Medizinrecht

Coronapandemie; Geltungsdauer des sog. Genesenensachweises

Aktenzeichen  3 EO 673/21

Datum:
28.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2021:1228.3EO673.21.00
Normen:
Art 3 GG
§ 28b IfSG
§ 2 Abs 2 Nr 13 CoronaVInfSchV TH
Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Ein Anspruch auf Erteilung eines unbefristeten Genesenennachweises vermittelt weder die Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung (juris: CoronaVInfSchV TH) noch ergibt sich ein solcher zwingend aus Art. 3 GG.(Rn.4)
2. Selbst wenn die unterschiedliche Geltungsdauer des Nachweises für Genesene und Geimpfte sachlich nicht zu rechtfertigen wäre, würde dies dem Verordnungsgeber dann erneut einen Entscheidungsspielraum eröffnen, den betreffenden Gleichheitsverstoß zu beseitigen.(Rn.6)





Verfahrensgang

vorgehend VG Gera 3. Kammer, 12. Oktober 2021, 3 E 1002/21 Ge, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera vom 12. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde, mit dem der Antragsteller seinen erstinstanzlich gestellten Antrag weiter verfolgt, nämlich den Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm zu bescheinigen, dass er bis auf weiteres als “genesene Person“ gilt, hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist zwar zulässig, jedoch zeigen die Erwägungen des Antragstellers – nur diese sind Gegenstand der Prüfung im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) – im Ergebnis keine Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts auf.
Ein Anordnungsgrund für das Begehren des Antragstellers ist nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht führt dazu zutreffend aus, dass wegen der in dem Begehren liegenden Vorwegnahme der Hauptsache es einer ganz überwiegenden Wahrscheinlichkeit bedarf, dass dem Antragsteller ein solcher Anspruch zukommt und ihn bei Nichterfüllung dieses Anspruchs im Eilverfahren schwere, unzumutbare und anders nicht abwendbare Nachteile drohen.
Ungeachtet dessen, ob die nunmehr maßgebliche Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 13 der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 (Thür-SARS-CoV-2-IFS-MaßnVO), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 23. Dezember 2021, überhaupt einen Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises vermittelt, ist es danach ausgeschlossen, dass ein unbefristeter Nachweis über eine Genesung ausgestellt werden kann. Die Verordnung spricht unzweideutig davon, dass als genesene Personen diejenigen asymptomatischen Personen gelten, die mittels eines positiven PCR-Testergebnisses oder einer ärztlichen oder behördlichen Bescheinigung, welche sich auf eine mittels PCR-Test bestätigte durchgemachte Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 stützt, eine mindestens 28 Tage und nicht länger als sechs Monate zurückliegende Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachweisen können.
Insoweit ist auch zu beachten, dass die landesrechtliche Regelung auf der bundesrechtlichen Maßgabe des § 2 Nr. 4 und 5 der Covid-19-Schutzmaßnahme-Ausnahmeverordnung beruht. Beide Verordnungen sind inhaltlich identisch. Ferner liegt dem § 28 b Infektionsschutzgesetz in der zuletzt mit Gesetz vom 12. Dezember 2021 geänderten Fassung das Verständnis einer zeitlichen Befristung des Genesenennachweises zu Grunde, indem dieses Bundesgesetz auf die Bestimmung der Covid-19-Schutzmaßnahme-Ausnahmeverordnung verweist.
Soweit der Antragsteller im Wesentlichen einen Anordnungsanspruch aus Art. 3 Grundgesetz zugrunde legt, übersieht dies, dass selbst ein solcher Rechtsverstoß unterstellt, dem Verordnungsgeber dann erneut ein Entscheidungsspielraum eröffnet, den betreffenden Gleichheitsverstoß zu beseitigen. Dies würde vorliegend insbesondere nicht ausschließen, im Interesse des Infektionsschutzes und der Vermeidung weiterer Infektionen auch die Wirksamkeitsdauer von Impfnachweisen zu begrenzen, was in der politischen Diskussion derzeit erörtert wird (vgl. hierzu Vorschläge der EU-Kommission vom 25. November 2021 https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/coronavirus-response/safe-covid-19-vaccines-europeans/eu-digital-covid-certificate_de).
Jedenfalls hätte der Verordnungsgeber selbst über die Erweiterung des Kreises der Genesenen zu entscheiden. Dem Antragsgegner fehlt jedenfalls hierfür die Zuständigkeit. Auch kann sich das Verwaltungsgericht angesichts der Gestaltungsspielräume nicht an die Stelle des Verordnungsgebers setzen, jedenfalls dann nicht, wenn wie vorliegend, mehrere Handlungsoptionen bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1996 – 3 C 29.96 – juris Rn. 36).
Der Senat vermag im Übrigen nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Diskussion und der allein im summarischen Verfahren möglichen Tatsachenerkenntnis auch nicht zwingend die Rechtswidrigkeit der zeitlichen Beschränkung des Genesenennachweises zu erkennen. Insoweit nimmt der Senat zur Rechtfertigung dieser Begrenzung auf die Ausführungen des OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13. Oktober 2021 – 13 MN 422/21 – Bezug (juris Rn. 34 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 63 Abs. 2 S. 1 i. V. m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 GKG.
Hinweis:Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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