Medizinrecht

Amtsärztliche Untersuchung, Amtstierärztin, Gesundheitliche Einschränkungen, Aufklärung, Fachärztliche Untersuchung, unbestimmt

Aktenzeichen  M 5 E 21.6550

Datum:
4.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2310
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1
BeamtStG § 35 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Antragstellerin wird vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung gemäß der Weisung des Personal- und Organisationsreferats der Antragsgegnerin vom … Dezember 2021 freigestellt, soweit diese über die Durchführung einer allgemeinmedizinischen amtsärztlichen Untersuchung hinausgeht.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,– festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin steht als Amtstierärztin (Besoldungsgruppe A 14) in Diensten der Antragsgegnerin. Sie wendet sich gegen die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung.
Im August 2021 informierte die Antragsgegnerin die Amtstierärztinnen und Amtstierärzte darüber, dass diese aufgrund eines coronabedingten Personalengpasses ab September 2021 für Dienste am … … verpflichtend eingeteilt würden. Die Amtstierärztinnen und Amtstierärzte sollten für die zeitlich begrenzte Dauer des Engpasses den Personalmangel an amtlichen Fachassistenten kompensieren und deren Tätigkeit ausüben. Dies umfasse insbesondere Fleischhygienekontrollen im Bereich der Schweine- und Rinderschlachtung.
Mit E-Mail vom … August 2021 informierte die Antragsgegnerin über den organisatorischen Ablauf und wies darauf hin, dass das Vorliegen von gesundheitlichen Einschränkungen gegebenenfalls durch einen Amtsarzt / eine Amtsärztin beurteilt werden müsse.
Die Antragstellerin legte zwei Atteste des Internisten Dr. R. vom … Januar 2021 und … August 2021 vor, in denen für die Antragstellerin gleichlautend formuliert ist, dass aufgrund gesundheitlicher Gründe aus ärztlicher Sicht ein Einsatz am … bis auf weiteres nicht möglich sei.
Mit Schreiben vom … Oktober 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie das Referat für Gesundheit und Umwelt beauftragt habe, die Antragstellerin zu einer amtsärztlichen Untersuchung einzuladen. Dieses Schreiben enthält den Betreff: „Klärung der Dienstfähigkeit nach Art. 65 ff. Bayerisches Beamtengesetz (BayBG)“. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die vorgelegten Atteste Zweifel an der Dienstfähigkeit der Antragstellerin begründeten und zur Klärung eine amtsärztliche Untersuchung notwendig sei. Da medizinische Hintergründe nicht näher bekannt seien, werde zunächst eine allgemeine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt, bei der die Krankengeschichte erfragt werde, in der Regel eine körperliche Untersuchung stattfinde und ggfs. weitere technische Untersuchungen veranlasst würden. Soweit aus ärztlicher Sicht erforderlich, werde zusätzlich eine Begutachtung auf anderen medizinischen Fachgebieten durchgeführt. Weitere mögliche Untersuchungsschritte sowie die konkreten medizinischen Fragen, die amtsärztlich geklärt werden sollen, werden benannt. Hiergegen hat die Antragstellerin am 24. November 2021 Widerspruch erhoben, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
Mit weiterem Schreiben vom … Dezember 2021 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie das Referat für Gesundheit und Umwelt beauftragt habe, die Antragstellerin zu einer amtsärztlichen Untersuchung einzuladen. Das Schreiben ist überschrieben mit „Dienstliche Weisung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung zur Klärung der weiteren Verwendungsmöglichkeit“. Ein Untersuchungstermin werde gesondert mitgeteilt. Die von der Beamtin vorgelegten Atteste begründeten Zweifel, ob sie gesundheitlich in der Lage sei, einen Teilbereich ihrer Tätigkeit – namentlich insbesondere die Arbeit am … – auszuüben. Darüber hinaus stehe auch in Frage, ob und ggfs. inwieweit sich die dem Attest zugrundeliegenden gesundheitlichen Einschränkungen auf weitere Teilbereiche ihrer Tätigkeit auswirkten. Da medizinische Hintergründe nicht näher bekannt seien, werde zunächst eine allgemeine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt, bei der die Krankengeschichte erfragt werde, in der Regel eine körperliche Untersuchung stattfinde und ggfs. weitere technische Untersuchungen veranlasst würden. Soweit aus ärztlicher Sicht erforderlich, werde zusätzlich eine Begutachtung auf anderen medizinischen Fachgebieten durchgeführt. Auch dies werde hiermit angeordnet. Bei der Untersuchung solle der Gesundheitszustand überprüft werden. Dabei solle auch festgestellt werden, ob und welche Leistungseinschränkungen vorliegen und wie sich diese ggfs. auf die Dienstfähigkeit auswirken würden. Weiter solle geklärt werden, ob und ggfs. welche ärztlichen Behandlungen, Therapiemaßnahmen oder Maßnahmen der Dienstherrin möglicherweise zur Wiederherstellung der Gesundheit führen könnten. Im Anschluss werden die konkreten medizinischen Fragen, die amtsärztlich geklärt werden sollen, benannt. Hiergegen hat die Antragstellerin am 20. Dezember 2021 Widerspruch erhoben, über den bislang – soweit ersichtlich – nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt beantragt,
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen.
Der Antrag sei zulässig, da es sich bei der Weisung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung zur Frage möglicher Einsatzeinschränkungen aufgrund gesundheitlicher Umstände um eine gemischt dienstlich-persönliche Weisung handle. Das stelle keine nicht isoliert überprüfbare Verfahrenshandlung dar. Die Weisung sei auch nicht hinreichend begründet. Es sei dem Amtsarzt völlig freigestellt, welche Untersuchungen er an der Antragstellerin durchführe und komme einem Freibrief gleich. Die Untersuchung sei auch nicht erforderlich, da der direkte Vorgesetzte der Antragstellerin keine Zweifel an deren Fähigkeit habe, den ihr übertragenen Aufgaben nachzukommen. Im Falle des …einsatzes kämen gesundheitliche Aspekte zum Tragen, die ihren Einsatz dort bis auf weiteres unmöglich machten. Die Tätigkeit im … in der Funktion der amtlichen Fachassistenten stelle auch keine amtsangemessene Beschäftigung der Amtstierärzte dar. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, da der Untersuchungstermin unmittelbar bevorstehe.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund, da ein Untersuchungstermin noch nicht festgelegt sei. Es fehle auch an einem Anordnungsanspruch. Die Anordnung vom … Dezember 2021 sei aus sich heraus verständlich. Anlass – Vorlage zweier fachärztlicher Atteste – sowie Art und Umfang der amtsärztlichen Untersuchungen seien benannt. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass die medizinischen Hintergründe der Atteste der Antragsgegnerin nicht bekannt seien. Es sei der Antragsgegnerin auch nicht verwehrt, die vorgelegten Atteste amtsärztlich zu hinterfragen. Die auf Ausnahmefälle beschränkten Tätigkeiten einer amtlichen Fachassistentin am … stellten die amtsangemessene Beschäftigung der Beamtin nicht in Frage. Die Antragsgegnerin komme ihrer Fürsorgepflicht auch durch ein Hygienekonzept sowie das Angebot einer wöchentlichen PCR-Testung nach.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Weisung vom … Dezember 2021, die die aktuelle Verpflichtung der Antragstellerin zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung darstellt. Diese knüpft an die nahezu gleichlautende Weisung vom … Oktober 2021 an, die allerdings auf der Grundlage von Art. 65 ff. des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) ergangen ist (vgl. hierzu VG München, B.v. 16.11.2021 – M 5 E 21.5858 – juris).
1. Der Antrag ist statthaft, weil es sich bei der Anordnung gegenüber einer Beamtin, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), sondern um eine gemischt dienstlich-persönliche Weisung handelt. Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet sich daher nach § 123 VwGO (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 6).
Der Zulässigkeit des Eilantrags steht vorliegend nicht § 44a VwGO entgegen. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden (Satz 1); dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen (Satz 2).
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5/18 – BVerwGE 165, 65, juris Rn. 19 ff.), wonach § 44a Satz 1 VwGO bei Eilanträgen gegen Anordnungen amtsärztlicher Untersuchungen eingreift, ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Zwar wird die Untersuchungsanordnung vorliegend auf die Art. 65 ff. BayBG gestützt, im Vordergrund steht hier jedoch nicht die Feststellung der Dienstunfähigkeit der Antragstellerin. Vielmehr steht vor allem die Einsatzmöglichkeit der Antragstellerin im … in Frage. Dies ergibt sich aus dem Anordnungsschreiben vom … Dezember 2021. Danach soll festgestellt werden, ob und welche Leistungseinschränkungen bei der Antragstellerin vorliegen.
Darüber hinaus stellt die Anordnung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, zwar eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO dar. In der hier maßgeblichen Fallkonstellation existiert jedoch keine spätere Sachentscheidung, gegen die die Antragstellerin gerichtlich vorgehen und in deren Rahmen sie sich auf die geltend gemachte Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung berufen könnte. Denn sollte der Amtsarzt bzw. die Amtsärztin – entgegen der Einschätzung des Hausarztes – von der Einsatzfähigkeit der Antragstellerin im … ausgehen, wäre diese von Gesetzes wegen zur Verrichtung ihres Dienstes verpflichtet. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich daher maßgeblich von dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall, sodass der Antrag hier zulässig ist (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 7). Ansonsten wäre keine Gewährung von effektivem Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz/GG) möglich, insbesondere mit Blick auf die disziplinarrechtlichen Folgen einer Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung (vgl. OVG RhPf, B.v. 29.10.2020, a.a.O., juris Rn. 12 f.; vgl. zum Ganzen auch: VG München, B.v. 16.11.2021 – M 5 E 21.5858 – juris Rn. 18 ff.).
2. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt, die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
3. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Da die grundlegende Anordnung streitbefangen ist, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 18 – zur Weisung, sich einer stationären Behandlung zu unterziehen), muss die Antragstellerin jederzeit mit der kurzfristigen Anberaumung eines Termins für eine Untersuchung rechnen. Das erfolgt auf Grundlage der vorliegenden Weisung vom … Dezember 2021. Damit ist es für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, dass das Gericht alsbald über die Rechtmäßigkeit der Weisung gegenüber der Antragstellerin entscheidet, einer Pflicht zu einer amtsärztlichen Untersuchung nachzukommen.
4. Die Antragstellerin hat jedoch nur hinsichtlich der als möglich angekündigten weiteren Begutachtungen auf anderen medizinischen Fachgebieten einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, nicht hinsichtlich der angeordneten allgemeinen amtsärztlichen Untersuchung.
Grundlage für die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung bei Zweifeln an der Dienstfähigkeit eines Beamten, die noch nicht im Hinblick auf eine erwogene Versetzung in den Ruhestand angeordnet wird, kann die in § 35 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz/BeamtStG) verankerte Folgepflicht des Beamten sein (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.1980 – 2 A 4.78 – ZBR 1981, 220, juris Rn. 25). Die Verpflichtung des Beamten, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes erforderlichen Klärung seines eigenen Gesundheitszustandes mitzuwirken, kann aus der besonderen, dem Beamtenverhältnis innewohnenden Treuepflicht gerechtfertigt sein (VG Wiesbaden, B.v. 30.9.2020 – 3 L 1061/20.WI – IÖD 2020, 257, juris Rn. 22).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Dienstherr schon im Zeitpunkt der Weisung sämtliche Gründe anzugeben, die zur Untersuchungsanordnung geführt haben. Genügt die Anordnung einer ärztlichen Begutachtung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, kann dieser Mangel nicht nachträglich im Behörden – oder Gerichtsverfahren „geheilt“ werden (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – NVwZ 2012, 1483, juris Rn. 21). Dies gilt nicht nur mit Blick auf die Darlegung der für die Zweifel an der Dienstfähigkeit maßgeblichen Umstände, sondern auch für die Offenlegung der einschlägigen Rechtsgrundlage. Die Behörde darf weder nach der Überlegung vorgehen, der Betroffene werde schon wissen, „worum es gehe“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.4.2012, a.a.O., juris Rn. 20), noch darf sie den Beamten darüber im Unklaren lassen, „wozu“ die Untersuchung durchgeführt werden soll.
Die Untersuchungsanordnung muss ferner Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung enthalten. Die Behörde darf dies nicht dem Arzt überlassen. Nur wenn in der Aufforderung Art und Umfang der geforderten ärztlichen Untersuchung nachvollziehbar sind, kann der Betroffene nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Dementsprechend muss sich der Dienstherr bereits im Vorfeld des Erlasses nach entsprechender sachkundiger ärztlicher Beratung zumindest in den Grundzügen darüber klarwerden, in welcher Hinsicht Zweifel am körperlichen Zustand oder der Gesundheit des Beamten bestehen und welche ärztlichen Untersuchungen zur endgültigen Klärung geboten sind (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – BVerwGE 146, 347, juris Rn. 22; U.v. 10.4.2014 – 2 B 80.13 – NVwZ 2014, 892, juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 3 CE 17.1753 – Rn. 26; VG Wiesbaden, B.v. 30.9.2020 – 3 L 1061/20.WI – IÖD 2020, 257, juris Rn. 29).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Aufforderung zu einer amtsärztlichen Untersuchung, mit der die Dienstfähigkeit als solche untersucht wird, sondern auch für eine amtsärztliche Untersuchung, mit der mögliche gesundheitsbedingte Einschränkungen der dienstlichen Verwendungsfähigkeit zu klären sind. Denn in beiden Konstellationen ist das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG wie auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beamten betroffen (OVG RhPf, B.v. 29.10.2020 – 2 B 11161/20 – DVBl 2021, 891, juris Rn. 22).
5. Nach diesen Grundsätzen ist die Weisung zur Durchführung einer allgemeinärztlichen Untersuchung rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Antragstellerin hat sehr allgemein gefasste ärztliche Bescheinigungen vorgelegt. Aus diesen geht hervor, dass aufgrund gesundheitlicher Gründe ein Einsatz der Beamtin am … bis auf weiteres nicht möglich sei. Es ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass der Dienstherr diese (fach-)ärztlichen Bescheinigungen zum Anlass nimmt, die darin benannte Einschränkung der dienstlichen Verwendungsfähigkeit durch eine amtsärztliche Untersuchung näher aufzuklären (BVerwG, B.v. 10.4.2014 – 2 B 80/13 – NVwZ 2014, 892, juris Rn. 11). Denn nach der Arbeitsplatzbeschreibung einer/s Amtstierärztin/Amtstierarztes vom 1. Mai 2019 gehört die Überwachung im Bereich Schlachtung am … zu deren/dessen Aufgaben (S. 5 f.); das ist ebenso in der Stellenbeschreibung vom 15. Dezember 2021 (S. 16) enthalten.
Die Untersuchungsanordnung für eine allgemeine amtsärztliche Untersuchung ist aus sich heraus verständlich und ausreichend bestimmt. Anlass der Untersuchung sind die allgemein gehaltenen Atteste, die eine ärztlich belegte Einschränkung des Tätigkeitsumfangs der Antragstellerin angeben. Ohne Kenntnis des konkreten Krankheitsbildes ist es der Antragsgegnerin nicht möglich, die erforderlichen ärztlichen Untersuchungen näher zu konkretisieren und gegebenenfalls einzugrenzen.
Deshalb ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin eine Erstuntersuchung zur Erhebung des Krankheitsbildes angeordnet hat, um überhaupt eine (mögliche) Diagnose zu erhalten, bevor ggf. weitere, näher konkretisierte (fach-) ärztliche Untersuchungen angeordnet werden. Eine weitergehende Festlegung der Untersuchung war weder rechtlich geboten noch möglich, da die Einzelheiten der Untersuchung von deren Verlauf und den dabei gewonnenen Erkenntnissen abhängig sind. Innerhalb des nur in den Grundzügen festzulegenden Rahmens muss es vielmehr dem Amtsarzt überlassen bleiben, die einzelnen Schritte der Untersuchung und deren Schwerpunkt nach ihrer Erforderlichkeit sachkundig zu bestimmen. Eine letztlich von der Antragstellerin geforderte detaillierte Festschreibung der Untersuchung scheidet schon wegen der Ergebnisoffenheit der Begutachtung, die gerade wegen auf andere Weise nicht aufklärbarer Zweifel an der Dienstfähigkeit angeordnet wird, aus (BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 3 CE 17.1753 – Rn. 28; B.v. 28.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 31; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 2.11.2015 – OVG 4 S 34.15 – juris Rn. 6).
Die Untersuchungsweisung wird ergänzend erläutert durch die „Informationen zur ärztlichen Untersuchung“, die als Anlage beigegeben sind. Gegenstand der Untersuchungsanordnung ist eine allgemeinmedizinische Untersuchung, die dazu dienen soll, genauere Erkenntnisse über ein möglicherweise bestehendes Krankheitsbild der Antragstellerin zu erlangen.
Insofern gehört das Erfragen der Krankheitsgeschichte zum ärztlichen Standardvorgehen, um den aktuellen Gesundheitszustand des Beamten zu erforschen. Die angeordnete, in der Regel stattfindende körperliche Untersuchung sowie gegebenenfalls weitere technische Untersuchungen wie Röntgen und Blutentnahme sind zulässig, soweit sie in diesem Rahmen zur allgemeinen Anamnese notwendig sind und sich noch nicht auf ein spezielles medizinisches Fachgebiet beziehen (OVG NW, B.v. 19.4.2016 – 1 B 307/16 – juris Rn. 23; B.v. 28.1.2016 – 6 B 1297/15 – juris Rn. 29; VG München, B.v. 26.7.2016 – M 5 E 16.3253 – juris Rn. 24; B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 38 f.).
Im konkreten Fall war von der Antragsgegnerin auch nicht zu verlangen, die Beamtin vor Erlass der streitgegenständlichen Weisung vom … Dezember 2021 zur Konkretisierung des den Attesten zugrundeliegenden Krankheitsbildes – nochmals – aufzufordern. Denn die Antragsgegnerin hatte bereits am 22. Oktober 2021 eine Anordnung zur Klärung der Dienstfähigkeit (allerdings gestützt auf Art. 65 ff. BayBG, vgl. hierzu VG München, B.v. 16.11.2021 – M 5 E 21.5858 – juris) erlassen, in der ausdrücklich angegeben ist, dass die medizinischen Hintergründe der in den Attesten umschriebenen eingeschränkten Einsatzfähigkeit nicht näher bekannt seien. Die Antragstellerin hatte durch diese Formulierung hinreichend Veranlassung, die medizinischen Umstände der vorgetragenen Einsatzeinschränkung näher zu erläutern. Das ist nicht erfolgt. Jedenfalls kann sie sich gegen eine allgemeine amtsärztliche Untersuchung nicht mit der Argumentation zu Wehr setzen, dass die Untersuchung zu unbestimmt sei. Denn die von der Antragstellerin vorgelegten ärztlichen Atteste sind sehr vage gefasst.
Angesichts der in den oben genannten Arbeitsplatzbeschreibungen festgelegten weit gefassten Einsatzbereiche von Amtstierärztinnen/Amtstierärzten ist es auch erforderlich, mögliche gesundheitsbedingte Einschränkungen der Einsatzmöglichkeit der Antragstellerin alsbald zu klären. Wenn die Antragstellerin anführt, ihr unmittelbarer Vorgesetzter habe keine Zweifel an der Fähigkeit der Beamtin, den ihr übertragenen Aufgaben nachzukommen, weshalb eine amtsärztliche Untersuchung nicht erforderlich sei, geht das an der Sache vorbei. Denn die Antragstellerin beharrt ausdrücklich darauf, aus gesundheitlichen Gründen im Bereich des …s nicht eingesetzt zu werden. Das stellt eine Einschränkung der für Amtstierärztinnen/Amtstierärzte grundsätzlich vorgesehenen Aufgaben dar. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Einsatz der Amtstierärztinnen/Amtstierärzte im … erweitert werden und diesen temporär Aufgaben der amtlichen Fachassistenten übertragen werden sollen (vgl. hierzu VG München, B.v. 26.1.2022 – M 5 E 21.6337). Dabei ist es im vorliegenden Verfahren, in dem es lediglich um die Rechtmäßigkeit der Weisung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung geht, nicht zu klären, ob den Amtstierärztinnen und Amtstierärzten weitergehende Aufgaben im … übertragen werden dürfen (vgl. hierzu VG München, B.v. 26.1.2022, a.a.O.).
6. Nicht erfüllt sind die oben dargestellten Anforderungen insoweit, als der Antragstellerin in der Weisung daneben lediglich mitgeteilt wird, es würden zusätzlich Begutachtungen auf anderen medizinischen Fachgebieten durchgeführt, soweit dies aus ärztlicher Sicht erforderlich sei (in dieser Hinsicht ist auch der im Sachverhalt dargestellte Passus aus den „Informationen zur ärztlichen Untersuchung“ zu verstehen) und auch dies angeordnet werde.
Soll der durch eine Untersuchungsanordnung – zulässig – gesetzte Rahmen durch mit weitergehenden Grundrechtseingriffen verbundene fachmedizinische Untersuchungen überschritten werden, bedarf es einer erneuten bzw. ergänzenden Untersuchungsanordnung (BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 35; B.v. 8.12.2017 – 3 CE 17.1753 – Rn. 29 f. betreffend eine Beamtin der Antragsgegnerin). Dies stellt keine „bloße Förmelei“ dar, die lediglich Zeitverlust durch eine „zusätzliche Schleife“ produziert, sondern trägt den (grund-)rechtlichen Interessen des betroffenen Beamten Rechnung, der nur dadurch in die Lage versetzt wird, sich erneut für oder gegen die Durchführung der weiter angeordneten Untersuchung zu entscheiden (vgl. insgesamt hierzu VG München, B.v. 11.8.2017 – M 5 E 17.2578 – juris Rn. 40 f.).
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.


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