IT- und Medienrecht

Unwirksame Ladenöffnung zum Münchner Stadtgründungsfest

Aktenzeichen  22 N 15.1526

Datum:
18.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RÜ – 2016, 593
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
LadSchlG LadSchlG § 14
GG GG Art. 140
WRV Art. 139

 

Leitsatz

1 Eine Gewerkschaft, deren Mitglieder im Handel tätige Arbeitnehmer sind, ist antragsbefugt für eine Normenkontrolle zur Überprüfung einer Ladenschlussverordnung, die die Ladenöffnung an einem Sonntag anlässlich eines Stadtfestes erlaubt (§ 14 LadSchlG), weil ihre Mitglieder deshalb gezwungen sein könnten, an einem Sonntag zu arbeiten und so gehindert wären, an Veranstaltungen der Gewerkschaft teilzunehmen. Dies zumal durch die Übertragung der Befugnis zum Erlass der Ladenöffnung auf die Gemeinden die Gefahr eines “Flickenteppichs” sonntäglicher Ladenöffnungen entsteht. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Ladenschlussverordnung zum Münchner Stadtgründungsfest ist unwirksam, da sie nicht auf der vom BVerwG im Urteil vom 11.11.2015 (BeckRS 2016, 42071) geforderten Prognose beruht, ob die prägende Wirkung des Stadtfestes für den öffentlichen Charakter des Sonntags gegenüber der werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung überwiegt, und auch nicht festgestellt werden kann, dass dieses Erfordernis im Ergebnis offensichtlich eingehalten wurde. (redaktioneller Leitsatz)
3 Nach der erforderlichen Prognose muss der Besucherstrom, den der Markt auslöst, die Zahl der Besucher übersteigen, die allein wegen der Öffnung der Verkaufsstellen kämen. Denn die von dem Markt ausgehende öffentliche Wirkung muss im Vordergrund stehen, die durch die Ladenöffnung hervorgerufene Geschäftigkeit darf sich nur als bloßer Annex des anlassgebenden Marktes darstellen. Hieran fehlt es, wenn auf der Basis der werktäglichen Frequentierung der umfassten Geschäftsstraßen ein höherer Zustrom an Kaufwilligen zu vermuten ist als Besucher des Stadtfestes. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Verordnung der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2015 (ABl S. 185) zur Änderung der Verordnung über die Freigabe von Verkaufszeiten während des allgemeinen Ladenschlusses (Ladenschlussverordnung) vom 6. Juli 1982 (ABl S. 145), zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. August 2009 (ABl S. 235), ist unwirksam.
II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Über den Antrag konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7. März 2016 und die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 22. März 2016 hiermit einverstanden erklärt haben.
Der Antrag ist zulässig; insbesondere kann die Antragstellerin geltend machen, durch die Anwendung des § 5a der Ladenschlussverordnung der Antragsgegnerin (nachfolgend nur „Ladenschlussverordnung“ genannt) in absehbarer Zeit mehr als nur geringfügig (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, B. v. 9.11.1979 – 4 N 1.78 u. a. – BVerwGE 59, 87/102; B. v. 19.2.1992 – 4 NB 11.91 – DVBl 1992, 1099 f.; U. v. 11.11.2015 – 8 CN 2.14 – GewArch 2016, 154 Rn. 18) in ihren Rechten verletzt zu werden, wie § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO das voraussetzt. Denn da § 5a der Ladenschlussverordnung unbefristete Geltung beansprucht, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich jedenfalls auf mittlere Sicht Mitglieder der Antragstellerin wegen einer sich für sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen stellenden Notwendigkeit, an einem von dieser Vorschrift erfassten Sonntag zu arbeiten, gehindert sehen, an Veranstaltungen der Antragstellerin teilzunehmen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, U. v. 11.11.2015 a. a. O. Rn. 17). Unabhängig hiervon birgt § 14 LadSchlG in Verbindung mit der in Bayern vorgenommenen Übertragung der Befugnis zum Erlass von auf diese Vorschrift gestützten Rechtsverordnungen auf die Gemeinden (§ 11 Delegationsverordnung vom 28.1.2014, GVBl S. 22, BayRS 103-2-V) die Gefahr in sich, dass – über das Jahr gesehen – ein „Flickenteppich“ sonntäglicher Ladenöffnungen entsteht, der die Organisation gemeinschaftlicher gewerkschaftlicher Tätigkeiten an Sonntagen spürbar erschweren kann (BVerwG, U. v. 11.11.2015 a. a. O. Rn. 18).
Der Antrag ist auch begründet. Die Änderungsverordnung vom 27. Mai 2015 ist mit § 14 LadSchlG in der verfassungskonformen Auslegung, derer diese Bestimmung nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015 (a. a. O. Rn. 21 ff.) bedarf, unvereinbar. Dies folgt daraus, dass die Antragsgegnerin die erforderliche Prognose darüber nicht angestellt hat, ob die prägende Wirkung des Stadtgründungsfestes für den öffentlichen Charakter des Sonntags gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung überwiegt, und dass hier auf eine solche Prognose auch nicht verzichtet werden kann mit dem Argument, die Einhaltung dieses Erfordernisses sei offensichtlich.
Um dem durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (Weimarer Reichsverfassung – WRV) gewährleisteten Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes Rechnung zu tragen, hat die Rechtsprechung § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG bereits bisher einschränkend dahingehend ausgelegt, dass nur Veranstaltungen, die selbst einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen, Anlass für die Gestattung einer Ladenöffnung an Sonn- oder Feiertagen geben können (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 18.12.1989 – 1 B 153.89 – GewArch 1990, 143; BayVGH, U. v. 6.12.2013 – 22 N 13.788 – GewArch 2014, 217 Rn. 70 m. w. N.). Erstmals im Urteil vom 11. November 2015 (a. a. O. Rn. 23) hat das Bundesverwaltungsgericht nunmehr ausdrücklich ausgesprochen, dass dieser rechtliche Ansatz dem sich aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV ergebenden Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach die typisch werktägliche Geschäftigkeit an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich zu ruhen hat (BVerfG, U. v. 9.6.2004 – 1 BvR 636/02 – BVerfGE 111, 10/51; U. v. 1.12.2009 – 1 BvR 2857/07 u. a. – BVerfGE 125, 39/85) noch nicht genügt, da er nicht ausschließt, dass es die Ladenöffnung ist, die – neben der anlassgebenden Veranstaltung – den öffentlichen Charakter des betroffenen Sonn- oder Feiertages maßgeblich prägt. Geboten ist vielmehr eine weitergehende verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 14 LadSchlG dahingehend, dass die öffentliche Wirkung eines an einem solchen Tag stattfindenden Marktes, einer Messe oder einer „ähnlichen Veranstaltung“ im Sinn von § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG gegenüber der typisch werktäglichen Geschäftigkeit der Ladenöffnung im Vordergrund stehen muss; letztere darf den gesamten Umständen nach nur „als bloßer Annex zur anlassgebenden Veranstaltung“ erscheinen (BVerwG, U. v. 11.11.2015 a. a. O. Rn. 24).
Dieser Annexcharakter lässt sich in der Regel nur bejahen, wenn die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt wird, da nur insoweit ihr Bezug zum Marktgeschehen erkennbar bleibt (BVerwG, U. v. 11.11.2015 a. a. O. Rn. 25). Darüber hinaus bleibt die durch die Ladenöffnung bewirkte werktägliche Prägung nur dann im Hintergrund, wenn nach einer anzustellenden Prognose der Besucherstrom, den der Markt (bzw. die „ähnliche Veranstaltung“ im Sinn von § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG) auslöst, die Zahl der Besucher übersteigt, die allein wegen einer Öffnung der Verkaufsstellen kämen (BVerwG, U. v. 11.11.2015 a. a. O. Rn. 25). Zur Abschätzung der jeweiligen Besucherströme kann nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts z. B. auf Befragungen zurückgegriffen werden, und es können u. a. Erfahrungswerte der Ladeninhaber zu den an Werktagen üblichen Besucherzahlen Anhaltspunkte geben.
1. Dem Erfordernis, sich prognostisch Gewissheit darüber zu verschaffen, dass das von ihr zugelassene Offenhalten von Verkaufsstellen den betroffenen Sonntag – und zwar während der gesamten, unbefristeten Geltungsdauer des § 5a der Ladenschlussverordnung – nicht maßgeblich prägen wird, hat die Antragsgegnerin nicht Rechnung getragen. Sie hat dem Gericht lediglich Zahlen über die Menge der das Stadtgründungsfest frequentierenden Besucher zur Verfügung gestellt. Sie bestätigen zwar die Auffassung der Antragsgegnerin, dass dieses Fest auch ohne gleichzeitige Ladenöffnung einen beträchtlichen Besucherstrom auslöst und es „aus sich heraus“ hinreichend attraktiv ist. Hierfür spricht bereits, dass das Stadtgründungsfest nach glaubhafter Darstellung der Antragsgegnerin (vgl. die beiden letzten Absätze auf Seite 7 der Antragserwiderung vom 28.8.2015) vor dem Jahr 2015, in dem es an einem der beiden Veranstaltungstage erstmals mit einer Sonntagsöffnung von Ladengeschäften einherging, bereits 34 Mal stattgefunden hat.
Nicht vergewissert hat sich die Antragsgegnerin im Vorfeld des Normerlasses demgegenüber darüber, wie sich die von ihr zugelassene Öffnung von Verkaufsstellen auf den Charakter der hiervon betroffenen Sonntage auswirken wird. Insbesondere hat sie keine Prognose darüber angestellt, wie viele Menschen an den Sonntagen des Stadtgründungsfests denjenigen Teil des Stadtgebiets, für den die in § 5a der Ladenschlussverordnung getroffene Regelung gilt, voraussichtlich in der ausschließlichen Absicht aufsuchen werden, dort Einkäufe zu tätigen. Dass dahingehende Überlegungen unterblieben sind, folgt nicht nur aus dem vollständigen Schweigen der im Normerlassverfahren angefallenen Akten hinsichtlich dieses Gesichtspunkts, sondern auch aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin auch während des gerichtlichen Verfahrens keine diesbezüglichen Daten nachgereicht hat, obgleich der Verwaltungsgerichtshof die Beteiligten mit Schreiben vom 10. Februar 2016 ausdrücklich auf die Bedeutung des vorgenannten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015 für die vorliegend zu treffende Entscheidung hingewiesen hat. Die Tatsache, dass das Bundesverwaltungsgericht die Forderung, wonach sich der eine Sonntagsöffnung von Verkaufsstellen zulassende Träger öffentlicher Gewalt über das voraussichtliche Käuferaufkommen (und nicht nur – wie bisher – über den ausreichenden Besucherzustrom zur anlassgebenden Veranstaltung) sowie allgemein über die Folgen seiner Entscheidung für den Charakter der betroffenen Sonntage Gewissheit verschaffen muss, erst nach dem Erlass der vorliegend verfahrensgegenständlichen Norm aufgestellt hat, ändert nichts an ihrer Entscheidungserheblichkeit im vorliegenden Fall. Da gerichtliche Entscheidungen auch dann, wenn sie ein von Rechts wegen bestehendes Gebot erstmals aussprechen, nur ein Erfordernis zum Ausdruck bringen, das der Rechtsordnung schon bisher – gleichsam „verborgen“ – immanent war, beansprucht die einschränkende Auslegung des Anwendungsbereichs des § 14 LadSchlG, die das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 11. November 2015 (a. a. O. Rn. 23 ff.) vorgenommen hat, um dem aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV resultierenden Schutzauftrag Rechnung zu tragen, auch im vorliegenden Fall Beachtung.
2. Das Fehlen einer Selbstvergewisserung der Antragsgegnerin darüber, ob das alljährlich zugelassene Offenhalten von Verkaufsstellen am Sonntag des Stadtgründungsfestes den öffentlichen Charakter dieser Sonntage voraussichtlich nicht maßgeblich prägen wird, steht der Gültigkeit der verfahrensgegenständlichen Verordnung allerdings nicht zwingend entgegen. Möglicherweise hat sich der Verwaltungsgerichtshof zum einen im vorliegenden Normenkontrollverfahren auf die Überprüfung der Ergebnisrichtigkeit der verfahrensgegenständlichen Änderungsverordnung zu beschränken. Zum anderen könnte trotz der unterbliebenen Erhebung belastbarer Zahlen über das voraussichtliche Käuferaufkommen an den betroffenen Sonntagen und der fehlenden prognostischen Würdigung der Auswirkungen dieses Aufkommens auf den öffentlichen Charakter der betroffenen Sonntage durch die Antragsgegnerin offensichtlich feststehen, dass sich die jeweils am zweiten Tag des Stadtgründungsfests erlaubte Ladenöffnung auch auf mittlere und lange Sicht als bloßer Annex dieser Veranstaltung darstellen würde. Jedenfalls die zweite Voraussetzung ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben.
a) Eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung des Abwägungsvorgangs des Normgebers setzt bei untergesetzlichen Vorschriften eine besonders ausgestaltete Bindung des Normgebers an gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven voraus, wie sie etwa im Bauplanungsrecht bestehen (BVerwG, U. v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – BVerwGE 125, 384 Rn. 16). Fehlen solche gesetzlichen Abwägungsdirektiven, kann die Rechtswidrigkeit einer Norm nicht mit Mängeln im Abwägungsvorgang begründet werden. Entscheidend ist alsdann allein, ob das Ergebnis des Normsetzungsverfahrens den anzulegenden rechtlichen Maßstäben entspricht (BVerwG, B. v. 3.5.1995 – 1 B 222.93 – GewArch 1995, 425/426; B. v. 30.4.2003 – 6 C 6.02 – BVerwGE 118, 128/150; U. v. 26.4.2006 a. a. O. Rn. 16). Ob dies auch im vorliegenden Fall gilt, lässt der Verwaltungsgerichtshof offen. Offen bleiben kann daher auch, ob das im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015 (8 CN 2.14 – GewArch 2016, 154 Rn. 23 ff.) aufgestellte Erfordernis, wonach ein Träger öffentlicher Gewalt, wenn er von der in § 14 Abs. 1 Satz 2 LadSchlG enthaltenen Verordnungsermächtigung Gebrauch macht, zusätzlich zur Beurteilung der Eigenattraktivität der anlassgebenden Veranstaltung im Sinn von § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG eine Prognose über den zu erwartenden Zustrom ausschließlich kaufinteressierter Personen sowie allgemein über die Auswirkungen der Ladenöffnung auf den öffentlichen Charakter der betroffenen Sonntage anzustellen hat, als richterrechtlich entwickeltes Erfordernis angesehen werden muss, das einer gesetzlichen Abwägungsdirektive im Sinn des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2006 (6 C 19.05 – BVerwGE 125, 384 Rn. 16) gleichsteht.
b) Auch wenn sich der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtshofs vorliegend auf eine ausschließliche Kontrolle der Ergebnisrichtigkeit des § 5a der Ladenschlussverordnung zu beschränken hätte, kann die verfahrensgegenständliche Verordnung nicht erhalten werden. Denn nach dem Gesamtergebnis des gerichtlichen Verfahrens kann nicht davon gesprochen werden, die Erfüllung derjenigen Voraussetzungen, die nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015 (8 CN 2.14 – GewArch 2016, 154 Rn. 23 ff.) zu dem Erfordernis einer hinreichend attraktiven anlassgebenden Veranstaltung im Sinn von § 14 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG hinzutreten müssen, stehe offensichtlich fest.
Vorliegend kann trotz des erheblichen Besucherzustroms, den das Stadtgründungsfest auslöst, nicht als offensichtlich gelten, dass ein am jeweiligen Sonntag dieser Veranstaltung gestattetes Offenhalten von Verkaufsstellen den öffentlichen Charakter dieses Tages nicht maßgeblich prägen und die Ladenöffnung sich deswegen auf Dauer zweifelsfrei als bloßer Annex des Festes darstellen werde. Diese Annahme verbietet sich vor allem angesichts der seitens der Antragstellerin in das Verfahren eingeführten Informationen über die werktägliche Frequentierung von vier der Straßen, die innerhalb des in § 5a der Ladenschlussverordnung umschriebenen Gebiets liegen, aber auch angesichts des weiteren Vortrags der Antragstellerin, die von dem gestatteten Offenhalten von Verkaufsstellen erfassten Verkaufsflächen überwögen um ein Vielfaches die Veranstaltungsflächen des Stadtgründungsfestes (vgl. zur Bedeutung dieses Umstands BVerwG, U. v. 11.11.2015 a. a. O. Rn. 39). Diesem Vortrag der Antragstellerin ist die Antragsgegnerin nicht entgegen getreten. Der Vortrag ist auch nicht von vornherein unplausibel; er steht der Feststellung offensichtlicher Ergebnisrichtigkeit der strittigen Verordnung entgegen.
Dass es grundsätzlich zulässig ist, auf die an Werktagen üblichen Besucherzahlen zurückzugreifen, um Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, mit welchem Käuferaufkommen für den Fall einer Ladenöffnung ungefähr zu rechnen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 11. November 2015 (a. a. O. Rn. 25) ausdrücklich festgehalten. Die in der Untersuchung der E. GmbH mitgeteilten Erhebungsergebnisse spiegeln zwar unmittelbar nicht die Zahl der Käufer wieder, die sich während der Erhebungszeiträume in den vier Straßen aufgehalten haben, die – bezogen auf das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin – Gegenstand dieser Studie waren; vielmehr wurden im Rahmen der vorgenommenen Zählung undifferenziert Passanten erfasst. Gleichwohl lässt diese Ausarbeitung Schlüsse auf die Menge der Personen zu, die im Umgriff der vier in die Betrachtung einbezogenen Straßen liegende Ladengeschäfte als Käufer bzw. Kaufinteressenten aufgesucht haben oder aufsuchen wollten. Von einer deutschlandweiten Spitzenstellung der Attraktivität für den Einzelhandel kann gesprochen werden.
Von den beiden Tagen, auf die sich die von der E. GmbH veranlasste Erhebung erstreckte, sind im vorliegenden Zusammenhang die Angaben über das Passantenaufkommen am Samstag von besonderer Bedeutung. Denn der Kreis der Personen, die von ihrer Motivationslage her an einem verkaufsoffenen Sonntag am ehesten als Kunden in Betracht kommen, könnte dem Bevölkerungsteil ähneln, der typischerweise an einem Samstag das Zentrum einer Großstadt zu Einkaufszwecken aufsucht.
Sowohl der Samstag, an dem die vorerwähnte Erhebung durchgeführt wurde, als auch die hierfür gewählte Uhrzeit erscheinen geeignet, das durchschnittliche Passantenaufkommen zu erfassen. Denn die erste Maihälfte ist weder durch eine urlaubsbedingte Abwesenheit eines größeren Teils der ortsansässigen Bevölkerung noch durch die Präsenz eines herausragend hohen Touristenaufkommens in München gekennzeichnet. Da sich die Witterung am 10. Mai 2014 nach den Angaben auf Seite 7 der Ausarbeitung der E. GmbH als eine Mischung aus Sonnenschein und Bewölkung darstellte, fand die Zählung an einem Tag statt, bei dem nicht davon ausgegangen werden kann, er sei durch einen besonderen „Drang ins Grüne“ geprägt gewesen, an dem das Wetter andererseits aber auch nicht so ungünstig war, als dass sich die Nutzung dieses Tages zur Erledigung von Einkäufen nachgerade aufgedrängt hätte.
Aus der Tabelle auf Seite 7 dieser Unterlage geht hervor, dass auf allen vier Straßen, auf die sich die Erhebung der E. GmbH – bezogen auf das Gebiet der Antragsgegnerin – erstreckte, am 10. Mai 2014 zwischen 12.00 Uhr und 14.00 pro Stunde im Durchschnitt zusammen 41.681 Personen unterwegs waren.
Keine der vier im Tatbestand dieses Urteils erwähnten Straßen erfüllt in erheblichem Umfang die Funktion einer bloßen „Transitstrecke“ für Fußgänger dergestalt, dass eine beträchtliche Zahl von Menschen dort nur deswegen unterwegs ist, um ein Ziel zu erreichen, das jenseits des Endpunkts dieser vier Straßen liegt.
Um von der Zahl von durchschnittlich 41.681 Passanten pro Stunde zwischen 12.00 Uhr und 14.00 Uhr an einem Samstag auf die Menge der Menschen schließen zu können, die Geschäfte in der Umgebung der vier vorgenannten Straßen in Kaufabsicht aufsuchen wollen, muss zwar berücksichtigt werden, dass ein nicht unerheblicher Teil der Personen, die bei der von der E. GmbH veranlassten Erhebung entweder in der Kaufinger- oder in der Neuhauser Straße als Passanten erfasst wurden, u. U. wenig später in der jeweils anderen dieser beiden Straßen unterwegs ist. Wenn aber davon ausgegangen werden muss, dass die durchschnittliche Zahl der Menschen, die sich am 10. Mai 2014 im Verlauf einer Stunde in der Kaufinger-, der Neuhauser, der Theatiner- und der Sendlinger Straße in Kaufabsicht aufgehalten haben, hinter der Menge der Personen zurückgeblieben ist, die in der von der E. GmbH veranlassten Untersuchung insoweit als Passanten erfasst wurden, so darf andererseits nicht außer Betracht bleiben, dass das von § 5a der Ladenschlussverordnung erfasste Gebiet weit über diese vier Straßen hinausreicht. Die nach dem Vorgesagten gebotene Verringerung der Zahl von 41.681 durchschnittlich gezählten Passanten pro Stunde in den vier Münchner Haupteinkaufsstraßen ist deshalb wegen der gebotenen Berücksichtigung des werktäglichen Käuferaufkommens in dem übrigen von § 5a der Ladenschlussverordnung erfassten Gebiet im Gegenzug wieder deutlich nach oben hin anzuheben.
Angesichts des Käuferaufkommens, das der Geltungsbereich der strittigen Verordnung an einem verkaufsoffenen freien Tag anzuziehen vermag, kann nicht von der offensichtlichen Ergebnisrichtigkeit dieser Verordnung ausgegangen werden. Da diese anlassgebende Veranstaltung ausweislich der Angaben, die sich in dem von der Antragsgegnerin herausgegebenen, das Stadtgründungsfest des Jahres 2015 betreffenden Flyer (Blatt 26 der als Anlage zu ihrem Schreiben vom 8.2.2016 vorgelegten Heftung) finden, am Sonntag von 10.00 Uhr bis 21.00 Uhr dauert, errechnet sich auf der Grundlage der vom Polizeipräsidium München mitgeteilten sonntäglichen Zahlen selbst für das Jahr 2014, in dem mit 275.000 Besuchern seit dem Beginn dieses Jahrzehnts der höchste Zustrom zu verzeichnen war, eine durchschnittliche stündliche Frequentierung des Fests durch 21.154 Menschen. Um dem Erfordernis des quantitativen Überwiegens des durch die anlassgebende Veranstaltung ausgelösten Besucheraufkommens gegenüber der Menge der Personen, die „allein“ wegen der Öffnung der Verkaufsstellen kommen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.11.2015 – 8 CN 2.14 – GewArch 2016, 154 Rn. 25), Rechnung zu tragen, müsste die Zahl der Personen, die das von § 5a der Ladenschlussverordnung erfasste Gebiet pro Stunde im Durchschnitt ausschließlich zu dem Zweck aufsuchen, dort Einkäufe zu tätigen, auf Dauer unter diesem Wert liegen. Das würde annähernd eine Halbierung der Zahl von 41.681 Passanten erfordern, die am 10. Mai 2014 allein in der Kaufinger-, Neuhauser, Theatiner- und Sendlinger Straße innerhalb einer Stunde durchschnittlich gezählt wurden. Gerade angesichts der Tatsache, dass zu dem dortigen Menschenaufkommen noch jene Personen hinzuzurechnen sind, die an einem aus Anlass des Stadtgründungsfests zugelassenen verkaufsoffenen Sonntag andere Teile des von § 5a der Ladenschlussverordnung erfassten Gebiets als die vier vorerwähnten Straßen in Kaufabsicht aufsuchen, kann dies nicht als offensichtlich gewährleistet angesehen werden.
Gleiches gälte, sollte die Menge der auf dieser Veranstaltung gleichzeitig anwesenden Personen kleiner sein als sie sich dann ergibt, wenn das von der Antragsgegnerin und dem Polizeipräsidium genannte Besucheraufkommen im Wege einer arithmetischen Mittelung gleichmäßig auf alle Stunden des Fests verteilt wird. Insoweit fällt vor allem ins Gewicht, dass die Antragsgegnerin selbst die Zahl der auf dem Stadtgründungsfest synchron anwesenden Menschen nur mit „bis zu 10.000“ angibt (vgl. Seite 6 ihrer Antragserwiderung vom 28.8.2015). Für die Richtigkeit dieser Einschätzung könnte sprechen, dass in dem vom 13. April 2015 stammenden Antrag auf Festsetzung des Jahrmarkts, der parallel zu diesem Fest auf denselben Flächen abgehalten wird, die Zahl der gleichzeitig anwesenden Personen mit höchstens 8.000 bis 10.000 angegeben wurde.
Ausschlaggebend dafür, ob ein Sonntag, an dem eine Ladenöffnung zugelassen wurde, maßgeblich durch die anlassgebende Veranstaltung geprägt wird, ist zudem nicht deren Gesamtbesucheraufkommen, sondern die Menge der Veranstaltungsteilnehmer, die sich während des gestatteten Offenhaltens von Verkaufsstellen an Ort und Stelle befinden. Denn eine sonntägliche Ladenöffnung entfaltet auch dann eine maßgeblich prägende Wirkung für den öffentlichen Charakter des betroffenen Tages, wenn zwar der Zustrom zur anlassgebenden Veranstaltung insgesamt größer ist als die Zahl der Kaufwilligen, dieser Zustrom schwerpunktmäßig jedoch zu anderen Zeiten als während der Stunden der Ladenöffnung (z. B. am Vormittag oder in den Abendstunden) erfolgt.
Die Frage, ob die Flächen, die nicht an die Straßen angrenzen, auf denen das Stadtgründungsfest abgehalten wird, überhaupt in die Regelung des § 5a der Ladenschlussverordnung einbezogen werden durften (das setzt nach den Ausführungen in der Randnummer 25 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.11.2015 [8 CN 2.14 – GewArch 2016, 154] voraus, dass der Bezug eines dort zugelassenen Offenhaltens von Verkaufsstellen zum Marktgeschehen erkennbar bleibt), bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung.
3. Es ist nicht Sache des Verwaltungsgerichtshofs, die nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015 (a. a. O.) erforderliche Prognose selbst anzustellen. Der Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht verpflichtet, im vorliegenden Rechtsstreit die Tatsachen zu ermitteln, auf deren Grundlage die Antragsgegnerin alsdann die nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. November 2015 (a. a. O.) erforderliche Prognose anstellen könnte.
Das Gericht könnte die Sache auch nach der Durchführung einer aufwändigen Beweiserhebung nicht von sich aus spruchreif machen. Wären nämlich die Zahl der Geschäftsinhaber, die sich an einer am Sonntag des Stadtgründungsfest ermöglichten Ladenöffnung beteiligen wollen, und der von ihnen erwartete Käuferzustrom bekannt, so müsste sich dem noch die erforderliche Prognose darüber anschließen, wie sich diese Faktoren auf den öffentlichen Charakter der betroffenen Sonntage – und zwar auch auf mittlere und lange Sicht – auswirken werden. Die Vornahme dieser Einschätzung aber obliegt zunächst demjenigen Träger öffentlicher Gewalt, der eine auf § 14 Abs. 1 Satz 2 LadSchlG gestützte Verordnung zu erlassen beabsichtigt; die Aufgabe der Gerichte beschränkt sich in diesem Zusammenhang darauf, die Richtigkeit der Anknüpfungstatsachen zu überprüfen, die der Prognose zugrunde gelegt wurden, sowie deren methodengerechte Erstellung und ihre sachliche Vertretbarkeit zu kontrollieren.
Das Gericht beschränkt sich daher auf die Feststellung, dass der Mangel, der der verfahrensgegenständlichen Änderungsverordnung wegen der unterbliebenen Vergewisserung der Antragsgegnerin über die Auswirkungen der von ihr zugelassenen sonntäglichen Ladenöffnung auf den öffentlichen Charakter des betroffenen Sonntags anhaftet, nicht unbeachtlich ist; es ist nämlich nicht offensichtlich, dass diese Norm gleichwohl im Ergebnis mit dem höherrangigen Recht vereinbar ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung von § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GG).


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