IT- und Medienrecht

Rundfunkbeitrag, Fakultatives Widerspruchsrecht, Ausübung Wahlrecht, Verbrauch des Widerspruchsrechts durch Klageerhebung, Anspruch auf Befreiung, Zweitwohnung, Nebenwohnung, Gesamtschuldner, Vereinbarung im Innenverhältnis, keine Entrichtung des Beitrags durch Ehegatten oder Lebenspartner

Aktenzeichen  W 3 K 20.708

Datum:
11.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42621
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 68 Abs. 2
VwGO § 68 Abs. 1 S. 2 Alt. 1
AGVwGO Art. 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
AGVwGO Art. 15 Abs. 2
BVerfGG § 31 Abs. 1
BVerfGG § 31 Abs. 2
RBStV § 2 Abs. 1
RBStV § 2 Abs. 3
AO § 44
BGB § 426

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.  

Gründe

Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist das Begehren des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, ihn von der Rundfunkbeitragspflicht für seine Wohnung am R**-K* …-P* …, S* … mit der Rundfunkbeitragsnummer … … … von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
Nicht zum Streitgegenstand der Verpflichtungsklage gehört dabei die Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 21. April 2020 und des danach ergangenen Widerspruchsbescheides vom 28. August 2020, dies unabhängig davon, ob der betreffende Widerspruchsbescheid im vorliegenden Fall überhaupt eine Rechtswirkung entfaltet. Diese Aufhebung ist ein unselbständiger Anfechtungsannex, der im Interesse der Rechtsklarheit von den Gerichten üblicherweise mitentschieden und tenoriert wird (Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 121, Rn. 51 m.w.N.; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 30 m.w.N.).
Ebenfalls nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist die Rechtmäßigkeit einer beim Kläger nach dessen Angaben durchgeführten Zwangsvollstreckung oder durch den Beklagten erlassener Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheide.
Die Klage ist zulässig. Sie wurde ordnungsgemäß erhoben und sie ist durch den im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung unanfechtbaren Widerspruchsbescheid vom 28. August 2020 nicht nachträglich unzulässig geworden. Dies ergibt sich aus folgendem:
Nach §§ 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren vor Erhebung einer wie hier vorliegenden Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO grundsätzlich nachzuprüfen.
Einer solchen Nachprüfung bedarf es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt.
In Bayern entfällt vorbehaltlich der Regelungen in Art. 15 Abs. 1 Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 1992 (GVBl. S. 162, BayRS 34-1-I), zuletzt geändert durch § 3 Gesetz vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 663), gemäß Art. 15 Abs. 2 AGVwGO das Vorverfahren nach § 68 VwGO. Wird dennoch ein Widerspruch eingelegt, ist dieser unstatthaft.
In den in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO hierzu als Ausnahme geregelten Fällen kann der Betroffene entweder Widerspruch einlegen oder unmittelbar Klage erheben. Wird in derartigen Fällen unmittelbar Klage erhoben, bedarf es nach Art. 15 Abs. 1 Satz 3 AGVwGO keiner Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 VwGO.
Das Widerspruchsrecht ist in diesen Fällen fakultativ, das heißt, es besteht ein Wahlrecht zwischen Widerspruch und sofortiger Klage (vgl. Oestreicher/ Decker, Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: Januar 2016, Art. 15 AGVwGO Rn. 4.1 m.w.N.).
Wählt der Adressat eines Bescheides in diesem Fall das Widerspruchsverfahren und ergeht ein ablehnender Widerspruchsbescheid, so kann er hernach Klage erheben. Vor Erlass des Widerspruchsbescheides wäre eine Klage lediglich als Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 VwGO zulässig. Wählt der Adressat eines Bescheids demgegenüber sogleich das Klageverfahren, so kann er hernach – auch innerhalb der Rechtsmittelfrist – nicht mehr zulässigerweise Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid einlegen. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
Nach dem Gesetzeswortlaut ist es zunächst offen, ob das nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO grundsätzlich eingeräumte Wahlrecht zwischen Widerspruchseinlegung und Klage durch seine erstmalige Ausübung verbraucht wird oder ob das erst dann der Fall ist, wenn der Betroffene sich – innerhalb der Rechtsbehelfsfrist – festgelegt hat, dass er auf die Durchführung des Widerspruchverfahrens verzichten will und sich für die Klage entscheidet (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2011 – 11 CS 11.459 – BeckRS 2011, 33325 Rn. 8 m.w.N.; vgl. Oestreicher/Decker, Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: Januar 2016, Art. 15 AGVwGO Rn. 4.1 m.w.N.).
Eine entsprechende ausdrückliche Regelung diesbezüglich hat jedoch weder der Bundes- noch der Landesgesetzgeber getroffen.
Gegen einen Verbrauch des Wahlrechts bei erstmaliger Ausübung spricht, dass für den Fall, dass sich der Rechtsbehelfsführer für den Widerspruch entscheidet (und damit sein Wahlrecht verbraucht), dann feststünde, dass ein Widerspruchsverfahren gerade nicht nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO entbehrlich ist, sondern der statthafte Hauptsacherechtsbehelf vielmehr der Widerspruch ist. In demjenigen Zeitpunkt, in dem der Widerspruch gegenüber der zu diesem Zeitpunkt noch empfangszuständigen Abhilfebehörde zurückgenommen wurde, wäre der streitgegenständliche Entziehungsbescheid damit bestandskräftig geworden und dem Rechtsbehelfsführer damit die Möglichkeit der Klageerhebung genommen (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2011 – 11 CS 11.459 – BeckRS 2011, 33325 Rn. 8 m.w.N.).
Demgegenüber ist zu beachten, dass der Rechtsbehelfsführer zuvor über seine ihm möglichen Reaktionsmöglichkeiten in der Rechtsbehelfsbelehrung(vgl. § 58 VwGO) aufgeklärt worden ist. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass niemand aus Unkenntnis eines Rechtsbehelfs verlustig gehen soll. Die Rechtsbehelfsbelehrungmuss den statthaften Rechtsbehelf, einschließlich der vorgesehenen Frist, den Gegenstand des Rechtsbehelfes sowie die Stelle angeben, bei welcher der Rechtsbehelf einzulegen ist (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 58 Rn. 1 m.w.N.; Kastner in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 58 Rn. 14). Auch unter Berücksichtigung von Art. 19 Abs. 4 GG und dem darin geregelten Gebot des effektiven Rechtsschutzes kommt dabei zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber von einer Schutzwürdigkeit des in der Regel nicht mit den Einzelheiten des Verwaltungsprozesses vertrauten Rechtsbehelfsführers ausgegangen ist.
Ist der Rechtsmittelführer allerdings über die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten hinreichend aufgeklärt worden, ist er in Hinblick auf die Frage, ob er Klage erheben oder Widerspruch einlegen möchte, nicht mehr als schutzwürdig anzusehen, da er sich darüber nicht mehr in Unkenntnis befindet, sondern nur noch sein Wahlrecht ausüben muss. Insoweit bestehen auch in Bezug auf Art. 19 Abs. 4 GG diesbezüglich keinerlei Bedenken, wenn der Rechtsbehelfsführer nach erfolgter Rechtsbehelfsbelehrungdurch eigenen Willensentschluss ein Rechtsmittel im Ergebnis verliert.
Dieses Ergebnis wird vom Willen des Gesetzgebers getragen, der mit der Einführung des fakultativen Widerspruchsverfahrens zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen und Gerichte und Verwaltungen gleichermaßen damit entlasten wollte (vgl. LT-Drs. 15/7252, S. 1,6,9; vgl. Geiger, BayVBl 2008, 161-166 (162)). Falls der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsbehelfsfrist zwischen Widerspruch und Klage nach Belieben wechseln könnte, würde dies die vorgenannten Erwägungen konterkarieren. Zunächst müsste die Rechtsbehelfsfrist abgewartet werden, bevor überhaupt der Rechtsbehelf bearbeitet werden könnte, da nicht auszuschließen wäre, dass der Rechtsmittelführer sich nochmals anders entscheidet. Diese Unsicherheiten würden die Verfahren stark verlangsamen und wären daher auch in Hinblick auf das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG kritisch zu sehen. Darüber hinaus würde ein solches Hin- und Herwechseln zwischen den jeweiligen Rechtsbehelfen sowohl bei Gericht als auch in der Verwaltung einen Mehraufwand verursachen und damit keine Entlastung, sondern eine Belastung verursachen (vgl. Oestreicher/Decker, Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: Januar 2016, Art. 15 AGVwGO Rn. 4.1 m.w.N.).
Nach alledem ist das dem Rechtsbehelfsführer grundsätzlich eingeräumte Wahlrecht bei seiner erstmaligen Ausübung verbraucht (BayVGH, B.v. 10.2.2012 – 11 ZB 11.2813 – BeckRS 2012, 25729 Rn. 40 m.w.N.; Koehl, SVR 2012, 251-256 (253); W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 68 Rn. 17a m.w.N.; Oestreicher/Decker, Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: Januar 2016, Art. 15 AGVwGO Rn. 4.1 m.w.N.; Geiger, BayVBl 2008, 161-166 (165)).
Auf den Fall übertragen bedeutet dies das Folgende:
Zunächst ist das Widerspruchrecht im Rundfunkbeitragsrecht wegen § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AGVwGO fakultativ. Dem Kläger steht damit das oben dargestellte Wahlrecht zu.
Der Kläger hat am 22. Mai 2020 beim Verwaltungsgericht Würzburg Klage erhoben und damit sein ihm zustehendes Wahlrecht zwischen Widerspruch und Klage ausgeübt.
Sein am 26. Mai 2020 erhobener Widerspruch ist deshalb unstatthaft und damit auch der Widerspruchsbescheid vom 28. August 2020 für das Klageverfahren ohne Rechtswirkung. Ist beispielsweise nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein Widerspruch unstatthaft, so hindert seine Erhebung nicht den Ablauf der Klagefrist nach § 74 VwGO und den Eintritt der Bestandskraft (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 68 Rn. 124 m.w.N.). Daraus wird deutlich, dass dem – aus welchen Gründen auch immer – unstatthaften Widerspruch keinerlei Rechtswirkung zukommen soll, da er von der Rechtsordnung gar nicht mehr vorgesehen ist und damit unbehelflich ist.
Damit hat die Widerspruchsentscheidung des Beklagten vom 28. August 2020 auf das vorliegende Verfahren keine Auswirkung. Der Kläger musste insbesondere auch nicht diesen Widerspruchsbescheid in das Verfahren mit einbeziehen, da er ohne Rechtswirkung war. Der Eintritt von dessen Unanfechtbarkeit konnte der am 22. Mai 2020 zulässig erhobenen Klage ihre Zulässigkeit nicht mehr nehmen.
Die Klage ist jedoch in der Sache nicht begründet.
Der Bescheid vom 21. April 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung für die Zweitwohnung auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 (U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 981/17 u.a. – juris).
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag abgesehen von der Regelung über die Rundfunkbeitragspflicht verfassungsgemäß ist. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu tenoriert (BVerfG, a.a.O.):
„1. Die Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Artikel 1 des Fünfzehnten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15. Dezember 2010 sind, soweit sie § 2 Absatz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (abgedruckt in der Anlage zu Artikel 1 des Gesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 ) in Landesrecht überführen, mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insoweit unvereinbar, als Inhaber mehrerer Wohnungen über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen werden.
2. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe weiter anwendbar, dass ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind. Ist über Rechtsbehelfe noch nicht abschließend entschieden, kann ein solcher Antrag rückwirkend für den Zeitraum gestellt werden, der Gegenstand des jeweils angegriffenen Festsetzungsbescheids ist.
3. Die Gesetzgeber sind verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2020 eine Neuregelung zu treffen.“
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ungeachtet der zum 1. Juni 2020 in Kraft getretenen Neuregelung in § 4a des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages – RBStV – i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl. S. 258, ber. S. 404), geändert durch Art. 1 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (B.v. 23.4.2020, 262), bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung durch den Gesetzgeber die richtige Anspruchsgrundlage.
Bei der Beurteilung der Begründetheit der Verpflichtungsklage, d. h. der Frage der Rechtswidrigkeit der Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts und der dadurch verursachten Verletzung von Rechten des Klägers, muss das Gericht grundsätzlich darauf abstellen, ob im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. im Zeitpunkt der Entscheidung ein Rechtsanspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts bestand. Hierfür ist das materielle Recht maßgeblich. Für das Bestehen eines Anspruchs kann es danach auch maßgeblich sein, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch in einem früheren Zeitpunkt oder Zeitraum erfüllt waren. Auf die Frage, ob früher ein Rechtsanspruch auf den beantragten Verwaltungsakt bestand, kommt es auch an, wenn nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts das frühere Recht noch anzuwenden ist bzw. die frühere Sachlage noch maßgeblich bleibt (W.-R. Schenke/ R. P. Schenke in Kopp/ Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 113 Rn. 217 ff., Rn. 226).
Der 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, durch den § 4a RBStV in den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eingefügt wurde, trat nach seinem Art. 2 nach Ratifikation durch die Vertragsparteien am 1. Juni 2020 in Kraft. Der Landtag des Freistaats Bayern hat dem Staatsvertrag mit Beschluss vom 19. März 2020 zugestimmt (B. v. 23.4.2020, GVBl. S. 262).
Die Neuregelung aufgrund des 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrags beinhaltet keine Übergangsvorschriften.
Daher findet die Regelung in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 im Hinblick auf die Rechtsposition aus Art. 3 GG bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 4a RBStV Anwendung, soweit sie einen entsprechenden Anspruch begründet.
Der Tenor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat nach § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG Gesetzeskraft und ist nach § 31 Abs. 1 BVerfGG für die Gerichte verbindlich.
Voraussetzung ist danach, dass der Kläger einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gestellt hat. Weitere Voraussetzung ist, dass der Kläger als Inhaber einer Wohnung seiner Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 und 3 RBStV nachgekommen ist.
Der Kläger hat am 16. Oktober 2018 beim Beklagten unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit sofortiger Wirkung die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung beantragt. Er wäre daher antragsgemäß ab dem 1. August 2018 von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung zu befreien, wenn die weiteren Voraussetzungen hierfür vorliegen (vgl. für Zeiträume vor dem 18.7.2018: VG Greifswald, U.v. 18.2020 – 2 A 1193/19 HWG – n.v.; VG München, GB v. 3.3.2020 – M 6 K 19.1672 – n.v.).
Die weiteren Voraussetzungen für eine Befreiung für die Zweitwohnung liegen indes nicht vor.
Der Kläger ist der Rundfunkbeitragspflicht nicht nachgekommen. Das wäre nur der Fall, wenn er selbst Beiträge nach § 2 Abs. 1 RBStV oder nach § 2 Abs. 3 RBStV mit befreiender Wirkung für Dritte bezahlt hätte.
Dass die Eltern des Klägers für die Hauptwohnung Rundfunkbeiträge mit befreiender Wirkung für den Kläger zahlen (§ 2 Abs. 3 RBStV), führt nicht zu einem Anspruch auf Befreiung.
Dies folgt bereits aus dem Tenor des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018. Der Kläger wird nicht als Inhaber mehrerer Wohnungen im Sinne der Ziffer 1 des Tenors über den Beitrag für eine Wohnung hinaus zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen. Insofern kommt er auch nicht als Inhaber einer Wohnung seiner Rundfunkbeitragspflicht im Sinne der Ziffer 2 nach. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in den Entscheidungsgründen ausgeführt (BVerfG, a.a.O., Rn. 106, 107, 110, 111, 155):
„Hingegen verstößt die Bemessung des Beitrags bei Zweitwohnungen gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Belastungsgleichheit. Soweit Wohnungsinhaber nach der derzeitigen Regelung für eine Wohnung bereits zur Leistung eines Rundfunkbeitrags herangezogen worden sind, ist der Vorteil bereits abgegolten; Zweitwohnungsinhaber würden für den gleichen Vorteil mehrfach herangezogen […] Dabei darf dieselbe Person jedoch für die Möglichkeit der privaten Rundfunknutzung nicht zu insgesamt mehr als einem vollen Beitrag herangezogen werden (Rn. 106).
Der Vorteil ist personenbezogen in dem Sinne, dass es auf denjenigen Vorteil aus dem Rundfunkempfang ankommt, den die Beitragspflichtigen selbst und unmittelbar ziehen können. Das Rundfunkangebot kann aber von einer Person auch in mehreren Wohnungen zur gleichen Zeit nur einmal genutzt werden. Das Innehaben weiterer Wohnungen erhöht den Vorteil der Möglichkeit zur privaten Rundfunknutzung nicht, und zwar unabhängig davon, wie viele Personen in den jeweiligen Wohnungen zusammenwohnen. Nach der derzeitigen Regelung ist mit der Heranziehung einer Person in der Erstwohnung der Vorteil abgeschöpft, und kommt insoweit eine erneute Heranziehung einer Zweitwohnung nicht in Betracht (Rn. 107).
In dem Moment, in dem Beitragspflichtige eine Wohnung als Erstwohnung innehaben, bleiben sie unabhängig von der zusätzlichen Präsenz von Zweitwohnungsinhabern gemäß § 2 RBStV zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichtet (Rn. 110).
Bei einer Neuregelung können die Gesetzgeber […] auch für solche Zweitwohnungsinhaber von einer Befreiung absehen, die die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung durch sie selbst nicht nachweisen. Auf keinen Fall dürfen die Gesetzgeber aber von derselben Person Beiträge für die Möglichkeit der Rundfunknutzung über die Erhebung eines insgesamt vollen Beitrags hinaus verlangen (Rn. 111).
Personen, die nachweislich als Inhaber ihrer Erstwohnung ihrer Beitragspflicht nachkommen, sind auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien.“ (Rn. 155).
Der Kläger wird hier nicht als dieselbe Person zu mehr als einem Beitrag herangezogen. Es handelt sich mithin um keine „erneute“ Heranziehung für seine Zweitwohnung.
Soweit der Gesetzgeber bei einer Neuregelung für solche Zweitwohnungsinhaber von einer Befreiung absehen kann, die die Entrichtung eines vollen Rundfunkbeitrags für die Erstwohnung durch sie selbst nicht nachweisen, gebietet dies im Zeitraum der Übergangsregelung keine entsprechende Freistellung. Es liegt insoweit kein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Verstoß der Belastungsgleichheit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor.
Unerheblich ist dabei, wer die Rundfunkbeiträge im Innenverhältnis trägt (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 99: im Zweifel zu gleichen Teilen, § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Abzustellen ist darauf, wer die Beiträge im Außenverhältnis trägt und insofern „herangezogen“ wird.
Die Rechtsprechung geht nahezu einhellig davon aus, dass kein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Zweitwohnung besteht, wenn der Inhaber die Beiträge für die Erstwohnung nicht selbst entrichtet. (BayVGH, U.v. 22.4.2021 – 7 BV 20.206 – juris Rn. 15 ff. für den Fall einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft; B.v. 25.1.2021 – 7 ZB 20.2880 – juris Rn. 7; vgl. auch BayVGH, B.v. 26.4.2021 – 7 ZB 21.741 – juris Rn. 11; VG Bayreuth, U.v. 22.10.2020 – B 3 K 20.165 – juris; VG Hamburg, U.v. 4.2.2020 – 3 K 899/19 – n.v.; VG Halle, U.v. 31.1.2020 – 6 A 102/19 HAL – n.v.; VG Chemnitz, U.v. 26.2.2020 – 3 K 1533/17 – n.v.; VG Leipzig, U.v. 26.9.2018 – 1 K 1498/17 – n.v.; a.A. VG Greifswald, U.v. 10.3.2020 – 2 A 120/20 HGW – juris für die Nebenwohnung von volljährigen Kindern, die mit ihrem Hauptwohnsitz in der Wohnung ihrer Eltern gemeldet sind; U.v. 4.6.2019 – 2 A364/19 HWG – juris im Falle eines Ehepaars mit Haupt- und Nebenwohnung).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hierzu in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 22. April 2021 folgendes aus (7 BV 20.206 – juris Rn. 22-26):
„[…] Auch die von der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 4. Juni 2019 – 2 A 364/19 HGW – (juris Rn. 31 f.) führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis (Rn. 22).
… Es ist zwar zutreffend, dass mehrere Beitragsschuldner nach § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV entsprechend § 44 der Abgabenordnung als Gesamtschuldner für den Rundfunkbeitrag haften. Dies betrifft allerdings jeweils nur den Rundfunkbeitrag bezogen auf eine konkrete Wohnung. Für die Beitragspflicht bezüglich weiterer Wohnungen ist hieraus – entgegen den klägerischen Ausführungen – nichts abzuleiten. Die Höhe des Rundfunkbeitrags unterscheidet dabei nicht nach der Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen. Dies bedeutet, dass ein alleinlebender Wohnungsinhaber den vollen Rundfunkbeitrag auch allein trägt, während mehrere Wohnungsinhaber den Beitrag untereinander aufteilen können, wobei sie im Innenverhältnis im Zweifel zu gleichen Anteilen haften (vgl. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit ist die Belastung der einzelnen Beitragsschuldner desto geringer, je mehr Personen die Wohnung bewohnen. Diese Belastungsverteilung folgt keiner entsprechenden Differenz in der Möglichkeit der Rundfunknutzung und führt dadurch zu einer Entlastung von Mehrpersonenhaushalten (BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – BVerfGE 149, 222 Rn. 99). Denn der Wert der Empfangsmöglichkeit ist abstrakt bei allen Wohnungsinhabern gleich, da alle über die gleiche Empfangsmöglichkeit verfügen und im gleichen Umfang davon profitieren können. Ist jeder Wohnungsinhaber gleichermaßen Adressat des Rundfunkangebots, hat auch jeder die gleiche Möglichkeit, das Rundfunkangebot zu nutzen, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang es tatsächlich genutzt wird. Denn die Beitragspflicht – nach § 2 Abs. 1 RBStV – besteht ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – BVerfGE 149, 222 Rn. 102 f.). Die in § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV i.V.m. § 44 AO liegende Entlastung von Mehrpersonenhaushalten kann nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hingenommen werden, da die ungleiche Belastung das Maß nicht übersteigt, welches das Bundesverfassungsgericht in vergleichbaren Fällen angelegt hat. Die Leistung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots ist auch dann der Beitragshöhe äquivalent, wenn der Inhaber eines Einpersonenhaushalts zu einem vollen Beitrag herangezogen wird (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a. – BVerfGE 149, 222 Rn. 105). (Rn. 23)
… Anders als es die Klägerin im Ergebnis meint, führt § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV in Bezug auf die von ihr genutzte Nebenwohnung jedoch zu keiner Entlastung, weil es mangels doppelter „Heranziehung“ der Klägerin für zwei Wohnungen nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit kommt (Rn. 24).
… Die Klägerin kann – bezogen auf ihre Nebenwohnung – einen Befreiungsanspruch auch nicht darauf stützen, dass ihr Lebensgefährte den Rundfunkbeitrag für die Hauptwohnung begleicht (Rn. 25).
… Auf ihre im Innenverhältnis zu ihrem Lebensgefährten bestehende privatrechtliche Abrede, sich an den Kosten der Hauptwohnung zu beteiligen, kann sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht berufen. Auf die Frage, ob der von einem Beitragsschuldner gezahlte Rundfunkbeitrag im Innenverhältnis zwischen den Wohnungsinhabern ausgeglichen wird, kommt es für das Bestehen eines Befreiungsanspruchs nicht an.“ (Rn. 26)
Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an. Damit kann der Kläger sich nicht erfolgreich auf die oben genannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berufen.
Der Kläger hat auch unter Anwendung des am 1. Juni 2020 in Kraft getretenen § 4a RBStV keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 RBStV wird eine natürliche Person von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV für eine Nebenwohnung befreit, wenn sie selbst, ihr Ehegatte oder ihr eingetragener Lebenspartner den Rundfunkbeitrag für die Hauptwohnung an die zuständige Landesrundfunkanstalt entrichtet. Gleiches gilt, wenn sie selbst, ihr Ehegatte oder ihr eingetragener Lebenspartner den Rundfunkbeitrag zwar nicht für die Hauptwohnung, jedoch für eine ihrer Nebenwohnungen entrichtet.
Der Gesetzgeber hat hiermit die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung geschaffen und sich dabei innerhalb des vom Bundesverfassungsgericht gesteckten Rahmens zulässigerweise dafür entschieden, nicht per se jede Nebenwohnung zu privilegieren, sondern die Beitragsbefreiung an das Vorliegen von Voraussetzungen zu knüpfen (BayVGH, U.v. 22.4.2021 – 7 BV 20.206 – juris Rn. 30).
Die Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 RBStV liegen im Fall des Klägers nicht vor. Der Rundfunkbeitrag für die Hauptwohnung wird nicht durch den Kläger, seinen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner entrichtet, sondern nach eigenen Angaben durch seine Eltern.
Auch die wirtschaftlich orientierte Argumentation des Klägers dahingehend, dass sein Vater im Ergebnis die Rundfunkbeiträge im streitgegenständlichen Zeitraum gezahlt hat, da der Kläger mangels Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz auf dessen finanzielle Unterstützung angewiesen gewesen sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Unter Bezugnahme auf die obigen Ausführungen ist es für die Frage danach, wer die Rundfunkbeiträge „entrichtet“, maßgeblich, wer die Rundfunkbeiträge im Außenverhältnis trägt. Eine wirtschaftliche Betrachtung, die sich auf die im Innenverhältnis zwischen dem Kläger und dessen Vater bestehenden Begebenheiten bezieht, ist weder vom Gesetzgeber so vorgesehen noch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgegeben. Insbesondere war der Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, überhaupt eine Regelung mit den Rechtsfolgen des § 4a RBStV zu erlassen. Damit besteht erst recht keinerlei Grundlage für einen Befreiungsanspruch, wie ihn der Kläger vorliegend begehrt.
Damit steht dem Kläger weder aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch aus § 4a RBStV ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zu.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nicht nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Es handelt sich hier nicht um einen Anspruch auf Befreiung von den Rundfunkbeiträgen aus sozialen Gründen nach § 4 RBStV und damit nicht um eine Angelegenheit der Fürsorge im Sinne des § 188 Satz 1 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2019 – 7 C 19.1603 – juris Rn. 6; U.v. 22.4.2021 – 7 BV 20.206 – juris Rn. 34, 36).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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