IT- und Medienrecht

Schadensersatzanspruch des Käufers eines vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller

Aktenzeichen  41 O 16998/19

Datum:
3.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25296
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, §§ 249 ff., § 826
ZPO § 287

 

Leitsatz

Der Käufer eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs kann vom Fahrzeughersteller als Schadensersatz die Erstattung der geleisteten Kfz-Steuer und Versicherungsprämien sowie der Kosten für Inspektionen und eine Garantieverlängerung als Schadensersatz nur verlangen, wenn er bei Kenntnis von der Betroffenheit des erworbenen Fahrzeugs von dem Abgasskandal kein Fahrzeug gekauft bzw. im Falle des Erwerbs eines anderen Fahrzeugs keine Garantieverlängerung abgeschlossen hätte. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 17.701,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.12.2019 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw VW Caddy Trendline 1,6 l TDI BlueMotion, Fahrzeug-Ident-Nr.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten Pkw in Annahmeverzug befindet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 45% und die Beklagte trägt 55%.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
6. Der Streitwert wird auf 26.453,73 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage erweist sich überwiegend als begründet. 
1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 826 BGB auf Zahlung von 17.701,84 €, Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs (Antrag 1).
A. Der Anspruch besteht dem Grunde nach. 
AA. Indem die Beklagte den unstreitig mit der im Tatbestand beschriebenen Umschaltlogik ausgestattete Motor entwickelt und das mit diesem Motor ausgestattete Fahrzeug in den Verkehr gebracht hat, welches später wiederum an den Kläger verkauft wurde, hat die Beklagte den Kläger sittenwidrig geschädigt.
Das Gericht geht davon aus, dass die ursprünglich in dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandene Umschaltlogik einen Sachmangel darstellt. Die Umschaltlogik bewirkt unstreitig, dass der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs den Ausstoß von Stickoxiden nur im Prüfstandmodus drosselt und unter realen Fahrbedingungen dann verstärkt Stickoxide ausstößt. Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass der Kläger – unabhängig von der Frage, in welchem Ausmaß es für die Kaufentscheidung tatsächlich gespielt hat, dass das Fahrzeug ,,umweltfreundlich“ ist – mit dem Vorliegen einer solchen Umschaltlogik nicht rechnet und diese damit auch nicht Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung sein kann. Der normale Kunde und damit auch der Kläger vertraut nachvollziehbarer Weise darauf, dass ein erworbenes Fahrzeug die unter Testbedingungen erbrachten Leistungen auch im realen Betrieb erfüllt. Ein Fahrzeug wird regelmäßig aufgrund der von dem Verkäufer/Hersteller/Motorhersteller angegebenen Leistungsdaten erworben und in der Annahme, das Fahrzeug werde diese Leistung auch dann erbringen, wenn es im Alltag eingesetzt wird.
An dieser Einschätzung ändert sich auch nicht deswegen etwas, weil die Beklagte meint, das Fahrzeug sei trotz der Umschaltlogik jederzeit sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt gewesen. Bereits die Konstruktion des sogenannten Softwareupdates beweisen das Gegenteil. Es ist nicht ersichtlich, warum ein solche Update überhaupt hätte entwickelt werden müssen, wenn das Fahrzeug angeblich sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sein soll.
Das bewusste Inverkehrbringen eines derartig mangelhaften Fahrzeugs stellt nach Ansicht des Gerichts auch im konkreten Fall eine sittenwidrige Schädigung zu Lasten des Klägers dar. Nach allgemeiner Ansicht ist eine Schädigung dann sittenwidrig, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 826 Rn. Randnummer 9). Die Sittenwidrigkeit sieht das Gericht hier darin, dass die Beklagte mit der Abschalteinrichtung, ein System zur planmäßigen Verschleierung gegenüber den Aufsichtsbehörden und auch den Verbrauchern geschaffen hat. Die Entwicklung einer derartigen Software kann plausibel nur dadurch erklärt werden, dass sich die Beklagte durch die Umschaltlogik einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten verschaffen wollte, weil sie entweder nicht über eine Technik verfügte, mit der auch im Realbetrieb die erforderlichen niedrigen Stickoxidwerte erreicht werden konnten, oder weil die Entwicklung einer solchen Technik ihr unwirtschaftlich erschien. In beiden Fällen spricht aus der Entwicklung der Software die Absicht, auf Kosten der Umwelt und der Kunden die eigenen Kosten zu minimieren und den eigenen Gewinn zu steigern. Ein anderes Motiv der Beklagten, welches die Konstruktion und den Einbau der ursprünglich in dem Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs eingebauten Software plausibel erklären könnte, ist nicht erkennbar und wird auch von der Beklagten nicht vorgetragen. Dass der Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung als eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Käufer derartig manipulierter Fahrzeuge einzuordnen ist, ist inzwischen im Übrigen auch bereits höchstrichterlich entschieden (BGH, Urteil vom 25.05.2020, NJW 2020, 1962).
BB. Die Beklagte handelte in Bezug auf die beschriebene sittenwidrige Schädigung des Klägers auch vorsätzlich. Das Gericht geht dabei davon aus, dass, wie von dem Kläger vorgetragen, zumindest Teile des Vorstandes oder hochrangige Mitarbeiter der Beklagten von der Konstruktion und dem Einbau der Software in das streitgegenständliche Fahrzeug gewusst und diese auch gebilligt hat.
Insofern hat der Kläger in ihrer Klage nach Ansicht des Gerichts hinreichend konkret vorgetragen, dass zumindest der Vorstand der Beklagten und führende Mitarbeiter im aktienrechtlichen Sinne gemäß § 31 BGB im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beklagte seit ca. 2006 von der Entwicklung und dem Einbau der Software gewusst haben müssen. Ein weiterer Vortrag ist dem Kläger nachvollziehbarer Weise nicht möglich, weil er in die Betriebsinterna der Beklagten keinen Einblick hat.
In der Folge trifft die Beklagte (wie ebenfalls bereits höchstrichterlich in dem bereits in Bezug genommenen Urteil des BGH entschieden wurde), die als einzige Einblick in die Betriebsinterna hat, eine sekundäre Darlegungslast, d.h. die Beklagte hätte im Rahmen des Bestreitens zumindest konkret darlegen müssen, aus welchen Erkenntnissen heraus sie bestreitet, dass ihre Vorstandsmitglieder und andere Mitarbeiter von der Software gewusst und gebilligt haben. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass dies der Beklagten unzumutbar gewesen wäre. Die Beklagte erwähnt selbst, dass es interne ,,Erkenntnisse“ bei der Beklagten gibt und dass diese bislang ergeben hätten, dass jedenfalls die von dem Kläger genannten Personen zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses weder befasst gewesen wären noch dies gewusst hätten. Dann wäre es der Beklagte aber doch ohne weiteres möglich gewesen, die ihr offenbar vorliegenden Erkenntnisse daraus zumindest in Bezug auf die von dem Kläger benannten Personen offenzulegen und so den Vortrag des Klägers zu entkräften., bzw. ihrer sekundären Beweislast nachzukommen und den Kläger zu konkreterem Vortrag zu zwingen. Warum dies unzumutbar sein soll, kann das Gericht nicht erkennen. Die Beklagte wäre doch gehalten gewesen vorzutragen, warum die von dem Kläger genannten Personen nicht von der Software gewusst haben können. Dass dies zwingend dazu führen muss, dass die Beklagte dem Kläger Material für einen schlüssigen Vortrag liefert, kann das Gericht nicht erkennen.
Ihrer sekundären Darlegungslast ist die Beklagte gerade nicht nachgekommen der Verweis auf nicht näher überprüfbare Erkenntnisse stellt sich nicht anders als ein einfaches Bestreiten dar. Da ein substanziiertes Bestreiten durch die Beklagte nicht erfolgt ist, ist der Vortrag des Klägers hinsichtlich des Vorsatzes der Vorstände der Beklagten als zugestanden anzusehen (Zöller/Greger, ZP0, 32. Auflage 2018, § 138 Rn. 8b).
Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Beklagte auch die Kenntnis von führenden Mitarbeitern der Beklagten bei der Motorenentwicklung von der Entwicklung und dem Einbau der Manipulationssoftware gar nicht ernsthaft bestreitet, sondern sich lediglich darauf zurückzieht, dass sie diesbezüglich keine Erkenntnisse hätte. Auch führende Mitarbeiter der Beklagten können aber neben dem Vorstand durchaus Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB sein und damit der Beklagten zugerechnet werden.
CC. Der Anspruch ist auch noch nicht verjährt. Insofern hat die Beklagte nicht nachgewiesen, dass der Kläger bereits im Jahr 2015 von allen anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Es genügt insofern nicht, dass die Beklagte darauf verweist, zu dem sogenannten Abgasskandal habe eine umfangreiche mediale Berichterstattung existiert und die Beklagte habe durch Pressemitteilungen/Ad-hoc-Mitteilungen darauf aufmerksam gemacht, Internetportale freigeschaltet und den Handel informiert. All dies stellt keinen Nachweis dahingehend dar, dass der Kläger bereits 2015 Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen hatte. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich schon nicht, dass der Kläger überhaupt im Jahr 2015 darüber informiert wurde, dass gerade sein Fahrzeug von dem sogenannten Abgasskandal erfasst ist. Es besteht auch nicht, wie dies offenbar die Beklagte zu glauben scheint, eine allgemeine Pflicht zum Konsum von Medien oder von Pressemitteilungen der Beklagten. Vielmehr ist es Sache der Beklagten, Käufer betroffener Fahrzeuge ggf. individuell über die Betroffenheit der jeweiligen Fahrzeuge in Kenntnis zu setzten und damit den Verjährungsbeginn durch Herbeiführung der Kenntnis auszulösen. 0hnehin war die Berichterstattung in der Presse 2015 kontrovers und nicht einheitlich. Die Pressemitteilung/Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten aus dem Jahr 2015 zeichnet sich schließlich durch Vagheit aus: Hier wird keineswegs ein Sachverhalt eingeräumt, der ohne weiteres den Schluss zulässt, dass gegen die Beklagte deliktische Ansprüche bestehen würden: Es ist lediglich von auffälligen Abweichungen die Rede, ohne dass hieraus weitere Schlüsse gezogen werden könnten, erst recht nicht darüber, wer für diese Abweichungen überhaupt verantwortlich sein könnte. Alles in allem ergibt sich schon aus dem Vortrag der Beklagten kein klares Bild dahingehend, dass bereits im Jahr 2015 aufgrund medialer Berichterstattung bzw. von Mitteilungen der Beklagten alle Umstände des sogenannten Abgasskandals soweit konkretisiert waren, dass eine Klageerhebung möglich gewesen wäre. Daher ist weder eine Kenntnis des Klägers noch grob fahrlässige Unkenntnis von den die Ansprüche begründenden Umständen ersichtlich. Im Übrigen hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung bei seiner informatorischen Anhörung plausibel dargelegt, von der Betroffenheit seines Fahrzeugs von dem sog. Abgasskandal erst im Februar 2016 erfahren zu haben, nachdem er ein Anschreiben von der Beklagten erhalten hatte, dass auch sein Fahrzeug von dem sog. Abgasskandal betroffen ist. Diese Angaben des Klägers hält das Gericht für plausibel. Der Kläger hat plastisch geschildert, dass er sich für Autos nicht besonders interessiert und das streitgegenständliche Fahrzeug für ihn primär ein Gebrauchsgegenstand ist. Dem Gericht leuchtet auch ein, dass sich dem Kläger die mögliche Betroffenheit seines Fahrzeugs auch nicht unmittelbar aufgedrängt hat, weil es sich bei dem Fahrzeug um ein Nutzfahrzeug handelt.
B. Auf Rechtsfolgenseite schuldet die Beklagte dem Kläger Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB. Der Schaden des Klägers liegt hier in der Eingehung des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug. Der Anspruch richtet sich auf Ersatz des negativen Interesses, d. h. der Kläger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er den streitgegenständlichen Vertrag nicht geschlossen hätte der Anspruch richtet sich damit im Ergebnis auf Rückgängigmachung des Vertrags (PalandtSprau, 78. Auflage 2019, § 826 Rn. 15 Palandt/Grüneberg, 78. Auflage 2019, Vorb v § 249 Rn 17). AA.
Damit hat der Kläger zunächst Anspruch auf Rückzahlung des von ihm bezahlten Kaufpreises in Höhe von 21.523,44 €, Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Im Rahmen der Rückgängigmachung des Kaufvertrags muss sich der Kläger auf den Kaufpreis im Rahmen eines Vorteilsausgleichs die ihm durch den Gebrauch des streitgegenständlichen Fahrzeugs entstandenen Vorteile anrechnen lassen (Palandt/Grüneberg, 78. Auflage 2019, Vorb v § 249 Rn. 67-70). Insofern besteht ein Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis des Vertragsschlusses und dem Vorteil der Fahrzeugnutzung. Wertungsgesichtspunkte stehen dem nicht entgegen das Vorliegen einer sittenwidrigen Schädigung begründet keine Wertung dahingehend, dass der Geschädigte hierdurch eine Bereicherung erlangen soll. Der Geschädigte soll so gestellt werden, als ob er nicht geschädigt worden wäre eine Bestrafung des Schädigers durch Zuweisung von einem darüber hinausgehenden Schadensersatz ist dem Deutschen, anders als z.B. dem US-amerikanischen Recht fremd. Vorliegend errechnet sich der Gebrauchsvorteil nach der Formel: Gefahrene Kilometer dividiert durch Restlaufleistung, multipliziert mit dem Kaufpreis (Reinking/Egger, Der Autokauf, 13. Auflage, Rn. 3564 ff.).
Angemessen erscheinen für die Gesamtlaufleistung in Wege der Schätzung gemäß § 287 ZP0 vorliegend 250.000 km, was innerhalb des Rahmens der ständigen Rechtsprechung liegt (vgl. 0LG München NJW-RR 2013, 1526). Damit ergibt sich bei durch den Kläger gefahrenen 61.718 km ein anzurechnender Gebrauchsvorteil in Höhe von 5.313,75 €.
BB. Soweit der Klägerin von der Beklagten den Ersatz von Aufwendungen für Kfz-Steuer, Versicherungsprämien, Garantieverlängerung, Inspektionen und Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 10.485,23 € für das streitgegenständliche Fahrzeug von der Beklagten verlangt, ist die Klage allerdings überwiegend nicht erfolgreich. Der Kläger kann von den Beklagten insofern lediglich Schadensersatz in Höhe von 1.492,15 € für die vorgenommenen Reparaturen (Spiegel, Bremsen/Innenleuchten, Glühkerze, Feder) verlangen. Wie das Gericht bereits ausgeführt hat, erscheint es dem Gericht ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug von dem sog. Abgasskandal betroffen ist. Wenn der Kläger das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wären allerdings auch keine Reparaturkosten für das Fahrzeug angefallen.
Soweit der Kläger allerdings auch den Ersatz von Kfz-Steuer, Versicherungsprämien, Garantieverlängerung und Inspektionskosten von der Beklagten als Schadensersatz verlangt, hält das Gericht diese Kosten nicht für ersatzfähig. Das Gericht kann die Ausführungen des Beklagten nicht nachvollziehen, wonach dieser offenbar behaupten will, er hätte sich gar kein Fahrzeug gekauft, wenn er von der Betroffenheit des Fahrzeugs von dem sog. Abgasskandal gewusst hätte. Der Kläger führt im Rahmen der Klage selbst an, dass die Anschaffung eines Fahrzeugs notwendig war, weil die Geburt eines zweiten Kindes und ein Umzug in eine Wohnanlage anstand, in der die öffentliche Anbindung nicht mehr gegeben war. Nunmehr im Rahmen der informatorischen Anhörung zu behaupten, er hätte sich, wenn er von der unzulässigen Abschalteinrichtung gewusst hätte, (wahrscheinlich!) gar kein Fahrzeug gekauft, erscheint dem Gericht vor dem Hintergrund des Vortrages in der Klage widersprüchlich und unstimmig. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass der Kläger sich in jedem Fall unabhängig von dem Abgasskandal ein Auto gekauft hätte, einfach weil dies nach seinen eigenen Angaben notwendig war. Wenn der Kläger ein anderes Fahrzeug (eines anderen Herstellers) erworben hätte, hätte er für dieses allerdings ebenfalls Kfz-Steuer, Versicherungsprämien und Inspektionskosten aufwenden müssen. Warum der Kläger für ein anderes Fahrzeug nicht auch eine Garantieverlängerung abgeschlossen hätte, ist nicht ersichtlich
C. Die Klage ist in Antrag 1 somit nur in Höhe von 17.701,84 € erfolgreich. Die Verzinsung dieses Betrages in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz kann der Kläger gemäß §§ 288, 291 BGB ab dem 17.12.2019 verlangen. Die Klage wurde der Beklagten am 16.12.2019 zugestellt.
D. Ein Eingehen auf die weiteren von dem Kläger ins Feld geführten Anspruchsgrundlagen erübrigt sich. Denn selbst wenn auch aus diesen Anspruchsgrundlagen ein Anspruch des Klägers bestehen würde, würde dieser auf Rechtsfolgenseite nicht zu einem weitergehenden Anspruch des Klägers führen. Auch bei den anderen Anspruchsgrundlagen würde sich der Schadensersatz des Klägers nach dem negativen Interesse bemessen und es wäre jeweils der beschriebene Nutzungsersatz von dem gezahlten Kaufpreis in Abzug zu bringen.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs hinsichtlich der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs (Antrag 2). Insofern ist der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs wegen §§ 756. 765 ZP0 ausnahmsweise zulässig (Zöller/Greger, 32. Auflage 2018, § 256 Rn. 5). Der Antrag ist auch begründet. Die Beklagte befindet sich jedenfalls seit Eintritt der Rechtshängigkeit mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Annahmeverzug, weil der Kläger der beklagten in der Klage die Rückübereignung des Fahrzeugs angeboten hat. Ein wörtliches Angebot war gemäß § 295 ZP0 ausreichend, weil die Beklagte verpflichtet ist, das Fahrzeug an dem 0rt abzuholen, an dem es sich bestimmungsgemäß befindet. Das ist hier der Wohnsitz des Klägers.
3. Die Klage war abzuweisen, soweit der Kläger von der Beklagten auch die Bezahlung von Zinsen aus dem Kaufpreis seit dem 22.07.2013 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit verlangt (Antrag 3). Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 849 BGB. Der Normzweck des § 849 BGB besteht darin, dass der Zinsanspruch den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der Sache ausgleichen soll, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Dieser Schutzzweck ist hier nicht betroffen da der Kläger im Austausch für den gezahlten Kaufpreis das Fahrzeug nutzen konnte. Das Gericht schließt sich insofern den überzeugenden Ausführungen des 0LG München in seinem Urteil vom 15.10.2019 (Az. 24 U 797/19, BeckRS 2019, 25424) an.
II.
Der Ausspruch über die Verfahrenskosten folgt aus § 92 ZP0. Bei der Berechnung der Quote hat das Gericht dabei auch berücksichtigt, dass der Kläger hinsichtlich der Nebenforderungen (Antrag 3) vollständig unterlegen ist. Alleine Antrag 3 beläuft sich der Summe nach auf begehrte Zinsen in Höhe von 5.514,72 €, deutlich mehr als 10% des fiktiven Streitwertes, der sich ergibt, wenn auch Antrag 3 berücksichtigt wird. Es handelt sich um ein erhebliches Unterliegen, was im Rahmen der Kostenquote gemäß § 92 ZP0 zu berücksichtigen ist (Zöller/Herget, 32. Auflage 2018, § 92 Rn. 11).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZP0.
III.
Hinsichtlich des Streitwertes hat das Gericht für Antrag 1 einen Streitwert von 26.453,73 € angesetzt. Mit den Antrag 3 wird eine Nebenforderungen geltend gemacht, die den Streitwert gemäß § 43 GKG nicht erhöht. Dem Antrag 2 misst das Gericht keinen zusätzlichen Wert bei, da dieser Antrag in unmittelbarem Zusammenhang mit Antrag 1 steht.


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