Medizinrecht

Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe

Aktenzeichen  M 17 K 19.5409

Datum:
11.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54647
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96 Abs. 5 S. 1
BayBhV § 7 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 Nr. 1, § 21 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1 S. 2, § 291 S. 1
VwGO § 113 Abs. 1, Abs. 5

 

Leitsatz

1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, Urt. v. 02.04.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden sind regelmäßig nicht medizinisch notwendig i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayBhV (BayVGH, Urt. v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – BeckRS 2010, 36908, beck-online, Rn. 54, mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 29.06.1995 – 2 C 15/94 – NJW 1996, 801). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Beihilfefähigkeit einer nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Therapie kann ausnahmsweise anerkannt werden, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, im Einzelfall das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist (BayVGH, Urt. v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 -). (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 19. Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2019 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 11,12 € sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30. Oktober 2019 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 7/8 und die Beklagte 1/8 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, über die nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.
Die zulässige Klage ist begründet, soweit der Kläger die Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von 11,12 € begehrt. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von 11,12 € (§ 113 Abs. 5 VwGO); der Bescheid vom 19. Juni 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 27. September 2019 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Darüber hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe, die streitgegenständlichen Bescheide sind insoweit rechtmäßig; § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO), so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Die Beihilfefähigkeit der streitgegenständlichen Aufwendungen bestimmt sich daher nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Mai 2018 (GVBl S. 286), und der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Oktober 2018 (GVBl S. 794).
2. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind unter anderem Aufwendungen für die Anschaffung der in der Anlage 4 zur BayBhV genannten Hilfsmittel beihilfefähig, wenn sie ärztlich in Schriftform verordnet sind; dies gilt nicht für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.
In Anlage 4 zur BayBhV ist ein „Fersenschutz (Kissen, Polster, Schale, Schoner)“ als beihilfefähiges ärztlich verordnetes Hilfsmittel ausdrücklich aufgeführt, sodass Aufwendungen für Fersenkissen auch grundsätzlich beihilfefähig sind. Eine ärztliche Verordnung lag vor.
§ 21 Abs. 1 BayBhV i.V.m. der Anlage 4 zu § 21 Abs. 1 BayBhV enthält keine Begrenzung der Beihilfefähigkeit des Hilfsmittels „Fersenschutz (Kissen, Polster, Schale, Schoner)“ auf bestimmte Indikationen. Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie) kann zwar auch im Beihilferecht im Rahmen der Auslegung herangezogen werden. Vorliegend ist jedoch für eine Auslegung kein Raum, da das Hilfsmittel „Fersenschutz (Kissen, Polster, Schale, Schoner)“ in Anlage 4 zu § 21 BayBhV ohne Einschränkungen aufgeführt ist. Die Aufwendungen für das ärztlich verordnete Fersenkissen in Höhe von 22,24 € sind daher als beihilfefähig anzuerkennen, sodass dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 11,12 € (50 v.H. von 22,24 €) zusteht.
3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 74,40 € (50 v.H. von 148,80 €) für die nur zum Teil als beihilfefähig anerkannten Honorarforderungen des Haut- und Laserzentrums …, Dr. H. und M. K.. …
Nach Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig (Nr. 1), der Höhe nach angemessen sind (Nr. 2) und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Nr. 3). Nicht medizinisch notwendig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV sind regelmäßig wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden (BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – BeckRS 2010, 36908, beck-online, Rn. 54, mit Verweis auf BVerwG, U.v. 29.6.1995 – 2 C 15/94 – NJW 1996, 801). Nach § 7 Abs. 5 Nr. 1 BayBhV sind Aufwendungen für Untersuchungen oder Behandlungen nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methoden einschließlich der hierbei verordneten Arznei- und Verbandmittel und Medizinprodukte, die in Anlage 2 Nr. 1 zur BayBhV aufgeführt sind, nicht beihilfefähig. Zu den nach Anlage 2 Nr. 1 zu § 7 Abs. 5 Nr. 1 BayBhV von der Beihilfefähigkeit vollständig ausgeschlossenen Behandlungsmethoden gehört auch die Laser-Behandlung im Bereich der physikalischen Therapie.
3.1 Bei der durchgeführten Laserbehandlung der Onychomykose handelt es sich um eine nach der Anlage 2 Nr. 1 zu § 7 Abs. 5 Nr. 1 BayBhV von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossene Laser-Behandlung im Bereich der physikalischen Therapie.
Nach der Stellungnahme der behandelnden Ärzte vom 21. November 2019 sei beim Kläger eine Hochdosis-Lasertherapie der Nagelpilzerkrankung durchgeführt worden, bei der es zur Durchbrechung der Zellwände der Pilzhypen und damit zu deren Zelltod komme. Um den Nagel zu durchdringen, sei eine hohe Dosis und Intensität (10-20W) benötigt worden.
Der Begriff „Physikalische Therapie“ umfasst Therapieverfahren, die auf physikalischen Methoden (z.B. Wärme, Kälte, Licht oder elektrische Reize) beruhen; die Einwirkung von Lichtenergie und Hitze im Rahmen der Laser-Behandlung stellt eine physikalische Methode dar. Nach der Art der durchgeführten Laserbehandlung und des konkreten Einsatzes des Lasers wurde der Laser nicht skalpellersatzartig eingesetzt, was gegen eine Einordnung als chirurgische Leistung spricht. Vielmehr wurde durch den Laser mit Hitze auf den befallenen Nagel eingewirkt, mithin also physikalisch thermisch ein Reiz gesetzt, um unter Ausnutzung physikalischer Methoden und Wirkungsmechanismen den Pilzbefall abzutöten.
Entgegen der Auffassung der Klagepartei fallen nicht nur Laserbehandlungen unter den Ausschlusstatbestand, die primär darauf abzielen, die Zelltätigkeit und die Selbstheilung anzuregen, sondern auch solche Laserbehandlungen, die – wie vorliegend – ein physikalisches Wirkprinzip zum Inhalt haben. Der Ausschlusstatbestand erfasst auch nicht nur die Behandlung durch eine „Lowlevel Lasertherapie“. Bei dem ausweislich der Stellungnahme der behandelnden Ärzte eingesetzten Laser der Klasse 3 (Neo Dym-YAG-Laser oder Dioden-Laser) handelt es sich nicht um einen chirurgischen Hardlaser.
3.2 Dass es sich bei der Laser-Behandlung im Bereich der physikalischen Therapie und somit auch bei der hier streitgegenständlichen Behandlung um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Methode handelt, ergibt sich bereits direkt aus dem Gesetz (vgl. § 7 Abs. 5 Nr. 1 BayBhV, welcher nach dem Wortlaut indiziert, dass die in Anlage 2 genannten Methoden nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt sind). Aus diesem Grund ist – auch nach der Rechtsprechung des BayVGH (B.v. 11.9.2008 – 14 ZB 07.1620 – BeckRS 2008, 28364, beck-online, Rn. 7) – die Notwendigkeit der in einem Ausschlusskatalog aufgeführten Methoden regelmäßig nicht zu prüfen.
Anhaltspunkte, dass die gesetzgeberische Einordnung der Methode als nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt falsch wäre, sind nicht ersichtlich.
Wissenschaftlich anerkannt i. S. der Beihilferegelungen ist eine Behandlungsmethode dann, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit – sei es als alleiniges Heilmittel oder als zusätzliche Therapie – als wirksam und geeignet erachtet wird (BVerwG, B.v. 15.03.1984 – 2 C 2/83 – NJW 1985, 1413). Die Gängigkeit bzw. Etabliertheit einer Behandlungsmethode für sich genommen ist nach dieser Definition für die wissenschaftliche Anerkennung einer Methode gerade nicht ausreichend.
Eine prospektive Untersuchung von Patienten mit Onychomykose nach Behandlung mit einem Diodenlaser der Technischen Universität München vom 30. November 2018 (abrufbar unter https://mediatum.ub.tum.de/1370177) kommt zu dem Ergebnis, dass bei Beurteilung sechs Monate nach Beginn der Therapie keine signifikante Verbesserung des Nagelbefundes erzielt werden konnte. Auch weitere Studien (abrufbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s12634-017-5490-3) konnten keine effiziente Therapie der Onychomykose durch eine Laserbehandlung belegen; langfristig konnten keine positiven Effekte gezeitigt werden. Schließlich spricht auch der Umstand, dass für die Laserbehandlung der Onychomykose trotz ihrer bereits langjährigen Praktizierung keine Abrechnungsziffern nach der GOÄ geschaffen wurde, sondern die Abrechnung – wie auch in der streitgegenständlichen Rechnung – über Analogziffern erfolgt, gegen die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der Methode.
3.3. Der Umstand, dass die streitgegenständliche Laserbehandlung vom behandelnden Arzt nach GOÄ-Nr. 2886 analog abrechnungsfähig ist, hat nicht zur Folge, dass die Aufwendungen auch beihilfefähig sind. Denn die Aufwendungen für Laser-Behandlungen im Bereich der physikalischen Therapie nach § 7 Abs. 5 Nr. 1 BayBhV i.V.m. Anlage 2 Nr. 1 zur BayBhV sind ausdrücklich von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen.
3.4 Die begehrte Beihilfe kann auch nicht unter unmittelbarem Rückgriff auf die zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) zählende Fürsorgepflicht des Dienstherrn gewährt werden, deren Erfüllung der Beamte bean-spruchen kann.
Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für – wie hier – wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden ist grundsätzlich – von Sonderfällen abgesehen – nicht fürsorgepflichtwidrig. Hinsichtlich der Beihilferegelungen im Einzelnen steht dem Normgeber bzw. dem Dienstherrn ein Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen er die Voraussetzungen, den Umfang sowie die Art und Weise dieser speziellen Fürsorge bestimmen kann. Von Verfassungs wegen fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen. Insbesondere ist die Fürsorgepflicht nicht dadurch verletzt, dass der Normgeber nur die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang als beihilfefähig anerkennt. Zwar wird bei der Prüfung der Notwendigkeit regelmäßig der Beurteilung des Arztes zu folgen sein. Eine Ausnahme gilt jedoch für wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethoden. Denn die Gewährung von Beihilfen, die aus allgemeinen Steuergeldern finanziert werden, gründet auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig, effektiv und sicher ist und daher hinreichende Gewähr für einen raschen Behandlungserfolg bietet. Aus der Sicht des Dienstherrn ist es deshalb nicht ohne Belang, ob die von ihm (mit) finanzierte Behandlung Erfolg verspricht oder nicht. Dass das öffentliche Interesse an einer effektiven und sparsamen Verwendung von Steuergeldern eine Begrenzung der Beihilfe auf erfolgversprechende Heilbehandlungen zulässt, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt. Diesen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz gestalten die Normen, die Aufwendungen für eine nicht wissenschaftlich anerkannte Heilbehandlung von der Beihilfefähigkeit ausschließen (hier: § 7 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 BayBhV) normativ aus und präzisieren den Begriff notwendiger Aufwendungen (hier nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV), vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995 (2 C 15.94 -, juris, Rn. 18 f.)
Allerdings kann das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot, zu notwendigen Aufwendungen eine Beihilfe zu leisten, den Dienstherrn in Ausnahmefällen auch dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungssätzen zu erstatten.
Voraussetzung für die ausnahmsweise Anerkennung der Beihilfefähigkeit einer nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Therapie ist, dass sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, dass im Einzelfall (z.B. wegen einer Gegenindikation) das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder dass ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist (BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris). Weiter wäre notwendig, dass die wissenschaftlich allgemein noch nicht anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann (VG Würzburg, U.v. 26.2.2019, W 1 K 18.772). Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982. – juris; BVerwG, U.v. 18.06.1998 – 2 C 24/97 – NJW 1998, 3436 Lts.; VG München, U.v. 13.10.2016 – M 17 K 15.2600 – juris).
Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt. Weder ist ersichtlich, dass sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode noch nicht herausgebildet hat, noch, dass es keinerlei andere schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten für die Behandlung der Onychomykose des Klägers gegeben hätte. Der behandelnde Arzt führte im Schreiben vom 3. Juli 2019 zwar aus, dass eine Behandlung mit Lokaltherapien und Systemtherapien manchmal nicht möglich, kontraindiziert oder im individuellen Fall ungeeignet sei. Eine substantiierte Darlegung, dass sämtliche schulmedizinische Behandlungsmethoden beim Kläger nicht möglich, kontraindiziert oder ungeeignet seien, enthält die Stellungnahme des Arztes jedoch nicht.
Die Fürsorgepflicht verlangt im Übrigen nicht, dass Aufwendungen in Krankheits- bzw. Pflegefällen durch ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 2 C 127/07 – juris Rn. 8,12; U.v. 10.6.1999 – 2 C 29/98 – juris Rn. 22f.). Der Beamte muss wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz orientierten pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2007 – 14 ZB 06.2911 – juris Rn. 13 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch den Umstand, dass er die Aufwendungen für die streitgegenständlichen Behandlungen selbst tragen muss, derart unzumutbar belastet wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Der Kläger hat zudem für den Teilbetrag in Höhe von 11,12 € Anspruch auf Prozesszinsen aus § 291 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.
Nach § 291 Satz 1 BGB hat der Schuldner eine Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im öffentlichen Recht analog anzuwenden, wenn das einschlägige Fachgesetz keine abweichende, die Anwendung der Norm ausschließende Regelung trifft (vgl. dazu nur BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 9 C 1.16 – NVwZ 2017, 1142 Rn. 9). Insbesondere ist § 291 Satz 1 BGB auch im Rahmen einer Verpflichtungsklage anwendbar, wenn sich die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines die Zahlung unmittelbar auslösenden Verwaltungsakts richtet und der Prozess mit dem Zuspruch einer eindeutig bestimmten Geldforderung endet (BVerwG, U.v. 9.11.1976 – III C 5675 – BeckRS 1976, 30426045 sowie U.v. 28.6.1995 – 11 C 22/94 – NJW 1995, 3135).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil die Beklagte unmittelbar zum Erlass eines konkret bezifferten Leistungsbescheides in Höhe von 11,12 € verpflichtet wurde und kein weiterer „Regelspielraum“ der Behörde i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO verbleibt (BVerwG, U.v. 28.6.1995 – 11 C 22/94 – NJW 1995, 3135).
Der Zinssatz für Prozesszinsen beträgt in analoger Anwendung des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 3 C 23.03 – NVwZ 2004, 991/995).
Die Prozesszinsen stehen dem Kläger nach § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgenden Tag, mithin ab dem 30. Oktober 2019 zu (VG Stuttgart, U.v. 22.10.2019 – 18 K 18726/17 – BeckRS 2019, 37859 Rn. 30 mit Hinweis auf BGH, U.v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518/519), weil im Verwaltungsprozess die Rechtshängigkeit bereits mit Eingang der Klage bei Gericht eintritt, § 90 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts endet die Verzinsungspflicht mit dem rechtskräftigen Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Hauptforderung und nicht erst mit einer Auszahlung des geforderten Geldbetrages (BVerwG, U.v. 21.4.1971 – V C 45.69 – BVerwGE 38, 49 – BeckRS 1971, 30434488; VG Stuttgart, U.v. 22.10.2019 – 18 K 18726/17 – BeckRS 2019, 37859 Rn. 32).
5. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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