Kosten- und Gebührenrecht

Nach Aufhebung einer Mahngebühr unzulässige Klage

Aktenzeichen  M 10 K 16.133

Datum:
17.6.2016
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 47

 

Leitsatz

Die Klage gegen eine Mahngebühr ist unzulässig, wenn die Mahngebühr mittlerweile aufgehoben wurde und den Kläger damit nicht mehr belastet. (redaktioneller Leitsatz)
Fehlt es einem belastenden Verwaltungsakt, weil die Mahngebühr aufgehoben wurde, kann das Gericht die Gebührensatzung nicht mehr inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Die auf Individualrechtsschutz angelegte Verwaltungsgerichtsordnung sieht – außerhalb der Normenkontrolle nach § 47 VwGO – keine direkte Kontrolle normativer Regelungen vor. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klagen werden abgewiesen.
II.
Die Kläger tragen gesamtverbindlich die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Nach Anhörung der Parteien entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Bei sachgerechter Auslegung des Klageziels nach § 88 VwGO wenden sich die Kläger zum einen gegen die Festsetzung und Verrechnung einer Mahngebühr in Höhe von 10 EUR, die zum 12. November 2014 fällig wurde und im Schmutzwassergebühren-Bescheid vom 3. November 2015 gegenüber einem Guthaben der Klägerin aufgerechnet wurde (Klageanträge 1 und 2); weiterhin begehren sie eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Mahngebührensätze der Beklagten (Klageanträge 3.1 und 3.2).
3. Die Klagen sind insgesamt unzulässig.
3.1 Die Klage der Klägerin gegen die Festsetzung einer Mahngebühr bzw. Aufrechnung mit einer Mahngebühr (Klageanträge 1 und 2) ist unzulässig. Die Klägerin kann nicht geltend machen, durch die Festsetzung oder Anrechnung einer Mahngebühr in ihren Rechten verletzt zu werden (§ 42 Abs. 2 VwGO).
Die im Gebührenbescheid vom 3. November 2015 zur Aufrechnung angeführte Mahngebühr von 10 EUR wurde aufgrund einer Fälligkeit von Gebühren zum 12. November 2014 – die nicht gezahlt worden waren – in der Mahnung vom 12. November 2014 festgesetzt. Aus dem Mahnschreiben ergibt sich unmittelbar, dass sich die Mahngebühr auf eine verspätete Zahlung für den Abrechnungszeitraum 25. August 2014 – 25. August 2015 bezieht.
Mit dem während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid der Beklagten vom 25. Februar 2016 wurde aber die zunächst angesetzte Mahngebühr aufgehoben, eine Aufrechnung wurde nicht mehr vorgenommen.
Im Begleitschreiben hat die Beklagte erklärt, dass eine entsprechende Mahngebühr für den früheren Zahlungszeitraum nicht mehr angesetzt werde, da man mit dem Vortrag der Klägerin davon ausgehe, dass der Klägerin die Mahnung vom 21. Juli 2014 nicht zugegangen sei.
Die Klägerin ist damit infolge des Wegfalls der von ihr beanstandeten Mahn-gebühr bzw. deren Verrechnung nicht mehr belastet; ihrem Rechtschutzbegehren wurde seitens der Beklagten Rechnung getragen. Damit hat sich die Klage der Klägerin insoweit in der Hauptsache erledigt. Da die Klägerin ihre Klage jedoch weiterhin aufrechterhält, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
3.2 Die Klage des Klägers ist in den Klageanträgen 1 und 2 unzulässig, da der Kläger schon nicht zu einer Leistung herangezogen wird. Die Gebührenbescheide der Beklagten richten sich ausschließlich an die Klägerin, nicht aber an den Kläger. Damit fehlt es gegenüber dem Kläger von vornherein schon an einer ihn belastenden Regelung, durch die er in eigenen Rechten verletzt sein könnte (§ 42 Abs. 2 VwGO).
3.3 Die Klagen hinsichtlich des Klageantrages zu 3 sind beide unzulässig, da die Kläger keinen Anspruch auf eine Normaufhebung oder Normanpassung geltend machen können.
Die Beklagte erhebt Mahngebühren gemäß Tarif-Nr. 9020 des Kostenverzeichnisses als Anlage zur Satzung über die Erhebung von Verwaltungskosten für Amtshandlungen im eigenen Wirkungskreis der … (Kostensatzung) vom 24. Juni 1971, zuletzt geändert am 28. April 2016.
Nach § 1 Kostensatzung erhebt die Beklagte für Tätigkeiten im eigenen Wirkungskreis, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornimmt (Amtshandlungen) Kosten (Gebühren und Auslagen). Nach § 2 Kostensatzung bemisst sich die Höhe der Gebühren nach dem Kostenverzeichnis als Anlage zu dieser Satzung. Nach Tarif-Nr. 9020 des Kostenverzeichnisses werden für die Anmahnung rückständiger öffentlich-rechtlicher Beträge Gebühren in einem Rahmen von 5 EUR bis 150 EUR erhoben. Insoweit liegt eine normative Festsetzung des Gebührenrahmens durch die Kostensatzung der Beklagten vor. Im Rahmen des Individualrechtsschutzes, welchen die Verwaltungsgerichtsordnung gewährleistet, ist es einem Bürger grundsätzlich aber verwehrt, unmittelbar normative Regelungen anzugreifen. Vielmehr geht das Konzept des Individualrechtsschutzes davon aus, dass eine Überprüfung von Normen durch das Gericht lediglich im Wege einer Inzidentprüfung erfolgt, also ob ein Verwaltungsakt – hier eine Gebührenfestsetzung – auf eine wirksame normative Ermächtigung gestützt wird. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des belastenden Verwaltungsaktes bzw. der festgesetzten Gebühr hat das Gericht auch zu überprüfen, ob die untergesetzliche Norm – hier die kommunale Kostensatzung – mit höherrangigem Recht vereinbar ist und damit eine Grundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheides sein kann.
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch hinsichtlich beider Kläger mittlerweile an einem belastenden Verwaltungsakt, der Festsetzung einer Mahngebühr, anhand derer auch die zugrunde zu legende untergesetzliche Norm auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen wäre.
Die Kläger hätten allenfalls die Möglichkeit einer unmittelbaren Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Danach kann jede natürliche Person, die geltend macht, durch eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift oder deren Anwendungen in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift einen Antrag über die Gültigkeit dieser Rechtsvorschrift stellen. Für die Entscheidung über diesen Antrag wäre nach § 47 Abs. 1 VwGO das Oberverwaltungsgericht – in Bayern also der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – zuständig.
Das Gericht versteht den Antrag der Kläger allerdings nicht dahin, dass ausdrücklich ein selbstständiges Normenkontrollverfahren hinsichtlich der Kostensatzung der Beklagten gewollt ist. Zum einen wäre für ein derartiges Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eine anwaltliche Vertretung erforderlich, für die erhebliche Kosten für die Kläger entstehen würden. Zum anderen wäre die in § 47 Abs. 2 VwGO für einen Normenkontrollantrag vorgesehene Jahresfrist nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift ohnehin längst verstrichen, was zu einer Unzulässigkeit des Normenkontrollantrages führen würde.
Damit sind die Klagen insgesamt mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1, § 159 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 84 und 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
mündliche Verhandlung beantragen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10,- festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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