IT- und Medienrecht

Zahlung rückständiger Rundfunkbeiträge

Aktenzeichen  7 ZB 17.769

Datum:
12.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138448
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 44
RBStV § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1
VwGO § 54 Abs. 1, § 94, § 95, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4
ZPO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Sind mehrere Wohnungsinhaber Rundfunkbeitragsschuldner, kann jeder von ihnen in Anspruch genommen werden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Rundfunkbeitrag im privaten Bereich ist eine nichtsteuerliche und verhältnismäßige Abgabe, für deren Erhebung die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages sind keine beabsichtigte Beihilfe zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gem. Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 6 K 16.1065 2017-03-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 60,50 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2016, mit dem rückständige Rundfunkbeiträge für die von ihr und ihrer Mutter bewohnte Wohnung für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 30. September 2015 in Höhe von 52,50 Euro zuzüglich eines Säumniszuschlags in Höhe von 8 Euro, insgesamt 60,50 Euro, festgesetzt wurden. Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, nicht sie, sondern ihre Mutter sei Inhaberin der Wohnung und damit Schuldnerin der Rundfunkbeiträge. Außerdem sei der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ihr gegenüber nicht wirksam, weil sie als italienische Staatsangehörige nicht wahlberechtigt und deshalb im Bayerischen Landtag kein Abgeordneter legitimiert sei, auf ihre Rechnung Verträge zu ratifizieren. Im Übrigen handele es sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht um einen Beitrag, sondern um eine Steuer.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat mit dem hier angegriffenen Urteil vom 15. März 2017 die Klage abgewiesen. Soweit die Klägerin in den Hauptanträgen eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheids des Beklagten sowie eine erneute Entscheidung über ihren Widerspruch beantrage, seien die Hauptanträge bereits unzulässig. Der Hilfsantrag, der auf Aufhebung des Festsetzungsbescheids vom 3. Januar 2016 gerichtet sei, sei zulässig, aber unbegründet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), das Vorliegen rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) geltend.
Der Beklagte äußerte sich im Zulassungsverfahren nicht.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe sind schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen jedenfalls nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht.
Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind zu bejahen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht München hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin nach § 2 Abs. 1 und 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 (GVBl S. 258; BayRS 2251-17-S) als Bewohnerin und damit Inhaberin der Wohnung im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet war, Rundfunkbeiträge zu entrichten. Da die Klägerin die Wohnung zusammen mit ihrer Mutter bewohnt, haftet sie als Gesamtschuldnerin gemäß § 44 der Abgabenordnung (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV). Es bleibt dem Beklagten unbenommen, die Klägerin als eine von mehreren Wohnungsinhabern in Anspruch zu nehmen (vgl. BayVGH, U.v. 6.4.2016 – 7 ZB 15.2372 – juris Rn. 10). Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Übrigen hatte die Klägerin selbst dem Beklagten mit E-Mail vom 20. Mai 2014 mitgeteilt, dass sie die Rundfunkbeiträge bereits unter ihrer eigenen Beitragsnummer bezahlt habe. Mit Schreiben vom 4. Juni 2014 antwortete der Beklagte, dass das Beitragskonto der Mutter der Klägerin entsprechend gelöscht worden sei. Die Ausführungen der Klägerin zum Ermessensmissbrauch des Beklagten durch einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und das Schikaneverbot nach § 241 Abs. 2, § 226 BGB – gemeint wohl § 242 BGB – sind infolgedessen schon nicht verständlich, jedenfalls aber nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu wecken. Die von der Klägerin vorgebrachten Einwände hinsichtlich der Vollstreckung des streitgegenständlichen Festsetzungsbescheids sind ohne Relevanz für die Prüfung von dessen Rechtmäßigkeit.
Auch die Einwände der Klägerin im Übrigen begründen keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts München, das sich in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung befindet. Es ist geklärt, dass es sich beim Rundfunkbeitrag im privaten Bereich um eine nichtsteuerliche und nicht unverhältnismäßige Abgabe handelt, deren Erhebung von der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Rundfunkrecht gedeckt ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2016 – 6 C 6.15 – BVerwGE 154, 275; BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 – Vf.8-VII-12 u.a. – NJW 2014, 3215; ebenso BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 7 B 16.153). Es sprechen keine beachtlichen Gründe dafür, dass die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags der Kommission als beabsichtigte Beihilfe zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV vorab hätten gemeldet werden müssen (vgl. BayVerfGH, E.v. 15.5.2014 a.a.O. Rn. 89 f.). Durch die Rechtsprechung geklärt ist auch, dass sich die Tätigkeit der Rundfunkanstalten im öffentlich-rechtlichen Bereich vollzieht (vgl. BVerfG, B.v. 27.7.1971 – 2BvF 1/68 u.a. – BVerfGE 31,314). § 10 Abs. 5 RBStV ermächtigt die zuständige Landesrundfunkanstalt zum Erlass von Festsetzungsbescheiden. Im Lichte dessen sind die Ausführungen der Klägerin über die Vergleichbarkeit der Landesrundfunkanstalt mit Sparkassen und über nichtige Scheinverwaltungsakte nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen.
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, weil, wie unter Nr. 1 ausgeführt, der Sachverhalt geklärt ist und die angesprochenen Rechtsfragen, soweit sie entscheidungserheblich sind, sich ohne Weiteres aus dem Gesetz bzw. aus dazu ergangener Rechtsprechung beantworten lassen.
3. Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat sie diesen Zulassungsgrund schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt. Um eine solche zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m.w.N.). Diese Anforderungen erfüllt das Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf die von ihr formulierten Fragen, ob ein Staatsvertrag zu Lasten von Personen, die nicht wahlberechtigt sind, ohne weiteres gestattet sei, und wie weit die Vertretungsmacht der Abgeordneten reiche, nicht.
4. Die Klägerin hat mit ihrem Zulassungsvorbringen auch keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel aufgezeigt, auf dem die Entscheidung beruhen kann, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.
Die bloße Schilderung von (angeblichen) Äußerungen des Vorsitzenden Richters, der Stimmung im Gerichtssaal und Ausführungen rechtstheoretischer Art ist schon nicht geeignet, einen Verfahrensfehler i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen. Soweit die Klägerin aus dieser Schilderung allgemein den Schluss ziehen will, dass ihr Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) durch die Verhandlungsführung verletzt worden sei, ist ein solcher Verstoß nicht erkennbar. Ein Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, liegt u.a. dann vor, wenn das Gericht seiner Verpflichtung, die für die Entscheidung erheblichen Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachkommt (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, B.v. 15.11.2017 – 4 B 13.17 – juris m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichten die Gerichte nicht dazu, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen. Dies gilt auch für die Schlüsse, die das Gericht trotz des Vortrags der Klägerin im Hinblick auf die Rechtsnatur der Landesrundfunkanstalt gezogen hat.
Auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München, das Verfahren nicht bis zur Entscheidung über anderweitige Verfassungsbeschwerden auszusetzen, begründet keinen Verfahrensfehler, der dem Antrag auf Zulassung der Berufung zum Erfolg verhelfen könnte. Gemäß § 94 VwGO steht die Entscheidung, ob ein Rechtsstreit ausgesetzt wird, im Ermessen des Gerichts. Da sich die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts München in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung befindet, ist eine Aussetzung des Verfahrens trotz anhängiger Verfassungsbeschwerden zum Rundfunkbeitragsrecht nicht geboten (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2013 – 9 B 43.13 – juris Rn. 3).
Ebenso begründet der Vortrag der Klägerin, das Gericht habe das persönliche Erscheinen des Beklagten nicht angeordnet und sei als „verlängerter Arm der Exekutive“ tätig geworden, keinen rechtserheblichen Verfahrensmangel. Die Möglichkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens nach § 95 VwGO dient vorwiegend der Klärung des Sachverhalts i.S.v. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Vortrag lässt schon jegliche Darlegung vermissen, welche weitere Aufklärung des unstrittigen Sachverhalts durch die Anwesenheit eines Vertreters des Beklagten zu erwarten gewesen wäre und welche Auswirkungen diese auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gehabt hätte. Derartiges ist auch nicht erkennbar. Rechtsfragen hat das Gericht zu entscheiden; die Anwesenheit eines Beklagtenvertreters ist hierfür nicht erforderlich. Soweit die Klägerin mit diesem Vortrag die Befangenheit des Verwaltungsgerichts und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens geltend machen will, ist ebenfalls kein Verfahrensmangel dargelegt bzw. erkennbar. Fraglich ist schon, ob die Klägerin ihr Rügerecht nicht dadurch verloren hat, dass sie, ohne die Befangenheit geltend zu machen, Klageanträge gestellt hat (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO). Abgesehen davon sind auch keine Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit i.S.v. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO ersichtlich, da kein Sachverhalt vorliegt, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.1.2015 – 10 ZB 14.1874 – juris Rn. 23 m.w.N.). Derartige Umstände hat die Klägerin nicht dargelegt. Unterstellungen allgemeiner Art sind hierfür nicht ausreichend. Im Übrigen gibt (allein) eine der Partei nicht genehme Rechtsauffassung des Gerichts, die zudem in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht, keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Gerichts zu zweifeln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Die vorliegende Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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