu erstatten sind (vgl. BVerwG, U.v. 30.08.1972 – VIII C 2/72 – NJW 1973, 261; OVG NW, B.v. 14.07.2017 – 6 A 1944/16 – juris Rn. 7).
Auch im Umkehrschluss zur Regelung des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, der die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen auf die Fälle eines erfolgreichen Widerspruchs beschränkt, folgt, dass Kosten des Ausgangsverfahrens nicht erstattet werden. Gleiches gilt für die Regelungen in § 162 Abs. 1 und 2 VwGO im Rahmen der Kostentragungspflicht der §§ 154 ff. VwGO. Auch diese beschränkt sich auf die Kosten des Vorverfahrens.
Das BVerwG führt in seinem Urteil vom 17.02.2005 – 7 C 14/04 – NvWZ 2005, 691 dazu aus:
„Davon abgesehen folgt aus der Regelung des § 80 I 1 VwVfG, der die Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen auf die Fälle eines erfolgreichen Widerspruchs beschränkt, dass Kosten des Ausgangsverfahrens nicht erstattet werden. Nach dieser Vorschrift ist außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens für eine Kostenerstattung kein Raum. Wurde kein – erfolgreicher – Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt eingelegt, kann eine Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht beansprucht werden, es sei denn, das einschlägige Fachrecht enthält vom allgemeinen Verfahrensrecht abweichende Regelungen, wie es z.B. im Enteignungsverfahren der Fall ist […] Aus den Bestimmungen des § 162 I, II VwGO, die ebenfalls an ein Vorverfahren anknüpfen, ergibt sich nichts anderes.
Auf die Kosten, die ein Bet. vor einer Verwaltungsentscheidung zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aufgewendet hat, ist § 80 VwVfG nach der Rechtsprechung des BVerwG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (BVerwGE 77, 268 = Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 24 = NJW 1988, Seite 87 = NVwZ 1988, Seite 144 L; ebenso Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. [2003], § 80 Rdnr. 21). Dagegen bestehen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Art. 3 I GG, insbesondere der Grundsatz der Waffengleichheit der Verfahrensbeteiligten, wird dadurch nicht verletzt. […]. Eine anwaltliche Vertretung bereits im Anhörungsverfahren mag zwar unter Umständen zweckmäßig sein. Aus diesem Recht folgt aber nicht die Pflicht des Staates, die Anwaltskosten zu tragen (BVerwG, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 29 = NVwZ 1990, 59= NJW 1990. 1005 L).“
Vorliegend existieren im einschlägigen Fachrecht keine vom allgemeinen Verfahrensrecht abweichenden Regelungen. Insbesondere ist auch Art. 38 Abs. 2 BayDG nicht anwendbar, da es sich bei der Misbilligung – wie Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayDG ausdrücklich klarstellt – nicht um eine Disziplinarmaßnahme handelt.
Schließlich folgt auch aus dem öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten, die durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt entstanden sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.02.2005 – 7 C 14/04 – NvWZ 2005, 691). Denn der Folgenbeseitigungsanspruch umfasst nicht den Ausgleich solcher Schäden, die durch rechtswidriges Verwaltungshandeln entstanden sind, stattdessen kann Gegenstand dieses Anspruchs nur die Beseitigung der tatsächlichen Folgen des aufgehobenen oder für rechtswidrig erklärten Verwaltungsakts sein (vgl. BVerwG, U.v. 30.08.1972 – VIII C 2/72 – NJW 1973, 261).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 Satz 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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