Kosten- und Gebührenrecht

Statthaftigkeit eines Wiederaufnahmeantrags

Aktenzeichen  L 1 SV 4/17 B

Datum:
28.7.2017
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 60, § 179
ZPO ZPO § 579

 

Leitsatz

Gegen einen Beschluss, mit dem ein Ablehnungsgesuch abgelehnt wird, ist ein Wiederaufnahmeantrag nicht statthaft. (Rn. 13)

Verfahrensgang

S 13 SF 19/17 AB FdV 2017-05-22 Bes SGLANDSHUT SG Landshut

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 22. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob das Sozialgericht Landshut zu Recht abgelehnt hat, ein durch Beschluss erledigtes Richterablehnungsverfahren wiederaufzunehmen.
Streitig ist im Klageverfahren S 14 R 58/16 vor dem Sozialgericht Landshut die Umwandlung der Altersrente der Klägerin.
Mit Schreiben vom 16.01.2017 hat die Bevollmächtigte der Klägerin und Beschwerdeführerin die Vorsitzende der 14. Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Ablehnungsgesuch ist von der Vorsitzenden der 13. Kammer des Sozialgerichts Landshut bearbeitet worden, die nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden der 14. Kammer, die der Bevollmächtigten der Klägerin zur Stellungnahme übersandt worden ist, mit Beschluss vom 16.03.2017 (Az.: S 13 SF 5/17 AB) das Ablehnungsgesuch abgelehnt hat. Der Beschluss enthielt den Hinweis, dass er gemäß § 172 Abs. 2 SGG unanfechtbar sei.
Mit Schreiben vom 28.03.2017 hat die Bevollmächtigte der Klägerin in Bezug auf den Beschluss vom 16.03.2017 die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass über den Befangenheitsantrag nur die Kammer und nicht die Vorsitzende als Einzelrichterin hätte entscheiden dürfen. Aus diesem Grund sei vorliegend gemäß § 179 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 579 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) analog der Wiederaufnahmeantrag zulässig. Dass die Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens analog auch auf Beschlüsse anwendbar seien, wenn sich das Gesuch gegen einen in einem echten Streitverfahren ergangenen, urteilsvertretenden und der materiellen Rechtskraft fähigen Beschluss richte, bedeute im Umkehrschluss, dass die Vorschriften auch auf Beschlüsse anwendbar seien, die die bürgerlich-rechtlichen Beziehungen zwischen am Verfahren beteiligten Personen nicht mit materieller Rechtskraft festlegten. Allgemein sei ein Rechtsbehelf im Zweifel als zulässig anzusehen. In der Sache hat sie den Antrag auf Wiederaufnahme damit begründet, dass die Vorsitzende der 14. Kammer in dem im Klageverfahren ergangenen Schreiben vom 09.01.2017 einen von ihr gestellten Antrag übergangen und damit das rechtliche Gehör verletzt habe, was die Besorgnis der Befangenheit begründet habe.
Mit Beschluss vom 22.05.2017 hat die Vorsitzende der 13. Kammer des Sozialgerichts den Wiederaufnahmeantrag gegen den Beschluss vom 16.03.2017 im Verfahren S 13 SF 5/17 AB als unzulässig verworfen. Ein Wiederaufnahmeverfahren sei gemäß § 179 SGG nur gegen formell rechtskräftige Endurteile, Sach- und Prozessurteile, Gerichtsbescheide sowie rechtskräftige oder nicht anfechtbare Beschlüsse statthaft, soweit diese auf einer Sachprüfung beruhten und die Instanz abschließen. Vorliegend könne dahinstehen, ob ein Beschluss über die Ablehnung eines Ablehnungsgesuchs ein die Instanz abschließender Beschluss sei. Denn die Zulässigkeit des Antrags scheitere bereits daran, dass kein Wiederaufnahmegrund im Sinne des Vierten Buches der ZPO dargelegt worden sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Bevollmächtigte der Klägerin mit der am 29.05.2017 beim Sozialgericht Landshut eingegangenen Beschwerde. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass über den Befangenheitsantrag die 13. Kammer in voller Besetzung hätte entscheiden müssen. Aus diesem Grund sei auch der Wiederaufnahmeantrag nach § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO analog zulässig. Der Beschluss vom 16.03.2017 sei einem Wiederaufnahmeverfahren zugänglich, da es sich um ein selbstständiges Zwischenverfahren hinsichtlich des Ablehnungsgesuchs handle, das zu begründen und der materiellen Rechtskraft fähig sei.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin hat mit Schriftsatz vom 27.06.2017 darauf hingewiesen, dass gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter nicht erforderlich sei.
Die Bevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 18.07.2017 eingewandt, dass § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG nach der Einführung einer direkten Verweisung auf § 45 Abs. 1 ZPO in § 60 Abs. 1 SGG von der Richterregelung in § 45 Abs. 1 ZPO verdrängt werde, wonach das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehöre, ohne dessen Mitwirkung durch das Kollegialgericht entscheide. Weil eine Kammer für Handelssachen auch aus ehrenamtlichen Richtern bestehe, habe dies zur Folge, dass auch ehrenamtliche Richter zur Entscheidung beim Befangenheitsantrag berufen seien. Dies gelte auch im sozialgerichtlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 22.05.2017 aufzuheben und das Verfahren mit dem Aktenzeichen S 13 SF 5/17 AB wieder aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig erhoben (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG). Sie ist aber unbegründet, weil das Sozialgericht den Wiederaufnahmeantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig behandelt hat.
Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines beendeten Verfahrens sind in § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 579, 580 ZPO sowie in § 179 Abs. 2 SGG geregelt. Danach kann auch ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozessordnung wieder aufgenommen werden. Diese Regelungen gelten zunächst für rechtskräftige Urteile, sind aber auch auf durch Beschluss beendete Verfahren anzuwenden, soweit sie rechtskräftig oder nicht anfechtbar sind, auf Sachprüfung beruhen und die Instanz abschließen (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.1965 – 11 RA 304/64 – Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., 2017, § 179 Rn. 3ff., mwN, § 177 Rn. 6). Nicht wiederaufnahmefähig sind Beschlüsse, wenn sie keiner Innenbindung unterliegen und deshalb abänderbar sind, keine prozessbeendende Wirkung haben oder nur den Kostenpunkt betreffen (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vorb. Zu §§ 578-591, Rn. 14). Entscheidungen über Richterablehnungsgesuche sind danach einem Wiederaufnahmeverfahren nicht zugänglich. Bei der Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuchs durch Beschluss handelt es sich um ein selbständiges Zwischenverfahren, das zwar der Anhörungsrüge zugänglich ist (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18.06.2013 – L 7 SF 3/13 AB -, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 23.10.2007 – 1 BvR 782/07 – BVerfGE 119, 292 und BVerfG Beschluss vom 06.05.2010 – 1 BvR 96/10 – sowie Leitherer, a.a.O., § 178a Rn. 3e), nicht aber um ein Verfahren, das das streitige Verfahren einem Urteil vergleichbar beendet (a.A., allerdings ohne Begründung Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.03.2015 – L 3 SF 136/13 AB -).
Daher bleibt es bei der Entscheidung des Sozialgerichts, auch wenn die Bevollmächtigte der Klägerin mit ihrer Beschwerde grundsätzlich einen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dargelegt hat, in dem sie die Behauptung aufgestellt hat, es hätte über das Ablehnungsgesuch unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entschieden werden müssen, weswegen das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei.
Allerdings wird darauf hingewiesen, dass die von der Bevollmächtigten der Klägerin vertretene Auffassung, § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung die ehrenamtlichen Richter nicht mitwirken, werde von § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO verdrängt, nicht zutrifft (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., 2017, § 60, Rn. 13a). Der Antrag wäre daher in keinem Fall erfolgreich gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

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