Medizinrecht

Beihilfe, Schulteroperation, Analogleistung, Zielleistungsprinzip, Analoge Anwendung der GOÄ-Nr. 706 bei einer VAPR-Sonde (verneint), Abrechnung der GOÄ-Nr. 2103 bei einer Kapsultomie des Schultergelenks (verneint), Mehrfache Abrechnung der GOÄ-Nr. 2405 (verneint), Abrechnung der GOÄ-Nr. 2076 bei Anerkennung der GOÄ-Nr. 2137a (verneint), Abrechnung der GOÄ-Nr. 2072 für Durchtrennung des Ligamentum coracoacromiale bei Anerkennung der GOÄ-Nr. 2137a (verneint), Abrechnung der GOÄ-Nr. 2123 für Resektion der lateralen Clavicula (verneint), Abgrenzung von GOÄ-Nr. 800 und GOÄ-Nr. 5

Aktenzeichen  M 17 K 19.2737

Datum:
7.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14043
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV § 6
GOÄ § 6 Abs. 1, § 4 Abs. 2a
GOÄ-Nr. 706, 2072, 2103, 2405, 706, 2076, 2123, 800

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten durch die Berichterstatterin und im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe im beantragten Umfang (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die Bescheide vom 7. Juni 2017 und 24. Juli 2017 sowie der Widerspruchsbescheid vom 10. November 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO)
I.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage statthaft, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Denn bei einer verständigen Würdigung des klägerischen Begehrens gem. § 88 VwGO zielen die Anträge des Klägers auf den Erlass konkret bezifferter Leistungsbescheide ab. Der vom Klägervertreter auf Verurteilung zur Zahlung gerichtete Klageantrag II ist dementsprechend als Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts auszulegen. Der Höhe nach richtet sich das klägerische Begehren auf die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer Beihilfe in Höhe von weiteren 326,38 € (70 v.H. von 466,26 €), da vom (reduzierten) Rechnungsbetrag von 2.567,49 € bereits 2.101,23 € als beihilfefähig anerkannt wurden.
Der mit Klageantrag I erhobene deklaratorische Antrag auf vollumfängliche Aufhebung der Bescheide ist sachdienlich dahin auszulegen, dass die Bescheide vom 7. Juni 2017 und 24. Juli 2017 in Form des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2017 insoweit aufgehoben werden sollen, als sie der Verpflichtung auf Gewährung einer weiteren Beihilfe (Klageantrag II) entgegenstehen.
II.
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Für die hier vorgenommene ärztliche Behandlung entstehen Aufwendungen mit jeder Inanspruchnahme des Arztes.
Bei der streitgegenständlichen Operation am … 2017 bestimmt sich die Beihilfefähigkeit daher nach § 80 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2016 (BGBl. I S. 2570) bzw. Gesetz vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 410), und der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), zuletzt geändert durch Verordnung vom 25. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2403).
III.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 326,38 € (70 v.H. von 466,26 €) hinsichtlich seiner mit Rechnung vom … 2017 geltend gemachten Aufwendungen für die Operation seiner Schulter. Die vorgenommenen Kürzungen der beihilfefähigen Aufwendungen erfolgten zurecht.
Aufwendungen sind gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV grundsätzlich nur beihilfefähig, wenn diese notwendig und wirtschaftlich angemessen sind. Wirtschaftlich angemessen sind dabei Aufwendungen für ärztliche Leistungen, wenn sie sich innerhalb des in der einschlägigen Gebührenordnung vorgesehenen Gebührenrahmens halten, § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV. Auf den behandelnden Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie findet die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) Anwendung. Die streitgegenständlichen abgerechneten Leistungen für die Behandlung am … 2017 stehen mit den Bestimmungen der GOÄ nicht in Einklang.
1. Die Kürzung der zweifach abgerechneten GOÄ-Nr. 706 erfolgte zurecht. Abgerechnet wurde jeweils die Blutstillung mit dem VAPR.
Diese kann nach der Leistungslegende für Licht- oder Laserkoagulation(en) zur Beseitigung von Stenosen oder zur Blutstillung bei endoskopischen Eingriffen je Sitzung abgerechnet werden. Die Leistung nach GOÄ-Nr. 706 steht für alle endoskopisch geführten Einsätze des chirurgischen Lasers (Brück, Gebührenordnung für Ärzte, 38. Egl., Bd. 1, Anm. 1 zu GOÄ-Nr. 706).
Eine direkte Anwendung scheidet aus, da bei der Operation zur Blutstillung unstreitig kein Laser angewendet wurde. Vielmehr kam eine VAPR-Sonde zum Einsatz. Hierbei handelt es sich, worauf die Abrechnungsstelle selbst hinweist, um ein elektrisches Verfahren.
Hierfür kann die GOÄ-Nr. 706 auch nicht analog herangezogen werden.
Nach § 6 Abs. 2 GOÄ können selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses der GOÄ berechnet werden. Gleichzeitig ist nach § 4 Abs. 2a GOÄ das sog. Zielleistungsprinzip zu beachten. Nach dieser Bestimmung kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt nach § 4 Abs. 2a Satz 2 GOÄ auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters ist die übliche Verwendung einer Elektrokoagulation oder VAPR Teil der operativen Leistung und kann daher nicht als selbstständige ärztliche Leistung angesehen werden. Aus diesem Grund scheidet eine separate Berechnung aus.
Holt eine beteiligte Behörde – wie hier – im vorangegangenen Verwaltungsverfahren eine gutachterliche Stellungnahme ein, darf sich das Gericht für sein Urteil grundsätzlich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht – im Wege des Urkundenbeweises – auf diese stützen (BVerwG, B. v. 13.3.1992 – 4 B 39/92 – juris Rn. 5). Etwas anderes gilt nur, wenn das Gericht bereits das vorliegende Gutachten für ungenügend erachtet, etwa, weil das Gutachten von einer unrichtigen Tatsachengrundlage ausgeht, sich Zweifel an der fachlichen Eignung des Gutachters ergeben haben oder das Gutachten selbst in sich nicht logische bzw. schlüssige Aussagen enthält. Die pauschale Behauptung, die Ausführungen des Gutachters seien falsch, genügen für sich genommen nicht, um die Beweiskraft eines Gutachtens zu erschüttern. Erforderlich ist vielmehr ein substantiiertes Entgegentreten, das eine Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten erkennen lässt (BVerwG, B.v. 3.2.2010 – 7 B 35/09 – juris Rn. 12).
Zuständig für die Entscheidung über die Notwendigkeit von Aufwendungen ist nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BBhV die Festsetzungsstelle. Zwar kann diese in der Regel davon ausgehen, dass das, was der Arzt durchgeführt oder angeordnet hat und damit auch in Rechnung gestellt wird, notwendig ist. Allerdings belegt eine ärztliche Verordnung nicht automatisch, dass jedwede Behandlung medizinisch indiziert wäre. Hat die Festsetzungsstelle Zweifel an der Notwendigkeit geltend gemachter Aufwendungen und kann sie aufgrund fehlender eigener Sachkunde diese Zweifel nicht ausräumen, kann sie nach § 51 Abs. 1 Satz 4 BBhV ein Gutachten hierzu einholen. Auf der Grundlage einer solchen Begutachtung kann sie die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen trotz ärztlicher Verordnung durch eigene Entscheidung verneinen (BayVGH, B.v. 17.11.2015 – 14 ZB 15.1283 – juris Rn. 9 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 14.5.2014 – 14 ZB 13.2658 – juris Rn. 7 f. m.w.N.).
Die vorgelegten Gutachten der … genügen den oben dargestellten Grundsätzen. Der Kläger bzw. die Abrechnungsstelle tritt diesem nicht bzw. nicht substantiiert entgegen.
Die Einschätzung des Gutachters, dass die VAPR als elektrisches Verfahren nicht nach GOÄ-Nr. 706 analog abgerechnet werden kann, sondern vielmehr Teil der operativen Leistung ist, wird von der Kommentarliteratur gestützt. Sofern es sich nicht um ein Laser- oder Lichtverfahren, sondern um ein auf Strom basierendes Verfahren handelt, kann eine auch endoskopische Blutstillung nicht mit dem zusätzlichen Ansatz der GOÄ-Nr. 706 (analog) abgebildet werden. Vielmehr stellt dies eine unselbstständige Teilleistung der eigentlichen Operation gemäß § 4 Abs. 2a GOÄ dar. Eine analoge Anwendung kommt gegebenenfalls dann in Betracht, wenn eine in der Leistungslegende genannte Indikation („zur Beseitigung von Stenosen oder zur Blutstillung“) nicht zutrifft und dennoch ein Lasereinsatz erforderlich ist (Brück, Gebührenordnung für Ärzte, 38. Egl., Bd. 1, Anm. 1 und 2 zu GOÄ-Nr. 706). Hier fehlt es jedoch nicht an einer Indikation, sondern am Einsatz eines Lasers. Dementsprechend kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es keine Rolle spiele, dass die Blutstillung als zu erreichendes Ziel nicht mit einer Licht/Laserkoagulation erfolgt sei.
2. Die Ersetzung der GOÄ-Nr. 2103 durch die GOÄ-Nr. 2064 erfolgte zurecht. Abgerechnet wurde die Kapsultomie des Schultergelenks bei Schulterteilsteife inklusive Resektion des RM Intervalls mit dem Ziel der Gelenkmobilisation und rascheren Wiederherstellung des vollen Bewegungsumfangs.
Die GOÄ-Nr. 2103 ist nach der Leistungslegende für eine Muskelentspannungsoperation am Hüftgelenk – gegebenenfalls einschließlich Abtragung oder Verpflanzung von Sehnenansatzstellen am Knochen – vorgesehen. Die GOÄ-Nr. 2064 beinhaltet eine Sehnen-, Faszien- oder Muskelverlängerung oder plastische Ausschneidung.
Der Anwendungsbereich der GOÄ-Nr. 2103 ist nicht eröffnet. Schon aus der Rechnung ergibt sich ohne Weiteres, dass keine Operation im Bereich des Hüftgelenks stattgefunden hat. Vielmehr wurde eine Operation im Schulterbereich durchgeführt.
Weiterhin führt der Gutachter hierzu überzeugend (vgl. Rn. 39 ff.) aus, dass die Abrechnungsstelle selbst bestätigt, dass keinerlei Maßnahmen im Bereich der Muskulatur stattgefunden hat. Vielmehr fand lediglich eine Durchtrennung oder plastisches Ausschneiden der Kapsel statt. Dafür kann nach gutachterlicher Stellungnahme maximal die GOÄ-Nr. 2064 angesetzt werden. Dieser Feststellung wurde vom Kläger nicht widersprochen.
Der Kläger dringt auch mit seinem pauschalen Verweis auf das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 1. Dezember 2011 (Az. 3 S 306/10, http://files.vogel.de/iww/iww/quellenmaterial/dokumente/120581.pdf, zuletzt abgerufen am 26.5.21) nicht durch. Zwar wird die GOÄ-Nr. 2103 in dem Urteil angesprochen, allerdings beschränkt sich dieses auf die Feststellung, dass die Abrechnung nicht gegen das Zielleistungsprinzip bei abgerechneter Arthroplastik nach GOÄ-Nr. 2137 verstoße. Hier geht es um die Frage, dass anstelle der GOÄ-Nr. 2103 die GOÄ-Nr. 2064 anerkannt wird. In diesem Zusammenhang ist überdies anzumerken, dass in der streitgegenständlichen Rechnung nicht die GOÄ-Nr. 2137 in direkter, sondern analoger Anwendung abgerechnet wurde. Eine Übertragbarkeit ist damit nicht in jedem Fall möglich.
3. Die einfache Streichung der doppelt in Ansatz gebrachten GOÄ-Nr. 2405 erfolgte zurecht.
Diese kann nach der Leistungslegende für die Entfernung eines Schleimbeutels abgerechnet werden. Im Zusammenhang mit anderen operativen Eingriffen im gleichen Gebiet ist die Entfernung eines Schleimbeutels (Bursektomie) nur berechnungsfähig, wenn eine eigenständige Indikation für die Entfernung vorliegt. Der geringere Aufwand für Zugang und Wundverschluss ist dann bei der Wahl des Steigerungsfaktors zu berücksichtigen (Brück, Gebührenordnung für Ärzte, 38. Egl., Bd. 2, Anm. zu GOÄ-Nr. 2405).
In der Rechnung wird der zweifache Ansatz für die Entfernung sowohl subacromial als auch subdeltoidal begründet. Bei der Bursa subacromialis und der Bursa subdeltoidea handelt es sich um zwei Schleimbeutel (https://flexikon.doccheck.com/de/Subakromiales_Nebengelenk, zuletzt abgerufen am 26.5.2021).
Nach dem oben Gesagten kommt es nicht darauf an, ob die Bursektomie ein operativer Teilschritt der Gesamtleistung ist, sondern vielmehr, ob eine eigenständige Indikation für die jeweilige Entfernung vorliegt. Der Gutachter führt in seinem Gutachten (vgl. Rn. 39 ff.) hierzu aus, dass die Entfernung der Schleimbeutel in einem Arbeitsvorgang stattfinden und eine sichere intraoperative Trennung nicht möglich ist. Dem hält die Abrechnungsstelle zwar entgegen, dass es eine eigenständige medizinische Indikation zur Bursektomie gegeben habe und der behandelnde Arzt ausrichten lasse, dass man eine subacromiale Bursektomie durchführen könne und die komplette subdeltoide Bursa belassen könne. Allerdings kommt der Gutachter nach Vorlage der intraoperativen Bilddokumentation zu dem Ergebnis, dass die mehrfache Durchführung einer Bursektomie nicht nachweisbar ist. In seinem Gutachten vom … 2018 nach Vorlage der Arztberichte und eines MRT des Klägers führt der Gutachter aus, dass der Nachweis einer Bursitis subacromialis nicht zu führen ist. Aus dem vorgelegten Bildmaterial ergibt sich weder die separate Anlage mehrerer Schleimbeutel noch deren Entzündungszustand.
Nach diesen Ausführungen scheidet eine zweifache Erstattung der GOÄ-Nr. 2405 schon deshalb aus, da nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters der Nachweis einer Bursitis subacromialis und der Entzündungszustand mehrerer Schleimbeutel nicht erbracht werden konnte. Dies wäre aber nach oben Gesamtem jeweils als Indikation notwendige Voraussetzung für eine gesonderte Berechnung im Zusammenhang mit einem anderen operativen Eingriff im gleichen Gebiet.
Da die zweifache Abrechnung schon aus diesem Grund gegen die Abrechnungsbestimmungen der GOÄ verstößt, kann dahinstehen, ob eine zweifache Abrechnung der GOÄ-Nr. 2405 bei einer Bursitis subacromialis und einer Bursitis subdeltoidea möglich wäre (vgl. zur Anerkennung der dreifachen Abrechnung der GOÄ-Nr. 2405 bei ausgeprägter Bursitis subacromialis, subdeltoidea und subcoracoidea, ausgedehnte Bursektomie aller drei Bursen VG Stuttgart, U.v. 22.7.2015 – 12 K 3992/13- juris Rn. 27).
Der Kläger dringt auch mit seinem pauschalen Verweis auf das Urteil des Landgerichts Freiburg (vgl. Rn. 47) nicht durch. Zwar wird die GOÄ-Nr. 2405 in dem Urteil angesprochen, allerdings beschränkt sich dieses auf Feststellungen zum Zielleistungsprinzip. Die streitgegenständliche GOÄ-Nr. 2405 wurde aber mit anderer Begründung gestrichen.
4. Die Streichung der GOÄ-Nr. 2076 erfolgte zurecht. Abgerechnet wurde ein Debridement und Glättung der bursaseitigen Aufrauhungen und Auffaserungen der Rotatorenmanschette (SSP) bis zum Erhalt eines stabilen Sehnenrandes bzw. stabilen Sehnen-Knochen-Übergangs begründet.
Nach der Leistungslegende ist die GOÄ-Nr. 2076 für eine operative Lösung von Verwachsungen um eine Sehne als selbstständige Leistung abrechenbar. Dies wird auch als Tendolyse bezeichnet (Brück, Gebührenordnung für Ärzte, 38. Egl., Bd. 2, Anm. zu GOÄ-Nr. 2076).
Im eingeholten Gutachten (vgl. Rn. 39 ff.) wird zu dieser Abrechnung ausgeführt, dass nach kompletter subacromialer Dekompression und Bursektomie die Oberfläche der Rotatorenmanschette vollständig frei liegt. Nach Vorlage der intraoperativen Bilder kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass keinerlei weitere Vernarbungen oder Verwachsungen mehr zu erkennen waren. Eine Abrechnung der GOÄ-Nr. 2076 scheidet demnach aus.
Auch die nachgeholte Begründung der Abrechnungsstelle, dass man mit der GOÄ-Nr. 2076 ein Debridement und ausführliche Tendolyse von Sehnen der intraartikulären Rotatorenmanschette mit dem Ziel einer schnelleren und spannungsärmeren und damit schmerzfreieren postoperativen Mobilisation sowie Reduktion der Rerupturgefahr abgerechnet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie der Leistungslegende der GOÄ-Nr. 2076 eindeutig zu entnehmen ist, muss die Tendolyse als selbstständige Leistung erbracht werden.
Hiermit wird auf das nach § 4 Abs. 2a GOÄ geltende Zielleistungsprinzip hingewiesen. Nach dieser Bestimmung kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt nach § 4 Abs. 2a Satz 2 GOÄ auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. In den dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) des Gebührenverzeichnisses vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen werden Inhalt und Tragweite dieses als Zielleistungsprinzip bezeichneten Grundsatzes näher verdeutlicht, wenn es dort heißt, dass zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich sind und dass diese Einzelschritte, soweit sie methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind, nicht gesondert berechnet werden können. Der Bestimmung des § 4 Abs. 2a Satz 1 GOÄ kommt eine klare abrechnungstechnische Bedeutung zu, die unmittelbar einleuchtet: Der Arzt darf ein und dieselbe Leistung, die zugleich Bestandteil einer von ihm gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abrechnen. Daraus folgt zugleich die Selbstverständlichkeit, dass Leistungen, die nicht Bestandteil einer anderen abgerechneten Leistung sind, abrechenbar sind, soweit es sich um selbstständige Leistungen handelt (BGH, U.v. 5.6.2008 – III ZR 239/07 – juris Rn. 6).
Die Abrechnungsstelle führt selbst aus, dass die Sehnenmobilisation bei ausgedehnten und älteren 3-Sehnen-Rupturen mit erheblichen Vernarbungen und Retraktion der Sehnenstümpfe fundamentaler Bestandteil für ein erfolgreiches Gelingen der Operation ist. Sie bringt hiermit zum Ausdruck, dass die operative Lösung von Verwachsungen der Akromioplastik dient. Ohne die Akromioplastik als Zielleistung wäre die Tendolyse nicht erbracht worden. Die Leistung der GOÄ-Nr. 2076 geht daher in der GOÄ-Nr. 2137a, die für die Akromioplastik abgerechnet und anerkannt wurde, vollständig auf. Eine selbstständige Leistung, wie sie die Leistungslegender der GOÄ-Nr. 2076 vorsieht, liegt nicht vor. Dabei ist es unerheblich, dass die Sehnenmobilisation nach den Ausführungen der Abrechnungsstelle zeitaufwendiger ist, als die eigentliche Rotatorenmanschettennaht.
Auch das von der Beklagten eingeholte Gutachten (vgl. Rn. 39 ff.) kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Tendolyse um eine unselbstständige Leistung handelt. Eine Refixation der Rotatorenmanschette als Zielleistung ist demnach in aller Regel ohne deren vorherigen Mobilisation nicht zu erbringen, da es nach der Ruptur zu einer Verkürzung derselben kommt.
Der Kläger kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom … 2015 (Az. 12 K 3992/13) berufen, da die GOÄ-Nr. 2076 nicht Gegenstand dieser Entscheidung war. Im Übrigen ging es in dieser Entscheidung darum, dass die GOÄ-Nr. 2137 lediglich Eingriffe im knöchernen Bereich des Gelenks erfasst, aber keine anderen Pathologien. Sie kommt demnach nur dann zum Tragen, wenn tatsächlich eine Arthroplastik durchgeführt wurde (vgl. VG Stuttgart, U.v. 22.7.2015 – 12 K 3992/13- juris Rn. 25). Abgesehen davon, dass hier die GOÄ-Nr. 2137a von der Abrechnungsstelle selbst herangezogen wurde, erfolgte dies in analoger Anwendung für eine Akromioplastik. Es geht vorliegend auch nicht um die Frage, ob beim Kläger auch andere Pathologien vorgelegen haben. Entscheidend ist vielmehr, wie unter Rn. 60 f. ausgeführt, dass die Lösung von Vernarbungen hier nicht als selbstständige Leistung erbracht wurde.
Der Kläger dringt auch mit seinem pauschalen Verweis auf das Urteil des Landgerichts Freiburg (vgl. Rn. 47) nicht durch. Zwar wird die GOÄ-Nr. 2076 im Zusammenhang mit dem Zielleistungsprinzip beleuchtet. Jedoch geht aus der Entscheidung zum einen nicht hervor, für welche Leistung diese berechnet wird. Zum anderen verhält sich dieses zur Zielleistung GOÄ-Nr. 2137, Arthroplastik, während streitgegenständlich die GOÄ-Nr. 2137a Zielleistung ist.
5. Die Streichung der GOÄ-Nr. 2072 erfolgte zurecht. Abgerechnet wurde die Durchschneidung bzw. Ablösung des Ligamentum coracoacromiale.
Nach der Leistungslegende kann die GOÄ-Nr. 2072 für eine offene Sehnen- oder Muskeldurchschneidung angesetzt werden. Die GOÄ-Nr. 2072 ist nur als Zielleistung berechnungsfähig (Brück, Gebührenordnung für Ärzte, 38. Egl., Bd. 2, Anm. zu GOÄ-Nr. 2072).
Der Ansatz der GOÄ-Nr. 2072 für die Durchschneidung bzw. Ablösung des Ligamentum coracoacromiale verstößt gegen das Zielleistungsprinzip, § 4 Abs. 2a GOÄ (vgl. Rn. 59). Zielleistung ist hier die nach GOÄ-Nr. 2137a abgerechnete und anerkannte Leistung. Den Ausführungen des Gutachters (vgl. Rn. Xx), dass die Durchtrennung des Ligamentum coracoacromiale fester Bestandteil der subacromialen Dekompression ist, wird seitens des Klägers bzw. der Abrechnungsstelle nicht widersprochen.
Auch insofern führt das vom Kläger, pauschal, angeführte Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom … 2015 zu keinem anderen Ergebnis (vgl. Rn. 62).
6. Die Ersetzung der GOÄ-Nr. 2123 durch die GOÄ-Nr. 2134a erfolgte zurecht. Abgerechnet wurde die Resektion der lateralen Clavicula mit zusätzlichem Abrunden der Resektionsränder mit der Kugelfräse und inklusive Entfernung des kaudalseitigen Osteophyten an der distalen Clavicula nach vorgängigem Weichteildebridement mit Entfernung des Diskurs.
Die GOÄ-Nr. 2123 ist nach der Leistungslegende für die Resektion, also die operative Entfernung, eines Kiefer-, Hand- oder Fußgelenks vorgesehen. Die GOÄ-Nr. 2134 erfasst in direkter Anwendung die Arthroplastik eines Finger- oder Zehengelenks.
Eine direkte Anwendung der GOÄ-Nr. 2123 scheidet schon deshalb aus, weil mit der Clavicula das Schlüsselbein und kein Kiefer-, Hand- oder Fußgelenk adressiert wurde.
Da die Resektion der lateralen Clavicula als kleiner Röhrenknochen nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters (vgl. Rn. 39 ff.) nicht mit der Resektion eines Hand- oder Fußgelenks vergleichbar ist, kommt auch eine analoge Anwendung nicht in Betracht. Der Gutachter kommt vielmehr zu der Empfehlung, dass hierfür die GOÄ-Nr. 2134a abzurechnen ist. Die Entgegnung des Klägers bzw. der Abrechnungsstelle, dass ein Finger- oder Zehengelenk mit dem Schultergelenk nicht zu vergleichen sei, stellt die Ausführungen nicht substantiiert in Abrede, sondern stellt nur eine pauschale Behauptung dar. Insbesondere führt sie nichts dazu aus, dass der Gutachter die Resektion der lateralen Clavicula vom Aufwand und den Größenverhältnissen her als mit der Resektionsarthroplastik des Großzehengrundgelenks vergleichbar ansieht.
Der Kläger dringt auch mit seinem pauschalen Verweis auf das Urteil des Landgerichts Freiburg (vgl. Rn. 47) nicht durch. Zwar wird die GOÄ-Nr. 2123 in dem Urteil angesprochen, allerdings beschränkt sich dieses auf Feststellungen zum Zielleistungsprinzip. Die streitgegenständliche GOÄ-Nr. 2123 wurde aber mit anderer Begründung gestrichen und durch die GOÄ-Nr. 2134a ersetzt.
7. Schließlich erfolgte die Ersetzung der GOÄ-Nr. 800 durch die GOÄ-Nr. 5 zurecht. Abgerechnet wurde ausweislich der Rechnung eine eingehende neurologische Untersuchung mit Prüfung der Motorik, Sensibilität, Kraft und Koordination bei Nervenblock.
Die GOÄ-Nr. 800 ist nach der Leistungslegende eine eingehende neurologische Untersuchung – gegebenenfalls einschließlich der Untersuchung des Augenhintergrundes. Die GOÄ-Nr. 5 hat eine symptombezogene Untersuchung zum Gegenstand.
Die Grenze zwischen der symptombezogenen neurologischen Untersuchung nach GOÄ-Nr. 5 und der eingehenden neurologischen Untersuchung nach GOÄ-Nr. 800 liegt im Wesentlichen darin, dass sich die eingehende neurologische Untersuchung zumeist auf alle neurologischen Untersuchungsbereiche (Hirnvenen, Reflexe, Motorik, Sensibilität, Koordination, extrapyramidales System, Vegetativum, hirnversorgende Gefäße) bezieht (Brück, Gebührenordnung für Ärzte, 38. Egl., Bd. 1, Anm. 2 zu GOÄ-Nr. 800).
Der Ausführung der Abrechnungsstelle, dass die GOÄ-Nr. 5 keine symptombezogene neurologische Untersuchung darstellt, kann aus diesem Grund nicht gefolgt werden. Sie beruft sich in ihrer Stellungnahme vom … 2017 darauf, dass die Motorik, Sensibilität und Kraft an der operierten Extremität und damit drei erforderliche Teilbereiche untersucht worden seien.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass sich die neurologische Untersuchung auf drei neurologische Untersuchungsbereiche erstreckte, ist die GOÄ-Nr. 800 hier nicht abrechenbar. Es kann dabei dahinstehen, ob eine Auslegung dahin, dass die Untersuchung dreier neurologischer Untersuchungsbereiche genügt, möglich ist (vgl. zu dieser Auslegung Pieritz, Deutsches Ärzteblatt, 2007, A-2904 [https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=57325, zuletzt abgerufen am 26.5.21]; der niedergelassene Arzt, 12/2016, S. 43 [https://www.virchowbund.de/uploads/files/nila_12-2016_goae.pdf, zuletzt abgerufen am 26.5.21]). Jedenfalls verlangt der Begriff „eingehend“, dass die Untersuchung im jeweiligen Teilbereich mehr als „orientierend“ ist (der niedergelassene Arzt, 12/2016, S. 43).
Dessen ungeachtet muss die Untersuchung medizinisch notwendig sein, vgl. § 1 Abs. 2 GOÄ, § 6 Abs. 1 BBhV. Dies stellt der Gutachter mit Gutachten vom … 2017 in Frage, wenn er ausführt, dass nicht ersichtlich ist, wieso bei einem Patienten bei offensichtlichem postoperativen Beschwerdebild eine eingehende Untersuchung durchgeführt werden musste. Der Ausschluss postoperativer Nervenläsionen sowie die Prüfung von Durchblutung, Motorik und Sensibilität entspricht nach dem Gutachter dem Untersuchungsumfang der GOÄ-Nr. 5. Dem setzt die Abrechnungsstelle nichts entgegen. Wenn sie in ihrer zeitlich vorgelagerten Stellungnahme vom … 2017 darauf hinweist, dass die Operateure des Orthopädischen Fachzentrums, in dem auch der Kläger operiert wurde, nach einer derartigen Operation stets die Motorik, die Sensibilität und die Kraft an der operierten Extremität prüften, deutet dies nicht darauf hin, dass beim Kläger ein besonderes postoperatives Beschwerdebild vorgelegen hat, sondern es sich hierbei vielmehr um eine Standard-Prozedur handelt.
IV.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben