Kosten- und Gebührenrecht

Prozesskostenhilfeantrag eines nicht anwaltlich vertretenen Klägers für beabsichtigen Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  15 ZB 21.31578

Datum:
8.11.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34537
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 67 Abs. 4, § 166 Abs. 1 S. 1
AsylG § 78 Abs. 3, Abs. 4 S. 4
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Berufungszulassungsantrag von einem nicht anwaltlich vertretenen Kläger beantragt, müssen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes zumindest so weit dargetan werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 21.30625 2021-09-27 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein noch durchzuführendes Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. September 2021 (Au 5 K 21.30625) wird abgelehnt.

Gründe

I.
Mit Bescheid vom 11. Juni 2021 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylfolgeantrag des Klägers als unzulässig ab und lehnte zudem den Antrag auf Abänderung eines Bescheids vom 24. Januar 2020 bezüglich der dortigen Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ab. Mit Urteil vom 27. September 2021 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die vom Kläger erhobene Klage mit den Anträgen, den Bescheid vom 11. Juni 2021 aufzuheben und die Beklagte hilfsweise zu der Feststellung zu verpflichten, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen, ab. Ausweislich dem in den Akten des Verwaltungsgerichts abgehefteten Empfangsbekenntnis wurde das Urteil der (vormaligen) Bevollmächtigten des Klägers am 30. September 2021 zugestellt.
Am 29. Oktober 2021 ging im Nachtbriefkasten des Verwaltungsgerichts Augsburg ein vom Kläger persönlich unterzeichnetes Schreiben datiert auf denselben Tag ein, mit dem er „Berufung“ beantragte. Seine bisherige Anwältin wolle ihn im Rechtsmittelverfahren nicht mehr vertreten. Der Caritasverband in Augsburg habe ihm empfohlen, einen Anwalt zu beauftragen. Er könne sich aber keinen Anwalt leisten, da er dazu finanziell nicht in der Lage sei. Er habe vom Landratsamt Augsburg seit dem 26. Juli 2021 kein Geld mehr bekommen. Zwischen dem 26. Juli 2021 und dem 14. Oktober 2021 habe er auch keinen Personalausweis gehabt.
Dem Schreiben war eine ausgedruckte E-Mail seiner vormaligen Anwältin vom 7. Oktober 2021 beigefügt, worin diese mitteilt, dass in seinem Fall bis zum 30. Oktober 2021 die Zulassung der Berufung beantragt werden könne. Sie sehe hierfür keine Erfolgsaussichten und rate, der Kläger möge versuchen, im Rahmen des Familiennachzugs einen Aufenthaltstitel zu erlangen.
Dem Schreiben des Klägers vom 29. Oktober 2021 war ferner eine E-Mail des Caritasverbands für die Diözese Augsburg e.V. beigefügt, in der dem Kläger empfohlen wurde, sich für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren einen Anwalt zu suchen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Senat legt den ohne anwaltliche Bevollmächtigung (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO) gestellten Antrag des Klägers aufgrund der erkennbaren Interessenlage und der im Antragsschriftsatz thematisierten finanziellen Lage gem. § 122 Abs. 1, § 88 VwGO dahingehend aus, dass der Kläger in der Sache Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten, noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. September 2021 begehrt (vgl. auch BayVGH, B.v. 26.2.2020 – 15 ZB 20.25 u.a. – juris Rn. 7 ff.). Hierfür besteht grundsätzlich ein Rechtsschutzbedürfnis, weil im Falle des Erfolgs eines solchen Antrags dem Rechtsschutzsuchenden (hier dem Kläger) auf gem. § 60 Abs. 2 VwGO rechtzeitig folgenden Antrag eines postulationsfähigen Bevollmächtigten Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist zu gewähren wäre (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2021 – 15 ZB 21.1854 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Der so ausgelegte Antrag hat keinen Erfolg. Er kann schon deshalb nicht positiv verbeschieden werden, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO, § 114 Abs. 1 ZPO.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beantragt sowie unter Darlegung von Zulassungsgründen (§ 78 Abs. 3 AsylG) begründet werden (§ 78 Abs. 4 Satz 1 und Satz 4 AsylG). Wird hierfür Prozesskostenhilfe beantragt, so gilt grundsätzlich das Gleiche für den entsprechenden Antrag und seine Begründung. Die Tatsache, dass vorliegend die Zulassung der Berufung noch nicht beantragt wird, sondern erst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Zulassungsantrag, entbindet einen nicht im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO vertretenen Kläger nicht gänzlich von der Verpflichtung zur Darlegung im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Dabei müssen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Zulassungsgrunds zumindest so weit dargetan werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Zwar kann von dem nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, nicht verlangt werden, dass er die Gründe in der Weise bezeichnet, wie dies für die Darlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erforderlich wäre. Geboten ist aber, dass sich aus einer innerhalb der Antragsfrist (§ 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG) vorgelegten Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs das Vorliegen eines Zulassungsgrunds zumindest in groben Zügen erkennen lässt (speziell für das Zulassungsverfahren im Asylrecht gem. § 78 Abs. 4 AsylG: OVG NW, B.v. 17.9.2019 – 11 A 3552/19.A – juris Rn. 4 f.; SächsOVG, B.v. 22.5.2015 – 5 A 536/14.A – juris Rn. 2 f.; im Anwendungsbereich des § 124a VwGO vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2021 – 15 ZB 21.1854 – juris Rn. 12 m.w.N.; für einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde vgl. BVerwG, B.v. 4.5.2011 – 7 PKH 9.11 – NVwZ-RR 2011, 621 = juris Rn. 2; B.v. 11.2.2015 – 5 PKH 12.15 D – juris Rn. 2; B.v. 10.1.2018 – 5 PKH 8.17 D – Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 48 = juris Rn. 2; B.v. 13.8.2018 – 1 B 47.18 u.a. – juris Rn. 2).
Diese Voraussetzungen liegen bereits deswegen nicht vor, weil der Kläger – abgesehen von den Ausführungen zu seiner finanziellen Situation – den Prozesskostenhilfeantrag innerhalb der Monatsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG in der Sache überhaupt nicht begründet hat und damit von ihm auch nicht ansatzweise ein Berufungszulassungsgrund i.S. von § 78 Abs. 3 AsylG (laienhaft) thematisiert wurde.
Einer Kostenentscheidung bedarf es vorliegend nicht, weil in asylrechtlichen Streitigkeiten gemäß § 83b AsylG keine Gerichtskosten erhoben und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet werden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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