Medizinrecht

Anrechnung von Bayerischem Betreuungsgeld auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II

Aktenzeichen  L 9 EG 20/18 BG

Datum:
7.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 22484
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BayBtGG Art. 2
BEEG § 10
SGB II § 34c
§§ 11 ff SGB II
SGB X § 104
SGB X § 107

 

Leitsatz

1. Das Bayerische Betreuungsgeld ist anzurechnendes Einkommen im Sinn von §§ 11ff. SGB II.
2. Die Verschiedenbehandlung im Rahmen von § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG von Elterngeld und dem Elterngeld vergleichbaren Leistungen der Länder auf der einen Seite sowie von Betreuungsgeld und dem Betreuungsgeld vergleichbaren Leistungen der Länder auf der anderen Seite verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
3. Der Umstand, dass im Einzelfall kein Kita-Platz zur Verfügung steht, zieht nicht nach sich, dass das Bayerische Betreuungsgeld zwangsläufig anrechnungsfrei bleiben muss.
1.  Das bayerische Betreuungsgeld ist anzurechnendes Einkommen gem. §§ 11 ff. SGB II. (redaktioneller Leitsatz)
2.  Der Nachrang iSd § 104 SGB X setzt zum einen voraus, dass das Verhältnis der involvierten Sozialleistungen zueinander generell so gestaltet ist, dass die eine der anderen Leistung weicht. Zum anderen müssen die involvierten Sozialleistungen spezifisch zeitlich zusammenfallen. (redaktioneller Leitsatz)
3.  Das bayerische Betreuungsgeld dient nicht der Kompensation für einen entgegen dem SGB VIII nicht zur Verfügung stehenden Kinderbetreuungsplatz. Aufwendungsersatz hierfür kann (nur) im System des SGB VIII entsprechend § 36 a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII erlangt werden. (Redaktionelle Leitsätze) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 46 EG 25/17 BG 2018-05-04 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung erscheint nicht erforderlich. Zudem hat das Sozialgericht durch Urteil entschieden; es liegt also kein Fall des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG vor (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 SGG).
Ebenso wie das Sozialgericht stuft der Senat die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ein. Denn der Beklagte hat den Einbehalt der von der Erstattung betroffenen Beträge mit Schreiben vom 21.12.2016 durch Verwaltungsakt geregelt; dabei handelte es sich nicht um eine bloße Information. Zwar vertritt der Senat die Ansicht, dass der Beklagte nicht zwingend hätte per Verwaltungsakt entscheiden müssen (anders zum Beispiel im Steuerrecht, wo § 218 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung für Streitigkeiten in der Phase der Steuererhebung den Erlass eines Abrechnungsbescheids vorschreibt). Denn er hat lediglich gewissermaßen die Einwendung der Erfüllung erhoben. Diese verkörpert nicht einmal wie die Aufrechnung (vgl. dazu Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.08.2011 – GS 2/10) eine rechtsgestaltende Erklärung. Nicht sämtliche rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die im Kontext eines durch einen Bewilligungsbescheid begründeten Schuldverhältnisses abgegeben werden, müssen zwangsläufig als Verwaltungsakte eingestuft werden. So entspricht es der herrschenden Meinung, dass bloße Fälligkeitsmitteilungen oder sogar die Ausübung eines öffentlich-rechtlichen Zurückbehaltungsrechts grundsätzlich keine Verwaltungsakte sind (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 20. Auflage 2019, § 35 Rn. 107). Allerdings hat der Beklagte – was ihm unbenommen war – gleichwohl per Verwaltungsakt über die partielle Nichtauszahlung der Leistungen entschieden. Das Schreiben vom 21.12.2016 weist zwar keine typischen Merkmale eines Bescheids auf; insbesondere fehlen Bezeichnung als Bescheid sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung:. Allerdings offenbarte der Beklagte noch innerhalb der Rechtsbehelfsfrist aus der Sicht des objektiven Erklärungsempfängers eindeutig seine Intention: Im Schreiben vom 10.01.2017 brachte er klar zum Ausdruck, dass er auch gegen die Vorenthaltung der Auszahlung den Widerspruch als statthaften Rechtsbehelf ansah, was zwingend einen Verwaltungsakt voraussetzt.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin nicht, wie diese meint, für den 16. bis 24. Lebensmonat von M. zu wenig an Bayerischem Betreuungsgeld ausgezahlt. Die vom Beklagten vorenthaltenen Zahlungen stehen der Klägerin in der Tat nicht zu, weil insoweit bereits durch die vorangegangenen Leistungen des Beigeladenen Erfüllung eingetreten ist.
Das Erfüllungsverlangen der Klägerin basiert auf der bestandskräftigen Leistungsbewilligung des Beklagten mittels Bescheid vom 16.12.2016. Diese bildet die rechtliche Grundlage dafür, dass die zugesprochenen Leistungen auch an die Klägerin ausgezahlt werden. Von daher erübrigt sich insbesondere die Prüfung, ob bei der Klägerin überhaupt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Bayerischem Betreuungsgeld vorlagen. Denn der Anspruch ist dem Grunde, der Dauer und der Höhe nach durch den Bescheid vom 16.12.2016 rechtsverbindlich festgestellt.
Allerdings steht der vollständigen Auszahlung der bewilligten Leistungen entgegen, dass, soweit die Klägerin Nachzahlung begehrt, die Erfüllung des Leistungsanspruchs eingetreten ist. Folglich ist in diesem Umfang der durch den Bewilligungsbescheid festgestellte Rechtsanspruch quasi zeitgleich mit seiner Feststellung erloschen (vgl. § 362 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs analog).
Die Erfüllung resultiert aus § 107 Abs. 1 SGB X. Diese Vorschrift lautet:
Soweit ein Erstattungsanspruch besteht, gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt.
Die in § 107 Abs. 1 SGB X normierte Erfüllungsfiktion ist im Hinblick auf die der Klägerin vorenthaltenen Betreuungsgeldleistungen eingetreten, weil insoweit ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegen den Beklagten gemäß § 104 SGB X bestanden hat.
Mit den §§ 102 ff. SGB X hat der Gesetzgeber ein besonderes Regelwerk für den häufigen Fall geschaffen, dass ein nach dem materiellen Recht eigentlich nachrangiger Träger Leistungen erbringt, weil der nach dem materiellen Recht vorrangige Träger seinerseits nicht rechtzeitig leistet. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, in solchen Fällen dem Nachrang grundsätzlich dadurch Geltung zu verschaffen, dass der vorrangige Träger dem nachrangigen die Leistungen erstattet. Der nachrangige Träger soll nach diesem Prinzip nicht darauf angewiesen sein, seine Leistungen vom Bürger zurückzuverlangen. Vielmehr soll er sich am eigentlich zuständigen Träger schadlos halten können. Der Bürger wiederum darf die Leistung des nachrangigen Trägers behalten. Auf diese Weise sieht sich der nachrangige Träger einem potenten Schuldner gegenüber, während der Bürger den Vorteil hat, so wenig wie möglich mit behördlichen Rückforderungsverfahren überzogen zu werden.
Allerdings muss das Gesetz Vorkehrungen treffen, damit der Bürger nicht doppelte Leistungen beziehen kann, weil er auch den Anspruch gegen den vorrangigen Träger behält. An dieser Stelle tritt § 107 Abs. 1 SGB X auf den Plan. Diese Norm bewirkt mittels der Erfüllungsfiktion, dass dann, wenn ein nachrangiger Leistungsträger von einem vorrangig zuständigen Träger Erstattung verlangen kann, der vorrangige nicht auch noch zusätzlich an den betroffenen Bürger leisten muss.
Die Erstattungsansprüche, die im Stande sind, die Erfüllungsfiktion auszulösen, sind in §§ 102 bis 105 SGB X statuiert. Im vorliegenden Fall ist, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, § 104 SGB X einschlägig. Diese Norm lautet auszugsweise:
(1) 1Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. 2Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. 3Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. …
(2) …
(3) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
(4) … Mit den vom Beklagten einbehaltenen Leistungen korreliert dem Grunde und der Höhe nach ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X. Denn dessen Voraussetzungen sind hinsichtlich der hier streitigen Leistungen erfüllt.
Wesentliche Voraussetzung ist, dass bei vergleichender Betrachtung sich die Leistungen des Beigeladenen als nachrangig und die des Beklagten als vorrangig darstellen. Das ist hier gegeben. Wie § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X zeigt, wird das Vorrang/Nachrang-Verhältnis nicht abstrakt nach einem bestimmten Behördenstatus, sondern anhand der konkreten fraglichen Leistungen beurteilt. Denn nach dem Gesetz ist ein Leistungsträger nachrangig verpflichtet, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Das impliziert eine Prüfung unter zwei Facetten: Zum einen muss das Verhältnis der involvierten Sozialleistungen zueinander generell so gestaltet sein, dass die eine der anderen weicht (vgl. dazu unten a). Zum andern müssen die involvierten Sozialleistungen spezifisch zeitlich zusammenfallen (zeitliche Kongruenz, vgl. dazu unten b). Das Erfordernis der zeitlichen Kongruenz kommt in § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X dadurch zum Ausdruck, dass für jede einzelne konkrete Gewährung der nachrangigen Leistung geprüft werden muss, ob und inwieweit diese bei rechtzeitiger Erbringung der zeitlich korrespondierenden vorrangigen Leistung entfallen wäre. Der Leistungsanteil, der entfallen wäre, konstituiert den Erstattungsanspruch des nachrangigen Trägers.
a) Das Rangverhältnis zwischen Bayerischem Betreuungsgeld und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts weist das Bayerische Betreuungsgeld als abstrakt vorrangig aus. Dies beruht auf dem Umstand, dass das Bayerische Betreuungsgeld nach dem Reglement des SGB II (§§ 11ff.) ohne Besonderheiten als Einkommen auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts anzurechnen ist; zudem nimmt § 10 BEEG es nicht von der Berücksichtigung als Einkommen aus. Diesbezüglich schließt sich der Senat voll und ganz der Begründung des Sozialgerichts an. Dieses hat das Problem – auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht – erschöpfend, zutreffend und verständlich erläutert. Der Senat macht sich die entsprechenden Ausführungen des Sozialgerichts (Seite 6 und 7 des angefochtenen Urteils) zu eigen und sieht insoweit von einer eigenen Begründung ab. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die unterschiedliche Behandlung des Elterngelds und der dem Elterngeld vergleichbaren Leistungen der Länder auf der einen Seite sowie dem Betreuungsgeld und den dem Betreuungsgeld vergleichbaren Leistungen der Länder auf der anderen Seite im Rahmen von § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt. Denn das Betreuungsgeld und die dem Betreuungsgeld vergleichbaren Leistungen der Länder setzen bei typisierender Betrachtung viel später ein als das Elterngeld. Allein schon diese größere „Geburtsferne“ rechtfertigt es, dass Betreuungsgeld und die dem Betreuungsgeld vergleichbaren Leistungen der Länder im Rahmen einer Regelung wie § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG, die eine Vorzugsbehandlung an das Erwerbseinkommen vor der Geburt knüpft, nicht in gleicher Weise wie das Elterngeld privilegiert werden.
Die rechtlichen Folgerungen, welche die Klägerin aus dem angeblich nicht vorhandenen Platz in einer Kita zieht, teilt der Senat nicht. Deren aktueller Vortrag im Berufungsverfahren verfehlt das Problem komplett. Denn dass im Juni 2018 für den in dieser Phase deutlich über drei Jahre alten M. anscheinend noch kein Platz in einem Kindergarten gefunden war, hat mit der Frage, ob Betreuungsgeld für das Jahr 2016 vollständig an die Klägerin auszuzahlen ist, offenkundig nichts zu tun. Aber auch soweit die Klägerin auf die Betreuungssituation ihres Kindes im Jahr 2016 abstellen möchte, ergibt sich daraus keinesfalls die von ihr proklamierte Rechtsfolge. Anders als sie offenbar meint, darf das Bayerische Betreuungsgeld nicht unmittelbar als Gegenwert für einen Kitaplatz oder als dessen Substitut beziehungsweise Kompensation angesehen werden. So wäre der Gedanke verfehlt, weil das Innehaben eines Kita-Platzes nicht als Einkommens- oder Vermögenswert im Sinn des SGB II gelte, müsse dies auch beim Bayerischen Betreuungsgeld so sein. Das Bayerische Betreuungsgeld verkörpert überdies keine „Strafzahlung“ des Freistaats Bayern für eventuell nicht vorhandene Kita-Plätze. Vielmehr soll es bis zu einem gewissen Grad Erwerbseinkommen ersetzen, welches die betroffene erziehende Person erzielen könnte, würde das Kind in einer Kindertageseinrichtung untergebracht. So gesehen mutet es plausibel an, dass das Bayerische Betreuungsgeld im Rahmen des Rechts der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in vergleichbarer Weise wie Erwerbseinkommen behandelt wird.
So wie der Senat die Klägerin versteht, sieht diese ein gravierendes Gleichheitsproblem, wenn manche Eltern für ihr Kind einen Kitaplatz finden, andere dagegen nicht. Damit mag die Klägerin durchaus Recht haben. Falsch ist allerdings die Folgerung, um dieses Gleichheitsproblem zu beheben, müsse das Bayerische Betreuungsgeld im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unbedingt anrechnungsfrei bleiben. Was die Klägerin als zwingende Logik versteht, ist im rechtlichen Sinn keineswegs alternativlos. So bestehen im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Achtes Buch (SGB VIII) effiziente Instrumente, um das Recht auf einen Kitaplatz zu realisieren. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 22.07.2016 – 12 BV 15.719 entschieden, sei der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht imstande, entsprechend dem jeweiligen Elternwillen einen Betreuungsplatz in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege zur Verfügung zu stellen, so habe er Aufwendungsersatz analog § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu leisten. Zu erstatten seien in der Regel diejenigen Aufwendungen, die der Selbstbeschaffer unter Berücksichtigung der Verpflichtung zu wirtschaftlichem Handeln nach Lage der Dinge für erforderlich habe halten dürfen. Bei einem „Systemversagen“ steht also nicht das Bayerische Betreuungsgeld als „Schadenersatz“ zur Verfügung, sondern die effektive primäre Abhilfemöglichkeit besteht in einer Selbstbeschaffung samt Kostenerstattung.
b) Der Senat stellt im Hinblick sämtlicher Leistungen, die der Klägerin vorenthalten worden sind und die sie nachgezahlt haben möchte, auch ein spezifisches zeitliches Zusammenfallen (Kongruenz) von nachrangiger und vorrangiger Leistung fest. In diesem Zusammenhang muss konkret und für den gesamten betroffenen Zeitraum geprüft werden, inwieweit Leistungen des Beigeladenen sich bei rechtzeitiger Leistung des Beklagten im Sinn von § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X erübrigt hätten. Diese Prüfung ergibt, dass sämtliche vom Beklagten einbehaltenen Beträge genau den Anteil verkörpern, den der Beigeladene bei rechtzeitiger Leistung des Beklagten nicht hätte auskehren müssen. Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit das Betreuungsgeld als Einkommen entweder bei der Klägerin oder bei M. einzusetzen ist. Denn § 34c SGB II (beziehungsweise dessen Vorgängerregelung) bewirkt, dass auch die Leistungen des Beigeladenen an M. als nachrangige Leistungen im Sinn von § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X gelten; dass M. nicht Anspruchsberechtigter der korrespondierenden Leistung Betreuungsgeld ist, spielt angesichts dessen keine Rolle.
Bei der konkreten Betrachtung, wie sich der unterstellte Zufluss des Betreuungsgeldes auf die Höhe der zeitentsprechenden nachrangigen Leistung in jedem einzelnen Alg II-Leistungszeitraum ausgewirkt hätte, nimmt der Senat ebenso wie das Sozialgericht den fiktiven Auszahlungszeitpunkt des Betreuungsgeldes bereits zu Beginn des Lebensmonats an. Da es nicht zu einer regelmäßigen monatlichen Auszahlung kam, muss, wie das Sozialgericht zutreffend bemerkt hat, auf einen normativen Zuflusszeitpunkt abgestellt werden. Zwar regelt Art. 2 Abs. 2 des Bayerischen Betreuungsgeldgesetzes lediglich, dass das Betreuungsgeld im Lauf des Monats gezahlt wird, für den es bestimmt ist. Dennoch erscheint es angebracht, für die hier anzustellende Berechnung den fiktiven Zuflusszeitpunkt auf den Beginn des jeweiligen Lebensmonats zu legen. Das gilt umso mehr, als nach den Auskünften des Beklagten sichergestellt ist, dass das Betreuungsgeld innerhalb der ersten fünf Arbeitstage des jeweiligen Lebensmonats beim Empfänger eingeht. Somit ist der Zufluss des Betreuungsgeldes für den 16. Lebensmonat noch im April 2016 anzunehmen, der für den 17. Lebensmonat noch im Mai 2016, der für den 18. Lebensmonat noch im Juni 2016 usw. bis zum Betreuungsgeld für den 24. Lebensmonat, dessen Zufluss im Dezember 2016 anzunehmen ist.
Auf dieser Basis hat der Beklagte die Erstattungsbeträge, die der Klägerin vorenthalten wurden, im Schreiben vom 21.12.2016 korrekt beziffert: Für die Monate April bis einschließlich Oktober 2016 hätte der Beigeladene nach den Vorschriften des SGB II zur Einkommensanrechnung an die Klägerin und M. insgesamt jeweils 120 EUR weniger leisten müssen, hätte der Beklagte das Betreuungsgeld zeitnah geleistet, für die Monate November und Dezember 2016 dagegen jeweils 150 EUR. Die heterogene Höhe der Abführung ist dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin bis einschließlich Oktober 2016 kein weiteres auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts anzurechnendes Einkommen hatte – und daher das Betreuungsgeld allmonatlich um eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR bereinigt werden musste -, ab November 2016 aber schon. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung verweist der Senat wiederum auf die überzeugende Begründung des Sozialgerichts.
Neben dem somit gegebenen konkreten Vorrang/Nachrang-Verhältnis ist weitere Voraussetzung, dass der vorrangige Träger nicht selbst gutgläubig an den Leistungsempfänger Zahlungen erbracht hat, die an sich vom Erstattungsanspruch erfasst wären (vgl. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X a.E.). Der Beklagte hat im vorliegenden Fall keine entsprechenden Zahlungen geleistet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


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