IT- und Medienrecht

Schadensersatz bei dienstpflichtwidriger Beschädigung eines Dienstfahrzeugs

Aktenzeichen  B 5 K 17.536

Datum:
11.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39492
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 75 Abs. 1 S. 1
PostPersRG § 7 Abs. 2
StVO § 14 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Handeln Beamte bei ihrer Tätigkeit entgegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder Einzelweisungen, so verletzen sie objektiv ihre Dienstpflichten. Besteht die Pflichtverletzung in einem Unterlassen, so ist dieses für einen Schaden dann ursächlich, wenn pflichtgemäßes Handeln den Schaden verhindert hätte. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Dienstherr trägt die materielle Beweislast für die objektive Pflichtverletzung sowie eines durch diese Pflichtverletzung dem Dienstherrn verursachten Schadens. Sind keine Tatsachen erwiesen, welche die Möglichkeit eines von dem typischen Geschehensablauf abweichenden Geschehens dartun, so bedarf es für den Ursachenzusammenhang keines weiteren Beweises. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt und dabei Überlegungen unterlässt und Verhaltenspflichten missachtet, die ganz naheliegen und im gegebenen Fall jedem hätten einleuchten müssen. Der Schuldner trägt die materielle Beweislast, wenn sich nicht klären lässt, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Fehlverhalten ist nicht deshalb milder zu bewerten, weil es sich um ein Verhalten handelt, das täglich mehrere hundertmal zu wiederholen ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein sogenanntes Augenblicksversagen stellt keinen hinreichenden Grund dar, den Schuldvorwurf herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben sind. Dass ein Verkehrsteilnehmer an eine erhöhte Gefahr oder an eine gebotene Verhaltensalternative nicht gedacht hat, schließt für sich allein die Möglichkeit einer groben Fahrlässigkeit nicht aus. Vielmehr müssen weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die das momentane Versagen in einem milderen Licht erscheinen lassen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgrund Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Leistungsbescheid vom 31. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach § 7 Abs. 2 des Postpersonalrechtsgesetzes (PostPersRG) i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) haben die bei einem Postnachfolgeunternehmen beschäftigten Beamten, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzt haben, dem Postnachfolgeunternehmen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
a) Voraussetzung für die Rückgriffshaftung ist demnach eine vorsätzliche oder grob fahrlässige rechtswidrige Pflichtverletzung des Beamten, die zu einem darauf kausal beruhenden Schaden des Dienstherrn geführt hat.
b) Der Kläger hat eine ihm obliegende Dienstpflicht verletzt. Beamte müssen bei ihrer Tätigkeit Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie Einzelweisungen beachten, die ihnen ohne weiteres abstrakt ein bestimmtes äußeres Verhalten vorschreiben. Verhalten sie sich nicht wie vorgeschrieben, so ist grundsätzlich die Dienstpflicht objektiv verletzt. Ganz allgemein gehört es zu den allgemeinen Dienstpflichten eines Beamten, das ihm anvertraute oder auch nur schlicht zur Verfügung gestellte dienstliche Material sorgfältig zu behandeln und vor Beschädigung zu schützen. Darüber hinaus legt § 14 Abs. 2 Satz 1 StVO für Beamte, die ein Dienstfahrzeug führen – wie auch für jeden anderen am Verkehr teilnehmenden Kraftfahrzeugführer – als Verhaltenspflicht fest, dass diese die nötigen Maßnahmen zu treffen haben, um Unfälle oder Verkehrsstörungen zu vermeiden, wenn das Fahrzeug verlassen wird. Das dem Kläger ausgehändigte Handbuch für Fahrer und Fahrerinnen der Deutschen Post AG konkretisiert die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dahingehend, dass beim Abstellen des Fahrzeugs eine doppelte Wegrollsicherung erforderlich ist, die durch Anziehen der Feststellbremse und Einlegen eines Ganges gegenläufig zur Fahrtrichtung vorzunehmen ist. Bei starkem Gefälle müssen zudem die Vorderräder zum Fahrbahnrand eingeschlagen werden. Besteht die Pflichtverletzung wie hier in einem Unterlassen, so ist dieses für den Schaden dann ursächlich, wenn pflichtgemäßes Handeln den Schaden verhindert hätte (BVerwG, U.v. 12.8.2008 – 2 A 8/07 – juris Rn. 9). Der Dienstherr trägt die materielle Beweislast für die objektive Pflichtverletzung sowie eines durch diese Pflichtverletzung dem Dienstherrn verursachten Schadens.
Entgegen dem klägerischen Vorbringen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger eine entsprechende Sicherung des Dienstfahrzeugs unterlassen hat bzw. nicht sorgfältig ausgeführt hat, die dann zum Schaden am streitgegenständlichen Zustellfahrzeug geführt hat. Schon die Lebenserfahrung spricht entscheidend gegen die Annahme, dass zwei unabhängig voneinander wirkende Sicherungsmaßnahmen bei korrekter Betätigung gleichzeitig versagen. Die nach dem Unfall stattgefundene Überprüfung des Fahrzeugs in einer Kfz-Werkstatt konnte weder am Getriebe noch an der Feststellbremse einen Mangel feststellen. Zudem ist das Fahrzeug weiter mangelfrei als Zustellfahrzeug bei der Beklagten eingesetzt. Aus diesen Gründen kann sich die Beklagte auf den Beweis des ersten Anscheins für das Fehlen einer doppelten Sicherung berufen. Der Anscheinsbeweis kommt bei typischen Geschehensabläufen in Betracht, und zwar in Fällen, in denen ein gewisser Tatbestand nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und infolgedessen wegen des typischen Charakters des Geschehens die konkreten Umstände des Einzelfalles für die tatsächliche Beurteilung ohne Bedeutung sind. Sind keine Tatsachen erwiesen, welche die Möglichkeit eines von dem typischen Geschehensablauf abweichenden Geschehens dartun, so bedarf es für den Ursachenzusammenhang keines weiteren Beweises (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1981 – 2 C 17.81 – ZBR 1982, 307, juris Rn. 18; U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – ZBR 2012, 38, juris Rn. 13). Diesen Anscheinsbeweis konnte der Kläger nicht erschüttern. Insbesondere stellt der Verweis auf ein spontanes technisches Versagen ohne jegliche Anhaltspunkte hierfür kein glaubwürdiges Vorbringen dar, sondern ist als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren. Ebenso ist es nicht ungewöhnlich, dass ein ohne Sicherung abgestelltes Fahrzeug bei einem geringen Gefälle nicht sofort losrollt. Dass das Zustellfahrzeug sich beim ersten Verlassen des Kraftfahrzeugs zunächst noch nicht in Bewegung setzte, sondern erst beim zweiten Verlassen, steht dem nicht entgegen und kann auf diverse Ursachen zurückzuführen sein, wie einer beispielsweisen Verlagerung des Fahrzeugschwerpunktes aufgrund der geöffneten Tür.
Im Übrigen sind auch keine Rechtfertigungsgründe des Klägers ersichtlich.
c) Die Pflichtverletzung war auch schuldhaft, da der Kläger grob fahrlässig handelte. Der Fahrlässigkeitsbegriff bezieht sich auf ein individuelles Verhalten des Beamten. Dementsprechend muss stets unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände, d.h. der individuellen Kenntnisse und Erfahrungen des Beamten beurteilt werden, ob und in welchem Maß das Verhalten fahrlässig war. Grobe Fahrlässigkeit erfordert ein objektiv besonders schwerwiegendes und auch subjektiv schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten, das über das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich hinausgeht. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich schwerem Maße verletzt und dabei Überlegungen unterlässt und Verhaltenspflichten missachtet, die ganz naheliegen und im gegebenen Fall jedem hätten einleuchten müssen (BVerwG, U.v. 2.2.2017 – 2 C 22.16 – juris Rn. 14; U.v. 29.4.2004 – 2 C 2.03 – BVerwGE 120, 370/374; BayVGH, B.v. 26.2.2018 – 6 ZB 17.2324 – juris Rn. 6; B.v. 1.6.2017 – 6 ZB 17.903 – juris Rn. 6; B.v. 29.1.2014 – 6 ZB 12.1817 – juris Rn. 7). Hinsichtlich der materiellen Beweislast für das Verschulden gilt der Rechtsgedanke der Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der Schuldner trägt demnach die materielle Beweislast, wenn sich nicht klären lässt, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Gemessen daran hat sich der Kläger objektiv grob fahrlässig verhalten, was ihm auch subjektiv vorwerfbar ist. Hier musste sich dem Kläger – wie auch jedem anderen Teilnehmer am Straßenverkehr – geradezu aufdrängen, dass eine fehlende Wegrollsicherung selbst bei einem nur leichten Gefälle zu einem In-Bewegung-Setzen des Fahrzeugs führen und einen Schaden verursachen kann. Zumindest eine der beiden im Handbuch vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen hätte der Kläger – auch auf ebener Straße – zur Vermeidung eines Unfalls vornehmen müssen.
d) Das Fehlverhalten des Klägers ist – anders als von ihm vorgetragen – auch nicht milder zu bewerten, weil es sich bei dem Abstellen des Fahrzeugs um ein Verhalten handele, das täglich mehrere hundertmal von ihm zu wiederholen sei. Darüber hinaus stellt es auch keine Entschuldigung dar, dass der Kläger gegebenenfalls aufgrund von Zeitdruck nicht mehr in ausreichendem Maße konzentriert war. Ein sogenanntes Augenblicksversagen stellt keinen hinreichenden Grund dar, den Schuldvorwurf herabzustufen, wenn – wie hier – die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit gegeben sind. Eine Vielzahl der Fälle unbewusster Fahrlässigkeit, insbesondere bei Regelverstößen im Straßenverkehr, beruht gerade darauf, dass der Handelnde für eine kurze Zeit unaufmerksam ist und das an ihn gerichtete Verbot oder Gebot übersieht. Dass der Verkehrsteilnehmer an die erhöhte Gefahr oder an die gebotene Verhaltensalternative nicht gedacht hat, ist typisch für Fälle der unbewussten Fahrlässigkeit und schließt für sich allein die Möglichkeit einer groben Fahrlässigkeit noch nicht aus (NdsOVG, B.v. 2.4.2013 – 5 LA 50/12 – juris Rn. 8). Vielmehr müssen weitere, in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände hinzukommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen (BayVGH, B.v. 26.2.2018 – 6 ZB 17.2324 – juris Rn. 8; NdsOVG, B.v. 2.4.2013 – 5 LA 50/12 – juris Rn. 8). Diese sind durch den pauschalen Verweis auf einen möglichen hohen Termindruck ohne nähere Konkretisierung weder vorgetragen, noch im Weiteren ersichtlich. Schließlich ist auch dem klägerischen Einwand, dass es sich bei dem vorliegenden Ereignis um einen typischen und häufig auftretenden Unfall handele, nicht zu folgen. Allein die Häufigkeit eines Unfallereignisses im Straßenverkehr lässt keinen Rückschluss auf einen geringeren Verschuldensvorwurf im jeweiligen Einzelfall zu.
e) Der Sachschaden in Höhe von 1.746,44 Euro ist der Beklagten als Dienstherrin entstanden. Die Postnachfolgeunternehmen sind nach § 1 Abs. 1 PostPersRG zur Geltendmachung des Regressanspruchs ermächtigt.
3. Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Vollstreckungsentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO).
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr.3 und Nr.4 VwGO liegen nicht vor.


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