Kosten- und Gebührenrecht

Kein Kostenanspruch der Nebenintervenienten bei Vergleich im selbständigen Beweisverfahren

Aktenzeichen  9 W 2463/15 Bau

Datum:
8.2.2016
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 98, § 101 Abs. 1, § 278 Abs. 6, § 494a Abs. 2

 

Leitsatz

1. Schließen die Hauptparteien eines selbstständigen Beweisverfahrens ohne Beteiligung der Nebenintervenienten einen Vergleich, haben diese keinen gleichlautenden gesetzlichen Kostenerstattungsanspruch, der durch das Gericht tituliert werden könnte. (amtlicher Leitsatz)
2 Außerhalb des Hauptsacheverfahrens kann der Nebenintervenient des selbstständigen Beweisverfahrens keine Kostenentscheidung erreichen. Das Nichtstattfinden eines Hauptsacheverfahrens ist sein Risiko. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 OH 24588/09 2015-10-23 Bes LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 23.10.2015 aufgehoben.
Die Anträge der beiden Nebenintervenienten auf Antragstellerseite durch Schriftsätze vom 14.07.2015 und 13.10.2015, ihre Kosten im selbstständigen Beweisverfahren der Antragsgegnerin aufzuerlegen, werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die beiden Nebenintervenienten auf Antragstellerseite.
3. Der Wert des Verfahrens für beide Beschwerden wird jeweils auf 26.781 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin beantragte gegen die Antragsgegnerin im Jahr 2009 die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens. Die beiden Beschwerdegegner traten als Nebenintervenienten auf Seiten der Antragstellerin bei. Nach Erholung eines Sachverständigengutachtens schlossen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin ohne Beteiligung der Nebenintervenienten einen Vergleich, den das Landgericht durch Beschluss vom 16.05.2013 nach § 278 Abs. 6 ZPO feststellte. Der Vergleich enthielt eine Kostenregelung dahin, dass die Antragsgegnerin die Gerichtskosten tragen sollte sowie die Rechtsanwaltskosten der Antragstellerin bis zur Höhe von 26.781 €.
Den Wert des selbstständigen Beweisverfahrens und des Vergleichs setzte das Landgericht auf 2.022.850 € fest. Einen Antrag nach § 494 a ZPO auf Bestimmung einer Frist zur Klageerhebung und auf Kostenentscheidung nach fruchtlosem Ablauf der Frist nahm die Nebenintervenientin auf Klägerseite am 15.04.2015 wieder zurück. Das Landgericht hatte darauf hingewiesen, dass der Antrag unzulässig sei; er stehe einer Nebenintervenientin nicht zu, außerdem gebe es eine Einigung über den Hauptanspruch durch Vergleich.
Durch Schriftsätze vom 14.07.2015 und 13.10.2015 beantragten die beiden Nebenintervenienten der Antragstellerin, ihre Kosten im selbstständigen Beweisverfahren der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Gestützt auf §§ 101, 98 ZPO entsprach das Landgericht den Anträgen durch Beschluss vom 23.10.2015.
Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie beantragt die Aufhebung des Beschlusses vom 23.10.2015 und die Abweisung der zugrunde liegenden Anträge.
Die Grundsätze der Kostenentscheidung im streitigen Verfahren könnten nicht auf das selbstständige Beweisverfahren übertragen werden. Die beiden Nebenintervenienten auf Antragstellerseite treten als Beschwerdegegner der Beschwerde entgegen. Sie meinen, der Grundsatz der Kostenparallelität erfordere die angefochtene Entscheidung dann, wenn die Hauptparteien einen Vergleich geschlossen hätten.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.
Die Kostenregelung im Vergleich befasst sich nur mit den Gerichtkosten und den außergerichtlichen Kosten der Hauptparteien. Die Nebenintervenienten sind nicht an dem Vergleich beteiligt. Der Vergleich enthält auch keine Regelungen zugunsten der Nebenintervenienten.
Entgegen der Ansicht in den Schriftsätzen vom 21.01.2016 und 01.02.2016 kann daher dem Vergleich selbst keine Anspruchsgrundlage für die Kosten der Nebenintervenienten entnommen werden.
Ebenfalls steht den Nebenintervenienten kein gesetzlicher Anspruch aus §§ 91 ff. ZPO zu. Denn diese Bestimmungen finden nur im streitigen Prozess Anwendung, nicht im selbstständigen Beweisverfahren. Schließen die Parteien im Prozess einen Vergleich ohne Beteiligung eines Nebenintervenienten, können sie seinen gesetzlichen Kostenerstattungsanspruch nicht beeinträchtigen (Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 101 Rdnr. 8 ff.). Diesen hat dann das Gericht entsprechend der im Vergleich geregelten Quote auf Antrag des Nebenintervenienten zu titulieren.
Anderes gilt im selbstständigen Beweisverfahren. Dort „ergeht … grundsätzlich keine Kostenentscheidung zugunsten oder zulasten der Hauptparteien. Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens sind vielmehr Kosten des Hauptsacheverfahrens, über die grundsätzlich in diesem entschieden wird. … Für den Streithelfer bedeutet das bei entsprechender Anwendung des Gedankens des § 101 Absatz 1 ZPO, dass auch über die durch die Nebenintervention verursachten Kosten im selbstständigen Beweisverfahren grundsätzlich nicht befunden wird“ (so wörtlich BGH NJW 2009, 3240). So liegt der Fall hier. Außerhalb des Hauptsacheverfahrens kann der Nebenintervenient des selbstständigen Beweisverfahrens keine Kostenentscheidung erreichen. Diese Rechtslage vermag der Vergleich der Hauptparteien von vorne herein nicht zum Nachteil der Nebenintervenienten zu verändern. Das Nichtstattfinden eines Hauptsacheverfahrens ist sein Risiko.
Zwar erfolgt ausnahmsweise auch im selbstständigen Beweisverfahren eine Kostenentscheidung zugunsten des Antragsgegners (§ 494 a Abs. 2 ZPO und nach Antragsrücknahme). Auf einen solchen Ausnahmefall können sich die Beschwerdegegner vorliegend aber nicht stützen, zumal sie nicht Antragsteller waren, sondern lediglich Nebenintervenienten.
III.
Kosten: §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO Beschwerdewert: § 3 ZPO.


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