Medizinrecht

AU-Bescheinigung, Krankengeld, Ruhen

Aktenzeichen  L 5 KR 136/21

Datum:
14.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54467
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Die Rechtsansicht, die gesetzliche Rechtsfolge des Ruhens trete dann nicht ein, wenn diese nicht bekannt war bzw. wenn die Hinweise der Krankenkasse vermeintlich verwirrend waren, findet keine Stütze im Gesetz.

Verfahrensgang

S 14 KR 1197/20 2021-03-11 GeB SGREGENSBURG SG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 11.03.2021 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 144, 151 SGG) ist nicht begründet.
Der Senat konnte ohne mündlichen Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben (Schreiben der Klägerin vom 26.05.2021, Schreiben der Beklagten vom 27.07.2021).
Der Gerichtsbescheid des SG verneint im Ergebnis zutreffend einen Anspruch auf Krankengeld im streitgegenständlichen Zeitraum des Ruhens vom 22.04.2020 – 10.05.2020. Der Anspruch auf Krankengeld ruht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in diesem Zeitraum, da die Klägerin ihrer Obliegenheit zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse nicht binnen Wochenfrist nachgekommen ist. Die gesetzliche Rechtsfolge des Ruhens des Krankengeldanspruchs bei verspäteter Meldung tritt unabhängig davon ein, ob die Klägerin über die Rechtslage aufgeklärt war oder nicht (dazu 1.). Es besteht auch kein Anspruch auf Auszahlung von Krankengeld auf der Basis eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Kassen sind nicht verpflichtet, die Versicherten auf deren gesetzliche Obliegenheiten hinzuweisen (dazu 2.). Da keine Beratungspflicht besteht, kommt es nicht darauf an, ob die Hinweise der Beklagten ausreichend gewesen sind (dazu 3.).
1. Die Rechtsansicht der Klägerin, die gesetzliche Rechtsfolge des Ruhens trete dann nicht ein, wenn sie diese nicht gekannt habe bzw. wenn die Hinweise der Beklagten vermeintlich verwirrend waren, findet keine Stütze im Gesetz.
Die AU-Meldung bezweckt, der Krankenkasse die Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen. Die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V soll die Krankenkassen zum einen davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen, um Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen können. Überdies sollen die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, die AU zeitnah durch den Medizinischen Dienst überprüfen zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Die Wochenfrist, innerhalb derer die Meldung der AU gegenüber der Krankenkasse erfolgen kann, ist mit Rücksicht darauf eine Ausschlussfrist (BSG, Urt. v. 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R). Die gesetzlich vorgeschriebene AU-Meldung stellte bis 2020 – im hier streitgegenständlichen Zeitraum – allein eine Obliegenheit der Versicherten dar (BSG, Urt. v. 10.5.2012 – B 1 KR 20/11 R). Mögliche Härten für den Versicherten hatte der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Soweit die Meldung in den Verantwortungsbereich der Versicherten fällt, ist die Gewährung von Krankengeld auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung trifft (bspw. BSG, Urt. v. 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R, Rn. 19; BSG, Urt. v. 16.12.2014 – B 1 KR 37/14 R).
2. Die ständige höchsrichterliche Rechtsprechung verneint im Krankengeldrecht eine Pflicht der Krankenkassen, die Versicherten über ihre Obliegenheiten aufzuklären (st. Rspr., vgl. BSG – B 1 KR 17/13 R, B 1 KR 19/14 R, B 1 KR 25/14 R, LSG Hessen – L 1 KR 432/19, im Anschluss B 3 KR 26/20 B). Die Klägerin kann daher keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend machen. Die Praxis einiger Krankenkassen zur Information über die Rechtslage basiert nicht auf einer gesetzlichen Pflicht. Sie erscheint im Hinblick auf die Rechtsfolgen, insbesondere im Rahmen des hier nicht einschlägigen § 192 SGB V zwar sinnvoll, jedoch besteht eine allgemeine Pflicht nach § 13 SGB I nicht. Etwas Anderes ergibt sich auch aus den von der Klägerin vorgetragenen Urteilen (LSG BW, Urt. v. 22.11.2017 – L 5 KR 2067/17; BSG, Urt. v. 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R). Diesen Entscheidungen lag lediglich ein Sachverhalt zugrunde, in welchen die beklagten Krankenkassen unstreitig aufgeklärt hatten.
Eine Situation, bei der die Beklagte eine Pflicht zur Spontanberatung gehabt hätte, ist vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3. Es kann im Ergebnis mangels Beratungspflicht offenbleiben, ob das Informationsschreiben der Beklagten vom 24.4.2020 ausreichend war. Hierzu ist festzustellen, dass die Information über die Obliegenheit (Eingang der AUB bei der Kasse spätestens nach 7 Tagen) korrekt war. Daraus lässt sich eine zusätzliche Belehrung über die gesetzlichen Rechtsfolgen nicht begründen.
Damit blieb die Berufung vollumfänglich ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung basiert auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.


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