Kosten- und Gebührenrecht

Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – Corona-Soforthilfe

Aktenzeichen  M 31 K 20.2261

Datum:
25.6.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16374
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1

 

Leitsatz

Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbstständigen (Rn. 11 – 12)
1. Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, wenn es an den erforderlichen Darlegungen zum angeblichen Liquiditätsengpass trotz entsprechender Aufforderung fehlt und damit die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Auszahlung der beantragten Corona-Soforthilfe nicht gegeben ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird dem Antragsteller mit E-Mail vom 7. Mai 2020 und zuletzt nochmals mit E-Mail vom 16. Mai 2020 eine Darlegungsfrist bis zum 19. Mai 2020 gesetzt, ist diese zwar kurz bemessen, entspricht aber insbesondere im Hinblick auf das verwaltungsverfahrensrechtliche Effektivitäts- und Zügigkeitsgebot bei dem erheblichen Förderantragsaufkommen im Rahmen der Corona-Soforthilfe noch in ausreichender Weise dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung und Auszahlung einer Zuwendung im Rahmen der Corona-Soforthilfen und beantragt dazu die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Am 29. April 2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Soforthilfe für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbstständigen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 20. Mai 2020 ab und führte zur Begründung aus, dass die im Antrag genannten Außenstände nicht innerhalb der dem Kläger gewährten Frist belegt worden seien und daher ein Liquiditätsengpass nicht hinreichend im Sinne der einschlägigen Förderrichtlinien dargelegt worden sei.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2020, das bei Gericht am 25. Mai 2020 eingegangen ist, erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Mai 2020 zur Gewährung und Auszahlung der beantragten Soforthilfe i.H.v. 5.000.- EUR zu verpflichten. Mit weiterem Schreiben vom 30. Mai 2020 beantragt der Kläger zudem, ihm für das Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Zur Begründung wird in den Schreiben vom 22. Mai und 30. Mai 2020 sowie E-Mails vom 19. Juni und 22. Juni 2020 im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid sei erlassen worden, ohne dem Kläger ausreichend Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Nachweise vorzulegen. Die ihm von der Beklagten bis 19. Mai 2020 gewährte Frist sei hierfür zu kurz gewesen. Zwischenzeitlich könne er alle erforderlichen Unterlagen vorlegen.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2020 hat die Beklagte die bei ihr vorhandenen Auszüge aus der digitalen Datenbank des Freistaats Bayern vorgelegt und sich zur Sache geäußert, allerdings ohne einen Klageantrag zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vor-gelegten Behördenakte Bezug genommen.
II. 
Mit Zustimmung der Beteiligten kann vorliegend der Vorsitzende als Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg.
Nach § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht dürfen nicht überspannt werden und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, B.v. 22.8.2018 – 2 BvR 2647/17 – juris Rn. 14). Daher genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso gewiss ist wie ein Unterliegen. Allerdings genügt eine nur entfernte, eine nur theoretische Wahrscheinlichkeit nicht (vgl. z.B. Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier, unabhängig von der Frage, ob der Kläger finanziell in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu übernehmen, nicht gegeben, da die Klage in dem für die Beurteilung der Erfolgsaussichten maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine Erfolgsaussichten hat. Nach Lage der Akten wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, weil sie unbegründet ist. Der Kläger hat gegen die Beklagte den von ihm geltend gemachten Anspruch, gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der beantragten Soforthilfe, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20. Mai 2020 voraussichtlich als rechtmäßig.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Richtlinien geregelt, müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig angewendet werden. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der jeweiligen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung im zugrunde liegenden Haushaltsgesetz/Haushaltsplan gezogen ist, nicht beachtet worden ist. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH. U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. In den hier einschlägigen Förderrichtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbstständigen des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 3. April 2020 (BayMBl. 2020, Nr. 175) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Förderung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung im Ermessenswege erfolgt.
Der Kläger muss gemäß Nr. 2.2 der Richtlinien versichern, dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (z. B. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen (Liquiditätsengpass).
Einen solchen Liquiditätsengpass hat der Kläger innerhalb der ihm von der Beklagten zur Vorlage von entsprechenden Belegen gewährten Frist, zuletzt bis 19. Mai 2020, nicht dargelegt.
Im Antrag vom 29. April 2020 hat der Kläger lediglich angegeben, aufgrund nicht eingehender Außenstände seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen zu können. Diese Darlegung reicht nach den Angaben der Beklagten zu ihrer Förderpraxis nicht aus, um einen Liquiditätsengpass annehmen zu können. Auch auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, über die die Anträge auf Corona-Soforthilfen zu stellen sind und auf der Hinweise zum Verfahren aufgeführt sind, wird unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ im Übrigen erläutert, dass bei der Angabe der Gründe für die existenzbedrohliche Wirtschaftslage bzw. den Liquiditätsengpass ein pauschaler Verweis auf die Corona-Krise und die damit einhergehenden gravierenden Nachfrage- und Produktionsausfälle, unterbrochene Lieferketten, Stornierungswellen, massive Umsatzeinbußen und Gewinneinbrüche keinen ausreichenden Grund für eine Förderung darstellt.
Trotz Aufforderungen durch die Beklagte (E-Mails vom 7.5. und 16.5.2020), den Liquiditätsengpass näher zu erläutern, hat der Kläger nicht in der geforderten Weise reagiert. Die ihm hierzu zunächst mit E-Mail vom 7. Mai 2020 und zuletzt nochmals mit E-Mail vom 16. Mai 2020 von der Beklagten gewährte Frist zur Antragsergänzung bis 19. Mai 2020 war zwar kurz bemessen, entspricht aber mit Blick auf den Umstand, dass es sich beim Vollzug der vorgenannten Richtlinien um ein Massenverfahren handelt, noch in ausreichender Weise dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem hätte es dem Kläger oblegen, die nunmehr im Klageverfahren geltend gemachte Unmöglichkeit der Bearbeitung und Vorlage innerhalb der ihm von der Beklagten hierzu zuletzt gesetzten Frist bis zum Ablauf des 19. Mai 2020 bereits im Verwaltungsverfahren geltend zu machen und auf eine weitere, aus seiner Sicht angemessene Fristverlängerung hinzuwirken. Dies ist indes unterblieben.
Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis nicht auch anderen Antragstellern gegenüber (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) entsprechend kurze Fristen zur Ergänzung der Unterlagen zur Corona-Soforthilfe setzen würde. Dabei ist schließlich zu beachten, dass dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Effektivitäts- und Zügigkeitsgebot (Art. 10 Satz 2 BayVwVfG) bei der administrativen Bewältigung des erheblichen Förderantragsaufkommens im Rahmen der Corona-Soforthilfen besondere Bedeutung zukommt; dies gerade auch deswegen, um den Antragstellern möglichst schnell Rechtssicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ihrer Förderanträge und damit über die (Nicht-) Gewährung von Fördermitteln zur Überwindung von Liquiditätsengpässen gewähren zu können.
Der Kläger hat mithin die erforderlichen Darlegungen zum (angeblichen) Liquiditätsengpass trotz entsprechender Aufforderung durch die Beklagte nicht bis zum regelmäßig – wie auch hier – maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gemacht. Maßgebend sind sonach vorliegend die bis zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorgelegten Unterlagen bzw. getätigten Auskünfte (vgl. BayVGH, U.v. 22.1.2019 -22 ZB 17.1098 – juris Rn. 30 ff; SächsOVG, U.v. 16.2.2016 – 1 A 677.13 – juris Rn. 67; VG München, U.v. 20.5.2020 – M 31 K 17.5726 – juris Rn. 37). Wie vorstehend ausgeführt, muss der Förderantragsteller nach den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien und der Vollzugspraxis hierzu einen ausreichenden Vortrag zum Vorliegen eines Liquiditätsengpasses leisten; dies ist von Seiten des Klägers nicht innerhalb der ihm dazu gesetzten Frist geschehen. Sonach sind allein die klägerischen Angaben, die der Behörde bis zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung am 20. Mai 2020 vorlagen, maßgebend, während hingegen die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen hier nicht entscheidungserheblich sind.
Nach alledem hat die Klage voraussichtlich keinen Erfolg, sodass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen war.


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