IT- und Medienrecht

Rücktritt vom Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen

Aktenzeichen  14 O 1592/17

Datum:
6.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13465
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 323 Abs. 2 Nr. 1, § 346, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 440

 

Leitsatz

Bei der Feststellung eines Mangels der Kaufsache kommt es weniger auf die konkrete Mangelursache als vielmehr auf die konkrete Mangelauswirkung an. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs Opel Astra Cabriolet, Fahrgestellnr. …, zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.300,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht Würzburg ist sowohl örtlich nach § 29 Abs. 1, § 35 ZPO als auch sachlich nach § 1 ZPO i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG zuständig.
II.
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht nach wirksam erklärtem Rücktritt ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zu (§ 434 Abs. 1, § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 Abs. 1, 326 Abs. 5 i.V.m. §§ 346 ff. BGB).
1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten ein wirksam ausgeübtes Rücktrittsrecht.
a) Der Kläger war gegenüber dem am 16.11.2016 geschlossenen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Gebrauchtwagen zum Rücktritt berechtigt, weil die Beklagte das vorrangige „Recht zur zweiten Andienung“, das Recht zur Nacherfüllung, hier aufgrund des Vorliegens einer Stückschuld nur durch Nachbesserung vorstellbar (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB), verloren hat.
aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das bauartbedingt zurückklappbare Verdeck des Fahrzeugs bereits dreimal Gegenstand von käuferseitigen Beanstandungen und Reparaturen Dritter im Auftrag der Beklagten gewesen ist.
Die Beklagte geht mit ihrer Ansicht fehl, dass es für die Annahme einer (wiederholten) Pflichtverletzung, hier der nicht endgültigen Beseitigung eines (persistierenden) Mangels auf die konkrete Mangelursache ankäme. Dies würde jeden Käufer faktisch rechtlos stellen, solange und soweit, gerade auch bei elektronischen Bauteilen oder vielkomponentigen Kaufgegenständen, wie dies nach allgemeinem Kenntnisstand bei einem Fahrzeug der Fall ist, stets dieselbe Mangelursache auftreten müsse. Geboten ist vielmehr eine lebensnahe und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gebotene Abgrenzung auf einzelne – funktional isolierbare – Bauteilgruppen einerseits sowie sodann ein Rekurs auf die konkreten Mangelfolgen andererseits.
Plakativ kann hierzu der Kauf eines Fernsehers herangezogen werden: Sind bei diesem auf der zentralen Platine mehrere Lötbahnen, unter anderem zum einen die zum Kondensator A sowie sodann die zum Schwingquarz S unzureichend, weshalb es nach mehrstündiger Inbetriebnahme des Gerätes infolge der naturgemäßen Elektronenmigration zu einem zeitnahen „Ausdünnen“ der jeweiligen Verbindungen kommt, so liegen bei – sukzessivem – Ausfall des Gerätes aufgrund der Unterbrechung zunächst einer der beiden vorgenannten Verbindungen und, nach deren Behebung, sodann auch der anderen Verbindung, bei der von der Beklagten angestellten atomisierten Betrachtung zwei unterschiedliche Mängel vor. Technisch erscheint diese Ansicht auch nicht weiter beanstandbar. Die logische – rechtliche – Folge hieraus müsste sodann aber dahin gehen, dass im Zuge der (ersten) Nachbesserung nicht nur der konkrete, zum Ausfall des Gerätes führende, bereits vorhandene Defekt als Mangel beseitigt wird, hier also die erste funktionsuntüchtig gewordene Leiterbahn, sondern, um von einer „vollständigen Nachbesserung“ ausgehen zu können, sogleich auch die zweite, noch nicht funktionsuntüchtig gewordene, gleichwohl aber mangelbehaftete, Leiterbahn ebenfalls repariert werden würde. Anderenfalls müsste – „rückblickend“ – bereits die erste Nachbesserung, hier die Reparatur der ersten Leiterbahn, unbeschadet der dadurch wiedergewonnenen Funktionsfähigkeit des Gerätes, im Hinblick auf das Fortbestehen des weiteren Mangels, die Ausfallneigung der zweiten Leiterbahn, als unzureichend angesehen werden, was sich spätestens im erneuten Ausfall aufgrund der ebenfalls „von Anfang an“ unzureichenden zweiten Leiterbahn auch so niederschlagen würde.
Auf den vorliegenden Fall übertragen hätte die Beklagte folglich nur dann bereits bei der ersten Nachbesserung im Frühjahr 2017 ihren Verkäuferpflichten hinreichend genügt, wenn sie alle vorhandenen Mängel, insbesondere auch die neben den Antriebsdefekten sodann noch wiederholt festgestellten Mängel an den Kabelsätzen, „in einem Durchgang“ beseitigt hätte, wobei das nach bloßer Mutmaßung der Beklagten überdies eventuell defekte Steuerungsgerät hiervon absehbar sogar mit umfasst sein dürfte.
Bei lebensnaher Beurteilung und insbesondere der gebotenen Rekursion darauf, dass ein (Sach-)Mangel im Sinne des § 434 BGB, gerade im hier einschlägigen Fall des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, schon dann zu bejahen ist, wenn ein Umstand vorliegt, der die Verwendungseignung beeinträchtigt, kommt es weniger auf die konkrete Mangelursache als vielmehr auf die konkrete Mangelauswirkung an. Somit ist als – wiederholt auftretender und allen bisherigen Nachbesserungen standhaltender – Mangel vorliegend die fehlende volle Funktionsfähigkeit des Öffnungs- und Schließmechanismus des Verdecks „als Ganzes“ in den Blick zu nehmen und nicht die einzelne Ursache, die, etwa im Falle des Kabelsatzes, überdies zweimal vorgelegen hat und bezüglich derer eine Nachbesserung erfolglos geblieben ist.
Diesbezüglich ist dem Kläger, vorliegend sogar deutlich über die Anforderungen des § 440 BGB hinausgehend, eine vierte Nachbesserung nicht mehr zumutbar.
bb) Der Kläger muss sich zudem nicht erneut auf eine Nachbesserung verweisen lassen, nachdem die Beklagte ausweislich des undatierten Schreibens der Beklagten (Anlage K4) in Reaktion auf seine Nachfristsetzung vom 04.08.2017 (Anlage K3) jegliche weiteren Bemühungen ernsthaft und endgültig (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB) verweigert hat. Der sich zuvor noch mit einer erneuten Nachbesserung einverstanden erklärende Kläger verhält sich vor diesem Hintergrund mit dem sodann erklärten Rücktritt auch nicht widersprüchlich. Zudem ist bis zum Ablauf der angemessenen Frist, somit bis zum 16.08.2017, keine Abhilfereaktion seitens der Beklagten mehr erfolgt. Die am Tag des Fristablaufs ausgesprochene, anzunehmend aber frühestens erst am nächsten Tag im normalen Postgang der Beklagten zugegangene Rücktrittserklärung (Anlage K5) war somit unter keinen Umständen „verfrüht“.
cc) Die Beklagte kann schließlich bezüglich des unveränderten Bestehens einer zum Rücktrittsrecht führenden Pflichtverletzung im Bereich der Sekundäransprüche, hier der Beseitigung eines bereits Fahrzeugübergabe vorhandenen Mangels, worin wiederum eine eigenständige, zu den Gewährleistungsansprüchen und -rechten führende Pflichtverletzung zu sehen ist, nicht mit dem Einwand eines „mutmaßlichen Verschleißes“ durchdringen. Bereits der diesbezügliche eigene Sachvortrag der Beklagten konzediert insoweit, dass seitens eines – der Beklagten zurechenbaren – Dritten (§ 278 BGB) eine bloße Mutmaßung über das Vorliegen eines Defekts am Steuergerät geäußert worden ist. Ob und inwieweit dieser Defekt sodann, gerade auch angesichts der drei vorherigen Nachbesserungsversuche, einerseits verschleißbedingt und/oder andererseits erst nach Übergabe aufgetreten ist, wäre dem Grunde nach zwar vom Kläger darzulegen und gegebenenfalls auch zu beweisen gewesen.
Im vorliegenden Fall verkennt die Beklagte allerdings, dass der persistierende Mangel, die fehlende Funktionstüchtigkeit des Verdecks respektive des Offnungs- und Schließmechanismus, unstreitig bereits mehrfach nachgebessert werden musste und auch nachgebessert worden ist. Das schlichte unveränderte Nichtfunktionieren dieses Mechanismus, gleich aus welcher weiteren Ursache auch immer, hat der Kläger hinreichend dargelegt und die Beklagte sogar selbst zugestanden. Es obliegt somit nunmehr der Beklagtenseite, durch substantiierten Vortrag zunächst darzulegen und sodann unter Benennung von Anknüpfungstatsachen auf entsprechendes Bestreiten des Klägers hin zu beweisen, dass die „verbliebene“ Mangelursache entweder noch gar nicht bei Übergabe vorgelegen hat und/oder schlichter Verschleiß eingetreten ist. Indem sich die Beklagte in ihrem eigenen Vortrag auf schlichte Mutmaßungen Dritter und damit letztlich einen Vortrag „nach Hörensagen“ beschränkt, fehlt es bereits auf der Darlegungsebene am erforderlichen Vorbringen, womit das angebotene Beweismittel der Einholung eines Sachverständigengutachtens bloße – und zivilprozessual unzulässige – Ausforschung darstellt.
b) Das Rücktrittsrecht des Klägers scheitert vorliegend auch nicht am Vorliegen einer nur unerheblichen Pflichtverletzung (§ 326 Abs. 5 Satz 2 BGB). Gerade bei einem Cabriolet darf, auch im Falle eines Gebrauchtwagenkaufs, der Käufer die uneingeschränkte Nutzbarkeit des zurückklappbaren Verdecks erwarten, zumal dieser Fahrzeugtyp gerade um dieser Möglichkeit willen erworben wird und insoweit kein nur völlig untergeordneter oder rein subjektiver Stellenwert dieser Funktionsfähigkeit gegenüber dem Nutzen eines Fahrzeugs insgesamt angenommen werden kann.
c) Der Kläger hat gegenüber der Beklagten seinen Rücktritt auch wirksam erklärt (§ 349 BGB).
d) Ein wirksamer Ausschluss des Rücktrittsrechts liegt ebenfalls nicht vor.
2. Aufgrund des wirksamen ausgeübten Rücktrittsrechts steht dem Kläger ein Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung in voller Höhe zu (§ 346 Abs. 1 BGB).
Vorliegend wäre, nachdem die Beklagte noch nicht einmal die Einrede der Herausgabe des Kaufgegenstandes unter Rückübereignung, hier des Fahrzeugs, und erst Recht nicht bezüglich der Herausgabe des Wertersatzes bezüglich gezogener Nutzungen erhoben hat (§ 348 Satz 2, § 320 BGB, vgl. Gaier, in: MK-BGB, 7. Aufl. 2016, § 348 Rn. 2), sogar eine unbedingte Verurteilung zur Kaufpreisrückzahlung möglich gewesen. Aufgrund der Antragsbindung (§ 308 ZPO) war gleichwohl das vom Kläger beantragte „minus“, die Verurteilung „Zug um Zug“, ebenso auszusprechen.
Vor diesem Hintergrund konnte neben der konkreten Bestimmung der Höhe des Wertersatzes für die gezogenen Gebrauchsvorteile, mithin Nutzungen, in Gestalt der mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometer auch die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der erst nach erklärtem Rücktritt getätigten Verwendungen nach den Vorgaben des § 347 Abs. 2 BGB dahingestellt bleiben. Erst recht bedurfte es insoweit keiner Entscheidung über die vom Kläger zur Aufrechnung gestellten Ansprüche hieraus gegen einen etwaigen Nutzungsersatzanspruch der Beklagten.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
V.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 2–5 ZPO i.V.m. § 40, § 43 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Eine Streitwerterhöhung wegen der zur Aufrechnung gestellten Forderungen aus Verwendungsersatz und verauslagten Auslagen der Nachbesserung kam mangels Entscheidung hierüber sowie Bestreitens der Beklagten nicht in Betracht (§ 45 Abs. 3 GKG).


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