Kosten- und Gebührenrecht

Beschwerdefrist bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Hauptsache

Aktenzeichen  9 C 20.1535

Datum:
10.9.2020
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 822
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 63 Abs. 3 S. 2, § 68 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1. Nach § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ist die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Frist beginnt auch dann, wenn sich das gesamte Verfahren anders als durch den Eintritt der Rechtskraft in der Hauptsache erledigt hat. (Rn. 4) (red. LS Alexander Tauchert)
2. Der Gesetzeswortlaut stellt insoweit eindeutig auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache bzw. der anderweitigen Erledigung des Verfahrens und nicht auf den Zeitpunkt der Streitwertfestsetzung durch das Gericht ab. (Rn. 5) (red. LS Alexander Tauchert)

Verfahrensgang

AN 17 K 19.420 2019-11-20 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

Die Beschwerde wird verworfen.

Gründe

Die von den Bevollmächtigten der Klägerin in eigenem Namen eingelegte Beschwerde (§ 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG), mit der eine Heraufsetzung des vom Verwaltungsgericht unter Nr. 3. des Beschlusses vom 20. November 2019 festgesetzten Streitwerts von 5.000 Euro auf 7.500 Euro begehrt wird, ist unzulässig.
Über die Beschwerde entscheidet nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter.
Die Beschwerde ist verfristet.
Nach § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ist die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes innerhalb von sechs Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Die Frist beginnt auch dann, wenn sich das gesamte Verfahren anders als durch den Eintritt der Rechtskraft in der Hauptsache erledigt hat. Dies ist der Fall, wenn beide Parteien die Hauptsache – hier nach § 161 Abs. 2 VwGO – übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die 6-Monatsfrist beginnt dann mit der Wirksamkeit der Erledigungserklärungen, also mit dem Eingang der letzten Erklärung bei Gericht (BayVGH, B.v. 7.12.2020 – 20 C 10.2748 – juris Rn. 2; BayLSG, B.v. 3.3.2010 – L 2 U 274/09 B – juris Rn. 12; HessVGH, B.v. 18.5.2017 – 6 E 355/17 – juris Rn. 5; Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 63 GKG Rn. 83; vgl. auch BVerwG, B.v. 1.10.1990 – 4 NB 17.90 – juris Rn. 6 zur Klagerücknahme). Denn mit Zugang der letzten Erklärung bei Gericht (vgl. BVerwG, B.v. 30.11.1999 – 5 B 214.99 – juris Rn. 4; Oestreich in Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG – FamGKG, Stand Juni 2020, § 68 Rn. 24) wird im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen die Rechtshängigkeit unmittelbar beendet (vgl. Clausig in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Jan. 2020, § 161 Rn. 17; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 71; R.P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 161 Rn. 15).
Der Gesetzeswortlaut stellt insoweit eindeutig auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache bzw. der anderweitigen Erledigung des Verfahrens und nicht auf den Zeitpunkt der Streitwertfestsetzung durch das Gericht ab. Dies dient dem gesetzgeberischen Ziel, das Verfahren in angemessenem zeitlichen Rahmen endgültig abzuschließen (vgl. BT-Drs. 7/2016 S. 74), zumal der gerichtliche Einstellungsbeschluss im Falle übereinstimmender Erledigungserklärungen nur deklaratorisch wirkt (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – juris Rn. 3). Es kommt damit nicht auf eine eventuelle spätere Streitwertfestsetzung durch das Gericht an (Oestreich in Oestreich/Hellstab/Trenkle, a.a.O., § 68 Rn. 24). Dies entspricht auch der systematischen Auslegung. Denn wenn das Gericht den Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG gesetzten Frist festsetzt, läuft die Beschwerdefrist nach § 68 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 GKG ausnahmsweise noch einen Monat nach der förmlichen Zustellung oder formlosen Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses. Insofern wird gegebenenfalls eine Fristverlängerung gewährt, die sich aber auf den Beginn der Frist nicht auswirkt (HessVGH, B.v. 18.5.2017 – 6 E 355/17 – juris Rn. 8).
Hier wurde das Verfahren am 15. November 2019 beendet, da zu diesem Zeitpunkt die zustimmende Erledigungserklärung des Beklagten auf die Erledigungserklärung der Bevollmächtigen der Klägerin vom 4. November 2019 mit Schriftsatz vom 12. November 2019 bei Gericht einging.
Die 6-Monatsfrist des § 68 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG begann damit am 16. November 2019 zu laufen und endete am 15. Mai 2020 (§§ 186 ff. BGB). Die Beschwerde der Bevollmächtigten der Klägerin vom 20. Mai 2020 ist damit verfristet. Wiedereinsetzungsgründe (vgl. § 68 Abs. 2 GKG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich; eine Änderung von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG kommt nach Fristablauf nicht mehr in Betracht.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG).


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