Medizinrecht

Befristete Streckensperrung wegen Häufung von Motorradunfällen

Aktenzeichen  B 1 S 18.52

Datum:
9.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13389
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVO § 41, § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, § 46 Abs. 1 S. 2 Nr. 6

 

Leitsatz

1 § 46 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO erlaubt als sog. „Experimentierklausel“ unter anderem Anordnungen zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen. Vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst werden jedoch nur Fälle, in denen nicht die Frage zweifelhaft ist, ob überhaupt eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs vorliegt, sondern solche, in denen zu klären ist, welche konkreten Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahr geeignet und erforderlich sind. Zu einem Gefahrerforschungseingriff ermächtigt § 46 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 StVO daher nicht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird eine Strecke aufgrund der örtlichen Verhältnisse in besonderem Maße von Motorradfahrern frequentiert und kommt es dort zu einer Vielzahl von Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Kraftradfahren, ist eine Sperrung für Motorräder an Wochenenden und Feiertagen zulässig.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Sperrung der B 22 im Bereich des W. Bergs für Motorräder jeweils an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen.
Am 16.08.2017 traf das Landratsamt Bamberg die folgende, hier streitgegenständliche Anordnung:
1. Die B 22 wird im Bereich des W. Bergs jeweils an Samstagen, Sonntagen sowie an Feiertagen für Motorräder gesperrt. Mofas und Kleinkrafträder bleiben von der Sperrung ausgenommen.
2. Diese verkehrsrechtliche Maßnahme stellt einen „Pilotversuch“ dar und wird daher zunächst bis zum 31.12.2018 befristet.
3. Die Verkehrszeichen 255 mit den Zusatzbeschriftungen laut Beschilderungsplan sind bei Abschnitt 940 Station 3,710 und Abschnitt 940 Station 5,960 jeweils doppelseitig aufzustellen.
4. Die Standorte der großflächigen Hinweisbeschilderung und der Umleitungsbeschilderung (Verkehrszeichen 455.1-10/20 und 455.2) ergeben sich aus dem beigefügten Beschilderungsplan, der Bestandteil dieser Anordnung ist.
5. Die B 22 ist Umleitungsstrecke für die BAB A 70. Im Fall einer Ausleitung des Verkehrs von der BAB A 70 auf diesen Streckenbereich der B 22 sind daher die in Ziffer 3 genannten Schilder von der freiwilligen Feuerwehr W. abzudecken.
Zur Begründung dieser Anordnung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der W. Berg habe insbesondere in den letzten 15 Jahren für Motorradfahrer einen ganz besonderen Anreiz, da die kurvenreiche (Renn-)Strecke zum Austesten des fahrerischen Könnens verleite, mit der Folge, dass hier seit Jahren eine Vielzahl von Unfällen mit Toten und Schwerverletzten zu verzeichnen sei. In der Bilanz der Unfallkommission werde die Bergstrecke seit deren Bestehen als „Super-Dauerbrenner“ geführt. Um der Problematik der schweren Unfälle entgegenzuwirken, sei ab dem Jahr 2006 im Hinblick auf eine verkehrssichere bauliche Ausgestaltung des W. Bergs alles Erdenkliche realisiert worden (Aufbringung einer neuen Fahrbahndecke zur Verbesserung der Querneigung und Griffigkeit, Anbringungen von Schutzeinrichtungen mit Unterfahrschutz, Beseitigung von Gefahrenstellen im Seitenraum und Kurvenverbreiterungen, teilweise Zurücknahme des Baumbestandes, die Leitpfosten seien enger gestellt worden, es seien zusätzliche aufgelöste Richtungstafeln aufgestellt und eine durchgehende Mittellinie markiert worden). Im Jahr 2008 habe das Landratsamt mit Zustimmung der Regierung in den Kurvenbereichen zudem eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h angeordnet sowie ein Überholverbot für die gesamte Bergstrecke und an verschiedenen Stellen auch Halteverbote verfügt. Diese Maßnahmen hätten in den Jahren 2008 bis 2010 zunächst auch Wirkung gezeigt. Ab dem Jahr 2011 sei allerdings wieder ein Anstieg der Unfallzahlen zu verzeichnen gewesen, mit einer Spitze in den Jahren 2013 und 2014. Ende 2014 seien daraufhin weitere bauliche Maßnahmen beschlossen worden, um die Strecke für „Rennbiker“ unattraktiv zu machen. So seien die Aufenthaltsplätze/Kamera-standorte für die Zuschauer von waghalsigen Fahrmanövern insbesondere im Bereich der sogenannten „Applauskurve“ beseitigt und der Parkplatz oberhalb des W. Bergs aufgelassen worden. Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 30.03.2016 habe das Landratsamt eine Geschwindigkeitsbeschränkung für die gesamte Bergstrecke auf 50 km/h, die Markierung einer Doppelsperrlinie in der Straßenmitte und die Aufstellung von Trägertafeln mit dem Hinweis „Motorradunfallstrecke W. Berg“ verfügt. Darüber hinaus seien weitere Maßnahmen der Unfallkommission diskutiert worden, wie das Aufstellen von sogenannten „Bischofsmützen“ und das Einlegen von Reflektoren im Bereich der doppelten Mittellinienmarkierung sowie das Aufbringen von Rüttelstreifen. Man sei hierbei aber – insbesondere wegen der negativen Erfahrungen bei vergleichbaren Motorradstrecken – zu dem Ergebnis gelangt, dass sich derartige Einbauten bei Fahrfehlern eher nachteilig auswirkten und daher nicht zur Ausführung gelangen sollten. Auch der Errichtung von stationären Geschwindigkeitsmessanlagen sei nicht näher getreten worden, da dies nicht als zielführend erachtet worden sei. Aufgrund der nach wie vor gegebenen Gefahrensituation sei festzustellen, dass sich alle bisher durchgeführten baulichen und verkehrsrechtlichen Maßnahmen nicht als ausreichend erwiesen bzw. allenfalls zu einem kurzfristigen Erfolg geführt hätten. Auch die in den letzten Jahren ohnehin schon verstärke Überwachung durch die Polizei verhindere nicht, dass außerhalb der Überwachungszeiten erneut gerast werde.
Die Zahlen belegten, dass an Wochenenden und an Feiertagen der Anteil des Kradverkehrs am Gesamt-Kfz-Verkehr überdurchschnittlich hoch sei, auch im Vergleich zu anderen Landstraßen im Landkreis Bamberg. Die Anzahl an Verkehrsunfällen am W. Berg, die in erster Linie von Motorradfahrern verursacht worden seien (überhöhte Geschwindigkeit, unzulässiges Überholen, unangemessenes Kurvenverhalten), sei seit dem Jahr 2013 wieder angestiegen. Erst vor kurzem (27./28.05.2017) hätten sich auf der Bergstrecke wiederum mehrere schwere Unfälle, verursacht durch Motorradfahrer, ereignet. Durch das teilweise unangepasste Fahrverhalten der Motorradfahrer in diesem Teilbereich der B 22 bestehe daher eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs. Nach Auffassung der Unfallkommission sei es nunmehr zwingend geboten, die Strecke vorerst probeweise auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 der Straßenverkehrsordnung (StVO) an den Wochenenden und Feiertagen für Motorräder zu sperren. Da gerade an diesen Tagen der W. Berg in hohem Maße mit Motorrädern befahren werde und sich die meisten Unfälle auch an diesen Tagen ereignet hätten, erscheine eine Beschränkung der probeweisen Sperrung auf diese Tage als ausreichend. In der zunächst festgelegten „Probezeit“ bis zum 31.12.2018 solle festgestellt werden, ob sich eine Streckensperrung lediglich am Wochenende und an Feiertagen als geeignete und ausreichende Maßnahme erweise, die Unfallsituation am W. Berg spürbar zu entschärfen. Mildere Mittel, die erfolgversprechend erschienen, seien bei dieser kurvenreichen Strecke nicht erkennbar bzw. bereits ausgeschöpft. Die zeitliche Beschränkung der Sperrung des W. Bergs, die zur Eindämmung der derzeit für alle Verkehrsteilnehmer bestehenden besonderen Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko der Beeinträchtigung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs erheblich übersteige, vorgesehen sei, entspreche somit der Regelung in § 45 Abs. 9 StVO.
Die zunächst als „Pilotversuch“ vorgesehene zeitlich beschränkte Sperrung dieses Teilbereichs der B 22 für Motorräder sei bei der Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles verhältnismäßig, da sie geeignet sei, die Unfälle in diesem Streckenbereich zu reduzieren. In den meisten Fällen seien Motorradfahrer Verursacher der in diesem Bereich zu verzeichnenden Unfälle gewesen. Da das Unfallrisiko bedingt durch die hohe Anzahl an Motorradfahrern an den Wochenenden und Feiertagen am größten sei, genüge eine zeitliche Beschränkung der Sperrung auf diese Tage. Auch wenn es sich bei einem Motorrad um ein allgemein zugelassenes Verkehrsmittel handle und nicht alle Motorradfahrer der Gruppe der sich über alle Regeln hinwegsetzenden Zweiradfahrer angehörten, sei die Maßnahme aus Gründen der Verkehrssicherheit mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots vereinbar und angemessen. Die Interessen der Motorradfahrer an der Mobilität und Freizeitgestaltung müssten daher hinter den Interessen der Allgemeinheit an einer sicheren und geordneten Verkehrslage zurückstehen. Die Gruppe der Motorradfahrer werde durch diese Einschränkung des Gemeingebrauchs auch nicht nachhaltig in ihrem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Die zeitlich beschränkte Sperrung des W. Bergs beruhe auf verfassungsrechtlichen Schranken, denen die freie Entfaltung der Persönlichkeit bzw. das Recht auf Mobilität und Freizeitgestaltung zur Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung unterworfen sei. Es handle sich bei der zeitlich beschränkten Sperrung der Teilstrecke der B 22 auch nicht um einen Eingriff in die straßenrechtliche Widmung, da die Straße weiterhin Verkehrszwecken diene. Als geeignet und zumutbar als Ausweichstrecke für Motorräder werde die Kreisstraße BA 30 über Kübelstein nach Ludwag und ab dort die Staatsstraße 2187 über Zeckendorf nach Scheßlitz angesehen. Es werde davon ausgegangen, dass infolge der Streckensperrung die Anzahl der Motorradfahrer in diesem Bereich an den Wochenenden zurückgehen werde. Trotzdem werde die Gefahr einer Verlagerung des Motorradverkehrs auf andere Strecken bzw. andere Tage nicht verkannt. Daher diene der Pilotversuch auch der Feststellung, welche Auswirkungen die Sperrung des W. Bergs auf die genannte Ausweichstrecke habe.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11.01.2018 – bei Gericht eingegangen am 15.01.2018 – ließ der Antragsteller gegen die aufgrund der verkehrsbehördlichen Anordnung im Bereich der B 22 W. Berg aufgestellten Verkehrszeichen 255 einschließlich der teilweise angebrachten Zusatzzeichen Klage erheben (B 1 K 18.53). Zugleich wurde um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die angegriffene Verfügung, mit der die Straße durch die besagte Beschilderung gesperrt werden solle, sei offensichtlich rechtswidrig und schränke den Antragsteller auch über die Maßen in seinen Rechten ein. Der Antragsteller sei klagebefugt, da er als Verkehrsteilnehmer Adressat eines belastenden Verwaltungsakts in Form eines behördlichen Verbots geworden sei. Er habe am Samstag, den 16.12.2017, gegen 13:15 Uhr mit seinem Krad die B 22 befahren. Durch die entsprechende Beschilderung sei er daran gehindert gewesen, weiter als bis zu diesem Verkehrsschild zu fahren. Somit sei er zum Adressaten eines Verwaltungsakts geworden und als solcher klagebefugt. Als Ermächtigungsgrundlage komme allenfalls § 45 StVO in Betracht. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Streckensperrung seien offensichtlich nicht gegeben. Weder Gründe der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs noch der Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen würden diese Maßnahme gebieten. Der Antragsgegner meine, dass es sich bei der Strecke am W. Berg um einen Unfallschwerpunkt handele, dass dies am Fahrverhalten der Motorradfahrer liege und dass dieses nur durch eine Streckensperrung geändert werden könnte. Über die Voraussetzungen einer Streckensperrung für Motorräder habe kürzlich das Verwaltungsgericht Osnabrück zu befinden gehabt (vorgelegt wurde ein Urteil vom 12.12.2017, Az. 6 A 126/15). Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO könnten die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Diese Befugnis werde durch § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO dahingehend modifiziert, dass Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden dürften, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage bestehe, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteige. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt.
Im Übrigen sei die streitige Anordnung als unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft anzusehen. Es werde bestritten, dass ein Unfallschwerpunkt vorliege. Eine Streckensperrung stelle einen massiven Eingriff in die grundrechtlich garantierten Rechte der betroffenen Verkehrsteilnehmer dar. Eine Straße – insbesondere eine Bundesstraße – sei grundsätzlich für den gesamten Verkehr freizuhalten. Sofern in diesem Bereich in der Vergangenheit Geschwindigkeitskontrollen von den zuständigen Behörden durchgeführt worden seien, hätten diese keinen besonders hohen Anteil der ausgesperrten Verkehrsteilnehmer ergeben. Es sei auch nicht ersichtlich, dass Maßnahmen der allgemeinen Verkehrsüberwachung mit der gebotenen Nachhaltigkeit ergriffen worden seien. Insbesondere seien keine mehrtägigen, ununterbrochenen Geschwindigkeitsmessungen an dem betreffenden Straßenabschnitt durchgeführt worden. Auch mildere Maßnahmen seien nicht hinreichend in den Blick genommen worden. Insbesondere sei nicht ernsthaft erwogen worden, ob der Einbau von sogenannten Rüttelstreifen (quer zur Fahrbahn) eine geeignete Maßnahme darstelle, um den Verkehrsteilnehmer an den besonders gefährlichen Stellen zu einer Reduzierung der Geschwindigkeit zu veranlassen. Nach einer entsprechenden Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen seien derartige Rüttelstreifen durchaus geeignet, die gefahrene Geschwindigkeit zu reduzieren und damit die Fahrsicherheit zu verbessern. Da offensichtlich keine Beweisführung vorliege, die das Motorrad als „Störenfried“ entlarve, sei ein einseitiges Fahrverbot für zweirädrige Vehikel mit Verbrennungsmotor offensichtlich nicht zulässig. Der Antragsteller sei persönlich betroffen. Er besitze einen Motorradführerschein und habe die konkrete Absicht gehabt, die gesperrte Straße auch tatsächlich zu befahren. Um die Sperrung zu umgehen, müsse er nun erhebliche Umwege in Kauf nehmen. Da die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig sei, überwiege das Interesse des Betroffenen das von der Behörde geltend gemachte besondere Vollzugsinteresse.
Mit Schriftsatz vom 06.02.2018 hat das Landratsamt Bamberg die einschlägigen Akten vorgelegt und beantragte,
den Antrag abzuweisen.
Entgegen den Ausführungen des Antragstellers sei die B 22 östlich von W. sehr wohl ein Unfallschwerpunkt. Wie dem beigefügten aktuellen Ausdruck aus der digitalen Unfallkarte 2012/2014 der Zentralstelle für Verkehrssicherheit im Straßenbau (ZVS) zu entnehmen sei, werde der W. Berg in der Unfallstatistik des Straßennetzes der Bayerischen Straßenbauverwaltung sogar als „Super-Dauerbrenner“ bezeichnet. Diese Bezeichnung erhielten in Bayern nur Unfallstrecken, die ohne Unterbrechung in den maßgeblichen Dreijahreszeiträumen mehrmals hintereinander die Kriterien als Unfallschwerpunkt erfüllten. Ein Unfallschwerpunkt sei außerorts bei drei oder mehr Unfällen mit schwerem Personenschaden (Tote bzw. Schwerverletzte) innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren gegeben. In den Jahren von 2007 bis 2017 habe es insgesamt 58 Verkehrsunfälle mit Personenschäden mit 3 Toten, 32 Schwerverletzten und 31 Leichtverletzten gegeben. Auffällig sei, dass in den Jahren 2014 bis 2017 der Unfall mit Todesfolge und nahezu alle Unfälle mit Personenschäden durch Motorräder (Krafträder und Leichtkrafträder) und überhöhter Geschwindigkeit verursacht worden seien. Zudem habe es weitere Kleinunfälle und Unfälle mit schwerwiegenden Schäden gegeben. Dementsprechend werde das Unfallgeschehen am W. Berg von den zuständigen Behörden bereits seit über 15 Jahren intensiv beobachtet. Während dieser Zeit seien daher auch schon unterschiedliche Maßnahmen ergriffen und weitere diskutiert worden, um diesen Unfallschwerpunkt zu entschärfen. Abschließend sei anzumerken, dass das Unfallgeschehen am W. Berg viel schwerwiegender sei als das auf dem vom Verwaltungsgericht Osnabrück im vorgelegten Urteil zu beurteilenden Straßenabschnitt.
Die zuständigen Behörden hätten entgegen der Behauptung der Gegenseite alle zumutbaren Mittel ausgeschöpft. Die einzelnen bisher ergriffenen baulichen und straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen seien auf Seite 2 der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 16.08.2017 aufgeführt. Der Vortrag, dass Maßnahmen der allgemeinen Verkehrsüberwachung nicht mit der notwendigen Intensität durchgeführt worden seien, sei eine bloße Behauptung und entbehre jeder Tatsachengrundlage. Die Polizei habe in den letzten Jahren sehr viele Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt und diese auf die Motorradsaison und auf die Wochenenden konzentriert. Insgesamt seien in den Jahren 2017: 87, 2016: 56, 2015: 70, 2014: 56, 2013: 40, 2012: 38, 2011: 42 und 2010: 30 Stunden kontrolliert worden. Das Argument, dass die Geschwindigkeitsüberwachungen in der Vergangenheit keinen besonders hohen Anteil der ausgesperrten Verkehrsteilnehmer (also Motorradfahrer) ergeben habe, könne nicht durchdringen. Es sei vielmehr so, dass am W. Berg Hochgeschwindigkeitsmotorradfahrer den Berg mehrfach hintereinander rauf- und runterführen. Zudem könne aus technischen und rechtlichen Gründen nur an einer Stelle mit einem Handmessgerät die Geschwindigkeit gemessen werden. Insoweit sei von der Polizei das Phänomen zu beobachten, dass die Geschwindigkeitsmessung schnell „verbrannt“ sei, da die Information über aktuell stattfindende Messungen zügig verbreitet würde. Fest aufgestellte Geschwindigkeitsmesseinrichtungen seien als nicht effektiv verworfen worden (wird ausgeführt). Am W. Berg seien alle sinnvollen baulichen Veränderungen durchgeführt worden, um eine dauerhafte Reduktion der Unfallzahlen und Unfallopfer zu erreichen. Insoweit werde auf die als Anlage B5 vorgelegte Kurzübersicht sowie Seite 2 der verkehrsrechtlichen Anordnung verwiesen. Der von der Gegenseite geforderte Einbau von Rüttelstreifen als milderes Mittel sei als nicht zielführend verworfen worden. Aufgrund der seinerzeit bekannten Erfahrungen, die bei den Pilotstrecken Kesselberg, Sudelfeld und Amorbach gemacht worden seien, sei man übereingekommen, diese am W. Berg nicht aufzubringen. So hätten die Rüttelstreifen bei den Pilotstrecken weder zu einer merklichen Verminderung der Frequentierung der Strecken durch Motorradfahrer noch zu einer Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeiten beigetragen. Eine drastischere Ausformung der Rüttelstreifen (vor allem in die Höhe) sei im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer (z.B. Radfahrer) nicht in Betracht gezogen worden. Zudem seien alle straßenverkehrsrechtlichen milderen Mittel bereits ergriffen worden. Soweit der Kläger und Antragsteller geltend mache, dass er nunmehr erhebliche Umwege zu fahren habe, sei dies nicht nachzuvollziehen.
Aufgrund der geschilderten Umstände sei die verkehrsrechtliche Anordnung vom 16.08.2017 rechtmäßig. Die auf Grundlage von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO angeordnete zeitlich beschränkte Sperrung des W. Bergs entspreche der Regelung in § 45 Abs. 9 StVO. Insgesamt seien die Ermessensgesichtspunkte in der verkehrsrechtlichen Anordnung umfassend ausgeführt worden. Da die verkehrsrechtliche Anordnung vom 16.08.2017 offensichtlich rechtmäßig sei, könne der Klage auch keine aufschiebende Wirkung beigemessen werden. Zudem widerspräche die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage dem Sinn und Zweck und somit dem Charakter der Sperrung als vorübergehende Probemaßnahme.
Dem trat der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 15.02.2018 nochmals entgegen. Entgegen der Ansicht der Gegenseite seien die Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück sehr wohl auch auf die hier in Rede stehende Streckensperrung anwendbar. Die Rechtslage sei die gleiche. Die angegriffene Maßnahme sei ebenfalls offensichtlich rechtswidrig. Zur Problematik Unfallschwerpunkt wurde ausgeführt, es werde aus dem Vortrag der Antragsgegnerseite und aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich, dass die genannten Verkehrsunfälle der Gruppe der Motorradfahrer anzulasten seien. Es werde nicht differenziert. Insbesondere werde nicht unterschieden, ob die Motorradfahrer, wenn sie an einem Unfall beteiligt gewesen seien, diesen tatsächlich auch schuldhaft verursacht hätten. Den vorgelegten Zahlen sei zu entnehmen, dass der weit überwiegende Teil der Unfälle auf Unfälle mit Pkw-Beteiligung entfalle. Dies entspreche im Übrigen auch der tatsächlichen Frequentierung der Straße, die ausweislich der von der Antragsgegnerseite vorgelegten Zahlen zum weit überwiegenden Teil von Autofahrern genutzt werde. Auf die Idee, die Strecke für Pkw zu sperren, komme man seitens des Antragsgegners nicht. Problematisch erschienen auch die Ausführungen der Polizeiinspektion Bamberg. Dort scheine der die Geschwindigkeit übertretende „normale Autofahrer“ weniger „schlimm“ als der die Geschwindigkeit übertretende Motorradfahrer. Man gewinne sogar den Eindruck, als meine der Verfasser, es müsse der gemeine Autofahrer davor geschützt werden, in Geschwindigkeitskontrollen zu geraten, die es dort nur deshalb gebe, weil die Motorradfahrer rasen würden. Auch angesichts der tatsächlichen Zahlen sei dies aber eine insbesondere der gesetzlichen Intention nicht entsprechende Sicht der Dinge. Weil die Geschwindigkeitsmessungen in den Jahren 2014 bis 2017 eine abnehmende Quote der Motorradfahrer an der Gesamtzahl der Geschwindigkeitsverstöße begehenden Verkehrsteilnehmer zeige, sei diese Sicht darüber hinaus auch unabhängig von der rechtlichen Problematik aus tatsächlichen Gründen nicht nachvollziehbar. Besonders deutlich werde dies im Jahr 2017, wo 76 Geschwindigkeitsverstöße begangen von Autofahrern nur 20 Geschwindigkeitsverstößen von Motorradfahrern gegenüberstünden. Die Klägerseite bleibe bei ihrer Ansicht, dass keineswegs alle zumutbaren Mittel ausgeschöpft worden seien. Diese Ansicht werde durch den Vortrag des Antragsgegners eher noch gestärkt. Es sei nicht richtig, dass aus technischen und rechtlichen Gründen nur an einer Stelle mit einem Handlasermessgerät gemessen werden könne. Darüber hinaus sei es auch nicht belegt, dass „Hochgeschwindigkeitsmotorradfahrer“ den Berg mehrfach hintereinander rauf- und runterfahren würden und bei jedem Durchgang die Geschwindigkeit erhöhten, was immer wieder zu einem Unfall führe. Diese Behauptung werde bestritten. Gleiches betreffe die Behauptung, dass die Geschwindigkeitsmessung schnell verbrannt sein solle. Auch die Behauptung, dass fest aufgestellte Geschwindigkeitsmesseinrichtungen nicht effektiv seien, sei nicht richtig. Ausweislich der Stellungnahme der Polizeiinspektion Bamberg Land sei es vielmehr so, dass die stationäre Geschwindigkeitsmessung deshalb verworfen worden sei, weil „in Bayern generell keine festen stationären Geschwindigkeitsmessanlagen außerorts aufgestellt würden und dies deshalb auch am W. Berg nicht möglich sei“. Dies erscheine aber als fragwürdige Begründung. Rein rechtlich seien stationäre Geschwindigkeitsmesseinrichtungen außerhalb geschlossener Ortschaften auch in Bayern möglich. Entgegen der Behauptung des Landratsamts wären diese auch effektiv. Auch die weitere Behauptung, dass alle sinnvollen baulichen Veränderungen ausgeführt worden seien, sei nicht belegt. Es zeige sich, dass das Gegenteil richtig sei. Die auf Seite 2 der Anordnung vom 16.08.2017 genannten baulichen Maßnahmen seien nur angedacht, aber nicht ausgeführt worden. Die Behauptung, dass diese Einrichtungen bei den Pilotstrecken weder zu einer merklichen Verminderung der Frequentierung der Strecken durch Motorradfahrer noch zu einer Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeiten beigetragen hätten, werde ausdrücklich bestritten. Das Gegenteil sei richtig. Bezug genommen wurde auf eine Darstellung des Landesbetriebs Straßenbau NRW. Als weitere bauliche Maßnahme stünden darüber hinaus die in dem Artikel genannten flexiblen Fahrbahnteiler zur Verfügung. Es handele sich hierbei um mobile und flexible Elemente, die die Strecke ebenfalls unattraktiv für Raser machten, die die Kurven mit hoher Geschwindigkeit und extremer Schräglage nehmen wollten. Bestritten werde, dass eine drastischere Ausformung der Rüttelstreifen vor allem in der Höhe eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zur Folge hätte. Insbesondere für Radfahrer ergebe sich eine diesbezügliche Gefährdung bei entsprechend angepasster Geschwindigkeit nicht. Der Ansicht, dass alle milderen Mittel bereits ergriffen worden seien, könne keinesfalls zugestimmt werden. Dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage dem Sinn und Zweck der Sperrung als Probemaßnahme widersprechen solle, sei nicht recht nachvollziehbar. Folge man der Ansicht des Antragsgegners, gäbe es gegen Pilotversuche überhaupt keinen effektiven Rechtsschutz.
Mit Schreiben des Gerichts vom 02.03.2018 wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers nach telefonischer Rücksprache Akteneinsicht in die übersandten Behördenakten, auch den Ordner „Anlage 4.1“ zur Stellungnahme der Polizei vom 22.01.2018, gewährt sowie nochmals die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die verkehrsrechtliche Anordnung des Landratsamts Bamberg sowie die infolgedessen vorgenommene Beschilderung ist zulässig. Die gegen Verkehrszeichen zu erhebende Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO hat entsprechend § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung, sodass einstweiliger Rechtsschutz in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist (vgl. hierzu z.B. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 80 Rn. 150 ff.; König in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 41 StVO Rn. 247, jeweils m.w.N.).
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der getroffenen Verkehrsreglung wiegt insoweit schwerer als das Suspensivinteresse des Antragstellers. Das Gericht folgt zunächst den Gründen der Anordnung vom 16.08.2017 und sieht insoweit von einer gesonderten Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend hierzu ist zum Antragsvorbringen sowie zur Sache noch das Folgende auszuführen:
a) Das Landratsamt Bamberg hat das streitgegenständliche Verkehrsverbot vorliegend auf § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO gestützt. Diese sog. „Experimentierklausel“ erlaubt unter anderem Anordnungen zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen. Vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst werden jedoch nur Fälle, in denen nicht die Frage zweifelhaft ist, ob überhaupt eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs vorliegt, sondern solche, in denen zu klären ist, welche konkreten Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahr geeignet und erforderlich sind. Zu einem Gefahrerforschungseingriff ermächtigt § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO gerade nicht. Demzufolge ist eine Gefahrenlage i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 StVO erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 26.02.2015 – 11 ZB 14.2491 – juris Rn. 20; VG München, U.v. 29.09.2014 – M 23 K 32; Hentschel a.a.O., § 45 StVO Rn. 32 m.w.N.). § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt und sich damit als „qualifizierte Gefahrenlage“ darstellt (VG München, U.v. 06.07.2017 – M 23 K 16.1305 – juris Rn. 40).
Eine derartige Gefahrenlage liegt – anders als in dem der Entscheidung des VG Osnabrück vom 12.12.2017 zugrundeliegenden Sachverhalt – auf dem hier streitgegenständlichen Streckenabschnitt der B 22 vor. In den vorgelegten Verwaltungsvorgängen ist hinreichend dokumentiert, dass die Strecke am W. Berg aufgrund der örtlichen Verhältnisse in besonderem Maße von Motorradfahrern frequentiert wird und dass es dort zu einer Vielzahl von Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Kraftradfahren gekommen ist. Die Unfallmeldungen aus den Jahren 2014 bis 2017 (Anlage 1 zur Stellungnahme der Polizeiinspektion Bamberg-Land vom 22.01.2018) beschreiben die auf der Strecke stattgefundenen Unfälle, an denen Motorradfahrer beteiligt gewesen sind. Auch in den vom Landratsamt Bamberg als Anlage B3 übersandten Tabellen werden die Unfälle in diesem Zeitraum dargestellt. Aus den Unfallmeldungen geht außerdem hervor, dass bei routinemäßigen Kontrollen der Leitplanken Beschädigungen am Unterfahrschutz festgestellt worden sind (vgl. z.B. die Unfallmeldungen vom 30.03.2017), was auf eine gewisse Dunkelziffer von Unfällen hindeutet.
Soweit antragstellerseits vorgebracht wird, aus den vorgelegten Unterlagen sei nicht ersichtlich, dass die Unfälle der Gruppe der Motorradfahrer anzulasten seien, kann dies nicht nachvollzogen werden. Beispielsweise bei den acht aufgeführten Unfällen des Jahres 2017 handelt es sich um fünf Unfälle, an denen Motorradfahrer allein beteiligt waren, einen Fall, in dem eine Leichtkraftradfahrerin in den Gegenverkehr kam, einen Fall, in dem ein Leichtkraftradfahrer auf einen Traktor aufgefahren ist und einen Zusammenstoß zweier Kraftradfahrer im Begegnungsverkehr.
b) In der vorliegenden verkehrsrechtlichen Anordnung ist auch ein konkretes Erprobungsziel bestimmt und formuliert (vgl. BayVGH, B.v. 26.02.2015 – 11 ZB 14.2491 – juris Rn. 20; VG München, U.v. 06.07.2017 – M 23 K 16.1305 – juris Rn. 41). Wie auf Seite 3 (letzter Absatz) der Anordnung vom 16.08.2017 ausgeführt wird, soll festgestellt werden, ob sich eine Streckensperrung lediglich am Wochenende und an Feiertagen als geeignete und ausreichende Maßnahme erweist, um die Unfallsituation am W. Berg spürbar zu entschärfen.
c) Die Anordnung der (probeweisen) Streckensperrung für Motorräder an Wochenenden und Feiertagen erweist sich auch als verhältnismäßig. Während die Frage, ob die in § 45 Abs. 1 StVO genannten Gründe vorliegen, in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen, besteht hinsichtlich des Ob und des Wie des Eingreifens nur ein beschränkt nachprüfbarer Ermessensspielraum (König a.a.O., § 45 StVO Rn. 28a m.w.N.). Mildere Mittel, die gleichermaßen erfolgversprechend sind, sind nicht ersichtlich. Dies gilt vor allem für die vom Landratsamt Bamberg in Betracht gezogenen, jedoch ausgesonderten Möglichkeiten.
Was die Aufstellung von Fahrbahnteilern angeht, ist diese Möglichkeit insbesondere wegen negativer Erfahrungen auf anderen Strecken verworfen worden. Wie sich aus der Behördenakte ergibt, hat beispielsweise das Landratsamt Augsburg mitgeteilt, dass Motorradfahrer an Leitschwellen mit Warnbaken hängen blieben und diese daher gerade für Motorradfahrer in Kurven ein besonderes Sicherheitsrisiko darstellen (Bl. 259 der Behördenakte). Dass das Landratsamt derartige Maßnahmen letztlich verworfen hat, kann somit nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden. Entsprechendes gilt für sog. „Markierungsknöpfe“, die beispielsweise auf der B 47 bei Amorbach bereits getestet worden sind und mit denen negative Erfahrungen gemacht worden sind (vgl. hierzu Bl. 265 ff. der Behördenakte).
Auch bei dem Aufbringen von sog. „Rüttelstreifen“ handelt es sich nicht um eine Maßnahme, die unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorrangig gewesen wäre. Diese Maßnahme hat das Landratsamt Bamberg unter Rekurs auf die andernorts gemachten Erfahrungen als nicht in ausreichendem Maße erfolgversprechend angesehen. Wie sich aus der Stellungnahme der Polizeiinspektion Bamberg-Land vom 22.01.2018 (Bl. 47 ff. der Gerichtsakte) ergibt, haben Rüttelstreifen auf anderen Strecken (Kesselberg, Sudelfeld und Amorbach) weder zu einer merklichen Verminderung der Frequentierung der Strecken noch zu einer Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeiten beigetragen (vgl. auch die hierzu wiederum als Anlage 4 beigefügten Vermerke über den Besprechungstermin vom 07.11.2014 und Ortstermin vom 27.11.2014). Darüber hinaus müssen sog. „Rüttelstreifen“, worauf auch im vom Bevollmächtigten des Antragstellers vorgelegten Artikel hingewiesen wird, ausreichend von Gefahrenstellen entfernt sein. Rüttelstreifen sollten hiernach „nur auf Geraden zum Einsatz kommen“ (S. 2 des Ausdrucks). Auch in dem von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen herausgegebenen „Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken“ (MVMot) aus dem Jahr 2007 (abrufbar unter: www.landesverkehrswacht.de/fileadmin/downloads/Harz/Harz_2016/FGSV_314_MVMot.pdf) wird darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Rüttelstreifen nur mit etwa 50 Metern Sicherheitsabstand zur Kurve erfolgen dürfe (dort S. 24; hierzu auch VG Köln, U.v. 08.11.2013 – 18 K 4473/12 – juris Rn. 59). Gerade in Kurvenbereichen, insbesondere im (unfallträchtigen) Bereich der S-Kurve, kommt ein Einsatz von Rüttelstreifen zur Geschwindigkeitsreduktion und in der Folge zur wirksamen Vermeidung von Unfallereignissen somit nicht in Betracht.
Soweit vorgebracht wird, dass als milderes Mittel hier Geschwindigkeitskontrollen vorrangig seien, ist auszuführen, dass in der Vergangenheit bereits zahlreiche Geschwindigkeitskontrollen stattgefunden haben. Dies hat die Polizei schlüssig und nachvollziehbar dargelegt und hierzu insbesondere darauf hingewiesen, dass aus dem vorliegenden Datenmaterial (Leitpfostenmessungen) ersichtlich ist, dass wenn die Polizei vor Ort ist, weniger Motorradfahrer die Strecke am W. Berg befahren und „Schnellfahrer“ sehr bald zurückkehren, sobald die Polizei ihre Kontrolle beendet hat (vgl. die Stellungnahme der Polizeiinspektion Bamberg-Land vom 22.01.2018, S. 4/5). Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat dies lediglich pauschal bestritten und auch nach genommener Akteneinsicht hierzu nichts mehr vorgetragen. Außerdem sind Geschwindigkeitskontrollen nicht in gleichem Maße effektiv wie ein Verkehrsverbot, zumal die Polizei eine lückenlose Kontrolle der gefahrenen Geschwindigkeiten nicht leisten kann.
Was stationäre Geschwindigkeitsmessungen als eventuelles milderes Mittel gegenüber einer (zeitweisen) Streckensperrung für Motorräder anbelangt, kann die verkehrsrechtliche Anordnung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Die Aufstellung solcher Anlagen ist mehrfach erwogen und schließlich abgelehnt worden, weil stationäre Geschwindigkeitsmessanlagen nur punktuell wirken und insbesondere in Kurvenbereichen nicht angebracht werden können (vgl. z.B. die Stellungnahme der Polizeiinspektion Bamberg-Land vom 22.01.2018, S. 4). Außerdem hat auch das Polizeipräsidium Oberfranken in der Stellungnahme vom 29.03.2017 (Bl. 280 f. der Behördenakte) zu bedenken gegeben, dass (abgesehen davon, dass bei Motorradfahrern Front- und Heckfotos notwendig sind) der Ermittlungsaufwand sehr hoch und regelmäßig nicht erfolgreich wäre. Die Aufstellung stationärer Geschwindigkeitsmessanlagen kann daher nicht als milderes Mittel gleicher Wirksamkeit angesehen werden (ebenso VG Köln a.a.O., Rn. 66).
Weiterhin stellt es sich nicht als unverhältnismäßig dar, dass vorliegend eine Sperrung der Strecke für Motorräder und nicht für andere Verkehrsteilnehmer erfolgt ist. Wie oben bereits ausgeführt wurde, ist die Beteiligung der Motorräder an den Unfallereignissen in der Vergangenheit hinreichend dokumentiert, sodass das Landratsamt rechtmäßigerweise die Gruppe der Motorräder und nicht etwa die der PKW ausgeschlossen hat.
Als Ausdruck der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat das Landratsamt Bamberg hier probeweise nur an Wochenenden und Feiertagen (und nicht etwa an allen Tagen) ein Verkehrsverbot für Motorräder angeordnet, um zu eruieren, ob hierdurch dem Unfallvorkommen wirksam begegnet werden kann. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass – wie die vorgelegten Aufstellungen zeigen – Unfälle zum größten Teil an eben diesen Tagen stattgefunden haben.
d) Die Straßenverkehrsbehörde hat die vorliegende Erprobungsmaßnahme auch zeitlich befristet (vgl. Wolf in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 45 StVO Rn. 18 m.w.N. aus der Rspr.). Die hier vorgenommene Befristung bis zum 31.12.2018 erweist sich angesichts des konkreten Erprobungsziels als angemessen. Diesbezüglich ist insbesondere zu berücksichtigen, dass gerade das Fahrverhalten und Verkehrsaufkommen von Motorrädern starken witterungsbedingten Schwankungen unterliegt, weswegen es geboten ist, einen hinreichend langen Zeitraum in den Blick zu nehmen. Zum anderen ist zu bedenken, dass die Bekanntgabe der verkehrsrechtlichen Anordnung durch das Aufstellen der Verkehrszeichen vorliegend erst am 19.10.2017 vollzogen worden ist (Schreiben des Staatlichen Bauamts Bamberg vom 23.10.2017, Bl. 347 der Behördenakte), sodass eine Erprobung erst ab diesem Zeitpunkt stattfinden konnte.
e) Ein auf Wochenenden und Feiertage beschränktes Streckenverbot für Motorräder wäre, was bei einer Erprobung nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Alt. 2 StVO (im Gegensatz zur Erforschung) notwendig ist, auch als endgültige Maßnahme rechtmäßig (vgl. König a.a.O., § 45 StVO Rn. 32 m.w.N.). Ein derartiges Verbot für Krafträder kann auf Grundlage von § 45 StVO angeordnet werden (s. Zeichen 255, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO).
f) Schließlich handelt es sich bei der hiesigen Maßnahme nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO auch um eine im Rahmen der Widmung mögliche verkehrsrechtliche Regelung (vgl. VG München, U.v. 06.07.2017 – M 23 K 16.1305 – juris Rn. 44; König a.a.O.). Vorliegend werden lediglich Krafträder an bestimmten Tagen von der Straßenbenutzung der streitgegenständlichen Teilstrecke der B 22 ausgenommen, wobei die Maßnahme außerdem befristet ist (vgl. hierzu Rebler, BayVBl. 2005, 394/397 f. m.w.N.).
g) Nach alledem wird sich die erhobene Klage in der Hauptsache voraussichtlich als erfolglos erweisen. Auch sonst ist im Rahmen der Interessenabwägung kein überwiegendes Interesse des Antragstellers vorgetragen oder sonst ersichtlich, weswegen es ihm nicht zumutbar sein sollte, die (befristete) straßenverkehrsrechtliche Anordnung vorübergehend (bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache) hinzunehmen.
3. Somit ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 46.15 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).


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