IT- und Medienrecht

Verkauf eines Fahrzeugs mit manipulierter Abgassoftware ist sittenwidriges Handeln iSv § 826 BGB

Aktenzeichen  021 O 3267/17

Datum:
5.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33800
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249, § 293, § 294, § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263

 

Leitsatz

Setzt ein Autohersteller zur Beeinflussung der Abgaswerte nach der Euro 5 Norm in einer Vielzahl von Fällen zur Umsatz- und Gewinnsteigerung eine Manipulationssoftware ein, erhalten die Käufer ein mangelhaftes Fahrzeug und der Fahrzeughersteller handelt sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB. Bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags muss sich der Käufer einen Nutzungsersatz nicht anrechnen lassen. (Rn. 10 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.285,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.07.2017 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Golf Plus Trendline 1,6 l TDI, FIN …
II. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten Pkw im Annahmeverzug befindet.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 26.07.2017 zu zahlen.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Augsburg ist zuständig, denn der Kläger macht deliktische Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Nach § 32 ZPO ist eine Zuständigkeit auch dort begründet, wo der Schadenseintritt erfolgte. Dies ist jedenfalls am Wohnsitz des Klägers.
II.
Die Klage ist auch bis auf eine geringfügige Zuvielforderung begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach § 826 BGB zu. Es ist gerichtsbekannt und unstreitig, dass die Beklagte Manipulationssoftware einsetzte, um Abgaswerte nach der Euro 5 Norm zu beeinflussen. Dies geschah in einer Vielzahl von Fällen und diente der Umsatz- und Gewinnsteigerung der Beklagten. Der Kläger erhielt damit ein mangelhaftes, weil bemakeltes, Fahrzeug und erlitt einen entsprechenden wirtschaftlichen Schaden. Dieses Vorgehen der Beklagten ist sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB.
Der Kläger muss sich daher gegenüber dem Hersteller des Fahrzeugs auch keinen Nutzungsersatz anrechnen lassen. Dies würde zu einer unangemessenen und damit treuwidrigen Entlastung eines deliktisch handelnden Schädigers führen.
Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug gemäß § 293 BGB mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs, denn in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 11.07.2017 liegt ein die Voraussetzungen des Annahmeverzugs begründendes tatsächliches Angebot i.S.v. § 294 BGB. Auf Grund dieses Schreibens und dem darin gesetzten Zahlungsziel befindet sich die Beklagte seit 26.07.2017 in Verzug. Die geltend gemachten Zinsen sind daher nach §§ 286, 288 BGB begründet.
Der Kläger hat nach § 249 BGB auch Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren. Angemessen ist allerdings nur eine 1,3 Gebühr, denn angesichts der Vielzahl gleichgelagerter Fälle und der standardmäßig vorgefertigten Schriftsätze, ist nur von einer durchschnittlichen Schwierigkeit auszugehen. Die Rechtsanwaltsgebühren berechnen sich wie folgt:
„1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 24.285,20 € = 1.024,40 €“
Pauschale 20,00 €
Zwischensumme 1.044,40 €
19% Mehrwertsteuer = 198,43 €
insgesamt 1.242,83 €.“
Insoweit hatte eine teilweise Klageabweisung zu erfolgen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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