IT- und Medienrecht

Streit um Kostenerstattung für stationäre Heilbehandlung

Aktenzeichen  14 O 147/16

Datum:
3.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144889
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 14
KHG § 17 Abs. 1 S. 1, S. 5

 

Leitsatz

1 Die Krankheitskostenversicherung verpflichtet den Versicherer nur zum Ersatz derjenigen Aufwendungen, die dem Versicherungsnehmer in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten, d.h. u.a. auch fälligen Ansprüchen Dritter erwachsen sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Fällig ist der Anspruch eines Krankenhauses auf Erstattung der Kosten der Heilbehandlung auch dann nicht, wenn er bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines gegen die Krankenversicherung zu führenden Rechtsstreits über genau diesen Anspruch gestundet worden ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus dem zwischen ihnen bestehenden Versicherungsvertrag auf weitere Zahlung von Behandlungskosten über den bereits gezahlten Betrag hinaus ist jedenfalls nicht fällig.
Dies folgt daraus, dass ein etwaiger Anspruch des behandelnden Krankenhauses, der …, gegen den Kläger auf Zahlung des bisher nicht geleisteten Teils der Behandlungskosten, sofern er in der streitgegenständlichen Höhe besteht und die Vergütungsvereinbarung nicht wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 S. 5 KHG i.V.m. §§ 134, 139 BGB nichtig ist (so LG Karlsruhe, Urt. v. 06.12.2016, 3 O 185/16, Anl. B 15), nicht fällig ist.
Die Krankheitskostenversicherung ist Passivenversicherung. Sie verpflichtet den Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nur zum Ersatz derjenigen Aufwendungen, die diesem in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen sind (BGH NJW 2003, 1596; OLG Karlsruhe NJW-RR 2007, 176). Berechtigt sind Ansprüche Dritter u.a. nur dann, wenn sie zum Zeitpunkt des an den Versicherer gerichteten Erstattungsverlangens des Versicherten auch fällig sind (Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl. 2016, § 192 Rn. 6; Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Aufl. 2015, VVG § 192 Rn. 38, MB/KK § 1 Rn. 17 f.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.05.2007, 19 U 88/06, zit. nach juris; OLG Hamm, Urt. v. 23.11.1994, 20 U 141/94, zit. nach juris; LG Kempten, Urt. v. 07.05.2012, 13 O 2311/11, VersR 2013, 571).
1. An dieser Voraussetzung mangelt es hier nach dem Inhalt der zwischen dem Kläger und der … geschlossenen Stundungsvereinbarung.
A) Eine solche Vereinbarung wurde von der Beklagten substantiiert behauptet, jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2017 durch Bezugnahme auf die den als Anlagen B 4 und B 5 beigefügten Urteilen des Landgerichtes … und Oberlandesgerichtes … zugrundeliegende Vereinbarung des dortigen Klägers mit der …. Diese hatte folgenden Wortlaut (siehe Seiten 3 u. 4 des Urteils des OLG Karlsruhe vom 01.09.2015, 12 U 46/15, Anlage B 5):
„§ 1 Vorbemerkung (…) Die Krankenversicherung des Patienten (…) wird die Kostenübernahme auf Grundlage der aktuellen Entgelte der … voraussichtlich ablehnen. Um die Durchführung der Operation und die Durchsetzung der Vergütungsansprüche der … zu gewährleisten, vereinbaren die Vertragsschließenden Nachfolgendes: (…)
§ 3. Der Patient verpflichtet sich, die Rechnung(en) der … unverzüglich nach deren Vorliegen bei seiner privaten Krankenversicherung (…) einzureichen. Erstattungen bzw. Abschlagszahlungen eines der genannten Kostenträger leitet der Patient nach Erhalt unverzüglich an die … weiter.
Bei weitergehender Weigerung der Krankenversicherung des Patienten verpflichtet sich dieser, im eigenen Namen die Forderung gegen die Krankenversicherung gerichtlich geltend zu machen, erforderlichenfalls unter Ausschöpfung des Instanzenwegs. Die … verpflichtet sich, den Patienten von allen anfallenden außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits freizustellen, sofern der Patient keine Rechtsschutzversicherung hat, die für die Geltendmachung der Ansprüche Rechtsschutz gewährt.
Die Auswahl und Beauftragung des Prozessbevollmächtigten für die Durchführung des Rechtsstreits überträgt der Patient der …. Der Patient entbindet den Prozessbevollmächtigten von der anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber der ….
§ 4. Falls die Krankenversicherung des Patienten die abgerechneten Entgelte nicht bzw. nicht vollständig bezahlt, stundet die … dem Patienten die Vergütung der Entgelte bzw. des hiervon noch offenstehenden Betrags zinslos bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines gegen die Krankenversicherung zu führenden Rechtsstreits.
Sollte rechtskräftig entschieden werden, dass die Krankenversicherung nicht verpflichtet ist, dem Patienten die abgerechneten Entgelte ganz/teilweise zu erstatten, so verzichtet die … unwiderruflich ganz/teilweise auf die Geltendmachung der abgerechneten Entgelte gegenüber dem Patienten.“
Der Kläger hat es abgelehnt, trotz mit Verfügung vom 13.12.2016 ergangener Aufforderung hierzu (Bl. 249 d.A.), letztmals durch seine Prozessbevollmächtigte im Termin vom 20.01.2017 (Seite 4 des Protokolls, Bl. 265 d.A.), sich darüber zu erklären, ob er mit der … eine Stundungsabrede getroffen hat oder ob er keine Stundungsabrede getroffen hat und wenn ja, welchen Inhalt diese hat. Schriftsätzlich hat er bislang lediglich bestritten, dass eine solche Abrede getroffen wurde.
Ein solches bloßes Bestreiten ist nicht zulässig. Bei der behaupteten Stundungsabrede handelt es sich um eine Tatsache, die Gegenstand einer eigenen Handlung des Klägers gewesen sein muss, sofern eine entsprechende Abrede getroffen wurde, § 138 Abs. 4 ZPO. Auf diese Folge wurde der Kläger mit der Verfügung vom 13.12.2016 auch hingewiesen. Infolge des bloßen unzulässigen Bestreitens ohne eigenen Vortrag ist der konkrete Vortrag der Beklagten zum Vorliegen einer Stundungsabrede mit dem geschilderten Inhalt als zugestanden anzusehen, § 138 Abs. 3 ZPO (Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 138 Rn. 8 b, 14).
Im Übrigen deutet auch die Prozessvertretung des Klägers durch dieselben Prozessbevollmächtigten, die auch den Kläger in dem Verfahren des Landgerichts Mannheim und Oberlandesgerichts Karlsruhe und alle anderen acht ursprünglichen Mitkläger vor der Abtrennung von deren Ansprüchen vertraten bzw. vertreten, auf das Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung hin, nach welcher die Auswahl und Beauftragung der Prozessbevollmächtigten in Rechtstreitigkeiten von Patienten gegen ihre Krankenversicherer vom Patienten auf die … übertragen wurde (§ 3 Abs. 3 der Vereinbarung).
B) Nach dem Inhalt der Vereinbarung ist ein möglicher, weiterer Entgeltanspruch des Krankenhausträgers nicht fällig. Dieser hat dem Kläger die noch offenstehenden Beträge „zinslos bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines gegen die Krankenversicherung zu führenden Rechtsstreits gestundet“ (§ 3 der Vereinbarung). Die damit vereinbarte aufschiebende Bedingung für die Fälligkeit des Anspruchs war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Coburg, auf die es für die Beurteilung ankommt, nicht eingetreten. Eine rechtskräftige Entscheidung ist bisher nicht ergangen. Zwar entspricht die mit der Annahme der fehlenden Fälligkeit eintretende Wirkung, nämlich die Entlastung der Beklagten von etwaigen Ansprüchen, offensichtlich nicht dem wirtschaftlichen Willen der Vertragsschließenden. Diesen kam es offenbar (lediglich) darauf an, das Risiko eine Prozesses gegen den Krankenversicherer von dem Kläger, der es an sich zu tragen hat, auf den Träger des Krankenhauses zu verlagern, um diesem die Entscheidung für die Behandlung in der Sportklinik zu erleichtern. Dafür spricht die Vorbemerkung „Um die Durchführung der Operation … zu gewährleisten“. Dennoch ist die Vereinbarung zu beachten. Eine interessengerechte Auslegung, die zu einer Verlagerung des Risikos auf den Kläger führt, ohne Einfluss auf die Fälligkeit des Anspruchs zu haben, lässt sich nach Wortlaut und Systematik des Vertrages nicht vornehmen. Denn dieser sieht vor, dass der Kläger nur dann und nur soweit materiellrechtlich zahlungspflichtig sein soll, als er ein rechtskräftiges Obsiegen des Urteils gegenüber dem beklagten Versicherer erreicht. Er setzt ein Hinausschieben der Fälligkeit notwendig voraus (so bereits OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.09.2015, 12 U 46/15, Anlage B 5).
Zwar trifft es zu, worauf der Kläger sich beruft, dass die Fälligkeit der Erstattungsforderung (grundsätzlich) in § 6 der AVB i.V.m. § 14 VVG geregelt ist. Hiernach sind Geldleistungen des Versicherers fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen. Allerdings schließt sich das Gericht der Auffassung des Klägers nicht an, dass mit diesen Vorschriften die Fälligkeit abschließend geregelt sei und für allgemeine Erwägungen aus der Rechtsnatur der passiven Versicherung kein Raum bestehe. Vielmehr schließt sich das Gericht ausdrücklich dem OLG Karlsruhe in der genannten Entscheidung an, dass die Beklagte als Krankenversicherer als Passivenversicherer (erst) dann zur Leistung an den Kläger als seinen Versicherungsnehmer verpflichtet ist, wenn dieser seinerseits die Leistung an seinen Vertragspartner – den Behandler – erbringen muss und dass die Beklagte nicht leisten muss, wenn eine entsprechende Verpflichtung – wie hier aufgrund einer Stundung – nicht besteht. Dieser Auffassung wird auch dadurch gestützt, dass der Kläger in dem Vertrag mit der … vereinbart hat, dass dann, wenn rechtskräftig entschieden werden sollte, dass die Krankenversicherung nicht verpflichtet ist, dem Patienten die abgerechneten Entgelte ganz/teilweise zu erstatten, die … unwiderruflich ganz/teilweise auf die Geltendmachung der abgerechneten Entgelte gegenüber dem Patienten verzichtet (§ 4 der Vereinbarung). Insoweit führt die Berufung des Klägers darauf, dass möglicherweise trotz der Verwendung des Begriffes „Stundung“ tatsächlich ein Stillhalteabkommen gemeint gewesen sei, d.h. die Abrede, die Forderung zeitweilig nicht geltend zu machen bis zu einer evtl. Erhebung der Einrede durch den Schuldner (Schriftsatz vom 18.01.2017, Bl. 258 f. d.A.) nicht weiter. Gerade der unter § 4 der Vereinbarung geregelte Verzicht auf eine Forderung der Klinik gegen den Kläger als Patienten berührt unmittelbar den Bestand der dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zugrundeliegenden Forderung. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies im Fall der vorangehenden und ausdrücklich so bezeichneten Stundung bezüglich des Hinausschiebens der Fälligkeit anders sein sollte.
C) Soweit auf der dem Kläger erteilten Rechnung vom 08.05.2012 vermerkt ist, dass der dort ausgewiesene Betrag „zahlbar innerhalb von 30 Tagen, spätestens bis zum 07.06.2012 rein netto ohne Abzug“ sei, vermag dieser einseitige Hinweis die zwischen den Parteien bereits vor der Operation beschlossene Stundungsabrede nicht außer Kraft zu setzen (so auch OLG Karlsruhe, a.a.O.).
2. Da die über die bereits gezahlten Rechnungsbeträge hinausgehende Rechnungsforderung der … gegen den Kläger bereits wegen der Stundungsvereinbarung nicht fällig ist, kommt es auf die sich weiter aufdrängende Frage, ob die Rechnung wegen mangelnder Prüfbarkeit nicht fällig ist, nicht an. Die Rechnung vom 08.05.2012 nimmt zwar Bezug auf die Abrechnung der Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Fallpauschalensystem (DRG-System) „erlauben wir uns gemäß DRG I47A zu berechnen“, rechnet aber gerade nicht nach der maßgeblichen Fallpauschale ab (siehe Klageerwiderung S. 13, Bl. 96 d.A., unstreitig), sondern setzt einen jedenfalls für das Gericht nicht nachvollziehbaren Einzelpreis an, der sich nicht einmal aus dem vorgelegten Behandlungsvertrag ergibt. Der Anregung des Gerichts in der Verfügung vom 13.12.2016 (Bl. 249 d.A.), die für die Behandlung des Klägers gültigen Abrechnungsgrundlagen/Preisblätter vorzulegen, ist der Kläger nicht nachgekommen.
II.
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung und waren als unbegründet abzuweisen.
Darüber hinaus besteht auch deswegen kein Anspruch auf Zahlung (so gemeint offenbar der Antrag auf Erstattung) der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 808,13 €, weil aufgrund der Vereinbarung des Klägers mit der … feststeht, dass der Kläger keine vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten an seine Prozessbevollmächtigten bezahlt hat. Solches hat er nicht einmal selbst vorgetragen. Mit der Klageschrift, Seite 18 (Bl. 48 d.a.), wurde hinsichtlich der Begründetheit der Rechtsanwaltskosten lediglich vorgetragen, dass die Beklagte dem Kläger weiterhin die Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit seines anwaltlichen Bevollmächtigten in Höhe von 808,13 € schulde. Nach Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 20.01.2017 hat der Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 10.02.2017 (Bl. 270 d.A.) vorgetragen, dass die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten am 25.02.2016 bezahlt wurden. Ein Vortrag, dass der Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlt hat, ist nicht erfolgt. Die zwischen dem Kläger und dem Träger der … abgeschlossene Vereinbarung deutet auch eher darauf hin, dass diese die Kosten für die Prozessbevollmächtigten des Klägers übernommen hat (§ 3 Abs. 2 der Vereinbarung). Einen Anspruch, diese im Prozessrechtsverhältnis zwischen den hiesigen Parteien von der Beklagten erstattet zu erhalten, ist nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Verkündet am 03.03.2017


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