IT- und Medienrecht

Zu den Anforderungen an einen von der “ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice” erlassenen Festsetzungsbescheid

Aktenzeichen  M 6 K 15.1027

Datum:
11.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 1, § 74 Abs. 1, § 88
RBeitrStV RBeitrStV § 10 Nr. 7

 

Leitsatz

1. Die Bildung einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft („ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“) durch die Landesrundfunkanstalten, die in deren Namen und Auftrag den Einzug von Rundfunkbeiträgen vornimmt und auch Beitragsbescheide sowie Widerspruchsbescheide erstellt, die rechtlich ausdrücklich der jeweiligen Landesrundfunkanstalt zugeordnet und zugerechnet werden, findet ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 7 RBeitrStV und ist rechtlich nicht zu beanstanden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein im Massenverfahren erstellter Festsetzungsbescheid leidet nicht deshalb an einem formellen Mangel, weil er nicht unterschrieben oder gesiegelt ist (Abgrenzung zu LG Tübingen BeckRS 2014, 14692 und nachgehend BGH BeckRS 2015, 12068). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Klage ist unzulässig und hat daher keinen Erfolg.
1. Die Auslegung der Klageschrift vom … März 2015 gem. § 88 VwGO unter Einbeziehung der weiteren Schriftsätze des Klägers und der Akte des Beklagten ergibt, dass der Kläger mit ihr keine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Zivilprozessordnung – ZPO – erheben wollte, die an das Amtsgericht A. zu verweisen gewesen wäre. Denn er hat beim Amtsgericht A. bereits selbst eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO eingelegt.
Eine Auslegung dahingehend, dass sich die ausdrücklich als „Anfechtungsklage“ bezeichnete Klage gegen das Vollstreckungsersuchen vom … Februar 2015 richten soll, ist allerdings ebenfalls untunlich. Eine solche Anfechtungsklage wäre bereits unstatthaft, denn das Vollstreckungsersuchen stellt keinen anfechtbaren Verwaltungsakt dar, § 42 Abs. 1 VwGO.
Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass sich der Kläger beim Verwaltungsgericht – neben der Vollstreckungserinnerung beim Amtsgericht – mit seiner Klage gegen die dem Vollstreckungsersuchen zugrunde liegenden Bescheide wenden wollte, bei denen er formelle Mängel ausgemacht haben will. Insoweit macht er nämlich geltend, das Amtsgericht habe ihn „zur Klärung des Sachverhalts“ auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen. Tatsächlich findet sich in der Akte des Beklagten ein Schreiben des Amtsgerichts A. vom … März 2015 mit einem Passus, der so verstanden werden kann („Das Gericht sieht daher keine andere Möglichkeit für den Schuldner, als im Verwaltungsrechtsweg vorzugehen.“).
2. Die so ausgelegte Anfechtungsklage gegen die dem Vollstreckungsersuchen vom … Februar 2015 zugrunde liegenden Bescheide des Beklagten vom … Juli 2014, … August 2014 und … November 2014 ist jedoch unzulässig, weil die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht eingehalten wurde. Dass der Kläger gegen die Bescheide Widerspruch eingelegt hätte, lässt sich der Akte des Beklagten nicht entnehmen und wurde vom Kläger auch nicht vorgetragen.
2.1 Der Hinweis des Amtsgerichts … war also zwar grundsätzlich zutreffend, was eine gerichtliche Überprüfung der Festsetzungsbescheide des Beklagten anbelangt hätte. Die konkret hier zu entscheidende Klage scheitert allerdings an deren Zulässigkeitsvoraussetzung der Wahrung der Klagefrist. Der Kläger hätte jeweils innerhalb der Rechtsmittelfrist Widerspruch einlegen oder aber direkt Klage erheben müssen. Hierüber war er in den jeweiligen Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide auch informiert worden.
2.2 Infolge der Unzulässigkeit der Klage hat die erkennende Kammer an sich keinen Anlass, sich zu den vom Kläger bei den Bescheiden ausgemachten formellen Mängeln – eine Frage der Begründetheit der Klage – zu äußern. Um weiterem Rechtsstreit in dieser Hinsicht vorzubeugen sei aber auf Folgendes hingewiesen:
Nach Auffassung der Kammer hat der Kläger nicht generell in Abrede gestellt, vom Beklagten Bescheide erhalten zu haben. Er hat lediglich moniert, die ihm vorliegenden Bescheide hätten bestimmte formelle Mängel.
Die aus der Akte des Beklagten ersichtlichen o.g. Bescheide sind nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts jedoch formell rechtmäßig.
Insbesondere ist der Beklagte als die diese Bescheide erlassende Stelle ohne weiteres erkennbar. Das ergibt sich bereits aus der Angabe des Beklagten in der Kopfzeile oben links und aus dem abschließenden „Mit freundlichen Grüßen Bayerischer Rundfunk“.
Hinsichtlich des „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ (Beitragsservice) ist anzumerken, dass die Erledigung von Verwaltungsaufgaben, wozu auch die Erstellung von Bescheiden gehört, ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 7 RBStV i. V. m. § 2 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge – Rundfunkbeitragssatzung – vom 19. Dezember 2012, in Kraft getreten am 1. Januar 2013 (veröffentlicht im Bayerischen Staatsanzeiger v. 21.12.2012, StAnz Nr. 51-52/2012, S. 3; § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV) findet. Auf der Grundlage dieser Vorschriften haben die Landesrundfunkanstalten eine nicht rechtsfähige öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft gebildet, die in ihrem Namen und ihrem Auftrag den Einzug von Rundfunkbeiträgen vornimmt und auch Beitragsbescheide sowie Widerspruchsbescheide erstellt, die jedoch rechtlich ausdrücklich der jeweiligen Landesrundfunkanstalt zugeordnet und zugerechnet werden. Dieses organisatorische Vorgehen der Landesrundfunkanstalten ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die streitgegenständlichen Bescheide leiden auch nicht deshalb an einem formellen Mangel, weil sie nicht unterschrieben oder gesiegelt sind. In Anbetracht der Tatsache, dass es gerade in Massenverfahren wie demjenigen der Rundfunkbeiträge und schon vormals der Rundfunkgebühren ohne enormen Verwaltungsaufwand kaum noch möglich wäre, jeden einzelnen Bescheid durch einen Sachbearbeiter unterschreiben zu lassen, gebietet es der Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung, die bestehenden technischen Möglichkeiten zu nutzen, um den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten, der andernfalls zulasten der Bürger umgelegt werden müsste.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Landgericht Tübingen im Beschluss vom 19. Mai 2014 (Az. 5 T 81/14) geäußerten Zweifel in formeller Hinsicht vom Bundesgerichtshof im Beschluss vom 11. Juni 2015 (Az. I ZB 64/14) nicht geteilt wurden, zumal es dort um ein Vollstreckungsersuchen ging und nicht um einen Festsetzungsbescheid.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711ZPO.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 401,58 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).


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