IT- und Medienrecht

Wegen Erledigung erfolglose Fortsetzungsfeststellungsklage gegen Prüfungsentscheidung

Aktenzeichen  RN 4 K 15.1970

Datum:
13.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 2-4, § 79 Abs. 1 Nr. 2
BayVwVfG BayVwVfG Art. 80 Abs. 1 S. 5
GG GG Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Die Frage, ob ein negativer Prüfungsentscheid bei einer personenbezogenen Prüfung sich nach Bestehen der Wiederholungsprüfung erledigt, ist nach der Art der Prüfung, den vom Prüfling verfolgten Zielen und seinen weiteren persönlichen Planungen zu beurteilen; der negative Erstprüfungsbescheid erledigt sich nicht und beschwert den Adressaten weiterhin, wenn sich der „Makel des Durchfallens“ als ein wesentliches Hemmnis, insbesondere für das berufliche Fortkommen, erweisen kann. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der „Makel des Durchgefallenseins“ begründet ein Rehabilitationsinteresse, wenn der Fehlversuch zu einer Stigmatisierung führt, die geeignet ist, das Ansehen des Prüfungskandidaten in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld erheblich herabzusetzen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2013, 54296). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Beseitigung eines diskriminierenden Anscheins ist bei Prüfungen, die lediglich der Freizeitgestaltung dienen, kein Raum. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4 Da es sich bei der Gebühr für eine Wiederholungsprüfung um eine allenfalls mittelbare Folge des vorangegangenen Fehlversuchs handelt, die auf einem eigenen Entschluss beruht, kommt insoweit weder ein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch noch ein allgemeiner Folgenbeseitigungs- und Erstattungsanspruch in Betracht. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
5 Die isolierte Anfechtung der Kostenlastentscheidung eines einstellenden Widerspruchsbescheids ist in analoger Anwendung des § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft (Anschluss an VG München BeckRS 2005, 38147). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, soweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 30.6.2015 und die Erstattung der Gebühr für die Wiederholungsprüfung begehrt werden. Soweit die Aufhebung der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid begehrt wird, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
I.
Bezüglich der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 30.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.10.2015 ist die erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) mangels Vorliegens eines besonderen Feststellungsinteresses unzulässig.
1. Die Fortfestsetzungsfeststellungsklage ist zwar vorliegend die richtige Klageart, da der negative Prüfungsbescheid, in welchem festgestellt wird, dass die Klägerin den praktischen Teil der Jägerprüfung 02/2015 nicht bestanden hat, sich durch Bestehen der Wiederholungsprüfung noch vor Ergehen des Widerspruchsbescheids erledigt hat. Die Frage, ob ein negativer Prüfungsentscheid bei einer personenbezogenen Prüfung sich nach Bestehen der Wiederholungsprüfung erledigt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach der Art der Prüfung, den vom Prüfling verfolgten Zielen und seinen weiteren persönlichen Planungen zu beurteilen. Der negative Erstprüfungsbescheid erledigt sich nicht und beschwert den Adressaten weiterhin, wenn sich der „Makel des Durchfallens“ als ein wesentliches Hemmnis, insbesondere für das berufliche Fortkommen, erweist bzw. erweisen kann. Keine Erledigung nach bestandener Wiederholungsprüfung wurde vom Bundesverwaltungsgericht beispielsweise im Falle der Abiturprüfung (BVerwG, U. v. 12.4.1991, Az: 7 C 36/90) und des juristischen Staatsexamens (BVerwG, U. v. 21.10.1993, Az: 6 C 12/92) angenommen. Vorliegend hat sich der Bescheid über das Nichtbestehen des praktischen Teils der Jägerprüfung durch das Bestehen der Wiederholungsprüfung erledigt, da die Klägerin keine Berufsjägerin ist, sie die Jagd also ausschließlich als Liebhaberei bzw. Hobby bzw. Freizeitgestaltung betreibt. Hemmnisse im Rahmen des beruflichen Weiterkommens hat die Klägerin demnach aufgrund des negativen Prüfungsbescheids nicht zu erwarten. Dass durch diesen andere gravierende Nachteile in der Lebensgestaltung der Klägerin eintreten könnten, ist nicht ersichtlich. Da es bei der Frage der Erledigung des negativen Prüfungsbescheids allein darauf ankommt, ob dieser für die Klägerin gravierende Nachteile nach sich ziehen kann, spielt es auch keine Rolle, dass die ordnungsgemäße Ausübung der Jagd eine gesetzliche Aufgabe darstellt.
2. Im Rahmen der statthaften Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch auf Seiten der Klägerin ein besonderes Feststellungsinteresse nicht gegeben.
Für das notwendige Feststellungsinteresse genügt nach der Rechtsprechung jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2015, § 113, Rn. 129). Von den insoweit anerkannten Fall-gruppen ist betreffend die Klägerin keine einschlägig.
Nachdem das erledigende Ereignis (Bestehen der Wiederholungsprüfung) vor Klageerhebung eingetreten ist, liegt kein berechtigtes Interesse an der Fortführung einer verwaltungsgerichtlichen Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen bevorstehenden Amtshaftungsprozesses vor. Denn es ist noch kein prozessualer verwaltungsgerichtlicher Aufwand entstanden und die zuständigen Zivilgerichte können die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst feststellen (vgl. Kopp/Schenke a.a.O. § 113 Rn. 136).
Da die Klägerin die Jägerprüfung nunmehr uneingeschränkt bestanden hat, besteht auch keine Wiederholungsgefahr.
Aus dem „Makel des Durchgefallenseins“ ergibt sich auch kein Rehabilitationsinteresse bzw. eine fortdauernde tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung. Erforderlich hierfür wäre nämlich, dass der Fehlversuch der Klägerin zu einer Stigmatisierung führt, die geeignet ist, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld erheblich herabzusetzen (vgl. BVerwG, U. v. 16. 5. 2013 – 8 C 14/12). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Für die Beseitigung eines diskriminierenden Anscheins ist jedenfalls bei Prüfungen, die, wie hier, lediglich der Freizeitgestaltung dienen, kein Raum. Selbst wann man davon ausginge, dass das Nichtbestehen der Jägerprüfung weiteren Personen außerhalb des Kreises der an der Prüfung und dem anschließenden Verfahren Beteiligten bekannt geworden ist, wird die Klägerin hierdurch nicht rechtserheblich beschwert. Soweit die Klägerin nämlich vorträgt, es stehe zu befürchten, dass sie wegen des Fehlversuchs in Zukunft in Jägerkreisen nicht als richtige Jägerin angesehen werde, ist festzustellen, dass der gute Ruf eines Jägers nicht vom Ergebnis einer Prüfung abhängt, sondern von seiner Qualität als Jäger und dem Ansehen, dass er sich bei Ausübung der Jagd zu erwerben vermag (so auch BVerwG, B. v. 4.9.1989, Az: 7 B 132/89). Da die Durchfallquote bei der Jägerprüfung gemäß den (unbestrittenen) Angaben des Beklagten bei 30% bis 40% liegt, kann auch keine Rede davon sein, dass die Klägerin sich aufgrund ihres Fehlversuchs in einer völligen Außenseiterrolle in Jägerkreisen wiederfinden würde.
Ein besonderes Feststellungsinteresse ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin für die Wiederholungsprüfung weitere Prüfungsgebühren in Höhe von 90,- € bezahlen musste. Zum einen war die zusätzliche Prüfungsgebühr nicht Regelungsgegenstand des Prüfungsbescheids oder des Widerspruchsbescheids selbst. Zum anderen stellt sich dieser behauptete Vermögensschaden nicht mehr als adäquate Folge der behaupteten Amtspflichtverletzung des Beklagten dar. Denn die Klägerin hat sich nach Erhebung des Widerspruchs aus freiem Willensentschluss zu dem weiteren Prüfungsversuch entschlossen, ohne den Ausgang des Verfahrens abzuwarten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Zuwarten der Klägerin angesichts ihres Betreibens der Jagd als Freizeitgestaltung nicht zumutbar gewesen wäre.
II.
Auch soweit die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihr die Gebühr für die Wiederholungsprüfung zu erstatten, ist die Klage unzulässig, da diesbezüglich keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben wäre.
Ein Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch nach § 113 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO kommt nicht in Betracht, da es sich bei der Wiederholungsgebühr um eine allenfalls mittelbare Folge des negativen Prüfungsbescheids handelt. Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch ist jedoch nur auf die Rückgängigmachung der unmittelbaren, noch andauernden Folgen der Vollziehung eines aufzuhebenden Verwaltungsakts anwendbar (vgl. Kopp/Schenke a.a.O., § 113, Rn. 80, 90).
Die Rückzahlung der Prüfungsgebühr aufgrund des öffentlich-rechtlichen allgemeinen Folgenbeseitigungs- bzw. Erstattungsanspruchs nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. mit den Freiheitsgrundrechten, scheidet ersichtlich aus, da dieser nicht diejenigen weiteren rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung erfasst, die erst in Folge eines Verhaltens des Betroffenen eingetreten sind, also auf dessen eigenem Entschließen beruhen. Eine Ausdehnung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf diese Fälle würde ansonsten keine klare Abgrenzung zwischen diesem und dem Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG mehr ermöglichen (vgl. BVerwG, U. v. 19.7.1984, Az: 3 C 81/82).
Die mittelbaren Folgen der behaupteten Amtspflichtverletzung des Beklagten kann die Klägerin daher nur im Wege eines Amtshaftungsanspruchs vor den ordentlichen Gerichten geltend machen.
III.
Der Klageantrag auf Aufhebung der Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die isolierte Anfechtung der Kostenlastentscheidung eines einstellenden Widerspruchsbescheids ist in analoger Anwendung des § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 79 Rn. 9; VG München U. v. 20.4.2005, Az: M 15 K 04.3722).
Bei Erledigung des Widerspruchs ist Rechtsgrundlage der Kostenentscheidung Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG. Danach ist in diesen Fällen über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes zu entscheiden, wobei insoweit die gleichen Grundsätze wie bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung im gerichtlichen Verfahren nach § 161 Abs. 2 VwGO gelten. Maßgeblich ist daher, ob der Widerspruch in der Sache Erfolg gehabt hätte und wer den Anlass für die Erledigung gegeben hat (vgl. BayVGH, U. v. 12.2.1982, Az: 23 B 80 A.2332).
Diese Ermessensentscheidung des Beklagten kann seitens des Gerichts nur darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden. Das Gericht ist nicht befugt, seine eigene Einschätzung hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Widerspruchs an die Stelle der Ermessensentscheidung der Behörde zu setzen (vgl. VG München U. v. 20.4.2005, Az: M 15 K 04.3722).
2. Der Beklagte hat von dem ihm in Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht.
Nicht zu beanstanden ist die Begründung im Widerspruchsbescheid, demjenigen die Kosten aufzuerlegen, der die Amtshandlung veranlasst und den Anlass für die Erledigung gegeben hat. Dies entspricht, wie dargestellt, den allgemeinen Kriterien, die beim Treffen einer derartigen Kostenentscheidung anzuwenden sind.
Im Hinblick auf die voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Widerspruchs hat der Beklagte sich hierzu im gerichtlichen Verfahren umfangreich geäußert. Insoweit ist daher jedenfalls eine zulässige Ergänzung der Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO vorgenommen worden.
Die Ansicht des Beklagten, der Widerspruch hätte wahrscheinlich keinen Erfolg gehabt, ist nicht ermessensfehlerhaft. Soweit die Klägerin maßgeblich darauf abstellt, an einer nicht prüfungskonformen Waffe geprüft worden zu sein, ist die abweichende Ansicht des Beklagten im Hinblick auf Ermessensfehler nicht zu beanstanden. Gemäß dem Prüfungsleitfaden für den praktischen Teil der Jägerprüfung (Bl. 45 ff. der Gerichtsakte) sind für die Handhabungsprüfung folgende Waffentypen festgelegt: „Repetierbüchse System 98“ und „Repetierbüchse moderner Bauart“. Wenn nun der Beklagte der Ansicht ist, dass die der Klägerin bei der Prüfung vorgelegte Waffe Bauart Steyr Mannlicher, die ab 1969 hergestellt wurde, eine moderne Repetierbüchse im Vergleich zum System 98, welches nach dem Einführungsjahr 1898 benannt ist, darstellt, ist dies nicht ermessensfehlerhaft.
Unabhängig hiervon weist der Beklagte nachvollziehbar darauf hin, dass gemäß dem Prüfungsleitfaden bei der Handhabungsprüfung der Waffen keine modellspezifischen Feinheiten abgefragt werden, sondern es auf die sichere Beherrschung von Grundregeln der Waffenhandhabung ankommt. Ausweislich der Stellungnahme des Prüfers der Klägerin (Bl. 69 f. der Gerichtsakte) hat die Klägerin bei der ihr vorgelegten Waffe überhaupt keine Überprüfung der Sicherung vorgenommen. Dass ein derart schwerwiegender Handhabungsfehler, der unabhängig vom vorgelegten Waffenmodell ist, vom Beklagten im Einklang mit der Anlage 1 zum Prüfungsleitfaden Ziffer 0.1 als Fehler angesehen wurde, der das Nichtbestehen der Prüfung zur Folge hatte, ist nicht ermessensfehlerhaft.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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