Kosten- und Gebührenrecht

Zur Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  9 C 17.910

Datum:
25.1.2018
Fundstelle:
BayVBl – 2018, 789
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 2, § 166
ZPO § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Der Beschluss über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann auch dann nach § 146 Abs. 2 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn Prozesskostenhilfe versagt wurde, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise nach § 166 Abs. 1 S. 1 VwGO iVm § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 ZPO nicht oder nicht fristgerecht vorgelegt wurden (vgl. OVG Bremen BeckRS 2016, 53361; OVG Berlin-Bbg BeckRS 2014, 58606). (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein die Entscheidung nicht tragender bloßer Hinweis zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung schließt die Anwendbarkeit von § 146 Abs. 2 VwGO nicht aus, solange hierin keine – alternative oder kumulative – Mehrfachbegründung zu sehen ist. (Rn. 3 – 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 16.2165 2017-03-29 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers, eines eingetragenen Vereins, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. März 2017, mit dem sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten für seine Klage auf Erteilung der Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Bestandsgebäudes mit Stallungen zur Unterkunft für Schlittenhunde mit einer Wohnnutzung auf den Grundstücken FlNrn. 1805 und 1805/1 Gemarkung Kleinhaslach abgelehnt wurde, ist nicht statthaft.
1. Nach § 146 Abs. 2 VwGO kann der Beschluss über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. Dies gilt auch, wenn Prozesskostenhilfe – wie hier vom Verwaltungsgericht – versagt wurde, weil die Klägerin die erforderlichen Unterlagen und Nachweise nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 ZPO nicht (fristgerecht) vorgelegt hat (vgl. OVG Bremen, B.v. 23.9.2016 – 1 PA 248/16 – juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, B.v. 3.11.2014 – OVG 12 M 53.14 – juris Rn. 3).
2. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht „darüber hinaus“ ausgeführt hat, dass „erhebliche Zweifel“ an der hinreichenden Aussicht auf Erfolg der vom Kläger erhobenen Klage bestehen. Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts können als ein die Entscheidung nicht tragender bloßer Hinweis zu den Erfolgsaussichten die Anwendbarkeit von § 146 Abs. 2 VwGO nicht ausschließen.
Zwar greift § 146 Abs. 2 VwGO nicht ein, wenn die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht „ausschließlich“ auf unzureichend glaubhaft gemachte Bedürftigkeit gestützt ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.3.2015 – OVG 6 M 21.15 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 3.7.2014 – 10 C 14.495 – juris Rn. 2). Dies ist hier aber nicht der Fall.
a) Auch wenn die Formulierung „darüber hinaus“ im Beschluss des Verwaltungsgerichts für eine Mehrfachbegründung sprechen mag (vgl. BVerwG, B.v. 23.5.2013 – 9 B 46.12 – juris Rn. 2), ergibt sich aus den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht, dass es die hinreichenden Erfolgsaussichten i.S.d. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abschließend geprüft hat. Mit der Formulierung „erhebliche Zweifel“ lässt das Verwaltungsgericht das Ergebnis dieser Prüfung letztlich offen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichts lassen sich insoweit keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es selbst eine ausdrückliche Feststellung zu den hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage treffen wollte. Vielmehr hat es festgestellt, dass der Antrag „nunmehr nach Ablauf der (…) gesetzten Frist (…) abgelehnt“ wird. Die weiteren, nicht entscheidungstragenden Ausführungen zu erheblichen Zweifeln an der hinreichenden Erfolgsaussicht stellen keinen die Entscheidung tragenden Rechtssatz zu den Erfolgsaussichten dar, so dass gerade keine weitere Begründung vorliegt.
b) Auch als bloßer Hinweis können diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts die Anwendbarkeit von § 146 Abs. 2 VwGO nicht ausschließen.
Die unter Verweis auf die Streichung des Wortes „ausschließlich“ in § 172 SGG durch Gesetz vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836; vgl. auch BT-Drs. 17/12297 v. 6.2.2013, S. 40) vertretene Auffassung, ein bloßer Hinweis zu den Erfolgsaussichten genüge, um die Anwendbarkeit von § 146 Abs. 2 VwGO auszuschließen (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 146 Rn. 10; SächsOVG, B.v. 29.3.2017 – 5 D 122/16 – juris Rn. 2 f.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.3.2015 – OVG 6 M 21.15 – juris Rn. 7 – denen allerdings jeweils zu entnehmen ist, dass das Verwaltungsgericht die Prozesskostenhilfe versagt hat, jeweils „selbständig tragend auch wegen mangelnder Erfolgsaussicht“ bzw. weil „außerdem (…) keine hinreichenden Erfolgsaussichten“ bestünden), trägt nicht. Denn die Streichung des Wortes „ausschließlich“ in § 172 SGG führt nach dem gesetzgeberischen Willen zu einer weiteren Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit und – anders als im Falle des § 146 Abs. 2 VwGO – dazu, dass gerade im Falle einer Begründung, bei der zumindest auch die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint werden, die Beschwerde ausgeschlossen wird. Demgegenüber ist nach § 146 Abs. 2 VwGO die Beschwerde nur („ausschließlich“) bei Verneinung der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht statthaft. Im Falle einer alternativen oder kumulativen Mehrfachbegründung bleibt die Beschwerde demgegenüber nach der VwGO statthaft. Bloße Hinweise, die der Verfahrensförderung dienen mögen, bei denen sich das Verwaltungsgericht aber im Ergebnis nicht festlegt und auf die das Verwaltungsgericht nicht entscheidungstragend in den Beschlussgründen abstellt, genügen demgegenüber aber nicht, die Anwendbarkeit von § 146 Abs. 2 VwGO zu verneinen. Ausschlaggebend sind insoweit allein die entscheidungstragenden Gründe (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 61; BGH, U.v. 18.12.2003 – I ZR 195/01 – juris Rn. 12). Diese verneinen hier ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Gerichtskosten werden wegen der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:des Verwaltungsgerichts nicht erhoben (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG; vgl. BayVGH, B.v. 5.5.2014 – 1 C 14.517 – juris Rn. 2; OVG Berlin-Bbg, B.v. 21.6.2016 – OVG 3 M 55.16 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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