IT- und Medienrecht

Rückabwicklung im Dieselskandal

Aktenzeichen  6 O 3596/17

Datum:
27.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53079
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2, § 826

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 66.491,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Porsche Cayenne, Fahrzeugidentifikationsnummer:….
2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Beauftragung von dessen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.085,95 € freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger 59 % und die Beklagte zu 1) 41 % zu tragen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) haben der Kläger 18 % und die Beklagte zu 1) 82 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat der Kläger allein zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger und die Beklagte zu 2) jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 81.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Traunstein sachlich (§§ 1, 3 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und örtlich (§ 32 bzw. § 17 ZPO) zuständig. In den (auch) gegen den Hersteller gerichteten Verfahren über Individualklagen aus Anlass des sog. Abgasskandals ist eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO sowohl bei dem Gericht am Sitz des Herstellers, am Sitz des Händlers als auch am Wohnsitz des Käufers gegeben (BayObLG, Beschluss vom 22.1.2019 – 1 AR 23/18, BeckRS 2019, 5991; OLG München, Beschluss vom 13.8.2019 – 34 AR 111/19, BeckRS 2019, 18055).
II. Die Klage ist gegenüber der Beklagten zu 1) überwiegend begründet, gegenüber der Beklagten zu 2) jedoch unbegründet.
II. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB zu.
II) Die Manipulation des Fahrzeugs stellt sich als der Beklagten zu 1) zurechenbare vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar.
II) Die Beklagte zu 1) täuschte die Klagepartei über die Gesetzeskonformität des von ihr erworbenen Fahrzeugs bzw. des darin verbauten Motors der Audi AG. Wer in Deutschland bzw. innerhalb der Europäischen Union ein Kraftfahrzeug erwirbt, geht, angesichts dessen, dass Kraftfahrzeuge bekanntermaßen vor dem Inverkehrbringen eine Zulassungsprüfung durchlaufen müssen, davon aus, dass das Fahrzeug – mit seinen zulassungsrelevanten Komponenten, wie der Motor sie darstellt – diese Zulassungsprüfung nach den geltenden Gesetzen durchlaufen hat. Dies umfasst die Vorstellung, dass das Ergebnis der Zulassungsprüfung nicht durch Manipulationen gleich welcher Art in dem Sinne verfälscht wurde, dass die Zulassung nur aufgrund der Manipulation erfolgen konnte, wie es vorliegend der Fall war. Diese Vorstellung des Käufers ist auch bei den zuständigen Personen der Beklagten zu 1) bekannt. Folglich erklärt der Fahrzeughersteller konkludent mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit dem Inverkehrbringen, dass das jeweilige Produkt ohne Manipulationen den behördlichen Zulassungsprozess durchlaufen hat (LG München II, Urteil vom 29.03.2019 – 13 O 5153/18 unter Bezugnahme auf LG Bochum, Urteil vom 29.12.2017, 6 O 96/17, juris Rn 61).
Die Beklagte zu 1) stellt nicht in Abrede, dass das klägerische Fahrzeug zur Einhaltung der EU6-Abgasnorm mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen wurde. Die Beklagte zu 1) bestreitet zwar, dass die Abschalteinrichtungen wie von Klägerseite beschrieben funktionieren. Nicht bestritten wird aber, dass überhaupt die vom Kraftfahrbundesamt festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen eingebaut wurden, um die Abgasnorm zu erfüllen. Welcher Art die Abschalteinrichtungen im Einzelnen sind, ist unerheblich, zumal nur der Beklagten zu 1) der entsprechende Bescheid des Kraftfahrbundesamts vorliegt und sie diesen trotz Aufforderung durch das Gericht gemäß § 142 ZPO nicht vorgelegt hat.
II) Diese begangene Täuschung war für die Kaufentscheidung durch die Klagepartei kausal, wie die Klagepartei plausibel vorgetragen hat.
II) Die Beklagte zu 1) handelte verwerflich.
(II) Das Gericht davon aus, dass die Verantwortlichen der Beklagten zu 1) als Konzernunternehmen von der Manipulation des streitgegenständlichen Motors durch die Audi AG (ebenfalls Konzernunternehmen) Kenntnis hatte (vgl. LG Ravensburg, Urteil vom 24.05.2019 – 2 O 79/18 im Wege einer Wissenszurechnung nach §§ 242, 166 BGB). Dem stehen die beiden beklagtenseits vorgelegten Schreiben (Anlage Annex 1a, Anlage Annex 1b) nicht entgegen. Davon abgesehen, dass es sich bei Annex 1a um ein nicht adressiertes, nicht unterschriebenes oder insoweit vollständig geschwärmtes Schreiben und damit nich ausreichend nachvollziehbares Schreiben handelt, liegt inhaltlich hierin offensichtlich nur ein Vorschlag zur einheitlichen Beantwortung von Behördenanfragen. Bei Annex 1b handelt es sich lediglich um eine sowohl vom Absender als auch vom Empfänger her vollständig geschwärzte E-Mail, die inhaltlich nicht aussagekräftig ist und mehr als ein Jahr nach Abschluss des Kaufvertrages und damit nach dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Motors abgesandt wurde. Weder zum relevanten Zeitpunkt noch zu den relevanten Personen gibt diese E-Mail daher einen Aufschluss. Zudem ist diese E-Mail offensichtlich nur ein Ausschnitt aus einer Konversation, nachdem sie im Betreff als Antwort gekennzeichnet und inhaltlich mit „im Übrigen“ beginnt.
(II) Das Gericht geht weiter davon aus, dass die Beklagte zu 1) die unzulässige Abgassteuerung lediglich aus Gewinnstreben verwendete, wobei sie die berechtigten Kundeninteressen und die Belange der Allgemeinheit (Umweltschutz) bedenkenlos hintanstellte. Es handelte sich um eine planmäßig lang angelegte Strategie, die jegliche Rücksicht auf firmenexterne Belange vermissen lässt. Dies kann nicht mehr nachvollzogen werden und stellt sich für das Gericht als Handeln auf niedrigster sittlicher Stufe dar.
Das Gericht schließt sich den Ausführungen des OLG Karlsruhe (Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18) am Fall eines Motors EA 189 an: „Als Beweggrund für das lnverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zum einen erscheint es lebensfremd, dass die Beklagte das mit der Verwendung der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre (so OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 20), zum anderen trägt die Beklagte selbst keinen anderen Grund vor.“ Auch für die Beklagte zu 1) gilt angesichts der verhältnismäßig hohen Absatzzahlen des betreffenden Porsche Modells nichts anderes.
II) Auch der für § 826 BGB erforderliche Schädigungsvorsatz sowie die Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, liegen nach der Überzeugung des Gerichts vor. Auch dies folgert das Gericht aus dem planmäßigen perfiden Vorgehen der Beklagten zu 1), welches nur die eigenen Firmenbelange in den Vordergrund stellte und Belange anderer kaltschnäuzig hintanstellte.
Auch insoweit schließt sich das Gericht der Sicht des OLG Karlsruhe (Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18; zustimmend: OLG München, Verfügung vom 04.07.2019, Az.: 18 U 4761/18 unter zutreffenden Hinweis auf die sekundäre Darlegungslast der Beklagten) an: „Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, die für eine Diesel-Motorengeneration konzipiert war, welche flächendeckend konzernweit in vielen Millionen Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es mehr als fernliegend, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands erfolgt und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 26; Heese, NJW 2019, S. 257 ).“
Soweit die Beklagte zu 1) vorträgt, man habe sich erstmals am 22.09.2015 und auch nachfolgend bei Audi als Zulieferer des Dieselmotors erkundigt, ob in den gelieferten EU V6 (TDI) Motoren unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut wurden, woraufhin man stets die Mitteilung erhalten habe, dass dies nicht der Fall gewesen sei, ist dieser Vortrag unsubstantiiert. Den beklagtenseits vorgelegten Schreiben misst das Gericht keinen erheblichen Beweiswert zu (vgl. oben).
II) Im Hinblick auf den haftungsausfüllenden Tatbestand ist unter Berücksichtigung der Schätzungsbefugnis nach § 287 Abs. 1 ZPO folgendes auszuführen:
II) Im Rahmen des § 826 BGB steht dem Geschädigten im Rahmen der Naturalrestitution ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen dieses Vertrags zu, das heißt, Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 402/02; Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14). Dies führt zur Rückzahlung des von ihr gezahlten Kaufpreises Zug-um-Zug (§§ 320 Abs. 1, 273 Abs. 1 BGB) gegen Übertragung des Eigentums am streitgegenständlichen Pkw (§ 255 BGB analog).
Im Rahmen des Vorteilsausgleichs muss sich die Klageseite allerdings die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, da es sich nicht um eine Rückabwicklung des Kaufvertrags handelt (vgl. LG Traunstein, Urteil vom 27.06.2018 – 5 O 2425/17; OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 5.3.2019 – 13 U 142/18).
II) Der Bruttogesamterwerbspreis betrug 81.000,00 €. Die Fahrleistung lag bei Übergabe des Fahrzeugs bei 27 km. Im Zeitpunkt der hierfür maßgeblichen letzten mündlichen Verhandlung hatte das Fahrzeug einen Kilometerstand von 53.757 km. Unter Berücksichtigung des Kaufpreises, den gefahrenen Kilometern und einer bei Dieselfahrzeugen mit 3,0 I Motor zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Vertrags zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 300.000 km ergibt sich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 14.508,41 €.
II) Der Zinsausspruch folgt den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Ein früherer Verzug der Beklagten zu 1) wurde klägerseits nicht vorgetragen.
II) Die geltend gemacht Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war auf der Grundlage der berechtigten Forderung zuzusprechen, § 257 BGB.
Vorgerichtliche Anwaltskosten stellen adäquat verursachte Rechtsverfolgungskosten gem. den §§ 249 Abs. 2 S. 1, 251 Abs. 1 BGB dar. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach den dem Urteil zufolge als begründet anzusehenden Forderung (OLG München, Urteil vom 23.05.2014 – 10 U 5007/13). Unter Zugrundelegung einer Fahrleistung im Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit von 24.000 km, wie der Kläger plausibel vorgetragen hat, bestand eine berechtigte Forderung gegenüber der Beklagten zu 1) in Höhe von 75.606,80 €. Die angesetzte Geschäftsgebühr gem. VV-RVG Nr. 2300 von 1,3 ist angemessen, die Pauschale gem. VV-RVG Nr. 7002 sowie Umsatzsteuer gem. VV-RVG Nr. 7008 sind ebenfalls anzusetzen. Insgesamt ergeben sich daher vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 2.085,95 €.
Dieser Betrag ist entgegen dem Antrag jedoch nicht zu verzinsen. § 288 BGB ist auf den Anspruch auf Freistellung weder direkt noch analog anwendbar (vgl. BGH Urteil vom 12.10.2017, Az.: IX ZR 267/16). Der Regelung des § 288 BGB liegt der Grundsatz zugrunde, dass die mit dem Besitz von Geld verbundenen Nutzungsmöglichkeiten auch ohne Substanzverbrauch in aller Regel geldwerte wirtschaftliche Vorteile bieten, deren Vorenthaltung rechtlich als Schaden anzusehen ist, der unabhängig von den Umständen des Einzelfalles mit einem Mindestzinssatz abzugelten ist und vom Gläubiger gerade nicht nachgewiesen werden muss (vgl. Motive, Mugdan II S. 34; BGH, Urteil vom 26. April 1979, Az.: VII ZR 188/78; BGHZ 74, 231, 234 f).
II. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu, insbesondere nicht infolge Rücktritts gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB.
II) Der Kläger hat mit der Beklagten zu 2) einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Porsche abgeschlossen, § 433 BGB.
II) Das Fahrzeug war bei Auslieferung, mithin bei Gefahrübergang, mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
II) Nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grundsätzlich nur dann, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, Az.: VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 mwN.).
II) Dem hat das vom Kläger erworbene Fahrzeug bei Gefahrübergang nicht genügt. Das Fahrzeug ist mit einer Software ausgestattet, die den Stickoxidausstoß nicht gesetzeskonform reguliert. Unstreitig ist das Fahrzeug von einem zwangsweisen Rückruf durch das KBA betroffen. Dem Kläger wurde mit Schreiben des Landratsamts Altötting, Kfz Zulassungsbehörde, vom 16.09.2019 bereits angedroht, den Betrieb des Fahrzeugs zu untersagen, wenn nicht das Software Update aufgespielt würde. Dabei ist es unerheblich, ob der Androhung eine tatsächliche Betriebsuntersagung (unmittelbar) folgt. Die den Käufer an der gewöhnlichen Verwendung hindernde Beschaffenheit läge nämlich nicht erst in der behördlich verfügten Untersagung des Betriebs, sondern bereits in der durch die unzulässige Abschalteinrichtung hervorgerufenen Möglichkeit eines entsprechenden behördlichen Eingreifens (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, Az.: VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 mwN.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.2019, Az.: 13 U 144/17, NJW-RR 2019, 869).
II) Es liegt jedoch keine erfolglose Fristsetzung im Sinne des § 323 Abs. 1 BGB vor.
II) Nach § 323 Abs. 1 BGB kann der Käufer vom Vertrag grundsätzlich erst dann zurücktreten, wenn er dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Dabei kann der Käufer für die Art der Nacherfüllung nach seiner Wahl Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Die beiden Arten der nach Erfüllung stehen dabei im Verhältnis elektiver Konkurrenz (BGH, Urteil vom 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, NJW 2019, 292). Die Ausübung des Wahlrechts ist nicht fristgebunden. Der Nacherfüllungsanspruch wird jedoch erst mit Geltendmachung des Wahlrechts fällig. Ohne Ausübung des Wahlrechts ist eine Fristsetzung nach § 323 Abs. 1 BGB zur Nacherfüllung nicht möglich (BeckOK BGB/Faust, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 439 Rn. 18).
II) Mit dem Schreiben vom 06.12.2017 hat der Kläger sein Wahlrecht nicht ausdrücklich ausgeübt. Vielmehr wird es hier der Beklagten zu 2) überlassen ob sie das Fahrzeug dadurch nachbessert, dass ein regelkonformer Motor geliefert wird oder dadurch nach erfüllt, dass das Fahrzeug komplett ausgetauscht wird. Das Gericht sieht jedoch in der Klageschrift vom 27.12.2017 eine Ausübung des Wahlrechts dahingehend, dass Nachbesserung verlangt wird. Dies deshalb, weil der Kläger ausdrücklich auf das Software-Update abstellt, welches den Mangel seiner Meinung nach jedoch nicht behebe. Zugleich wird die Lieferung eines neuen Fahrzeugs lediglich als Hilfsanspruch geltend gemacht, wobei der Kläger davon ausgeht, dass er bereits einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gegen die Beklagte zu 2) habe. Daraus schließt das Gericht, dass es dem Kläger um eine Form der Nachrüstung des Fahrzeugs ging, die von der Beklagten zu 2) jedoch nicht angeboten wurde. Stattdessen hat die Beklagte zu 2 eine Nachbesserung durch das Aufspielen des vom KBA freigegebenen Software Updates angeboten. Diese Auslegung wird gestützt durch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, kein neues Fahrzeug von der Beklagten zu 1) haben zu wollen.
Kommen verschiedene Formen der Nachbesserung in Betracht, steht die Wahl zwischen ihnen jedoch nicht dem Käufer, sondern dem Verkäufer zu. § 439 Abs. 1 BGB kann hier nicht analog angewandt werden (BeckOK BGB/Faust, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 439 Rn. 20).
Die Nachbesserung in Form des Aufspielens des freigegebenen Software-Updates hätte aus Sicht des Gerichts den streitgegenständlichen Sachmangel beheben können. Nachdem das Update durch das KBA freigegeben wurde, besteht mit dessen Aufspielen die Gefahr einer Betriebsuntersagung nicht mehr. Das Update beruht auf einer Anordnung des KBA. Das KBA geht davon aus, dass mit dem Update die unzulässige Abschalteinrichtung beseitigt wird und das Fahrzeug die Zulassungsvorschriften einhalten wird. Eine Nutzungsuntersagung droht daher nach Durchführung des Updates nicht mehr (so auch OLG Dresden, Urteil vom 20.08.2019, Az.: 9 U 1101/19).
Die Mangelbeseitigung durch Aufspielen des Updates wäre auch deshalb nicht unmöglich, weil durch sie andere Mängel entstehen oder weitere Mängel nicht beseitigt werden würden. Die Behauptung des Klägers, dass Fahrzeug unterläge dann einem Wertverlust stellt eine Behauptung ins Blaue hinein dar, da es an einem konkreten Vortrag hierzu fehlt (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 20.08.2019, Az.: 9 U 1101/19).
II) Die Durchführung des Updates ist für den Kläger auch nicht nach § 440 Satz 1 BGB unzumutbar. Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers, diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch, also bei Übergabe, einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist (BGH, Urteil vom 15.04.2015, VIII ZR 80/14). Darunter kann auch die begründete Befürchtung fallen, das Fahrzeug werde anschließend wieder mangelhaft sein (Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 78. Aufl., § 440 Rn. 8). Eine solche Befürchtung muss sich aber auf konkrete tatsächliche Anhaltspunkte stützen. Derartige Umstände trägt der Kläger jedoch nicht vor. Seine Behauptung bleibt ohne jede ansatzweise konkrete Ausführung, so dass auch die beantragte Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten nicht zu erfolgen hatte.
Auch die allgemeine Befürchtung des Klägers, der Wagen werde nach dem Update dadurch mangelhaft sein weil er einen höheren Verbrauch hätte, führt – neben dem Umstand, dass es sich auch hier lediglich um eine pauschale Behauptung ins Blaue hinein handelt – nicht zu einer Unzumutbarkeit der Nacherfüllung. Dies folgt bereits aus § 440 Satz 2 BGB (OLG Dresden, Urteil vom 20.08.2019, Az.: 9 U 1101/19).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1 u. 2, 711 ZPO. Die Klageseite kann den tenorierten Betrag sowie 41 % der Verfahrenskosten vollstrecken. Die Beklagte zu 1) kann 18 % ihrer Anwaltskosten volltrecken, was jedoch weniger als 1.500,00 € ausmacht. Die Beklagte zu 2) kann ihre Anwaltskosten vollständig vollstrecken, was mehr als 1.500,00 € ausmacht.


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