IT- und Medienrecht

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Aktenzeichen  33 O 8214/18

Datum:
11.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15128
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat nicht nachzuweisen vermocht, dass ihr der auf Grundlage von § 9 UWG geltend gemachte Schaden in Höhe von 838.867,41 EUR entstanden ist. Für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO fehlt es an ausreichenden Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen.
I. Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Dieser ist beschränkt auf den Umfang der Rechtskraft des Urteils des Vorprozesses. Die Klägerin kann deshalb nur Ersatz des Schadens verlangen, der ihr durch die konkrete, rechtskräftig untersagte wettbewerbswidrige Handlung der Beklagten entstanden ist.
1. Auf Grund des rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozesses steht zwischen den Parteien fest, dass die Beklagte gemäß §§ 9, 3 Nr. 1, 3a UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 2 Nr. 3, 6 Abs. 1 und 2, 7 MPG zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, welcher ihr dadurch entstanden ist, dass die Beklagte die Produkte „R… SkinNeedler“ und „R… SkinNeedler Precision Liner, sterilisierte Nadelmodule“ im geschäftlichen Verkehr angeboten und/oder in den Verkehr gebracht hat, wie geschehen mit „Anlage K 10“ [im hiesigen Verfahren vorgelegt als Anlage B 1] (vgl. Urteil des LG München I vom 28.03.2017, Az. 33 O 9370/16). Ferner wurde sie zum Ersatz des Schadens verpflichtet, welcher ihr dadurch entstanden ist, dass sie das Produkt „R… SkinNeedler Precision Liner, sterilisierte Nadelmodule“ ohne die Kennzeichnung „STERIL“ und ohne die Angabe des Sterilisationsverfahrens angeboten und/oder in den Verkehr gebracht hat, während es wie mit Anlage K 10 [vorliegend: Anlage B 1] beworben wurde.
2. Die Bindungswirkung des Feststellungsurteils ergibt sich aus dem Umfang der Rechtskraft. Diese reicht gemäß § 322 Abs. 1 ZPO so weit, wie das Feststellungsurteil über den durch die Feststellungsklage erhobenen Anspruch entschieden hat. Reicht die Urteilsformel allein nicht aus, um den Rechtskraftgehalt der Entscheidung zu erfassen, sind Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen (vgl. BGH GRUR 2008, 933 Tz. 13 – Schmiermittel; BGH GRUR 2002, 915, 916 – Wettbewerbsverbot in Realteilungsvertrag).
3. Vorliegend lässt sich bereits der Urteilsformel entnehmen, dass der Verbotstenor (Ziffer I. des Urteils des LG München I vom 23.05.2017, Az. 33 O 9370/16, in der Fassung des Urteils des OLG München vom 01.02.2018, Az. 6 U 2255/17) – und der hierauf rückbezogene Schadensersatzfeststellungsausspruch (Ziffer IV. des landgerichtlichen Urteils) – auf die konkrete Verwendungsform beschränkt ist, die streitgegenständlichen Produkte „R… SkinNeedler“ und „R… SkinNeedler Precision Liner, sterilisierte Nadelmodule“ mithin keinem „per-se“-Verbot unterliegen.
Die Entscheidungsgründe stützen dieses Ergebnis. Das LG München I führt insoweit aus, dass „[d]er SkinNeelder […] erst durch die in Anlage K 10 vorgenommene Zweckbestimmung, nämlich die Behandlung von Dehnungsstreifen und atrophen Narben, zu einem Medizinprodukt [wird], so dass ein über diese konkrete Verletzungsform hinausgehender Verbotsantrag nicht durchgreifen kann“ (vgl. Urteils des LG München I vom 23.05.2017, Az. 33 O 9370/16 S. 35, 36). Das OLG München hat hat eine entsprechende Beschränkung auch für den Verbotsantrag Ziffer I.2. vorgenommen (vgl. Urteils des OLG München vom 01.02.2018, Az. 6 U 2255/17, S. 11, 12).
Der Beklagten wurde der Vertrieb ihrer Produkte ohne vorherige Durchführung eines für Medizinprodukte vorgesehenen Konformitätsbewertungsverfahrens folglich (nur) in Kombination mit einer Bewerbung gemäß Anlage B 1 untersagt (vgl. Urteil des LG München I vom 23.05.2017, Az. 33 O 9370/16, S. 30, 35, 36; OLG München vom 01.02.2018, Az. 6 U 2255/17, S. 11 f.). Ersatzfähig ist mithin auch nur der hiermit in kausalem Zusammenhang stehende Schaden.
II. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Nachweis dafür, dass ihr durch die wettbewerbswidrige Handlung der Beklagten ein Schaden in Form entgangenen Gewinnes in Höhe von 838.867,41 EUR entstanden ist, nicht erbracht. Mangels greifbarer Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung waren ferner weder eine Schätzung des Schadens in vollem Umfang noch die Ermittlung eines gewissen Mindestschadens nach § 287 Abs. 1 ZPO möglich. Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
Im Einzelnen:
1. Hinsichtlich der Höhe des konkret entstandenen Schadens ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH GRUR 2016, 860 Tz. 19 – Deltamethrin II). Dabei gelten für die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs die §§ 249 ff. BGB. Dem von einem Wettbewerbsverstoß unmittelbar Betroffenen kommen bei der Darlegung und dem Nachweis eines entgangenen Gewinns jedoch die Erleichterungen gemäß § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO zugute (vgl. BGH GRUR 2016, 860 Tz. 21 – Deltamethrin II; BGH GRUR 2008, 933 Tz. 19 – Schmiermittel). Demzufolge ist ein Gewinnentgang bereits dann zu bejahen, wenn es nach den gewöhnlichen Umständen des Falls wahrscheinlicher ist, dass der Gewinn ohne das haftungsbegründende Ereignis erzielt worden, als dass er ausgeblieben wäre (BGH GRUR 2016, 860 Tz. 21 – Deltamethrin II; BGH GRUR 2008, 933 Tz. 19 – Schmiermittel).
2. Sowohl § 287 ZPO als auch § 252 BGB verlangen für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen (vgl. BGH GRUR 2016, 860 Tz. 26 – Deltamethrin II; BGH GRUR 2008, 933 Tz. 19 – Schmiermittel). Wer Ersatz des Gewinns verlangt, der ihm in Folge einer durch eine unlautere geschäftliche Handlung verursachten Verminderung seines Umsatzes entgangen ist, muss dem Gericht die Tatsachen vortragen, die es diesem ermöglichen, zu beurteilen, dass er den als Schadenersatz verlangten Betrag tatsächlich als Gewinn erzielt hätte, wenn der Konkurrent das beanstandete Verhalten nicht vorgenommen hätte. Die Bestimmung des § 252 S. 2 BGB, nach welcher der Gewinn als entgangen gilt, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte und die Vorschrift des § 287 ZPO, nach der das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung darüber entscheidet, wie hoch sich ein unter den Parteien streitiger Schaden beläuft, entheben den Verletzten zwar der Notwendigkeit, den entgangenen Gewinn genau zu belegen. Sie ersparen es ihm jedoch nicht, dem Gericht eine tatsächliche Grundlage zu unterbreiten, die diesem eine wenigstens im Groben zutreffende Schätzung des entgangenen Gewinns ermöglicht (BGH GRUR 2016, 860 Tz. 21 – Deltamethrin II).
3. Der Umsatz des Verletzers kann als Anhaltspunkt für die Gewinneinbußen des Berechtigten von Bedeutung sein (vgl. BGH GRUR 2016, 860 Tz. 27 – Deltamethrin II; BGH GRUR 2008, 933 Tz. 20 – Schmiermittel; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, UWG, 4. Auflage, § 9 Rdn. 138a).
Grundsätzlich begegnet es deshalb keinen Bedenken, wenn die Klägerin zur Darlegung ihres entgangenen Gewinns die Umsätze heranzieht, die die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum erzielt hat.
Allerdings gibt es keinen Erfahrungssatz dahin, dass der entgangene Gewinn dem Verletzergewinn entspricht, oder dass der Umsatz des Verletzers dem Verletzten zugutegekommen wäre. Die Umsatzentwicklung beim Verletzer kann allenfalls Anhaltspunkt, nicht alleinige Berechnungsgrundlage sein (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Goldmann, UWG, 4. Auflage, § 9 Rdn. 138b; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 9 Rdn. 1.35).
Auch im vorliegenden Fall bieten die Umsatzzahlen der Beklagten allein keine ausreichende Grundlage für eine Schadensberechnung oder Schadensschätzung. Dies gilt selbst dann, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass sie im maßgeblichen Zeitraum der einzige deutsche Hersteller war, der zu den Produkten „R… SkinNeedler“ und „R… SkinNeedler Precision Liner, sterilisierte Nadelmodule“ nach Grundkonstruktion und Funktionsweise vergleichbare Produkte als konformitätsbewertete Medizinprodukte der Klasse II a in Deutschland in den Verkehr gebracht hat. Denn auch in diesem Fall kann nicht angenommen werden, dass jeder Kaufentschluss – und damit der gesamte Umsatz der Beklagten – allein durch die übereinstimmenden Konstruktions- und Funktionsmerkmale und nicht durch andere wesentliche Umstände – wie eine bereits bestehende Vertragsbindung an die Beklagte – verursacht worden ist (vgl. BGH NJW 1992, 2753, 2756 – Tchibo/Rolex II).
So hat denn auch die Beklagte ausgeführt, dass eine von ihr durchgeführte Umfrage ergeben habe, dass nur eine/r von 170 Befragten auf die Frage „was sie getan hätten, wenn sie den R… SkinNeedler nicht gekauft hätten“ geantwortet habe, dass er das Produkt der Klägerin statt des Produktes der Beklagten erworben hätte (vgl. eidesstattliche Versicherung, B 6). Die Zeugin R… hat bei ihrer Zeugenvernehmung glaubhaft bekundet, die von der Beklagten initiierte Umfrage versandt und die in Anlage B 6 wiedergegebenen Ergebnisse erhalten zu haben.
4. Die Produkte der Beklagten unterlagen im haftungsrechtlich relevanten Zeitraum keinem per-se Verbot (siehe A.I.). Für die Ermittlung des Schadens der Klägerin kommt es folglich maßgeblich darauf an, welche Umsatzzahlen der Beklagten ursächlich darauf zurückzuführen sind, dass die Beklagte ihre Produkte „R… SkinNeedler“ und „R… SkinNeedler Precision Liner, sterilisierte Nadelmodule“ mit einer medizinischen Zweckbestimmung, namentlich mit den Angaben „Erfolgreich gegen: […] atrophe Narben und Dehnungsstreifen“, wie geschehen in Anlage B 1, beworben hat.
Dass alle von der Beklagten im Zeitraum vom 1. Quartal 2016 bis einschließlich 07.03.2018 veräußerten Produkte (514 „R… SkinNeedler“ und 37.880 „R… SkinNeedler Precision Liner, sterilisierte Nadelmodule“) von den Kunden der Beklagten ausschließlich wegen der Bewerbung der Produkte mit einer medizinischen Zweckbestimmung, wie geschehen mit Anlage B 1, erworben wurden, und nicht wegen anderer wesentlicher Umstände (etwa einer bestehenden Vertragsbindung), hat die Klägerin nicht nachzuweisen vermocht. Auch für eine Schadensschätzung fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten.
a) Die Klägerin hat zum Nachweis der Kausalität eine Marktanalyse initiiert, in welcher sie im Zeitraum 03.06.2019 bis 07.06.2019 insgesamt 35 Kosmetikerinnen u.a. dazu befragt hat, in welchen Bereichen sie das Micro-Needling angewendet haben, und ob ein zertifiziertes Medizinprodukt ein ausschlaggebender Grund sei, um sich für den Kauf zu entscheiden. Die einvernommenen Zeuginnen D… H… und Dr. C… B… welche die Marktanalyse im Auftrag der Klägerin durchgeführt haben, haben glaubhaft und in Übereinstimmung mit den als Anlage K 8 und K 9 vorgelegten Unterlagen ausgesagt, dass 97,14 % der befragten Kosmetikerinnen angegeben haben, das Micro-Needling zur Behandlung von atrophen Narben und 45,71 % zur Behandlung von Dehnungsstreifen zu verwenden (vgl. Zeugenaussage H…, Protokoll Bl. 3 d.A.; Zeugenaussage Dr. B… Protokoll Bl. 5 d.A.). Ferner hätten fast alle Befragten angegeben, dass ihnen ein zertifiziertes Medizinprodukt sowie die Sterilität der Produkte wichtig seien (vgl. Zeugenaussage H…, Protokoll Bl. 3 d.A.; Zeugenaussage Dr. B… Protokoll Bl. 5 d.A.).
b) Allerdings waren nach dem – insoweit unstreitigen – Vortrag der Klägerin 31 der 35 befragten Kosmetikerinnen vertraglich als „sog. Konzeptanbieter“ an die Beklagte gebunden. Dies haben die Zeuginnen H… und Dr. B… bestätigt (vgl. Zeugenaussage H…, Protokoll Bl. 3 d.A.; Zeugenaussage Dr. B… Protokoll Bl. 5 d.A.). Die Zeugin H… hat zudem ausgesagt, dass die vertragliche Bindung von den Befragten als ausschlaggebender Grund für den Kauf der streitgegenständlichen Produkte angegeben worden sei (vgl. Zeugenaussage H…, Protokoll Bl. 3 d.A.). Bereits aus diesem Grund trifft die seitens der Klägerin durchgeführte Umfrage keine ausreichende Aussage darüber, welcher Anteil der Kunden der Beklagten die streitgegenständlichen Produkte tatsächlich aufgrund der Bewerbung mit einer medizinischen Zweckbestimmung gemäß mit Anlage B 1 – und nicht etwa allein wegen der vertraglichen Bindung zur Beklagten – erworben hat.
c) Die Zeuginnen H… und Dr. B… haben ferner ausgesagt, bei der durchgeführten Umfrage nicht erfragt zu haben, zu welchem Zeitpunkt die streitgegenständlichen Produkte von den Befragten erworben wurden und/oder, ob sie die Werbebroschüre, in welcher die Beklagte die medizinische Zweckbestimmung getroffen hat, kennen (vgl. Zeugenaussage H…, Protokoll Bl. 4 d.A.; Zeugenaussage Dr. B… Protokoll Bl. 5 d.A.). Nicht ausgeschlossen werden kann deshalb, dass ein Teil der Kunden die streitgegenständlichen Produkte zu medizinischen Zwecken eingesetzt hat, ohne von der entsprechenden Zweckbestimmung durch die Beklagte überhaupt Kenntnis erlangt zu haben. Auch dieser Teil der Kunden kann in die Schadensberechnung nicht einfließen.
d) Die Zeugin H… hat schließlich den Vortrag der Klägerin gestützt, dass alle Befragten angegeben haben, die Produkte „R… SkinNeedler“ und „R… SkinNeedler Precision Liner, sterilisierte Nadelmodule“ auch zu nicht-medizinischen Zwecken, namentlich zur Faltenbehandlung eingesetzt zu haben (vgl. Zeugenaussage H…, Protokoll Bl. 3 d.A.). Diese Aussage lässt sich ebenso der mit Anlage K 9 vorgelegten Tabelle entnehmen, welche nach Angaben der Zeugin Dr. B… von ihr erstellt und deren Inhalt von ihr als zutreffend anerkannt wurde (vgl. Zeugenaussage Dr. B…, Protokoll Bl. 5). Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein Teil der Erwerber die streitgegenständlichen Produkte der Beklagten auch ohne eine medizinische Zweckbestimmung erworben hätte.
e) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass ein Großteil der Befragten in der von ihr initiierten Umfrage angegeben hat, dass ein zertifiziertes Medizinprodukt ein ausschlaggebender Grund für die Kaufentscheidung sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Umfrage wegen der geschlossenen, konkrete Antworten vorgebenden Fragestellung nur eingeschränkte Aussagekraft zukommt (vgl. BGH GRUR 1997, 669, 671 – Euromint). Vor allem aber steht diese Aussage im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Produkte der Beklagten von den Kunden im streitgegenständlichen Zeitraum erworben wurden, obwohl sie gerade nicht zertifiziert waren.
f) Welchen Einfluss die Bewerbung der Produkte „R… SkinNeedler“ und „R… SkinNeedler Precision Liner, sterilisierte Nadelmodule“ mit einer medizinischen Zweckbestimmung auf die Kaufentscheidung der Erwerber hatte, lässt sich danach nicht – auch nicht mit der für einen Mindestschaden ausreichenden Sicherheit – sagen.
Eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO aber nicht zu (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 9 Rdn. 1.35).
5. Ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung ergeben sich schließlich auch nicht aus den vorgetragenen Umsatzeinbußen der Klägerin im Jahr 2018 (vgl. Übersicht, K 10). Denn die Umsatzentwicklung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. So lassen sich auch der als Anlage K 10 vorgelegten „Übersicht der Verkaufszahlen eDs und eDs Tips“ Schwankungen entnehmen. Zwar verkaufte die Klägerin danach im Jahr 2016 und 2017 deutlich höhere Stückzahlen „eD…“ als im Jahr 2018, indes lagen die verkauften Stückzahlen im Jahr 2015 (noch) unterhalb der verkauften Stückzahlen im Jahr 2018.
6. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der notwendigen Anknüpfungstatsachen kam nicht in Betracht. Ein Sachverständiger ist erst dann hinzuzuziehen, wenn aus feststehenden Tatsachen kraft besonderer Fachkunde Schlussfolgerungen gezogen werden sollen. Der Sachverständige darf die Tatsachen, auf deren Grundlage er seine sachkundige Beurteilung vorzunehmen hat, grundsätzlich nicht von sich aus ermitteln. Das Beibringen dieser Tatsachen ist Sache der beweispflichtigen Partei (vgl. Zöller/Greger, § 404a Rdn. 3; Musielak/Voit/Stadler, 17. Aufl. 2020 Rn. 7, ZPO § 355 Rn. 7).
7. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Klägerin ihre Produkte an Kosmetikerinnen hätte verkaufen dürfen, kommt es nach alledem nicht an, da die Klägerin den Schadensnachweis unabhängig von dieser Frage nicht zu führen vermochte.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 ZPO.
D. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Verkündet am 11.05.2021


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