Kosten- und Gebührenrecht

Festsetzung des Geschäftswerts zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren im Spruchverfahren

Aktenzeichen  31 Wx 147/19

Datum:
22.4.2020
Fundstelle:
NWB – 2020, 1403
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 59c, § 59l
GmbHG § 13
SpruchG § 15 Abs. 2
RVG § 32, § 33

 

Leitsatz

1. Der Grundsatz, dass bei Vertretung eines Anwalts in eigener Sache in einem Spruchverfahren kein Rechtsschutzinteresse für eine Festsetzung des Geschäftswerts zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren besteht, gilt nicht, sofern eine Rechtsanwaltsgesellschaft-mbH Antragsteller vertritt, die zugleich ihre Organe und Namensgeber sind. (Rn. 8 – 9)
2. Die Frage der Erstattungsfähigkeit etwaiger Kosten einer Rechtsanwaltsgesellschaft-mbH, die in einem Spruchverfahren Antragsteller vertritt, die zugleich ihre Organe und Namensgeber sind, ist allein im Kostenfestsetzungsverfahren zu klären. (Rn. 10)

Tenor

1. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 1.2.2019 wird in Ziffer II. in Bezug auf die Antragsteller zu 51) und zu 52) aufgehoben.
2. Der für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebliche Geschäftswert für das Verfahren 1. Instanz wird für die Antragsteller zu 51) und zu 52) auf insgesamt
10.000 €
festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache Erfolg. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, dass für eine Festsetzung des Geschäftswerts für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren betreffend das von den Beschwerdeführern vor dem Landgericht betriebene Spruchverfahren mangels Rechtsschutzbedürfnis kein Raum ist.
1. Die formellen Voraussetzungen für die Festsetzung des Geschäftswerts liegen nunmehr insofern vor, als die Antragsteller zu 51) und 52) den für eine Festsetzung des Geschäftswerts im Sinne des § 33 RVG erforderlichen Antrag im Beschwerdeverfahren (nachträglich) gestellt haben.
a) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Beschwerde der Antragsteller zu 51) und 52) gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 1.2.2019. Darin hat das Landgericht in Ziffer II. u.a. „die Anträge der Antragsteller auf Festsetzung des Geschäftswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren 1. Instanz“ zurückgewiesen.
aa) Grundlage der Entscheidung ist insofern § 33 RVG (vgl. Spindler/Stilz/Drescher SpruchG 4. Auflage § 15 Rn 29). Eine Wertfestsetzung ist hierbei nur auf Antrag zulässig, nicht aber von Amts wegen (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer RVG 24. Auflage § 33 Rn. 9).
bb) Ein solcher Antrag fand sich in der Akte zunächst nicht. Es lag lediglich ein Kostenfestsetzungsantrag vom 15.10.2018 vor, dem ein Geschäftswert von 5.000 € zugrunde liegt. Im Hinblick auf die Verschiedenheit der Verfahren (Kostenfestsetzung: Vergütung als solche – Wertfestsetzung: Höhe des Wertes der anwaltlichen Vergütung) kann allein in der Antragstellung betreffend die Festsetzung der anwaltlichen Gebühren kein Antrag auf Wertfestsetzung im Sinne des § 33 Abs. 2 RVG erblickt werden. Dieser formelle Mangel der Entscheidung ist aber dadurch geheilt worden, als die Antragsteller auf Hinweis des Senats den nach § 33 Abs. 2 RVG erforderlichen Antrag im Nachgang im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gestellt haben, und insofern die Festsetzung des Geschäftswerts auf jeweils 5.000 € beantragen. Eine Verkürzung ihres Rechtsschutzes tritt insoweit nicht ein, da das Landgericht in der Sache bereits entschieden hat und den Antrag grundsätzlich zurückgewiesen hat.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht in dem hier anhängigen Geschäftswertverfahren ein Rechtsschutzinteresse für die beantragte Festsetzung der Geschäftswerte.
aa) Das Landgericht hat zu Recht hervorgehoben, dass – soweit ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt in einem Spruchverfahren einen Antrag auf Festsetzung des Geschäftswerts gestellt hat – dieser mangels Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich als unzulässig zurückzuweisen wäre, da der Rechtsanwalt aus der Wertfestsetzung keinerlei Verbesserung seiner Rechtsposition erreichen kann. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass ein Rechtsanwalt, der selbst Beteiligter eines Spruchverfahrens ist, selbst bei einer Kostenentscheidung zu seinen Gunsten nach § 15 Abs. 2 SpruchG keine Gebühren und Auslagen nach dem RVG verlangen kann
(BGH, Beschluss vom 28.01.2014 – II ZB 13/13, NJW-RR 2014, 610; OLG München, Beschluss vom 30.11.2006 – 31 Wx 59/06, AG 2007, 411; Spindler/Stilz/Drescher, SpruchG 4. Aufl. § 15 Rn. 24).
bb) Vorliegend haben sich aber die Antragsteller gerade nicht selbst in dem Spruchverfahren vertreten, sondern die Vertretung erfolgte durch eine Rechtsanwaltsgesellschaft („RechtsanwaltsgesellschaftmbH“). Diese ist kraft ihrer Rechtsform als GmbH eine Handelsgesellschaft im Sinne des § 13 Abs. 3 GmbHG (Weyland/Brüggemann, 10. Aufl. BRAO § 59c Rn. 1) und übt insofern auch nach § 13 Abs. 1 Hs. 1 GmbHG selbständig ihre Rechte und Pflichten aus. Demgemäß ist sie nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG gewerbesteuerpflichtig, nach § 1 Abs. 1 KStG körperschaftsteuerpflichtig wie auch nach § 2 Abs. 2 IHK-Gesetz als IHK-Pflichtmitglied beitragspflichtig (Weyland/Brüggemann, a.a.O. § 59c Rn. 1). Insofern ist die Gesellschaft als juristische Person nach dem Willen des Gesetzgebers durch das ihnen zurechenbare Verhalten der sie vertretenden Organe selbst Erbringer rechtsbesorgender Dienstleistungen (vgl. BT-Drs 13/9820 S. 11). Demgemäß ist auch die Gesellschaft selbst Auftragnehmer einer Verfahrensbevollmächtigung (vgl. § 59l Abs. 1 S. 1 BRAO) und damit auch Inhaber etwaiger Ansprüche betreffend Gebühren und Auslagen.
Vor diesem Hintergrund können entgegen der Auffassung des Landgerichts die obigen Grundsätze in Bezug die Verneinung eines Rechtsschutzinteresses zur Festsetzung des Geschäftswerts in Bezug auf Gebühren und Auslagen bei Vertretung eines Anwalts in eigener Sache nicht auf den hier inmitten stehenden Fall, in dem die RechtsanwaltsgesellschaftmbH im Spruchverfahren Antragsteller vertritt, die zugleich ihre Organe und Namensgeber sind, übertragen werden. Eine solche Gleichstellung würde zu einer Durchbrechung der gesetzlichen Wertung der rechtlichen Selbständigkeit der Rechtsanwalts-GmbH führen und somit im Widerspruch zu § 13 Abs. 1 GmbHG und § 59l Abs. 1 S. 1 BRAO stehen. Insofern ist im Rahmen des Geschäftswertfestsetzungsverfahrens allein auf die Rechtsanwalts-GmbH abzustellen; dass die Antragsteller zugleich deren Organe und Namensgeber sind, ist entgegen der Auffassung des Landgerichts jedenfalls an dieser Stelle unmaßgeblich.
cc) Davon ist aber die Frage zu trennen, ob der an sich entstandene Gebührenanspruch der „RechtsanwaltsgesellschaftmbH“ auch erstattungsfähig ist. Nach dem von dem Landgericht in seiner Kostengrundentscheidung zugrunde gelegten § 15 Abs. 2 SpruchG n.F. sind nur solche Kosten der Antragsteller zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren. Insofern stellt sich hier die nachfolgende Frage, ob die Beauftragung der „RechtsanwaltsgesellschaftmbH“ durch die Antragsteller trotz ihrer eigenen Rechtskenntnis überhaupt notwendig war. Die Beantwortung dieser Frage ist aber allein dem gesondert durchzuführenden Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten, in dem die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten geprüft wird, und kann daher nicht Prüfgegenstand des hier zur Entscheidung stehenden Beschwerdeverfahrens betreffend den festzusetzenden Geschäftswert sein.
2. Demgemäß ist der Geschäftswert für die Tätigkeit der „RechtsanwaltsgesellschaftmbH“ in Bezug auf deren Tätigkeit in Bezug auf die Antragsteller zu 51) und 52) antragsgemäß nach § 31 Abs. 1 S. 3 und 4 RVG mit jeweils 5.000 € zu bewerten und somit nach § 32 Abs. 2 Hs. 1 RVG auf 10.000 € festzusetzen (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe BeckRS 2020, 704).
II.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).


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