Medizinrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Gefahrenabwehr, Anordnung, Feststellung, Notlage, Erlass, Hauptsache, Antragsgegner, Erfolgsaussichten, Dauer, Polizei, Befreiung, Antragsteller, Verpflichtung, Neubewertung, einstweiligen Anordnung, Erlass einer einstweiligen Anordnung

Aktenzeichen  20 NE 21.1204

Datum:
6.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12824
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen §§ 1 Abs. 2 i.V.m. 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 (12. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 171), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Mai 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 307). Er ist der Auffassung, die Anordnung der Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske für die Zeitdauer des Einkaufens verletze ihn in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), weil die Masken aufgrund ihrer Inhaltsstoffe sowie aufgrund der eingeatmeten Fasern und des erhöhten Atemwiderstands gesundheitsgefährdend seien.
Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO erforderlichen Erfolgsaussichten (zum Maßstab siehe VGH München, B.v. 26.1.2021 – 20 NE 21.171 – BeckRS 2021, 796 Rn. 11 f.) eines in der Hauptsache noch zu erhebenden Normenkontrollantrags sind bei der nur möglichen, aber ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 14) voraussichtlich nicht gegeben.
1. Der Senat hat sich in dem vom Antragsteller zitierten Beschluss vom 26. Januar 2021 (20 NE 21.171 – BeckRS 2021, 796) sowie in den Beschlüssen vom 2. Februar 2021 (20 NE 21.195 – BeckRS 2021, 1836) und vom 9. Februar 2021 (20 NE 21.239 – BeckRS 2021, 1837), auf welche Bezug genommen wird, mit der Verpflichtung zum Tragen einer Maske in FFP2-Qualität befasst.
2. Die angegriffene Regelung steht mit der mit Gesetz vom 18. November 2020 in das IfSG eingefügten Vorschrift des § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG in Einklang. Damit steht gleichzeitig fest, dass sich die Anordnung zum Tragen einer MNB als Maßnahme der Gefahrenabwehr und -vorsorge für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite im Sinne des § 5 IfSG auch gegen Nichtstörer im Sinne des Polizei- und Gefahrenabwehrrechts richten kann (BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – BeckRS 2020, 34549 Rn. 22 ff.).
3. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG liegen immer noch vor. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 5. Mai 2021 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Mai_2021/2021-05-05-de.pdf? blob=publicationFile) sind anhaltend hohe Fallzahlen in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld sowie in Kitas und Horteinrichtungen. Die Inzidenz in Bayern betrug am 5. Mai 2021 131 Fälle von Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten sieben Tage. Wegen der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen sind nach §§ 28a Abs. 1 IfSG, 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen.
4. Dem Vorbringen des Antragstellers lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, die im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, §§ 1 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 12. BayIfSMV vorläufig außer Vollzug zu setzen, eine rechtliche Neubewertung der zur Überprüfung gestellten Normen der 12. BayIfSMV rechtfertigen könnten.
a. Aus öffentlich zugänglichen Quellen, insbesondere aus den Veröffentlichungen des nach § 4 Abs. 1 Satz 2 IfSG auch zur Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten berufenen Robert-Koch-Instituts, ergeben sich derzeit keine Hinweise, dass von nach der Verordnung (EU) 2016/425 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über persönliche Schutzausrüstungen und zur Aufhebung der RL 89/686/EWG des Rates zugelassenen Masken in FFP2-Qualität nicht hinnehmbare Gesundheitsgefahren ausgehen können (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Arbeitsschutz_Tab.html). Dasselbe gilt für die Informationen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und des ihr angeschlossenen Instituts für Arbeitsschutz (https://dguv.de/ifa/fachinfos/persoenliche-schutzausruestungen-(psa)/covid-19-und-psa/corona-psa-uebersicht/informationen-fuer-benutzer/index.jsp) und auch für die Einschätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutz-masken.html). Die von dem Antragsteller – überwiegend in englischer Sprache – als Anlagen AS9 und AS11 vorgelegten Untersuchungen sind nicht geeignet, Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von FFP2-Masken aufgrund einer Schadstoffbelastung oder der Aufnahme von Mikroplastik durch die Atemluft zu begründen. Die als Anlage AS9 vorgelegte Untersuchung befasst sich lediglich mit einem Einzelfall. Die als Anlage AS11 vorgelegte Untersuchung kommt selbst zu keinem abschließenden Ergebnis hinsichtlich des Bestehens einer Gesundheitsgefahr durch Abrieb von Mikroplastik an der Innenseite der Maske. Jedenfalls ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, die im Rahmen einer nur summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten eines noch zu erhebenden Normenkontrollantrags im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen schweren Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO mit der Folge der vorläufigen Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Normen begründen könnten.
b. Soweit der Antragsteller einen erhöhten Atemwiderstand beim Tragen einer FFP2-Maske feststellt, ist diese Feststellung als solche nicht geeignet, eine Gesundheitsgefährdung zu begründen, die der Antragsteller für seine Person im Übrigen auch nicht behauptet. Sollten gesundheitliche Gründe gegen die Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske vorliegen, so besteht nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV die Möglichkeit zu einer Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer solchen Maske.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Bestimmung mit Ablauf des 2. Juni 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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