Kosten- und Gebührenrecht

Kostenentscheidung in Statusverfahren

Aktenzeichen  L 6 R 70/15

Datum:
6.12.2017
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 183, § 197a
SGB X SGB X § 63 Abs. 1

 

Leitsatz

1. In Statusverfahren, in denen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer wegen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Versicherungspflicht klagen, erfolgt eine einheitliche Kostenentscheidung auf Grundlage der Regelungen für privilegierte Kläger (§ 183 SGG). Einer Festsetzung des Streitwerts zur Bestimmung von Gerichts- und Anwaltskosten bedarf es nicht. (Rn. 16 – 17)
2. Dieselben Regelungen gelten auch für die Kostenfestsetzung im Verwaltungsverfahren. (Rn. 18)
3. Steht im Verfahren über die Kostenfestsetzung bereits fest, dass Versicherungspflicht nicht besteht, sind für dieses Verfahren Kosten nach § 197a SGG iVm VwGO zu erheben (BSG vom 05.10.2006, B 10 LW 5/05 R). (Rn. 20)

Verfahrensgang

S 15 R 2135/14 2014-12-11 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.12.2014 abgeändert und die Klage gegen den Bescheid vom 20.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.2014 abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, da das Sozialgericht die Berufung ausdrücklich zugelassen hat und der Senat hieran gebunden ist (§ 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGG). Die Berufung erweist sich auch als begründet, da ein weiterer Kostenanspruch der Klägerin nicht besteht.
Für die hier streitigen Kosten des Widerspruchsverfahrens regelt § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat. Wie auch im Gerichtsverfahren werden im Verwaltungsverfahren Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG). Ist der Auftraggeber dagegen im Sinne des § 183 SGG privilegiert, fallen Betragsrahmengebühren gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 14 RVG an. Im vorliegenden Fall betrifft die Rechnung der Bevollmächtigten die Vertretung sowohl der nicht privilegierten Klägerin als auch des Herrn M. als Beteiligtem nach § 183 SGG (vgl. Urteil des BSG vom 05.10.2006, B 10 LW 5/05 R). Die Kostenentscheidung bei Verfahren mit privilegierten und nicht privilegierten Beteiligten ist gesetzlich nicht geregelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist eine einheitliche Kostenentscheidung zu treffen, wenn es im Gerichtsverfahren nur um einen (gemeinsamen) Streitgegenstand geht (vgl. Beschluss vom 26.07.2006 – B 3 KR 6/06 B, Beschluss vom 29.05.2006 – B 2 U 391/05 B). Es wäre nämlich bei nur einem Streitgegenstand sachlich nicht zu rechtfertigen, dass der beklagte Sozialleistungsträger bei getrennter Kostenentscheidung im Falle des Unterliegens sowohl die Pauschgebühr nach § 184 SGG als auch Gerichtskosten nach § 197a i.V.m. der VwGO zu tragen hat.
Einheitliche Kostenentscheidungen sind daher auch bei Statusentscheidungen zu treffen, bei denen sowohl der nach § 183 SGG privilegierte Mitarbeiter als auch der Betrieb wegen Feststellung der Versicherungspflicht klagt. Auch hier handelt es sich um einen gemeinsamen Streitgegenstand, über den im Regelfall sogar identische Bescheide gegenüber den Beteiligten erlassen worden sind (vgl. auch BayLSG vom 07.07.2015 – L 7 R 4/15 B).
Für die insoweit notwendige Kostenentscheidung bei Beteiligung privilegierter und nicht privilegierter Personen gelten die Regelungen der §§ 184 bis 195 SGG (Beschluss des BSG vom 29.05.2006 – B 2 U 391/05 B). Andernfalls würde im Fall des Unterliegens des kostenmäßig privilegierten Teils die vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehene Freistellung von Kosten des Verfahrens ins Leere laufen. Demgegenüber ist es in Kauf zu nehmen, dass die Vergütung des Rechtsanwalts nur nach Rahmengebühren berechnet wird und nicht nach dem Gegenstandswert.
Für die Kosten des Verwaltungsverfahrens sieht der Senat keinen Raum für Korrekturmöglichkeiten durch Anwendung einer Günstigkeitsprüfung. Eine gesetzliche Regelung liegt nicht vor. Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb für das Verwaltungsverfahren andere Abrechnungsmodalitäten gelten sollten als für das Gerichtsverfahren, vielmehr erscheint es im Sinne der Vereinfachung geradezu kontraproduktiv, Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unterschiedlich zu behandeln. Letztlich beinhaltet die Tätigkeit des Rechtsanwalts auch keinen durch die Abrechnungsnummer 1008 nicht bereits berücksichtigten Mehraufwand, da die Bescheide der Beklagten denselben Streitgegenstand umfassen und auch die entsprechende Entgegnung hierauf identisch ausfallen wird.
Für das vorliegende Verfahren ergibt sich demnach ein Vergütungsanspruch des Bevollmächtigten auf der Grundlage von Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 RVG). Da eine Erstattung in Höhe von 492,50 EUR bereits erfolgt ist, ergibt sich kein weiterer Erstattungsbetrag. Im Übrigen verbleibt es bei der nicht zu beanstandenden Entscheidung des SG zur Erledigungsgebühr und der Annahme des Schwellenwerts, weil Anschlussberufung durch die Klägerin nicht eingelegt wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Danach sind Kosten nach dem GKG zu erheben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zum Kreis der in § 183 genannten Personen gehört. Hier hat ausschließlich die Klägerin als von vornherein nicht kostenprivilegierte Beteiligte Klage erhoben und Berufung eingelegt. Darüber hinaus stand bereits vor Klageerhebung fest, dass eine Versicherteneigenschaft des Herrn M. nicht vorlag (vgl. Urteil des BSG vom 05.10.2006 – B 10 LW 5/05 R – BSGE 97 S. 153 f.).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).


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