Medizinrecht

Dienstunfallfürsorge, Dienstunfallrecht, Ablauf der Ausschlußfrist, Unterschenkelfraktur, Unfallfolgen, Verwaltungsgerichte, Amtsärztliches Gutachten, Befähigung zum Richteramt, Widerspruchsbescheid, Bundsverwaltungsgericht, Unfallereignis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Widerspruchsverfahren, Körperschaden, Unfallfürsorgeanspruch, Rechtsmittelbelehrung, Natürliche Betrachtungsweise, Einzelrichter, Prozeßkostenhilfeverfahren, Fristbeginn

Aktenzeichen  W 1 K 20.1508

Datum:
21.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39841
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 47

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Oktober 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2020 verpflichtet festzustellen, dass der beim Kläger mit amtsärztlichem Gutachten des Landratsamts A. vom 18. Juli 2019 diagnostizierte funktionelle Beckenschiefstand sowie eine Skoliose mit Rippenbuckel von dem mit Bescheiden vom 12. Januar 1999 sowie 13. Januar 2004 festgestellten Dienstunfall mit den Unfallfolgen III-Grad offene Unterschenkelfraktur rechts, Ellenbogenluxation mit Ruptur des radialen Seitenbandes sowie Sensibilitätsstörungen im Bereich der rechten Gesäßhälfte mitumfasst sind.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Über die Klage kann nach erfolgtem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO. Der Rechtsstreit kann durch den Einzelrichter entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 6 Abs. 1 VwGO.
Bei verständiger, an der klägerischen Interessenlage ausgerichteter Auslegung des zuletzt gestellten Antrags, § 88 VwGO, ist dieser – auch unter Berücksichtigung der Klagebegründung vom 13. November 2020 – dahingehend zu verstehen, dass der Kläger die Verpflichtung zur Feststellung begehrt, dass der bei ihm diagnostizierte funktionelle Beckenschiefstand sowie die Skoliose mit Rippenbuckel bereits von dem mit Bescheiden vom 12. Januar 1999 sowie 13. Januar 2004 festgestellten Dienstunfall mit den Unfallfolgen III-Grad offene Unterschenkelfraktur rechts, Ellenbogenluxation mit Ruptur des radialen Seitenbandes sowie Sensibilitätsstörungen im Bereich der rechten Gesäßhälfte mitumfasst sind. Bei der Neufassung des Klageantrags mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2020 handelt es sich – wie in dem Schriftsatz korrekt erwähnt – um eine Präzisierung des ursprünglich gestellten Antrages, nicht etwa um eine (versteckte) Teilrücknahme.
Die Klage ist zulässig. Das zuvor benannte Klagebegehren war auch Gegenstand des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens, da es dem Kläger für die zuständige Behörde erkennbar von Anfang an darum ging, dass der Dienstherr feststellt, dass auch der Beckenschiefstand und die Skoliose mit Rippenbuckel Gegenstand und Ansatzpunkt dienstunfallrechtlicher Fürsorgeleistungen aus dem Dienstunfall vom 15. Dezember 1998 sind, Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG. Dieses Begehren wurde durch die angegriffenen Bescheide auch umfassend abgelehnt (vgl. etwa Widerspruchsbescheid vom 1.9.2020, S. 2 vorletzter Absatz), was zusätzlich dadurch bestätigt wird, dass der Beklagtenvertreter in der Klageerwiderung vom 23. November 2020 rügelos auch auf den Aspekt der Verschlimmerung bereits anerkannter Dienstunfallfolgen eingegangen ist.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die tenorierte Verpflichtung des Beklagten, da es sich bei dem funktionellen Beckenschiefstand sowie der Skoliose mit Rippenbuckel um in dem seinerzeitigen Unfallgeschehen vom 15. Dezember 1998 bereits angelegte typische Weiterentwicklungen und somit ein zu erwartendes Fortschreiten und eine vorhersehbare Verschlimmerung des Ausgangsleidens, insbesondere in Form der schwerwiegenden offenen Unterschenkelfraktur, handelt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt sich bei den genannten Erkrankungen hingegen nicht um weitere, eigenständige Unfallfolgen, für die die 10-jährige Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG, die vorliegend bereits abgelaufen wäre, gelten würde.
Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG wird Unfallfürsorge gewährt, wenn ein Beamter durch einen Dienstunfall verletzt wird. Nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, dem Dienstvorgesetzten innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls schriftlich zu melden. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift wird nach Ablauf der Ausschlussfrist Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht 10 Jahre vergangen sind und glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit eines Körperschadens oder einer Erkrankung aufgrund des Unfallereignisses nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert war, den Unfall zu melden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen weitere, erst später bemerkbar gewordene Unfallfolgen erneut der Meldepflicht des Art. 47 BayBeamtVG, also auch dann, wenn schon zuvor der Unfall und/oder eine andere Unfallfolge nach Art. 47 BayBeamtVG gemeldet wurden (BVerwG, U.v. 30.8.2018 – 2 C 18/17 – juris). Auch für Fälle, die dadurch gekennzeichnet sind, dass das anspruchsbegründende Ereignis sowie Unfallfolgen fristgerecht gemeldet wurden und sodann nach Ablauf der Zehnjahresfrist weitere Unfallfolgen bemerkbar geworden sind, hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Folgen eines Dienstunfalls, die erst später bemerkbar geworden sind, keinen Anspruch des Beamten auf Dienstunfallfürsorge begründen, wenn er sie nicht innerhalb von zehn Jahren seit dem Unfall und innerhalb von drei Monaten, nachdem die Unfallfolge bemerkbar geworden ist, dem Dienstherrn gemeldet hat (BVerwG vom 28.2.2002 – 2 C 5.01 – juris; dort zu der mit Art. 47 BayBeamtVG übereinstimmenden Vorschrift des § 45 BeamtVG). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 47 BayBeamtVG beginnt sowohl die Ausschlussfrist nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG als auch die Ausschlussfrist nach Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG mit dem Eintritt des Unfalls. Auf den Fristbeginn hat es keinen Einfluss, dass der Beamte ein Ereignis nicht als Dienstunfall einstuft. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte vor Ablauf der Ausschlussfrist den Zusammenhang eines Körperschadens mit einem Unfallereignis nicht erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (BVerwG vom 28.2.2002, a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung deutlich gemacht, dass von der Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 BayBeamtVG nicht nur solche Fälle erfasst werden, bei denen der Beamte Fürsorgeansprüche aus einem fest stehenden Körperschaden auf ein Unfallgeschehen zurückführt, das er innerhalb der letzten zehn Jahre nicht als (Dienst-)Unfall gemeldet hat. Die Rechtsfolge des Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG tritt vielmehr auch in solchen Fällen ein, in denen der Beamte Fürsorgeansprüche aus einem fest stehenden Körperschaden auf ein Unfallgeschehen zurückführt, das er fristgerecht als Unfall gemeldet hat und das sogar als Dienstunfall anerkannt worden ist, aber von dem tatsächlichen Bemerken des Körperschadens bzw. seiner Bemerkbarkeit ausgehend mehr als zehn Jahre zurückliegt.
Zwar ist die 10-jährige Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG vorliegend mit Ablauf des 15. Dezember 2008 bereits verstrichen, sodass die Meldung weitere Unfallfolgen im Juli 2019 verspätet gewesen wäre mit der Folge, dass für solche weiteren Unfallfolgen Unfallfürsorge nicht mehr gewährt werden könnte. Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht gegeben, da es sich bei dem funktionellen Beckenschiefstand des Klägers sowie dessen Skoliose mit Rippenbuckel gerade nicht um weitere (eigenständige) Unfallfolgen handelt, sondern im Gegensatz dazu bei natürlicher Betrachtungsweise vielmehr um Folgeerkrankungen, die in dem anerkannten Dienstunfall und dessen anerkannter Unfallfolgen (insbesondere der III-Grad offenen Unterschenkelfraktur rechts) bereits substantiell angelegt waren, sodass sie von der bestehenden bestandskräftigen Anerkennung bereits mitumfasst sind. Mangels Vorliegens einer weiteren und damit ihrerseits meldepflichtigen Unfallfolge steht dem Verpflichtungsbegehren des Klägers die 10-jährige Ausschlussfrist nicht entgegen.
Die Abgrenzung, ob noch derselbe (dem gemeldeten und anerkannten Dienstunfall zu Grunde liegende) oder aber ein weiterer (meldepflichtiger) Körperschaden anzunehmen ist, beurteilt sich nicht allein anhand eines reinen – dienstunfallrechtlich allgemein erforderlichen – Kausalzusammenhangs zwischen den nunmehr geltend gemachten Körperschäden und dem Dienstunfall, sondern danach, ob es sich bei den neu geltend gemachten Unfallfolgen um selbstständige, objektiv von dem bisherigen Schaden unterscheidbare Körperschäden bzw. Erkrankungen mit jeweils eigenem Krankheitswert handelt, die in der Regel auch einer nach Art und Umfang unterschiedlichen Behandlung bedürfen. Dem steht es gleich, wenn sich der ursprünglich bestehende Körperschaden bezogen auf das Gesamtbild der Symptome qualitativ in einer Weise verändert hat, dass bei natürlicher Betrachtung und gemessen an einer – ausgehend von dem gemeldeten Unfall bzw. Unfallschaden – typischen Entwicklung des Krankheitsverlaufs kein zu erwartendes Fortschreiten und auch keine vorhersehbare Verschlimmerung vorliegen (OVG NRW, B.v. 25.5.2020 – 1 A 163/19 – juris; U.v. 30.11.2017 – 1 A 469/15 – juris).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt handelt es sich bei dem funktionellen Beckenschiefstand des Klägers sowie dessen Skoliose mit Rippenbuckel bei der vorzunehmenden natürlichen Betrachtungsweise und ausgehend von dem konkret stattgefundenen Unfallereignis um in dem seinerzeitigen Unfallgeschehen vom 15. Dezember 1998 und dessen unmittelbarer Folgen bereits angelegte typische Fortentwicklungen und somit ein zu erwartendes Fortschreiten im Sinne einer vorhersehbaren Verschlimmerung des Ausgangsleidens, insbesondere mit Blick auf die seinerzeitige schwerwiegende offene Unterschenkelfraktur. Dies ist mit hinreichender Deutlichkeit dem amtsärztlichen Gutachten des Landratsamts A. vom 18. Juli 2019 zu entnehmen (Dienstunfallakte Blatt 96 ff.), in welchem die Amtsärztin überzeugend und nachvollziehbar dargelegt hat, dass die (unfallbedingten) Bewegungseinschränkungen und Kraftminderung des rechten Unterschenkels und der rechten Großzehe im Bewegungsablauf kompensiert werden mussten, jedoch nicht vollständig ausgeglichen werden konnten. Diese Fehlbelastungen haben langfristig zu weiteren Fehlstellungen (Krallenzebildung, funktioneller Beckenschiefstand) geführt, wodurch wiederum weitere Funktionseinschränkungen resultieren. Vor diesem Hintergrund werden in dem Gutachten dann plausibel u.a. der funktionelle Beckenschiefstand bei Fehlbelastung und die dadurch wiederum bedingte Bildung einer Skoliose mit Rippenbuckel als verbliebene Unfallfolgen festgestellt. Hierdurch wird gleichzeitig auch der im Dienstunfallrecht als Grundvoraussetzung notwendige Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den streitgegenständlichen Körperschaden für das Gericht vollständig nachvollziehbar (auch medizinisch) belegt. Es ist überdies im vorliegenden Fall maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Kläger am 15. Dezember 1998 in erheblicher Weise verletzt wurde, als er in seiner Funktion als Forstbeamter durch einen während des Fällvorgangs unerwartet aufplatzenden Baum 6,40 m fortkatapultiert wurde (Blatt 5, Blatt 14 der Dienstunfallakte). Hierdurch hat er einen Mehretagentrümmerbruch des rechten Unterschenkels mit schweren Weichteilquetschungen erlitten, die u.a. zu ausgeprägten Bewegungseinschränkungen des rechten Sprunggelenks sowie einem Muskeldefekt der rechten Wade und entsprechend grober Kraftminderung im Vergleich zu links geführt haben (Blatt 39, 51, 96 ff.); nur durch aufwändige chirurgische Behandlungen konnte das Bein überhaupt erhalten werden (Blatt 277). Angesichts dessen drängt es sich bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise geradezu auf, dass der Bewegungsapparat des Klägers seither durch die fehlende Möglichkeit eines normalen, gleichmäßigen physiologischen Bewegungsablaufs – infolge der aus dem Trümmerbruch entstandenen Bewegungseinschränkung sowie der einseitigen Kraftminderung – einer permanenten Fehlbelastung ausgesetzt war, die sodann im Laufe der Zeit zu dem geklagten Beckenschiefstand sowie der Skoliose mit Rippenbuckel geführt hat.
Dem steht im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass zwischen dem Unfallereignis und der Feststellung der hier streitigen Körperschäden rund 20 Jahre vergangen sind und es sich bei den genannten Schäden – im Allgemeinen – um solche handelt, für die es durchaus auch andere Ursachen geben kann, wie der Beklagte angemerkt hat. Dies ist zwar grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, jedoch handelt es sich im hiesigen Einzelfall bei dem zugrundeliegenden Unfallereignis gerade nicht um eine alltägliche Bagatellverletzung, sondern wie dargelegt um eine äußerst schwerwiegende, sehr spezifische Verletzung mit langwierigen gesundheitlichen Auswirkungen, welche durch langjährige Fehlbelastung die nunmehr festgestellten Körperschäden schleichend – und damit langfristig, wie auch die Gutachterin explizit angemerkt hat – hervorgerufen hat. In der hier konkret gegebenen Situation haben daher auch die abstrakt gesehen eher unspezifischen Körperschäden – Beckenschiefstand und Skoliose – in dem Dienstunfallereignis und insbesondere dessen anerkannter Folge einer III-Grad offenen Unterschenkelfraktur einen spezifischen Ausgangspunkt, aus dem heraus sie sich im Sinne eines typischerweise zu erwartenden Fortschreitens und einer vorhersehbaren Verschlimmerung entwickelt haben, zumal der Beklagte diesbezüglich auch keinerlei substantiierte Ausführungen betreffend eine konkrete anderweitige Verursachung der streitgegenständlichen Körperschäden gemacht hat. Eine solche ist auch ansonsten nicht ersichtlich und angesichts der klaren Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten vom 18. Juli 2019 auch fernliegend.
Vorstehender Einschätzung kann der Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Beckenschiefstand und die Skoliose einer völlig anderen Behandlung bedürften als die Unterschenkelfraktur, die Ellenbogenluxation sowie die Sensibilitätsstörung im Bereich der rechten Gesäßhälfte. Denn zum einen handelt es sich nach der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung bei der unterschiedlichen Behandlungsbedürftigkeit um eine eigenständige Fallkonstellation neben dem (ausgehend vom ursprünglich bestehenden Körperschaden) nicht zu erwartenden Fortschreiten bzw. der nicht vorhersehbaren Verschlimmerung (vgl. die dortige Formulierung: „dem steht es gleich, wenn …“). Überdies verhält es sich so, dass die bestandskräftig festgestellten Unfallfolgen (abgesehen von der – insbesondere chirurgischen – Erstversorgung) regelmäßig und bis zuletzt physiotherapeutischer Behandlung bedurften (vgl. etwa Blatt 583, 599, 611, 613, 623, 629, 633), welche auch regelmäßig von dem Beklagten im Rahmen der Dienstunfallfürsorge erstattet wurde. U.a. im Hinblick auf den Beckenschiefstand sowie die Skoliose vermerkt die Amtsärztin im Gutachten vom 18. Juli 2019, dass dem durch intensive physiotherapeutische Langzeitmaßnahmen entgegengewirkt werden kann. Dies zugrunde gelegt handelt es sich aber gerade nicht um eine völlig andere Behandlung, sondern im Kern um die gleiche Behandlungsart, wie sie auch für die anerkannten Unfallfolgen durchgeführt wurde/wird. In der Gesamtschau handelt es sich damit nicht um einen selbstständigen, objektiv vom bisherigen Schaden unterscheidbaren Körperschaden mit eigenem Krankheitswert.
Soweit der Beklagte darüber hinaus auf die Entscheidung des VG München vom 10. April 2012 – M 5 K 11.5821 – abgestellt hat, bei der die Anerkennung einer Arthrose als weitere Unfallfolge nach einer anerkannten schweren Knieverletzung an der Zehnjahresfrist gescheitert ist, so ist eine inhaltliche Vergleichbarkeit der beiden Fälle nicht gegeben. Denn dort hat das erkennende Gericht maßgeblich auch darauf abgestellt, dass in den vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen eine deutliche Zurückhaltung zu der Frage zum Ausdruck gekommen sei, ob die festgestellten Folgen ursächlich auf den Dienstunfall zurückgeführt werden könnten und dass die Zusammenhangsfrage über ein ärztliches Gutachten zu klären sei. Dies stellt sich vorliegend entscheidend anders dar, da die begutachtende Amtsärztin am 18. Juli 2019 keinerlei Zweifel an der Kausalität geäußert hat und auch von dem Beklagten insoweit nichts Substantiiertes entgegengesetzt wurde.
Auch ein langer behandlungsfreier Zeitraum zwischen der Ausgangserkrankung und dem später geltend gemachten Körperschaden, in dem andere Ereignisse den betreffenden Körperschaden ausgelöst haben könnten, war vorliegend nicht zu verzeichnen (vgl. hierzu etwa: VG München, U.v. 5.6.2009 – M 21 K 07.4500 – juris). Denn wie bereits zuvor angedeutet, befand sich der Kläger ausweislich der umfangreichen Dienstunfallakte seit seinem Dienstunfall in regelmäßiger physiotherapeutischer Behandlung.
Nach alledem war vorliegend kein meldepflichtiger weiterer Körperschaden gegeben, dem die verstrichene Ausschlussfrist des Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG hätte entgegengesetzt werden können. Der Beklagte war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zu der tenorierten Feststellung zu verpflichten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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