Kosten- und Gebührenrecht

Abänderung des Kostenfeststellungsbeschlusses

Aktenzeichen  W 9 M 20.266

Datum:
6.3.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5543
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165
RVG § 13, § 32

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. September 2018 (W 9 S 18.1136) wird in Ziffer I. dahingehend abgeändert, dass die außergerichtlichen Aufwendungen der Antragsgegnerin auf 215,15 EUR (i.W. zweihundertfünfzehn 15/100) festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens tragen zu 2/3 der Antragsteller und zu 1/3 die Antragsgegnerin. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Streitwert für das Erinnerungsverfahren wird auf 334,75 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 20. September 2018, in dem zugunsten der Antragsgegnerin außergerichtliche Aufwendungen in Höhe von 334,75 EUR festgesetzt worden waren.
Dem vorliegenden Verfahren vorausgegangen war ein gerichtliches Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (W 9 S 18.1136). In diesem wandte sich der Antragsteller, der anwaltlich vertreten war, gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. Juli 2018. Der Antrag wurde mit Schriftsatz des damaligen Bevollmächtigten am 31. August 2018 geltend gemacht und zeitgleich eine Anfechtungsklage erhoben. Mit Schreiben des Gerichts vom 3. September 2018 wurden Antrag und Klage der Antragsgegnerin am 4. September 2018 zugestellt. Gleichzeitig erfolgte eine gerichtliche Anfrage an den damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers, in der um Erläuterung des Rechtsschutzbedürfnisses gebeten wurde, da der Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung zukomme und eine Anordnung der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid nicht erfolgt sei. Es wurde angefragt, ob in dem Verfahren eine verfahrensbeendende Erklärung abgegeben werde.
Mit Schriftsatz vom 5. September 2018, bei Gericht eingegangen am 6. September 2018, wurde der Antrag im Eilverfahren zurückgenommen. Daraufhin stellte das Gericht mit Beschluss vom 7. September 2018 das Verfahren ein und legte dem Antragsteller die Kostentragung auf. Der Streitwert wurde auf 2.500,00 EUR festgesetzt. Ausweislich des in der Gerichtsakte befindlichen Empfangsbekenntnisses der Antragsgegnerin ging ihr der Einstellungsbeschluss am 11. September 2018 zu. Sie sandte das Empfangsbekenntnis dem Gericht mittels Fax am selben Tag um 8:57 Uhr zu. Der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers sandte sein Empfangsbekenntnis ebenfalls per Fax dem Gericht am 12. September 2018 zu. Er hatte den Einstellungsbeschluss des Gerichts am 11. September 2018 erhalten.
Mit Schriftsatz vom 11 September 2018, beim Gericht am 11. September 2018 um 14:23 Uhr eingegangen, bestellte sich der Bevollmächtigte für die Antragsgegnerin und beantragte, den Antrag des Antragstellers kostenpflichtig abzuweisen. Er machte Ausführungen zur rechtlichen Würdigung.
Mit Schriftsatz vom 13. September 2018 stellte der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin einen Kostenfestsetzungsantrag gemäß § 164 VwGO zulasten des Antragstellers. Vor dem Hintergrund des Gegenstandswertes in Höhe von 2.500,00 EUR machte er insgesamt Kosten in Höhe von 334,75 EUR (eine Verfahrensgebühr § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG 1,3fach in Höhe von 261,30 EUR, Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 EUR sowie insgesamt hiervon 19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 53,45 EUR) geltend. Die Antragsgegnerin sei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Die Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg erließ am 20. September 2018 einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Die außergerichtlichen Aufwendungen der Antragsgegnerin, Gemeinde W., wurden antragsgemäß auf 334,75 EUR festgesetzt (Ziffer 1). Den festgesetzten Betrag habe nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. September 2018 der Antragsteller, … …, zu tragen (Ziffer 2). Der zu erstattende Betrag sei gemäß § 104 ZPO ab 14. September 2018 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen (Ziffer 3). Der Beschluss wurde dem damaligen Bevollmächtigten des Antragstellers am 24. September 2018 zugestellt.
Am 26. September 2018 beantragte der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers eine gerichtliche Entscheidung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die der Antragsgegnerin entstandenen Kosten nicht zulasten des Antragstellers festgesetzt werden könnten. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin habe erst mit Schriftsatz vom 11. September 2018 die Vertretung der Antragsgegnerin angezeigt. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gemäß Beschluss vom 7. September 2018 abgeschlossen gewesen. Daher könne eine Verfahrensgebühr seitens des anwaltlichen Vertreters nicht geltend gemacht werden und könne somit auch nicht zur Festsetzung gelangen.
Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten und beantragte, die Erinnerung zurückzuweisen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei der Antragsgegnerin am 4. September 2018 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin habe den Bevollmächtigten am 10. September 2018 beauftragt. Der Antrag auf Zurückweisung sei mit Schriftsatz vom 11. September 2018 um 14:37 Uhr an das erkennende Gericht gesandt worden. Die Einstellung des Verfahrens sei der Antragsgegnerin am 11. September 2018 zugestellt und dem Bevollmächtigten am 12. September 2018 übermittelt worden. Die Antragsgegnerin sei selbstverständlich berechtigt gewesen, vor Kenntnis der Einstellung ihren Prozessbevollmächtigten zu beauftragen.
Die nunmehrige Bevollmächtigte des Antragstellers hielt an dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung fest. Die Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg half der Erinnerung am 7. Februar 2020 nicht ab. Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin habe glaubhaft dargestellt, dass seine Vertretungsanzeige rechtzeitig gestellt worden sei und er von der Einstellung des Verfahrens erst später Kenntnis erlangt habe.
Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin nahm auf seine vorangegangenen Ausführungen Bezug. Im Übrigen werde auf die Wertungen der Urkundsbeamtin verwiesen.
Die Gerichts- und Kostenakten in dem Verfahren W 9 S 18.1136 lagen dem Gericht vor.
II.
Der gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO zulässige Antrag auf Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) ist nur aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Entscheidung trifft nach § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO der Berichterstatter (vgl. Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 87a Rn. 34).
Dem Einstellungsbeschluss vom 07. September 2018 zufolge hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähigen Gebühren des Rechtsanwalts der Antragsgegnerin ist der in dem Beschluss festgesetzte Streitwert von 2500,00 EUR maßgebend (§ 32 RVG).
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin sind aber nur in Höhe von insgesamt 215,15 EUR erstattungsfähig. Dies folgt daraus, dass der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin nach Nr. 3101 VV RVG nur den 0,8fachen Satz der Gebühr nach § 13 RVG geltend machen kann. Gemäß dieser Regelung beträgt die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG den nur ermäßigten Satz, wenn der Auftrag, bevor der Rechtsanwalt die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht oder einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat, endigt. Diese Konstellation ist vorliegend gegeben. Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin hat sich am 11. September 2018 um 14:23 Uhr im Verfahren W 9 S 18.1136 bestellt und die Antragsablehnung beantragt. Damit hat er eine grundsätzlich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG auslösende Tätigkeit vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren aber bereits beendet, da am 6. September 2018 der Antrag im Eilverfahren schon zurückgenommen worden war. Der Auftrag hatte damit im Sinne des VV 3101 RVG geendigt (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, RVG VV 3101 Rn. 10). Dies hätte der Antragsgegnerin bzw. ihrem Bevollmächtigten auch bekannt gewesen sein müssen, sodass die ihr zustehende Verfahrensgebühr nicht mehr in voller Höhe entstehen konnte (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019 Rn. 12 ff.). Nach dem auf dem Empfangsbekenntnis zum Einstellungsbeschluss ersichtlichen Übermittlungszeitpunkt beim Gericht (11. September 2018, 8:57 Uhr) und dem Zeitpunkt des Eingangs der Antragserwiderung des Bevollmächtigten beim Gericht (11. September 2018, 14:23 Uhr) lag dazwischen ein Zeitraum von mehr als fünf Stunden. In dieser Zeit wäre es der Antragsgegnerin möglich gewesen, dem Bevollmächtigten über die Einstellung des Verfahrens zu informieren. Dies gilt umso mehr als der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin selbst vorgetragen hat, erst am 10. September 2018 mit der Interessenwahrnehmung durch die Antragsgegnerin beauftragt worden zu sein. Der Antragsgegnerin hätte vor diesem Hintergrund unmittelbarer Handlungsbedarf vor Augen stehen müssen. Dass sie eine Information erst am nächsten Tag an ihren Bevollmächtigten gegeben hat, ist zu ihren Lasten zu werten.
Dass bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des Bevollmächtigten am 10. September 2018 das Verfahren durch die Antragsrücknahme beendet war, steht dem grundsätzlichen Entstehen der (ermäßigten) Verfahrensgebühr nicht entgegen, weil die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Beauftragung keine Kenntnis von der Verfahrensbeendigung hatte und dies auch nicht musste. Ihr war der Einstellungsbeschluss erst am 11. September 2018 bekannt geworden.
Da gegen die geltend gemachten weiteren Kostenpunkte keine Bedenken vorgetragen wurden oder ersichtlich sind, berechnen sich vor diesem Hintergrund die der Antragsgegnerin zulasten des Antragstellers zustehenden Kosten wie folgt:
Gegenstandswert des Eilverfahrens: 2.500,00 EUR
Verfahrensgebühr Nr. 3101 VV RVG 0,8fach: 160,80 EUR
Pauschale für Post und Telekommunikation
Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Zwischensumme netto: 180,80 EUR
19% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG: 34,35 EUR
Gesamtsumme: 215,15 EUR
Der Beschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgericht war insoweit abzuändern.“
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtsgebühren werden mangels eines Gebührentatbestands nicht erhoben; es sind jedoch die Auslagen des Gerichts und außergerichtlichen Aufwendungen zu erstatten (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 165 Rn. 10).
Die Festsetzung des Streitwerts für das Erinnerungsverfahren beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG.


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