Kosten- und Gebührenrecht

Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren

Aktenzeichen  B 1 E 19.1200

Datum:
21.8.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33029
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 162 Abs. 1, Abs. 2, § 165 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 24. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens, für das Gerichtsgebühren nicht erhoben werden, trägt der Antragsteller (Erinnerungsführer).

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren.
Der Antragsteller beantragte am 11. Dezember 2019 zu Protokoll der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung einer Parkausnahmegenehmigung für das in seinem Eigentum stehende Kfz, damit seine Mutter seine Tochter in der Schule aufsuchen kann, um deren aufgrund einer Behinderung entstandenen Bedürfnissen nachzukommen (Az. B 1 E 19.1200). Der Antrag wurde vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 30.12.2019, eingegangen bei Gericht am 3. Januar 2020, nach Erteilung der Genehmigung durch den Antragsgegner am 18. Dezember 2019 zurückgenommen. Mit Beschluss der Berichterstatterin vom 7. Januar 2020 wurde das Verfahren eingestellt, dem Antragsteller die Kosten auferlegt und der Streitwert auf 250 EUR festgesetzt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 22. Januar 2020 beantragte der Bevollmächtigte des Antragsgegners die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG i. H. v. 58,50 EUR, einer Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG i. H. v. 11,70 EUR, insgesamt 70,20 EUR zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer von 19%, mithin insgesamt 83,54 EUR. Gleichzeitig wurde Verzinsung ab Antragstellung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragt.
Die Urkundsbeamtin setzte im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Januar 2020, zugestellt am 25. Januar 2020, insgesamt 83,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit 23.01.2020, fest. Auf den Inhalt des Beschlusses wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2020, eingegangen am 7. Februar 2020, erhob der Antragsteller „Widerspruch“ gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss mit der Begründung, dass er das Gericht nicht hätte bemühen müssen, wenn der Antragsgegner außergerichtlich die Parkerlaubnis erteilt hätte. Der Antragsgegner habe den Parkausweis umgehend nach dem bei Gericht eingegangenen Antrag auf einstweilige Anordnung ausgestellt. Der Bevollmächtigte des Antragsgegners habe sich daher den Schriftsatz an das Gericht „sparen“ können, da der Antragsgegner seiner Verpflichtung durch die Ausstellung eingeräumt habe. In der Folge hätten sich auch keine Kosten ergeben, die der Antragsgegner vom Antragsteller fordern könnte.
Unabhängig davon sei durch die Ausstellung des Parkausweises eine richterliche Entscheidung ausgehebelt worden, die, wenn sein Antrag „rechtens“ gewesen wäre, dazu geführt hätte, dass dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt worden wären.
Mit Schriftsatz vom 05.03.2020 erwiderte der Antragsgegner, dass er den Bevollmächtigten sofort nach Erhalt der Telefaxmitteilung des Verwaltungsgerichts über die Antragstellung des Antragstellers zu Protokoll der Rechtsantragsstelle vom 11. Dezember 2019 beauftragt habe, um seine Interessen wahrzunehmen. Daraufhin sei der Bevollmächtigte in die Prüfung der Sach- und Rechtslage eingetreten und es wurde unter dem 19. Dezember 2019 auf den Antrag erwidert. Damit sei eine entsprechende Tätigkeit objektiv entfaltet worden.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung mit Verfügung vom 23. Juni 2020 nicht ab und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor. Der Erinnerungsführer erhielt mit Schreiben vom 26.06.2020 Gelegenheit seine Erinnerung zu begründen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Kostenakte Bezug genommen.
II.
Zur Entscheidung über die Erinnerung ist die Berichterstatterin berufen, nachdem auch die zugrundeliegende Kostenentscheidung (Ziffer 2 des Beschlusses vom 7. Januar 2020) so getroffen worden ist, §§ 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO.
Nach § 165 Satz 1 VwGO können die Beteiligten die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten, wobei nach Satz 2 der genannten Norm § 151 VwGO entsprechend gilt. Nach § 151 Satz 1 VwGO kann gegen die Entscheidungen u. a. des Urkundsbeamten innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Die nach den genannten Vorschriften statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Kostenerinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Maßgeblich für die Begründetheit der Erinnerung ist, ob die festgesetzten Kosten im Ergebnis richtig sind. Die Kostengrundentscheidung wird nicht mehr überprüft.
1. Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO sind Kosten unter anderem die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig.
Bei den gesetzlich geregelten Gebühren der Rechtsanwälte muss wegen Abs. 2 nur die Handlung als solche geboten sein, im Übrigen sind sie nach Abs. 2 stets erstattungsfähig (W.- R. Schenke/Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 162 Rn 1c). Geht man also davon aus, dass auch die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Bevollmächtigte bereits in § 162 Abs. 1 VwGO geregelt ist, erschöpft sich die Bedeutung des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO darin, dass er für die Fälle der Vertretung durch einen einer dort genannten Gruppe angehörenden Bevollmächtigten die Prüfung, ob seine Beauftragung zweckentsprechend war und, soweit lediglich die gesetzlichen Gebühren und Auslagen gefordert werden, auch die Prüfung, ob die Aufwendungen für die Vertretung dem Umfang nach notwendig waren, entbehrlich macht. Nur in dieser Hinsicht, nicht aber bezüglich der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Bevollmächtigte stellt sich § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO mithin als Ausnahmevorschrift zu § 162 Abs. 1 VwGO dar (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.1991 – 20 A 88.40116, 20 AS 88.40114, 40118, 40120 – NJW 1992, 853).
Die Notwendigkeit einer Aufwendung beurteilt sich aus der Sicht einer verständigen Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Dabei ist auf den Zeitpunkt der die Aufwendungen verursachenden Handlung abzustellen. Es ist deswegen ohne Belang, ob sich die Handlung hinterher als unnötig herausstellt (vgl. BVerwG, B.v. 3.7.2000 – 11 KSt 2/99 – NJW 2000, 2832). Es kommt allein darauf an, ob eine verständige, weder besonders ängstliche noch besonders unbesorgte Partei in der Lage des Klägers und im Hinblick auf die Bedeutung und rechtliche oder sachliche Schwierigkeit der Sache die Aufwendungen vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (vgl. W.- R. Schenke/Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 162 Rn. 3).
Nicht anerkannt werden kann die Erstattung von Kosten eines Rechtsanwalts lediglich dann, wenn die Zuziehung gegen Treu und Glauben verstößt, insbesondere offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen (W.-R. Schenke/Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 162 Rn 10). Auch bei einem offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelf gegen einen Beklagten wird dies teilweise vertreten.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Antragsgegner (hier Erinnerungsgegner) hat glaubhaft vorgetragen, dass er seinen Bevollmächtigten mit der Interessenwahrnehmung sofort nach Erhalt der Telefaxmitteilung des Verwaltungsgerichts über die Antragstellung im Verfahren B 1 E 19.1200 am 12. Dezember 2019 beauftragt hat. Daraufhin trat der Bevollmächtigte in die Prüfung der Sach- und Rechtslage ein. Am 18. Dezember 2019 stellte der Antragsgegner den geforderten Parkausweis zur Verfügung.
Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 zeigte sich der Bevollmächtigte dem Gericht an und beantragte den Antrag kostenpflichtig abzulehnen mit der Begründung, dass die Wegstrecke vom Ersatzparkplatz zur Schule nicht die vom Antragsteller vorgetragenen 350 m einfach, sondern lediglich 180 m einfach bei einem zu bewältigenden Höhenunterschied von maximal 4,3 m betrage. Die Benutzung des Ersatzparkplatzes sei deshalb zumutbar. Die gestrige Erteilung des Parkausweises sei ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt. Abschließend wurde einer etwaigen Erledigterklärung des Antragstellers unter Verwahrung gegen die Kostenlast im Voraus zugestimmt.
Gegen einen Rechtsmissbrauch spricht deutlich, dass der Antragsgegner (hier Erinnerungsgegner) seinen Bevollmächtigten bereits vor der Erteilung des geforderten Parkausweises eingeschaltet hat und nicht erst zu einem Zeitpunkt, in dem er möglicherweise schon mit einer verfahrensbeendigenden Erklärung des Antragstellers (hier Erinnerungsführer) rechnen musste. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtslage im Hinblick auf eine Pflicht zur Erteilung des Parkausweises ungewiss und der Antragsgegner durfte sich darüber rechtlich aufklären lassen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Bevollmächtigte erst nach Erteilung des Parkausweises (und damit nach Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Antragstellers) den Schriftsatz bei Gericht eingereicht hat. Die Verfahrensgebühr nach Nummer 3100 VV – RVG erhält gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 1 zu Teil 3 VV -RVG der Rechtsanwalt, dem ein unbedingter Auftrag insbesondere als Verfahrensbevollmächtigter erteilt worden ist. Die Verfahrensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die ist der Fall, sobald der Bevollmächtigte nach Erteilung des Auftrags die ersten Tätigkeiten in diesem Zusammenhang ausübt (vgl. Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, RVG § 8 Rn. 1).
Dieses Betreiben ist hier auch schon vor der Erteilung des Parkausweises erfolgt und der Schriftsatz vom 19.12.2019 trägt weiter dazu bei, da der Bevollmächtigte augenscheinlich dazu beraten hat, wie der Antragsgegner möglichst kostensparend an der Beendigung des Verfahrens mitwirken kann, was im Allgemeinen den Beteiligten nicht ohne Weiteres geläufig ist. Im Übrigen ist die Erteilung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt, was regelmäßig auf rechtliche Beratung zurück zu führen ist.
2. Die Festsetzung der Gebühren und Auslagen des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners auf der Grundlage der Tatbestände Nr. 3100, 7002 VV – RVG ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Erstattungsfähig ist bei Rechtsanwälten gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch die Umsatzsteuer. Die Erklärung, dass der Antragsgegner nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wurde abgegeben.
Auch die Verzinsung erfolgte ordnungsgemäß ab 23. Januar 2020 als Tag des Eingangs des Festsetzungsantrags.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung eines Streitwerts ist entbehrlich, da keine Gerichtsgebühren anfallen.


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