Medizinrecht

Abrechnung Kieferorthopädischer Leistungen

Aktenzeichen  B 5 K 16.888

Datum:
6.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55119
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GOZ § 6
GOZ Nr. 6150
GOÄ Nr. 2702
VwGO § 117 Abs. 3 S. 2
BayBG Art. 96

 

Leitsatz

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann mit Einverständnis der Parteien nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
2. Im Rahmen des § 88 VwGO ist der Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 23. Februar 2017 sachdienlich dahingehend auszulegen, dass sich die Klage nach Abtrennung und Einstellung des Teils des Verfahrens, der sich auf die Nichtanerkennung der Berechnung der adhäsiven Befestigung von Klebebrackets nach Nr. 2197 GOZ bezog, nunmehr nur noch auf die Erstattung von nach Nr. 6150 GOZ analog abgerechneten Leistungen bezieht. Die so verstandene Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid vom 22. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2016 ist, soweit darin für die Ausgliederung von Vollbögen nur ein Betrag von 563,08 € als beihilfefähig anerkannt wird, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
a) Die Gewährung von Beihilfe richtet sich für den Kläger bzw. seine Tochter nach Art. 96 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V.m. der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV). Unstreitig ist seine Tochter als berücksichtigungsfähige Angehörige nach Art. 96 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayBG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BayBhV mit einem Bemessungssatz von 80 v.H. beihilfeberechtigt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen nur beihilfefähig, wenn sie medizinisch notwendig und wirtschaftlich angemessen sind. Wirtschaftlich angemessen in diesem Sinne sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BayBhV Aufwendungen für ärztliche bzw. zahnärztliche Leistungen ausschließlich, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Ärzte bzw. Zahnärzte entsprechen. Die Voraussetzungen für die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen nach § 8 Satz 1 Nr. 3, § 15 Satz 1 BayBhV liegen hinsichtlich der Tochter des Klägers unstreitig vor.
b) Streitgegenständlich ist hier lediglich der Ansatz im Heil- und Kostenplan vom 16. Dezember 2015 für die Leistungsposition „Ausgliederung von Vollbögen“. Insoweit hat der Kläger aber keinen Anspruch darauf, dass eine Abrechnung dieser Leistung nach Nr. 6150 GOZ analog als beihilfefähig anerkannt wird.
Nr. 6150 GOZ betrifft unmittelbar lediglich die Eingliederung eines ungeteilten Bogens. Eine analoge Anwendung dieser Gebühren scheitert zwar nicht – wie im Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2016 ausgeführt – daran, dass es sich insoweit um eine zahnärztliche Leistung handelt, die nicht erst nach Inkrafttreten der Gebührenordnung für Zahnärzte aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt wurde. Diese Voraussetzung für eine analoge Anwendung einzelner Gebührenziffern in § 6 Abs. 2 GOZ a.F. ist mit Wirkung zum 1. Januar 2012 entfallen (vgl. Art. 1 Nr. 6 der Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 5.12.2011, BGBl I, S. 2662).
Voraussetzung für eine analoge Anwendung von Gebührenziffern der Gebührenordnung für Zahnärzte nach § 6 Abs. 1 GOZ in der hier zugrunde zu legenden, seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung ist vielmehr, dass eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung im Gebührenverzeichnis der Verordnung nicht enthalten ist und die selbstständige zahnärztliche Leistung nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig zu einer Leistung ist, die im Gebührenverzeichnis aufgeführt ist. Sofern auch eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung im Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte nicht enthalten ist, kann die selbstständige zahnärztliche Leistung entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung der in § 6 Abs. 2 GOZ genannten Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte berechnet werden. Nach § 6 Abs. 2 GOZ ist die Vergütung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte zu berechnen, soweit die Leistung nicht als selbständige Leistung oder Teil einer anderen Leistung im Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung für Zahnärzte enthalten ist und wenn die Leistungen, die der Zahnarzt erbringt, u.a. im Abschnitt L IX des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte aufgeführt ist.
Es kann dahinstehen, ob die fragliche Ausgliederung von Vollbögen überhaupt eine selbstständige ärztliche Leistung darstellt oder nicht vielmehr bereits von den Nrn. 6030 bis 6080 GOZ mit umfasst ist (dafür etwa: VG Saarbrücken, U.v. 5.4.2016 – 6 K 2038/13 – juris Rn. 30 ff.; Verband der Privaten Krankenversicherung, Kommentierung der PKV zur Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand 19.12.2017, S. 196 m.w.N.; dagegen: Liebold/Raff/Wissing, Onlinekommentar zur GOZ, Stand Dezember 2017, GOZ-Nr. 6150 Anm. 2.2) oder Teil der von Nr. 6150 GOZ umfassten Eingliederung des Vollbogens ist (so LG Bayreuth, U.v. 28.9.2015 – 13 S 113/14). Jedenfalls hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass die Abrechnung der Leistung nach Nr. 6150 GOZ analog als beihilfefähig anerkannt wird. In der Gebührenordnung für Zahnärzte findet sich keine Leistungsbeschreibung für die Entfernung von Bögen bei festsitzenden Apparaturen. Insbesondere Nr. 6150 GOZ beinhaltet lediglich das Anpassen, die Einprobe, das Einsetzen und das Einligieren eines ungeteilten Bogens (Bundeszahnärztekammer, GOZ-Kommentar, Stand Dezember 2017, S. 221). Die Ausgliederung eines entsprechenden Vollbogens, die eine in der Regel an das qualifizierte Fachpersonal delegierte Maßnahme darstellt (Verband der Privaten Krankenversicherung, Kommentierung der PKV zur Gebührenordnung für Zahnärzte, Stand 19.12.2017, S. 196), stellt das Gegenteil dieser Leistung dar (vgl. VG Stuttgart, U.v. 24.4.2014 – 12 K 3838/12). Wenn man – zugunsten des Klägers – davon ausgeht, dass die Entfernung solcher Bögen nicht bereits Teil einer anderen Leistung, insbesondere nicht der in Nrn. 6030 bis 6080 GOZ oder Nr. 6150 GOZ beschriebenen Leistung ist, ist es aber nicht zu beanstanden, wenn eine Abrechnung nach Nr. 2702 GOÄ durchgeführt wird. Dort hat der Verordnungsgeber im Abschnitt IX (Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie) für die Entfernung eines Bogens eine gesonderte Vergütung vorgesehen, im Bereich der Gebührenordnung für Zahnärzte jedoch ausdrücklich darauf verzichtet. Es fehlt damit bereits an einer planwidrigen Regelungslücke für eine analoge Anwendung der Nr. 6150 GOZ (vgl. LG Bayreuth, U.v. 28.9.2015 – 13 S 113/14). Auch die Bundeszahnärztekammer vertritt die Auffassung, dass die Entfernung eines ungeteilten Bogens unter der Nr. 2702 GOÄ beschrieben wird (Bundeszahnärztekammer, GOZ-Kommentar, Stand Dezember 2017, S. 221).
Der Abrechnung nach Nr. 2702 GOÄ steht auch nicht entgegen, dass diese Gebührennummer im Abschnitt „L. Chirurgie, Orthopädie“, Unterabschnitt „IX. Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie“ geregelt ist. Dies könnte zwar indizieren, dass die Leistung, die unter dieser Gebührennummer abgerechnet werden kann, in einem Zusammenhang mit einer chirurgischen, mithin im weitesten Sinne „operativen“ Leistung stehen muss, die bei der Tochter des Klägers wohl nicht durchgeführt werden wird. Weil in § 6 Abs. 2 Nr. 5 GOZ aber gerade auch die Anwendung dieser Gebührennummer für die zahnärztliche Abrechnung eröffnet wird, hindert der Umstand, dass die in Nr. 2702 GOÄ aufgeführte Leistung der Kieferchirurgie zugeordnet ist, den Ansatz im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung nicht. Nicht erforderlich ist zudem, dass die Leistung im Rahmen eines Kieferbruchs erfolgt. Dies ergibt sich bereits aus § 6 Abs. 2 Nr. 5 GOZ, der bei einigen Gebührennummern des Abschnittes L ausdrücklich voraussetzt, dass die Leistung „im Rahmen der Behandlung von Kieferbrüchen“ erfolgt ist, nicht jedoch bei den unter den Abschnitt L IX der GOÄ fallenden Leistungen (VG Stuttgart, U.v. 24.4.2014 – 12 K 3838/12).
Im Ergebnis steht dem Kläger damit jedenfalls kein Anspruch darauf zu, dass die Ausgliederung eines Vollbogens unter Ansatz von Nr. 6150 GOZ analog als beihilfefähig anerkannt wird.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.

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