IT- und Medienrecht

Urteil im sog. Abgasskandal: Zur Subsidiarität der Feststellungsklage und zur Kausalität zwischen Täuschung und Vertragsschluss

Aktenzeichen  18 U 4601/19

Datum:
14.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6838
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 263 Abs. 1
BGB § 249 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 826, § 831
ZPO § 256 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Feststellungsinteresse i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO besteht nicht, wenn der Kläger allein einen deliktischen Schadensersatzanspruch geltend macht, der ihm nur einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkws gewährt. Auf einen noch nicht bezifferbaren Minderwert des Fahrzeugs kann sich der Kläger insoweit nicht berufen, weil er nur das Erfüllungsinteresse verlangen kann. (Rn. 27 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts, dass vertragliche und gesetzliche Haftung stets den gleichen Inhalt haben müssen, ist nicht anzuerkennen. Grundsätzlich ist jeder Anspruch nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung nach selbständig zu beurteilen und folgt seinen eigenen Regeln. (Rn. 34 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die im Rahmen des gebotenen Vorteilsausgleichs von dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung steht einer Bezifferung des klägerischen Schadensersatzanspruchs nicht entgegen. (Rn. 38 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die zu den gewöhnlichen Unterhaltungskosten gehören und dem Erhalt der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs dienen, besteht nicht (Abweichung von OLG Karlsruhe BeckRS 2019, 14948). (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Kausalität der konkludenten Täuschung für den Vertragsschluss ist zu verneinen, wenn es der Käufer jedenfalls für möglich gehalten hat, dass der von ihm erworbene Pkw von Abgasmanipulationen betroffen sein könnte, aber keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese Frage vor Vertragsschluss zu klären. Denn ein solches Verhalten des Schuldners lässt im Allgemeinen den Rückschluss darauf zu, dass die als möglich erkannte Betroffenheit des Fahrzeugs von den Abgasmanipulationen für seine Kaufentscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung war. Dies gilt erst recht, wenn dem Käufer die Betroffenheit des von ihm erworbenen Pkws von den der Beklagten zur Last liegenden Abgasmanipulationen positiv bekannt war. (Rn. 47 – 50) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

8 O 3598/18 2019-07-18 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 18.07.2019, Az.: 8 O 3598/18, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das vorgenannte Endurteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, ist der mit dem Berufungsantrag zu Ziffer 2 weiterverfolgte Feststellungsantrag bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO), weil er sein Schadensersatzbegehren im Wege der vorrangigen Leistungsklage verfolgen kann. Entsprechendes gilt für den mit Schriftsatz vom 08.01.2020 gestellten „Hilfsantrag“, bei dem es sich tatsächlich nur um eine Präzisierung des Antrags bei unverändert gebliebenem Feststellungsziel handelt.
a) Ist eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar, fehlt dem Kläger aus prozessökonomischen Gründen für die Erhebung einer Feststellungsklage regelmäßig das erforderliche Feststellungsinteresse. Da ein Feststellungsurteil nicht vollstreckt werden kann, müsste der Kläger im Falle seines Obsiegens nochmals auf Leistung klagen. Die Leistungsklage eröffnet dagegen die Möglichkeit, den gesamten Streitstoff in einem Rechtsstreit zu erledigen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 7a; BGHZ 5, 314). Ein Feststellungsinteresse ist deshalb nur zu bejahen, wenn der Kläger seinen Anspruch noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwendigen Begutachtung beziffern kann, etwa weil sich der anspruchsbegründende Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. Zöller-Greger a.a.O. m.w.N.).
b) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass ihm eine Bezifferung des Schadens dann unmöglich wäre, wenn er sich dazu entschließen sollte, den streitgegenständlichen Pkw zu behalten. Der im vorliegenden Fall allein in Betracht kommende deliktische Schadensersatzanspruch gewährt dem Kläger gegen die Beklagte nur einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkws (§ 249 Abs. 1 BGB). Ein Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Minderwerts des Fahrzeugs steht dem Kläger dagegen nicht zu, weil die Beklagte ihm nicht auf das Erfüllungsinteresse haftet.
aa) Der Schadensersatzanspruch eines arglistig getäuschten Käufers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 Abs. 1 StGB gegen einen Dritten, der die Täuschung verübt hat, ist darauf gerichtet, dass der Käufer so gestellt wird, wie er stünde, wenn er nicht getäuscht worden wäre (vgl. hierzu und im Folgenden: BGH, Urteil vom 10.01.2011 – VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78, Leitsatz). Der nach den genannten Vorschriften zum Schadensersatz Verpflichtete hat lediglich den sogenannten Differenzschaden zu ersetzen. Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses. Dieses ist zu ersetzen, wenn der Geschädigte verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (vgl. BGH a.a.O., Rn. 8).
Dies gilt für die deliktische Haftung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sogar dann, wenn sie neben einer vertraglichen Schadensersatzpflicht besteht. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte. Dieser Grundsatz findet bei einem Kaufvertrag jedenfalls dann Anwendung, wenn dieser aufgrund falscher Angaben eines Dritten zustande gekommen ist. Die im Gewährleistungsrecht verankerte Besserstellung des Käufers ist nur gerechtfertigt, weil sie auf einem Rechtsgeschäft beruht; denn nur dieses, nicht aber die unerlaubte Handlung, kann den Käufer besser stellen, als er vorher stand. Der Käufer kann deshalb nur von dem Verkäufer Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die unerlaubte Handlung eines Dritten kann dagegen nicht dazu führen, dass dieser haftungsrechtlich wie ein Verkäufer behandelt wird (vgl. BGH a.a.O., Rn. 9 m.w.N.).
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Bundesgerichtshof in dem bereits zitierten Urteil vom 10.01.2011 (Az.: VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78) zwar einen auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB gestützten Schadensersatzanspruch des Immobilienkäufers gegen einen Dritten, der ihn über den tatsächlichen Umfang der durchgeführten Dacharbeiten getäuscht hatte, auf Rückabwicklung des Kaufvertrages für möglich erachtet. Den statt dessen geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten hat er aber verneint, weil dieser Anspruch auf das Erfüllungsinteresse gerichtet sei (a.a.O., Rn. 11). Der VI. Zivilsenat hat dem damaligen Kläger auch ausdrücklich den ihm in erster Instanz zuerkannten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der nach § 472 Abs. 1 BGB a.F. berechneten Minderung versagt, weil auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nicht die Regeln des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts Anwendung fänden (a.a.O., Rn. 12).
Für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB kann zumindest dann nichts anderes gelten, wenn die Schädigungshandlung – wie im vorliegenden Fall – in einer Täuschung des Käufers durch den vom Verkäufer verschiedenen Hersteller der Kaufsache zu sehen ist (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 25, NJW-RR 2015, 275).
bb) Lediglich bei der Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich ein Wahlrecht desjenigen, der im Vertrauen auf die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben eines mit ihm vertraglich verbundenen Schädigers enttäuscht wurde und in diesem Zusammenhang eine vertragliche Bindung mit einem Dritten eingegangen ist. In einem solchen Fall kann der Anspruchsinhaber einerseits wählen, im Wege des Schadensersatzes vom Schädiger „Rückgängigmachung“ der Folgen des mit dem Dritten abgeschlossenen Vertrages zu verlangen, hierzu das Erlangte dem Schädiger zur Verfügung zu stellen und seine Aufwendungen ersetzt zu bekommen. Andererseits kann er auch an dem Vertrag mit dem Dritten insgesamt festhalten und vom Schädiger lediglich Entschädigung seines enttäuschten Vertrauens fordern; er kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie es der von ihm aufgrund des pflichtwidrigen Verhaltens des Schädigers angenommenen Situation entsprochen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 28, NJW-RR 2015, 275).
Zwischen den Parteien besteht aber kein Schuldverhältnis, kraft dessen die Beklagte dem Kläger wegen Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten haften könnte. Der Kläger hat den streitgegenständlichen Pkw nicht von der Beklagten, sondern von der Auto Bierschneider GmbH, Ingolstadt, erworben. Eine Haftung der Beklagten aus § 311 Abs. 3 BGB kommt nicht in Betracht, weil der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Dritte unmittelbar oder mittelbar an den Vertragsverhandlungen teilgenommen und durch sein Auftreten eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen hat (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 311 Rn. 63 m.w.N.). Das Vertrauen des Käufers auf die Richtigkeit der von der Beklagten erteilten EG-Übereinstimmungsbescheinigung reicht hierfür nicht aus.
Der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehende inhaltliche Unterschied zwischen einer (vor-)vertraglichen und einer rein deliktischen Haftung lässt sich damit rechtfertigen, dass die Haftung aus culpa in contrahendo im Regelfall allein den Partner des angebahnten Vertrages trifft (Palandt-Grüneberg a.a.O., Rn. 60), der – als solcher – dem Geschädigten auf Erfüllung haftet. Soweit § 311 Abs. 3 BGB diese Haftung ausnahmsweise auf Dritte erstreckt, muss stets ein Sachverhalt vorliegen, der es rechtfertigt, den Dritten insoweit dem (künftigen) Vertragspartner gleichzustellen. Diesem Personenkreis ist die Beklagte nicht zuzurechnen.
Ein allgemeiner rechtlicher Grundsatz des Inhalts, dass vertragliche und gesetzliche Haftung stets den gleichen Inhalt haben müssen, ist nicht anzuerkennen (BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, Rn. 32, NJW-RR 2015, 275). Jeder Anspruch ist nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung nach selbständig zu beurteilen und folgt seinen eigenen Regeln. Abweichungen von diesem Grundsatz kommen nur ganz ausnahmsweise in Betracht und beschränken sich typischerweise auf Fallgestaltungen, in denen die – unmodifizierten – deliktischen Ansprüche den Zweck einer für den vertraglichen Anspruch geltenden Vorschrift vereiteln und die gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würden (vgl. BGH a.a.O.).
c) Die im Rahmen des gebotenen Vorteilsausgleichs von dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung steht einer Bezifferung des klägerischen Schadensersatzanspruchs nicht entgegen.
aa) Die Nutzungsentschädigung wäre entgegen der Ansicht des Klägers nicht unter Berücksichtigung eines etwaigen – der Höhe nach noch unbekannten – merkantilen Minderwerts des Fahrzeugs, sondern auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises zu ermitteln. Denn der Kläger behauptet selbst nicht, dass infolge der unzulässigen Abschalteinrichtung die tatsächliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Pkws eingeschränkt gewesen sei. Das erscheint auch fernliegend, weil sich die der Beklagten zur Last liegende Manipulation ausschließlich auf die Effektivität der Abgasreinigung ausgewirkt hat.
Da der Schadensersatzanspruch auf Befreiung von dem geschlossenen Kaufvertrag über das Fahrzeug gerichtet ist, erscheint es sachgerecht, die Nutzungsentschädigung nach der Formel „Bruttokaufpreis mal gefahrene Kilometer geteilt durch die zu erwartende Restfahrleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs“ zu berechnen.
bb) Die Schadensentstehung war mit Zahlung des Kaufpreises für den Pkw abgeschlossen. Die Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger wirkt sich allein auf die Höhe der anzurechnenden Vorteile aus. Dieser Umstand steht der Bezifferung des Schadens und damit der Erhebung einer Leistungsklage aber nicht entgegen. Selbst wenn der Kläger auf die weitere Nutzung seines Pkws angewiesen wäre, könnte er den ihm bei Klageerhebung zustehenden Schadensersatz auf der Grundlage der bis dahin gefahrenen Kilometer ermitteln. Der im Verlauf des Rechtsstreits eintretenden „Abschmelzung“ dieses bezifferten Betrages infolge der weiteren Nutzung des Fahrzeugs könnte er dadurch Rechnung tragen, dass er den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
d) Da dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Pkws zusteht, ist er nicht dem Risiko ausgesetzt, dass die Zulassungsbehörde zu einem späteren Zeitpunkt wegen einer weiteren, nach seiner Darstellung mit dem Aufspielen des Sofware-Updates verbundenen unzulässigen Abschalteinrichtung gegen ihn vorgehen könnte, wofür derzeit keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind. Auch die befürchteten Nachteile des Software-Updates wie Schäden an Fahrzeugteilen, ein erhöhter Kraftstoffverbrauch oder höhere Kohlendioxidemissionen kann der Kläger durch Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte vermeiden.
e) Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe in dem klägerseits zitierten Urteil vom 18.07.2019 (Az.:17 U 160/18) verneint der Senat einen Anspruch des Geschädigten auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die zu den gewöhnlichen Unterhaltungskosten gehören und dem Erhalt der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs dienen. Dazu gehören etwa die Kosten für die nach Empfehlung des Herstellers durchzuführenden Inspektionen oder einen erforderlichen Ölwechsel. Denn diese Kosten wären in vergleichbarer Höhe angefallen, wenn der Kläger von der Beklagten nicht konkludent getäuscht worden wäre und sich – wovon nach der allgemeinen Lebenserfahrung auszugehen ist – für den Erwerb eines anderen Fahrzeugs entschieden hätte.
Die Divergenz zur Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe gebietet im vorliegenden Fall allerdings nicht die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbs. ZPO), weil die Klage im Falle ihrer Zulässigkeit unbegründet wäre (vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. 2).
f) Die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts sonstiger Schäden, etwa einer Steuernachforderung infolge einer rückwirkenden höheren Besteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Anders als bei der Verletzung absoluter Rechte (wie des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2018 – I ZR 187/16) reicht bei der vorliegenden Verletzung einer Norm zum Schutz des Vermögens, die im vorliegenden Fall allein in Betracht kommt, die bloße Möglichkeit des Eintritts künftiger Schadensfolgen für die Bejahung des Feststellungsinteresses nicht aus (Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256, Rn. 9 m.w.N.). Aus diesem Grunde ist ein Feststellungsinteresse auch nicht zum Zwecke der Hemmung der Verjährung hinsichtlich künftiger Schadensfolgen anzuerkennen (vgl. Zöller-Greger a.a.O.).
g) Ein Feststellungsinteresse trotz möglicher Leistungsklage wird zwar ausnahmsweise für den Fall bejaht, dass das Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führt, weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten werde (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 8). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall aber bereits deshalb, weil unklar bleibt, welche Ansprüche der Kläger geltend machen will. Es kann deshalb dahinstehen, ob diese Rechtsprechung überhaupt auf die Beklagte Anwendung findet.
2. Im Falle ihrer Zulässigkeit wäre die Klage unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu, weil er den ihm obliegenden Nachweis nicht geführt hat, dass die der Beklagten zur Last liegende Schädigungshandlung – das Inverkehrbringen des mit der „Umschaltlogik“ ausgerüsteten Dieselmotors vom Typ EA 189 – für seine Entscheidung, den streitgegenständlichen Pkw zu erwerben, ursächlich geworden war. Aus diesem Grunde kann der Kläger auch keine Freistellung von seiner Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.
a) Wie bereits dargelegt, besteht im Falle einer durch arglistige Täuschung verübten sittenwidrigen Schädigung der Schaden in der eingegangenen Verpflichtung, die der Getäuschte bei Kenntnis der wahren Umstände nicht eingegangen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2004 – VI ZR 306/03, Rn. 14 ff., BGHZ 161, 361). Die Darlegungs- und Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und eingegangener Verpflichtung trifft den Geschädigten, wobei auf den Nachweis der konkreten Kausalität der Täuschung für den Willensentschluss des Getäuschten nicht verzichtet werden kann (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 79. Aufl., § 826 Rn. 18; BGH, Urteil vom 04.06.2013 – VI ZR 288/12, Rn. 25, NJW-RR 2013, 1448). Regelmäßig genügt es, dass der Getäuschte Umstände darlegt, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1995 – V ZR 34/94, Rn. 17, NJW 1995, 2361).
Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellt in seinem Hinweisbeschluss vom 05.03.2019 (Az.: 13 U 142/18, BeckRS 2019, 3395) darauf ab, dass nach der Lebenserfahrung niemand ein Kraftfahrzeug in Kenntnis einer nicht bestehenden Genehmigung oder Genehmigungsfähigkeit käuflich erwerben würde (a.a.O., Rn. 23). Dieser Gedanke erscheint aber nur uneingeschränkt tragfähig, wenn der Käufer den Pkw vor Bekanntwerden des Abgasskandals erworben hat. Hatte der Käufer dagegen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von den der Beklagten zur Last liegenden Abgasmanipulationen, was angesichts der breiten Erörterung dieses Themas in den Medien ab Herbst 2015 regelmäßig anzunehmen ist, muss er nachvollziehbar darlegen, aus welchen Gründen er davon ausgegangen ist, dass das von ihm erworbene Fahrzeug von der Problematik nicht betroffen ist.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Kausalität der konkludenten Täuschung für den Vertragsschluss nicht erst dann zu verneinen, wenn dem Käufer die Betroffenheit des konkret erworbenen Pkws von den Abgasmanipulationen bei Vertragsschluss positiv bekannt war. Vielmehr reicht aus, dass der Käufer es jedenfalls für möglich gehalten hat, dass der von ihm erworbene Pkw betroffen sein könnte, aber keine ihm möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, diese Frage vor Vertragsschluss zu klären. Denn ein solches Verhalten des Schuldners lässt im Allgemeinen den Rückschluss darauf zu, dass die als möglich erkannte Betroffenheit des Fahrzeugs von den Abgasmanipulationen für seine Kaufentscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung war. Dies gilt erst recht, wenn dem Käufer die Betroffenheit des von ihm erworbenen Pkws von den der Beklagten zur Last liegenden Abgasmanipulationen positiv bekannt war.
b) Der Kläger war nach eigenen Angaben im Rahmen der Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen worden, dass der streitgegenständliche Pkw vom Diesel-Abgasskandal betroffen war und ein Software-Update aufgespielt werden musste. Dadurch war die der Beklagten zur Last liegende konkludente Täuschung der Endkunden durch Inverkehrbringen des Dieselmotors EA 189 dem Kläger gegenüber aufgedeckt worden.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm die tatsächlichen und rechtlichen Folgen der ursprünglichen Manipulationen oder des Software-Updates unbekannt gewesen seien. Eine etwaige Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch die Verkäuferin müsste sich die Beklagte nicht zurechnen lassen.
Vorvertragliche Aufklärungspflichten treffen gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB grundsätzlich den Verkäufer. Die Beklagte war an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligt; das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten gemäß § 311 Abs. 3 BGB hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Verkäuferin war weder Verrichtungsgehilfe der Beklagten im Sinne von § 831 BGB, noch kann eine Zurechnung damit begründet werden, dass die Beklagte auf ihre Vertragshändler „massiv mit Druck einwirkt“, wie die Klägerin behauptet. Die von ihr vorgenommenen Manipulationen am Abgasrückführungssystem hatte die Beklagte im Zeitpunkt des Erwerbs des Pkws durch die Klägerin bereits öffentlich eingeräumt.
c) Die vorstehenden Ausführungen gelten in gleicher Weise für alle übrigen von der Klägerin ins Feld geführten deliktischen Schadensersatzansprüche. Die Darlegungs- und Beweislast für den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Schädigungshandlung und Schadenseintritt trifft bei allen in Betracht kommenden Haftungstatbeständen den Geschädigten (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 823 Rn. 80 ff.).
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Verneinung von Schadensersatzansprüchen des Klägers gegen die Beklagte beruht auf den konkreten Umständen des Einzelfalls.
Verkündet am 14.01.2020


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