Medizinrecht

Dauer des Tagegeldanspruchs in der privaten Unfallversicherung

Aktenzeichen  32 O 647/17

Datum:
13.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163040
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AUB 2008 Ziff. 2.5.2

 

Leitsatz

Der Anspruch auf Unfalltagegeld endet mit der letzten ärztlichen Behandlung auch dann, wenn eine ärztlich verordnete unfallbedingte Behandlungsmaßnahme (hier: Physiotherapie) noch andauert. (Rn. 18 – 22) (entgegen BGH BeckRS 2020, 31232) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9,70 € nebst Zinsen hieraus in Hohe von 5 %-Punkten über den Basiszinssatz seit 13.09.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 93,42 € zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger bzw. die Beklagte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckende Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.655,10 € festgesetzt.
Das am 13.12.2017 verkündete Endurteil wird in Ziffer 1 dahingehend berichtigt, dass die Datumsangabe „13.09.2017“ durch die Datumsangabe „13.10.2017“ ersetzt wird.

Gründe

A.
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Regensburg ist örtlich und sachlich zuständig, § 215 VVG.
B.
Die Klage bleibt jedoch weitestgehend ohne Erfolg.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf die geltend gemachte Versicherungsleistung im Umfang von lediglich 9,70 € zzgl. Zinsen zu. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 93,42 €.
1.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, das dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Tagegeldes zusteht. Entgegen der Meinung des Klägers liegen die Voraussetzungen für die Zahlung von Tagegeld jedoch nur für den (bereits abgerechneten Zeitraum) vom 05.04. bis 16.06.2016 vor, sowie für den 01.02.2017.
1.1
Ziffer 2.5.2 AUB 2008 bestimmt hinsichtlich der Dauer des zu leistenden Tagesgeldes, dass dieses für die Dauer der ärztlichen Behandlung, längstens für 1 Jahr, vom Unfalltag an gerechnet gezahlt wird. Die ärztliche Behandlung des Klägers im Sinne dieser Regelung war jedoch zum 16.06.2016 beendet und fand dann erst wieder am 01.02.2017 statt.
1.2
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der Einlassung des uneidlich vernommenen behandelnden Arztes des Klägers, des Zeugen ….
Der Zeuge hat ausgeführt, dass sich der Kläger bei ihm aufgrund der am 04.04.2016 erlittenen Handverletzung erstmalig am 11.04.2016 vorgestellt habe. Es sei eine Therapieempfehlung (Schonung und Medikamentation) ergangen. Am 16.06.2016 hätte dann eine erneute Vorstellung des Klägers stattgefunden. Wegen des nach wie vor vorhandenen Beugedefizits beim 4. Finger der linken (richtig wohl rechten) Hand habe der Zeuge 10 Termine Physiotherapie verordnet. Danach hätte zwar am 21.09.2016 eine erneute Vorstellung des Klägers stattgefunden, jedoch nicht in einem regulären Termin. Es sei ein Termin auf Veranlassung der Beklagten zur Beurteilung des Sachverhaltes gewesen. Die letzte Vorstellung sei dann am 01.02.2017 gewesen. Aufgrund eines nach wie vor vorhandenen Beugedefizits seien weitere 10 Termine Physiotherapie verordnet worden. Zum Zeitpunkt 16.06.2016 sei für den Zeugen zum damaligen Zeitpunkt die Behandlung abgeschlossen gewesen. Zwar habe der Zeuge am 16.06.2016 noch ein Beugedefizit gemessen, weil aber bis zur schriftlichen Antwort an die … keine Vorstellung mehr erfolgt sei und der Zeuge dem Kläger am 16.06.2016 bereits Physiotherapie verordnet habe, habe er zum Zeitpunkt der schriftlichen Antwort an die … am 28.09.2016 seine Behandlung bereits abgeschlossen gehabt, da nach Durchsicht der Krankengeschichte und seit der letzten Vorstellung am 16.06.2016 keine Vorstellung durch den Kläger mehr stattgefunden habe und der Zeuge in der Zwischenzeit bereits Physiotherapie verordnet habe Erst am 01.02.2017 habe dann eine erneute Behandlung stattgefunden. Auf Nachfragen hat der Zeuge verdeutlicht, dass der Behandlungsabschluss der letzte Tag war, an dem sich der Kläger vorgestellt habe. Für den Zeitpunkt des Behandlungsabschlusses sei dann der letzte Tag der Vorstellung in der Sprechstunde übernommen worden, hier der 16.06.2016.
1.3
Das Gericht hat keinerlei Bedenken an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln. Der Zeuge hat schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei ausgeführt. Sowohl aus der inhaltlichen Einlassung des Zeugen als auch dessen nonverbalen Aussageverhalten haben sich für das Gericht keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass der Zeuge das Gericht mit Unwahrheit bedient hätte.
1.4
So steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die ursprüngliche ärztliche Behandlung des Klägers wegen der Folgen des Unfalls am 04.04.2016 zum 16.06.2016 abgeschlossen war und erst am 01.02.2017 eine erneute ärztliche Behandlung erfolgte.
2.
Nachdem die Beklagte für den Zeitraum des 16.06.2016 die dem Kläger zustehend vertraglichen Leistungen bereits abgerechnet und erbracht hat, bleibt die Klage weitestgehend erfolglos. Für den Zeitraum vom 17.06.2016 bis zum Ablauf des 31.01.2017 liegen die notwendigen Leistungsvoraussetzungen nicht vor, da sich der Kläger nicht in ärztlicher Behandlung befand.
3.
Erfolg hat die Klage lediglich, soweit der Kläger im Wege der Klageerweiterung ein anteiliges Tagegeld für die Behandlung am 01.02.2017 geltend macht. Insoweit sind die notwendigen vertraglichen Voraussetzungen erfüllt.
4.
Der Anspruch für die Erstattung der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus Verzugsgesichtspunkten aus §§ 280, 286, 288 BGB.
Der Kläger kann jedoch lediglich den Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert in Höhe der erfolgreichen Klageforderung geltend machen, hier aus einem Gegenstandswert in Höhe von 9,70 €.
Somit ergeben sich folgende, ersatzfähige außergerichtliche Rechtsanwaltskosten:
Geschäftsgebühr gem. §§ 13, 14 RVG Nr. 2300 VVRVG (1,3-fach):
58,50 €
Pauschale für Post- und Telekommunikation gem. Nr. 7002 VVRVG
20,00 €
19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VVRVG:
14,92 €
Summe:
93,42 €
5.
Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich als weiterer Verzugsschaden aus §§ 280, 286, 288 ZPO.
C.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Dabei war davon auszugehen, dass die zuviel erfolgte Klageverteidigung der Beklagten geringfügig war und keine oder nur geringfügig höherer Kosten veranlasst hat.
D.
Der Ausspruch wegen vorläufiger Vollstreckbarkeit ergibt sich § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
E.
Soweit der Tenor des am 13.12.2017 verkündeten Urteils zu berichtigen war, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen, welches jederzeit, auch von Amts wegen berichtigt werden kann, § 319 Abs. 1 ZPO.

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