Kosten- und Gebührenrecht

Kostenerinnerung, Verfahrens- und Terminsgebühr bei Abtrennung

Aktenzeichen  B 1 M 20.74

Datum:
24.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18059
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165
Nrn. 3100 und 3104 VV RVG
RVG § 15

 

Leitsatz

Tenor

1. Die von den Klägern an die Beklagte zu erstattenden außergerichtlichen Aufwendungen werden unter Abänderung von Nr. 1 des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 15. Oktober 2019 auf 2.591,23 EUR festgesetzt.
2. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

I.
Die Kläger und Erinnerungsführer (im Folgenden: Kläger) wenden sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 15. Oktober 2019 im Verfahren B 1 K 18. … Die Kläger machten unter dem ursprünglichen Az. B 1 K 16. … folgende Klageansprüche in Bezug auf ihr Grundstück Fl.Nr. aaa/7 der Gemarkung … geltend:
1. Verpflichtung der Beklagten zur Entfernung von Rohrleitungen sowie Straße/Straßenbelag und Wiederherstellung des Wiesenwegs
2. Verurteilung zur Wiederherstellung von Grenzsteinen
3. Feststellung, dass die Kläger berechtigt seien, den auf ihrem Grundstück verlaufenden Weg zu sperren
Am 13. März 2018 fand ein Ortstermin statt, an dem neben den Klägern die jeweiligen Bevollmächtigten der Parteien teilnahmen. Im Hinblick auf das Bestreben einer gütlichen Einigung wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet (vgl. Niederschrift vom 13. März 2018).
Das Verfahren wurde unter dem Az. B 1 K 18. … wiederaufgenommen. Am 14. Mai 2019 fand eine mündliche Verhandlung statt. Durch Beschluss vom 14. Mai 2019 wurde der Klageantrag auf Wiederherstellung der Grenzsteine abgetrennt und unter dem Az. B 1 K 19. …4 weitergeführt, der Klageanspruch auf Sperrung des Weges wurde nach Abtrennung unter dem Az. B 1 K 19. …5 weitergeführt. Mit Urteil vom 14. Mai 2019 wurde der Klageantrag auf Entfernung der Rohrleitungen sowie des Straßenbelags und Wiederherstellung des Wiesenwegs abgewiesen. Durch Beschluss vom gleichen Tag wurde der Streitwert auf 40.000 EUR vor den Abtrennungen und auf 30.000 EUR danach festgesetzt. Dabei wurde hinsichtlich des Klageantrags 1 ein Streitwert von 30.000 EUR und für die abgetrennten Klageanträge jeweils der Regelstreitwert angesetzt.
Nach mündlicher Verhandlung im Verfahren B 1 K 19. …5 am 20. Mai 2020 wurde dem Klageantrag bezüglich der Sperrung des Weges stattgegeben. Das Verfahren B 1 K 19. …4 wurde aufgrund Klagerücknahme durch Beschluss vom 15. Januar 2021 eingestellt. In beiden Fällen wurden Kostenfestsetzungsanträge auf der Basis von Einzelstreitwerten gestellt.
Mit Antrag vom 2. Oktober 2019 beantragte der Bevollmächtigte der Beklagten die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren B 1 K 18. … wie folgt:
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV aus einem Wert von 40.000 EUR 1.316,90 EUR
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV aus einem Wert von 40.000 EUR 1.215,60 EUR
Pauschale für Post- und Telekom.-dienste Nr. 7002 VV 20,00 EUR
2.552,50 EUR
Mehrwertsteuer 484,98 EUR
Rechnungsendbetrag 3.037,48 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Oktober 2019 wurden die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten wie beantragt auf 3.037,48 EUR nebst Zinsen seit 7. Oktober 2019 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB festgesetzt.
Die geltend gemachten gesetzlichen Gebühren und Auslagen seien anhand des festgesetzten Streitwerts korrekt berechnet worden. Der Streitwert sei zwar durch Beschluss vom 14. Mai 2019 für die Zeit nach der Abtrennung auf 30.000 EUR festgesetzt worden, die Terminsgebühr sei jedoch bereits durch die Teilnahme an dem Termin zum Augenschein am 13. März 2018 nach einem Streitwert von 40.000 EUR entstanden.
Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2019 beantragten die Bevollmächtigten der Kläger gerichtliche Entscheidung.
Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Urkundsbeamtin des Gerichts außer Acht gelassen habe, dass bisher lediglich über den Streitgegenstand entschieden worden sei, den das Gericht mit einem Wert von 30.000 EUR beziffert habe. Über die restlichen Streitgegenstände sei noch nicht entschieden. Über einen noch nicht rechtskräftig entschiedenen Teilgegenstand könne keine Erstattung außergerichtlich angefallener Kosten erfolgen. Für die außergerichtlichen Gebühren des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten sei nach § 32 Abs. 1 RVG der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert, vorliegend mit 30.000 EUR festgesetzt, entscheidend.
Er wies auf Entscheidungen des BayVGH (B. v. 30.1.2007 – 25 C 07.161 und B.v. 28.5.2001 – 23 C 01.1049) hin, in welchen die Auffassung vertreten worden sei, dass eine Berechnung nach einzelnen Streitwerten ausscheide sowie auf die im Beschluss des BayVGH vom 8.8.2017 (Az. 14 C 17.559) vertretene abweichende Auffassung. In beiden Fällen ginge das Gericht aber vom Teilstreitwert aus, so dass auch vorliegend eine Kostenfestsetzung aus einem Gegenstandswert von 40.000 EUR nicht hätte erfolgen dürfen.
Der Bevollmächtigte der Beklagten erwiderte mit Schriftsatz vom 15. November 2019, dass auch nach der Entscheidung des BayVGH vom 8.8.2017 die Verfahrensgebühr vor der Verfahrenstrennung aus dem Streitwert der ungeteilten Verfahren erwachse. Bei Klageerhebung seien noch alle Streitgegenstände in einem Verfahren vereint gewesen, gleiches gelte zum Zeitpunkt des Ortstermins am 13. März 2018. Dieser habe die Terminsgebühr aus dem vollen Streitwert von 40.000 EUR ausgelöst. Daran ändere die spätere Verfahrenstrennung nichts. Ob in den abgetrennten Verfahren nochmals aus den dortigen geringeren Streitwerten Verfahrensgebühren und/oder Terminsgebühren anfallen, sei eine andere Frage.
Die Bevollmächtigten der Kläger entgegneten, dass die Frage, in welcher Höhe Gebühren angefallen seien, von der Frage, welcher Streitgegenstand durch die Entscheidung des Gerichts erledigt wurde, zu trennen sei. Es sei offensichtlich, dass die Kammer mit ihrer Entscheidung lediglich über einen Streitwert in Höhe von 30.000 EUR entschieden habe und demzufolge keine Kosten aus einem Gegenstandswert in Höhe von 40.000 EUR zur Kostenerstattung angemeldet werden könnten.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte diese unter dem 21. Januar 2020 dem Gericht vor.
Den Beteiligten wurde Gelegenheit zu weiterer Äußerung gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Kostenakte Bezug genommen.
II.
1. Die nach §§ 165, 151 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Erinnerung hat in der Sache Erfolg, da die Anerkennung der vollen Verfahrens- und Terminsgebühr aus einem Streitwert von 40.000,00 EUR rechtswidrig ist.
Nachdem in der vorliegenden Sache eine Kostenfestsetzung gemäß § 164 VwGO angegriffen wird, handelt es sich bei der Erinnerung im Ausgangsverfahren Az. B 1 K 18. … um eine solche nach § 165 VwGO i.V.m. § 151 VwGO, über die durch die Kammer zu entscheiden ist, da die Kostengrundentscheidung ebenfalls von dieser getroffen wurde (vgl. z.B. Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, Rn. 7 zu § 165; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., 2016, Rn. 3 zu § 165).
Gemäß § 2 Abs. 2 i.V.m. Nr. 3100 VV RVG erhält ein Bevollmächtigter die 1,3 -fache Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Die Terminsgebühr erhält er nach Nr. 3104 VV RVG.
§ 2 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bestimmt hierzu, dass die Gebühr für die anwaltliche Tätigkeit nach dem Wert berechnet wird, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). Da der Streitwert vorliegend als der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert festgesetzt wurde, ist diese Festsetzung nach § 32 Abs. 1 RVG auch als Grundlage für die Berechnung der Rechtsanwaltsvergütung maßgebend.
Für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information erhält der Rechtsanwalt im erstinstanzlichen Verfahren nach VV 3100 eine Verfahrensgebühr von 1,3. Damit ist die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts abgegolten, die dieser außerhalb der mündlichen Verhandlung erbringt, und zwar vom Beginn des ihm erteilten Auftrages an bis zum Abschluss der Instanz. Die Terminsgebühr von 1,2 (VV 3104) entsteht nach VV Vorbem. 3 Abs. 3 u.a. für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen.
Vorliegend ist streitig, ob für die Berechnung der Verfahrens- und Terminsgebühr von dem vor Trennung der einzelnen Verfahren festgesetzten Streitwert von 40.000 EUR auszugehen ist, oder ob der für das vorliegende Verfahren B 1 K 18. … nach Abtrennung der weiteren Klagegegenstände (Verfahren B 1 K 19. …4 und B 1 K 19. …5) festgesetzte Streitwert von 30.000 EUR maßgeblich ist.
Da der Rechtsanwalt in einem Verfahren die jeweilige Gebühr nur einmal fordern kann (§ 15 Abs. 2 RVG), kommt es auf die Argumentation des Bevollmächtigten der Beklagten, wonach die maßgeblichen Gebühren wegen des Ortstermins aus einem Streitwert von 40.000 EUR zu berechnen wären, nicht an, denn auch die nachfolgende mündliche Verhandlung am 14. Mai 2019 umfasste alle Klagegegenstände. Fraglich ist, wie sich die Abtrennung einzelner Streitgegenstände auf die Berechnungsgrundlage auswirkt.
Im Falle einer Abtrennung gehen zwar die bereits vor der Trennung entstandenen Gebühren nicht wieder unter. Von der Trennung an fallen jedoch die Gebühren in Bezug auf die nunmehr verselbständigten Verfahren nochmals an. Dies gilt für das unter dem alten Aktenzeichen fortgeführte Verfahren in gleicher Weise wie für die mit neuen Aktenzeichen abgetrennten Verfahren. § 15 Abs. 2 RVG steht der Berücksichtigung der nach Trennung entstandenen Verfahrensgebühren nicht entgegen. Er hindert lediglich die kumulative Forderung von (anteiliger) Gesamtgebühr und Einzelgebühr.
Hinsichtlich der konkreten Berechnung der jeweiligen Gebühren hat der BayVGH in seiner früheren Rechtsprechung (vgl. B.v. 30.1.2007 – 25 C 07.161 und B.v. 28.5.2001 – 23 C 01.1049) die Ansicht vertreten, dass zwingend der Anteil des jeweiligen Verfahrens am Gesamtstreitwert zu ermitteln und hieraus die anteilige Gebühr zu berechnen sei. Hieran wird nicht mehr festgehalten. Vielmehr kann der Bevollmächtigte wählen, ob er die Gebühren aus dem anteiligen Gesamtstreitwert vor der Trennung oder die Gebühr aus dem Einzelstreitwert nach Trennung der Verfahren fordert (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 21 m.w.N., insbesondere unter Verweis auf BVerwG, B.v. 4.9.2000 – 9 KSt 10.09; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl., 2019 Rn. 61 ff. zu RVG VV 3100, m.w.N.). Die Telekommunikationspauschale ist jeweils ungekürzt anzusetzen, da durch die Trennung mit dem vorliegenden und den abgetrennten Verfahren rechtlich selbständige Verfahren entstanden sind (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017, a.a.O.). In jedem Fall ist daher bei der Berechnung der Gebühren nicht vom ursprünglichen Gesamtstreitwert auszugehen, sondern von dem (Teil-)Streitwert, den die gerichtliche Entscheidung umfasst. Denn andernfalls würde dies dazu führen, dass die Streitwerte der abgetrennten Verfahren doppelt berücksichtigt würden.
Vorliegend haben die Bevollmächtigten beider Parteien in den nachfolgend entschiedenen abgetrennten Verfahren jeweils als Berechnungsgrundlage ihrer Erstattungsanträge die Einzelstreitwerte mit den dazugehörigen Gebührenansätzen (und keine anteilige Berücksichtigung) angegeben, so dass auch im vorliegenden Verfahren hiervon auszugehen ist.
Unter Zugrundelegung von Einzelstreitwerten ergibt sich vorliegend folgende Berechnung:
1,3 Verfahrensgebühr aus 30.000 EUR 1.121,90 EUR
1,2 Terminsgebühr aus 30.000 EUR 1.035,60 EUR
Telekommunikationspauschale 20,00 EUR
2.177,50 EUR
19% MWSt. 413,73 EUR
Insgesamt 2.591,23 EUR
Daher hat die Beklagte unter Zugrundelegung des Einzelstreitwerts von 30.000 EUR einen Erstattungsanspruch von 2.591,23 EUR. Der im Kostenfestsetzungsbeschluss zugesprochene Betrag ist mithin um 446,25 EUR zu hoch und entsprechend abzuändern.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung eines Streitwerts ist entbehrlich, da keine Gerichtsgebühren anfallen.


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