Medizinrecht

Belegärztliche Zulassung an Patientenversorgung orientiert

Aktenzeichen  S 38 KA 531/17

Datum:
2.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 43197
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 103 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Bedarfsgesichtspunkte spielen bei der Belegarztzulassung nach § 103 Abs. 7 SGB V keine Rolle. (Rn. 15)
2. Für das Vorliegen einer Rechtsmissbräuchlichkeit eines Antrages auf Belegarztzulassung nach § 103 Abs. 7 SGB V bedarf es konkreter Anhaltspunkte. Eine nur auf Mutmaßungen und bloßen Annahmen gestützte Rechtsmissbräuchlichkeit reicht nicht aus. (Rn. 15)
3. Es ist legitim und mit § 103 Abs. 7 SGB V vereinbar, dass der Klinikträger seine Ausschreibung auf diejenigen Bewerber begrenzt, die seinen Erfordernissen und Vorstellungen am ehesten gerecht werden. Letztendlich handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung. (Rn. 17)
4. Wenn ein Bewerber offensichtlich nicht dem Anforderungsprofil, soweit es zulässig ist, entspricht, erübrigt es sich, mit ihm in weitere ernsthafte Verhandlungen einzutreten. (Rn. 18)
5. Bei der Frage, ab welcher Belegbettenzahl von einer ernsthaften belegärztlichen Tätigkeit gesprochen werden kann, kommt es auf das jeweilige Fachgebiet, aber auch auf die konkrete belegärztliche Tätigkeit an. (Rn. 21)
6. Je geringer die Anzahl von Belegbetten ist und zugleich unter zehn Betten liegt, umso mehr ergibt sich die Notwendigkeit, die Ernsthaftigkeit der belegärztlichen Tätigkeit zu hinterfragen und eine eingehendere Prüfung vorzunehmen. (Rn. 21)
7. Vor dem Hintergrund, weitere Zulassungen in überversorgten und gesperrten Planungsbereichen zu vermeiden, drängt es sich auf, zunächst zu eruieren, ob die Ausweitung der belegärztlichen Tätigkeit nicht durch bereits zugelassene Belegärzte erfolgen kann. Dies setzt jedoch deren Bereitschaft voraus, sowie, dass deren Leistungsspektrum im Wesentlichen mit dem Anforderungsprofil identisch ist. (Rn. 22 – 23)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die beim Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als nicht begründet. Der Bescheid des beklagten Berufungsausschusses ist als rechtmäßig anzusehen. Er entspricht auch den Anforderungen, die das Sozialgericht München in seinem Beschluss vom 8.2.2017 (Az S 21 KA 724/16 ER) als für die Rechtmäßigkeit einer Belegarztzulassung nach § 103 Abs. 7 SGB V wesentlich angesehen hat.
Rechtsgrundlage für die Belegarztzulassung ist § 103 Abs. 7 SGB V. Danach ist Voraussetzung eine Ausschreibung der Belegarztstelle durch den Krankenhausträger und das Zustandekommen eines Belegarztvertrages mit einem nicht niedergelassenen geeigneten Arzt, soweit ein Belegarztvertrag mit einem im Planungsbereich niedergelassen Vertragsarzt nicht zu Stande kam. Der Belegarzt erhält eine auf die Dauer der belegärztlichen Tätigkeit beschränkte Zulassung. Diese Beschränkung entfällt mit Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 3 SGB V, spätestens nach Ablauf von zehn Jahren. Bei der Belegarztzulassung nach § 103 Abs. 7 SGB V handelt es sich um eine Zulassung, die auch in überversorgten und deswegen nach § 103 Abs. 1 SGB V gesperrten Gebieten möglich ist. Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, die belegärztliche Tätigkeit im Interesse der Patientenversorgung zu fördern und eine bessere Verknüpfung der ambulanten mit der stationären Versorgung zu erreichen. Abweichend von den Sonderbedarfszulassungen, die ebenfalls trotz einer Überversorgung in einem gesperrten Gebiet unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen sind, wenn ein lokaler Sonderbedarf oder ein qualitätsbezogener Sonderbedarf besteht (§§ 36,37 Bedarfsplanungs-Rili), ist die Belegarztzulassung von Bedarfsgesichtspunkten unabhängig. Trotzdem darf der Abschluss eines Belegarztvertrages mit dem Krankenhausträger nicht lediglich pro forma sein und letztendlich dazu dienen, Zulassungsbeschränkungen zu umgehen sowie eine Belegarztzulassung und nach Ablauf von 10 Jahren eine unbeschränkte Zulassung nach § 103 Abs. 7 S. 3 SGB V zu erhalten. Derartiges wäre mit Sinn und Zweck der Vorschrift des § 103 Abs. 7 SGB V nicht zu vereinbaren und rechtsmissbräuchlich. Für das Vorliegen einer Rechtsmissbräuchlichkeit eines Antrages auf Belegarztzulassung nach § 103 Abs. 7 SGB V bedarf es konkreter Anhaltspunkte. Eine nur auf Mutmaßungen und bloßen Annahmen gestützte Rechtsmissbräuchlichkeit reicht nicht aus.
Zunächst drängt sich angesichts der Argumentation der Klägerin der Eindruck auf, dass diese bei dem hohen Versorgungsgrad von 230,7% (Stand: 10.08.2017) keinen Raum mehr für eine zusätzliche Belegarztzulassung sieht. Mit diesem Hinweis spricht die Klägerin aber Bedarfsgesichtspunkte im ambulanten Bereich an, die gerade bei der Belegarztzulassung keine Rolle spielen.
Nachdem die Ausschreibung durch den Klinikträger sogar im Bayerischen Staatsanzeiger am 12.2.2016 erfolgte, obwohl eine Verpflichtung zu einer förmlichen Ausschreibung nicht bestand (BSG, Urteil vom 02.09.2009, Az B 6 KA 27/08 R), ist diese als ordnungsgemäß anzusehen. Auch der Inhalt der Ausschreibung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klinikträger hat in der Ausschreibung ein Anforderungsprofil vorgegeben. Gesucht wurde ein Bewerber mit Erfahrungen im gesamten Spektrum der interventiontionellen Kardiologie. Der Inhalt der Ausschreibung ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil er ein Anforderungsprofil enthielt. Es ist legitim und mit § 103 Abs. 7 SGB V vereinbar, dass der Klinikträger seine Ausschreibung auf diejenigen Bewerber begrenzt, die seinen Erfordernissen und Vorstellungen am ehesten gerecht werden. Insofern ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Klinikträger dabei an der Ausrichtung der Klinik orientiert, auch berücksichtigt, welche Strukturen seine Klinik in Zukunft aufweisen soll. Letztendlich handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung. Gerade Belegkliniken „leben“ davon, Leistungen anzubieten, die nicht oder nicht in dem Umfang von anderen Leistungserbringern angeboten werden. Der Klinikträger muss sich im Wettbewerb mit anderen Belegkliniken messen, aber auch im Wettbewerb mit Kliniken, in denen Hauptabteilungen geführt werden. Der Klinikträger hat hier ein Interesse an der Ausweitung der interventionellen Kardiologie bekundet. Dies wird auch darin deutlich, dass im Jahr 2014 ein zweites Herzkatheterlabor angeschafft wurde mit der damit verbundenen Möglichkeit, die Leistungen in diesem Bereich auszudehnen. Es handelt sich um ein „transparentes, allen Bewerbern gegenüber gleiches Anforderungsprofil der konkreten belegärztlichen Tätigkeiten in qualitativer wie quantitativer Hinsicht“. Außerdem ist es nicht so speziell, dass es nur von einer Person, nämlich dem vom Klinikträger favorisierten Bewerber erfüllt werden kann (BSG, Urteil vom 02.09.2009, Az B 6 KA 27/08 R).
Nachdem die beiden Bewerber Dr. S. und Dr. O. nicht über die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung invasiver kardiologischer Leistungen nach der Vereinbarung zur invasiven Kardiologie gemäß § 135 Abs. 2 SGB V verfügten, ging der Klinikträger zu Recht davon aus, dass diese das Anforderungsprofil in der Ausschreibung nicht erfüllten und deshalb als nicht geeignet anzusehen waren. Wenn ein Bewerber offensichtlich nicht dem Anforderungsprofil, soweit es zulässig ist, entspricht, erübrigt es sich, mit ihm in weitere ernsthafte Verhandlungen einzutreten.
Nachvollziehbar ist deshalb, dass mit den Bewerbern kein Belegarztvertrag zu Stande kam, sondern letztendlich mit dem Beigeladenen zu 1, der dem Anforderungsprofil entsprach.
Ebenfalls ist aus dem Umstand, dass im Belegarztvertrag die Bettenzahl auf „bis zu fünf Betten“ beschränkt war, nicht zu folgern, dass eine Rechtsmissbräuchlichkeit vorliegt. Das Bundessozialgericht hat zwar in seiner Entscheidung vom 14.03.2001 (BSGE 88,6 = SozR 3-2500 § 103 Nr. 6) ausgeführt, es sei „bei zehn verfügbaren Belegbetten jedenfalls an einer ernsthaft beabsichtigten Ausübung der belegärztlichen Tätigkeit nicht zu zweifeln“, ohne aber eine starre Untergrenze festzulegen. Je geringer die Anzahl von Belegbetten ist und zugleich unter zehn Betten liegt, umso mehr ergibt sich allerdings die Notwendigkeit, die Ernsthaftigkeit der belegärztlichen Tätigkeit zu hinterfragen und eine eingehendere Prüfung vorzunehmen.
Der Belegarztvertrag sieht zwar nur eine Bettenanzahl „bis zu 5 Betten“ vor. Bei der Frage, ab welcher Belegbetten Zahl von einer ernsthaften belegärztlichen Tätigkeit gesprochen werden kann, kommt es auf das jeweilige Fachgebiet an, aber auch auf die konkrete belegärztliche Tätigkeit. Während in nichtoperativen Fächern grundsätzlich eine höhere Belegbettenzahl neben der ambulanten Tätigkeit leistbar erscheint, wird in operativen Fächern von einer niedrigen Belegbettenzahl auszugehen sein. Nach den Angaben des beklagten Berufungsausschusses liegt der Durchschnitt der belegärztlich tätigen Kardiologen bei 7,5 Belegbetten. Der Beigeladene zu 1 liegt somit zumindest prozentual erheblich darunter. Allerdings halten von den 49 Belegern im Bereich der Kardiologie immerhin 15 weniger als fünf Belegbetten vor, so dass die im Belegarztvertrag vorgesehene Bettenzahl nicht außergewöhnlich ist. Hinzu kommt, dass die Durchschnittszahl von 7,5 Belegbetten im Bereich der Kardiologie nur bedingt aussagekräftig ist. Denn eine Bettenzahl für ausschließlich interventionell tätige Kardiologen gibt es nicht, wie von der Klägerin eingeräumt wird. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die interventionelle Kardiologie mit den dort stattfindenden Eingriffen, insbesondere den vom Beigeladenen zu 1 beabsichtigten Leistungen eine umfangreichere belegärztliche Tätigkeit nicht zulässt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach § 39 BMV-Ä die stationäre Tätigkeit des Vertragsarztes nicht das Schwergewicht der Gesamttätigkeit des Vertragsarztes bilden darf und er in besonderem Maße der ambulanten Versorgung zur Verfügung stehen muss.
Soweit von der Klägerseite der Vorwurf in den Raum gestellt wird, der Krankenhausträger habe nicht dargelegt bzw. der Beklagte habe nicht ausreichend ermittelt, aus welchen Gründen ein weiterer Belegarzt eingebunden werden solle und warum diese Leistungen nicht von den bereits am Krankenhaus tätigen Belegärzte erbracht werden könnten, vermag dieses Argument nicht zu überzeugen. Hierfür gibt es sowohl tatsächliche, als auch rechtliche Gründe. Vor dem Hintergrund, weitere Zulassungen in überversorgten und gesperrten Planungsbereichen zu vermeiden, drängt es sich auf, zunächst zu eruieren, ob die Ausweitung der belegärztlichen Tätigkeit nicht durch bereits zugelassene Belegärzte erfolgen kann. Dies setzt jedoch deren Bereitschaft voraus, sowie, dass der Leistungsspektrum im Wesentlichen mit dem Anforderungsprofil identisch ist.
Der Klinikträger hat aber in seinem Schreiben vom 31.5.2007 vor der Sitzung des Berufungsausschusses ausgeführt, die bereits zugelassenen Belegärzte seien nicht bereit, zusätzliche Belegbetten zu übernehmen. Im Übrigen zeigt die Gesamtschau der Fallzahlen der Beleger im stationären und ambulanten Bereich, dass diese kaum oder keine freie Kapazitäten besitzen, die Zahl der Belegbetten zu erhöhen, ohne auf der anderen Seite ihre ambulante vertragsärztliche Tätigkeit einschränken zu müssen. Insofern ist die Mitteilung des Klinikträgers durchaus als plausibel zu bezeichnen. Daran ändert auch der Hinweis der Beigeladenen zu 3 nichts, es würden die niedrigen Fallzahlen im stationären Bereich bei den Belegärzten Dr. A. und Dr. v.Z. auffallen. Denn Dr. A. ist – wie der Beigeladene zu 1 mitgeteilt hat – nicht invasiv tätig, so dass er insoweit auch dem Anforderungsprofil in der konkreten Ausschreibung nicht entspricht. Der Belegarzt Dr. v. Z. ist seit 30.6.2018 nicht mehr belegärztlich tätig, so dass eine Ausweitung seiner Belegbetten nicht möglich ist. Zudem hat die mündliche Verhandlung am 2.10.2018 gezeigt, dass der Beigeladene zu 1 aufgrund seiner fachlichen Kompetenz das Spektrum der invasiven Kardiologie umfangreich abdeckt. Zwar sind die meisten Belegärzte am D. auch interventionell kardiologisch tätig, jedoch nur in ihren Spezialgebieten, so beispielsweise bei der Vornahme von Herzkatheteruntersuchungen (PTCA). Der Beigeladene zu 1 ist auch in der Lage, Vorhofverschlüsse zu beseitigen und Vorhofohren zu verschließen. Diesbezüglich handelt es sich um Leistungen, die von den anderen Belegärzten nicht angeboten werden. Es kann daher keine Rede davon sein, die bereits zugelassenen Belegärzte könnten diese Leistungen ohne weiteres erbringen. Abgesehen davon ergibt sich auch hier das rechtliche Problem im Hinblick auf die Vorschrift des § 39 BMV-Ä, nämlich, dass die stationäre Tätigkeit des Vertragsarztes nicht das Schwergewicht der Gesamttätigkeit des Vertragsarztes bilden darf und er in besonderem Maße der ambulanten Versorgung zur Verfügung stehen muss.
Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass einer der Belegärzte (Dr. v.Z.) über keine belegärztliche Zulassung mehr verfügt.
Insgesamt gibt es keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass im Zusammenwirken mit dem Klinikträger eine ernsthafte gelebte belegärztliche Tätigkeit nicht beabsichtigt ist und nur der Versuch unternommen wird, auf diesem Weg eine Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu erhalten.
Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.Vm. § 154 VwGO.


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