Medizinrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Alkoholabhängigkeit, Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens, Einwendungen gegen das Gutachten („Diskrepanzen“), Vorlage einer Seite des Gutachtens (Laborergebnisse) im gerichtlichen Verfahren, keine erneute Begutachtung veranlasst

Aktenzeichen  W 6 S 20.1706

Datum:
18.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43502
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
FeV § 11 Abs. 8
FeV § 13 S. 1 Nr. 1
FeV Nr. 8.3 der Anlage 4 zur

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 8.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller (geb. …1978) wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE, C1, C1E, L und T.
1. Durch eine Mitteilung der Polizeiinspektion S. wurde der Fahrerlaubnisbehörde beim Landratsamt S. (künftig: Landratsamt) bekannt, dass der Antragsteller am 21. Februar 2020, 21:55 Uhr, im Rahmen eines Familienstreits alkoholisiert und aggressiv in polizeilichen Sicherheitsgewahrsam genommen wurde. Die vor Ort anwesende Ehefrau des Antragstellers gab an, der Antragsteller sei seit längerer Zeit alkoholabhängig und konsumiere nahezu täglich Alkohol. Ein am 22. Februar 2020, 0:10 Uhr, durchgeführter Atemalkoholtest ergab 1,01 mg/l Atemalkoholkonzentration (AAK). Anlässlich einer Zellenvisite am 22. Februar 2020, ca. 2:30 Uhr, wirkte der Antragsteller klar, Ausfallerscheinungen waren nicht festzustellen, was auf die Alkoholgewöhnung des Antragstellers schließen ließ (polizeiliche Mitteilung vom 22.2.2010).
Mit Schreiben vom 28. Februar 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller wegen des bestehenden Verdachts auf Alkoholabhängigkeit auf, bis 13. März 2020 ein Attest seines behandelnden Arztes vorzulegen, aus dem sich bestehende Erkrankungen und deren Behandlungen ergeben.
Im Rahmen weiterer Ermittlungen (polizeiliche Erkenntnisanfrage vom 3.3.2020) wurde dem Landratsamt bekannt, dass der Antragsteller u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Rahmen eines Familienstreits am 26. Mai 2018 mit Strafbefehl des Amtsgerichts Schweinfurt vom 8. April 2019 (Az.: …) wegen vorsätzlicher Körperverletzung (§§ 222 Abs. 1, 230 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, da er seine damals 14-jährige Tochter D. geschlagen hatte. In der mündlichen Verhandlung am 13. März 2019 gab die als Zeugin vernommene Ehefrau des Antragstellers an, dass dieser bei der Tat „alkoholisiert, aber nicht besoffen“ gewesen sei. Gleiches hatte die Antragstellerin bereits im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gegenüber der Polizeiinspektion S. geäußert.
Mit Schriftsatz vom 12. März 2020 des Bevollmächtigten ließ der Antragsteller eine ärztliche Bescheinigung der Hausärztlichen Praxis (Dr. …, Facharzt für Innere Medizin, und … …, Allgemeinmedizin), Niederwerrn, vom 4. März 2020 vorlegen. Dort sind für den Zeitraum 2005 – 2020 folgende Diagnosen aufgeführt: Alkoholische Leberkrankheit (K 70.9G), alkoholinduzierte akute Pankreatitis ohne Angabe einer Organkomplikation (K 8.20G), Ein- und Durchschlafstörungen (G47.0G), alkoholische Leberkrankheit (K 70.9G), Probleme mit Bezug auf den Konsum von Alkohol, Tabak, Arzneimittel oder Drogen (Z 72.0G), Z. n. alkoholinduzierte akute Pankreatitis (K85.20Z), Refluxösophagitis (K 21.0G), Diabetes mellitus Typ 2a (E 11.90G), Hyperurikämie (E 79.0G), degeneratives LWS-Syndrom (47.26G), sonstige Schlafstörungen (G 47.8G), Knochennekrose: Beckenregion und Oberschenkel (Hüfte, Hüftgelenk, li (M 87.95GL), Zustandsbefund nach Operation links (Z 98.8GL), Vorhandensein eines Hüftgelenksimplantats li (Z 96.64GL). Des Weiteren ist eine aktuelle Medikation (verschiedene Schmerz- und Entzündungsmittel, Benzodiazepine, Blutverdünnung und Schlafmittel) aufgeführt.
Am 5. April 2020 beantragte der Antragsteller beim Landratsamt die Verlängerung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE unter Vorlage diverser hierfür erforderlicher Unterlagen.
Mit Schreiben vom 2. April 2020 forderte das Landratsamt die Vorlage eines weiteren ärztlichen Attestes zum Zwecke der Aufklärung der bekannt gewordenen Diabetes-Erkrankung des Antragstellers. Auf das daraufhin vorgelegte weitere ärztliches Attest der Hausärztlichen Praxis vom 5. Mai 2020, teilte das Landratsamt mit Schreiben vom 18. Juni 2020 mit, dass bezüglich der Diabetes mellitus Typ 2a keine weitere ärztliche Begutachtung erforderlich sei, jedoch im Hinblick auf eine mögliche Alkoholabhängigkeit.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller unter Hinweis auf die oben genannten Vorgänge (Strafbefehl vom 26.4.2019, Sicherheitsgewahrsam am 21.2.2020, ärztliches Attest vom 4.3.2020 mit den dort aufgeführten Diagnosen im Hinblick auf Alkohol) auf, bis zum 18. August 2020 ein ärztliches Gutachten eines Arztes einer Begutachtungsstelle für Fahreignung wegen des Verdachts auf das Bestehen einer Alkoholabhängigkeit gemäß § 13 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV vorzulegen. Zu klären seien folgende Fragen: Lässt sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit beim Antragsteller bestätigen? Wenn ja, welche Kriterien nach ICD-10 sind im vorliegenden Einzelfall erfüllt, die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit bestätigen? Falls Abhängigkeit festgestellt wurde: fand eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung statt? Nach erfolgreicher Entwöhnung: liegt ein nachgewiesener Abstinenzzeitraum für die zurückliegenden 12 Monate vor? Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass auf seine Nichteignung geschlossen werde, sollte er sich weigern sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Gutachten im Original nicht fristgerecht beibringt.
Der Antragsteller erklärte sich mit einer Untersuchung durch die … Süd Life Service GmbH in S. einverstanden, der das Landratsamt mit Schreiben vom 25. Juni 2020 die Fahrerlaubnisunterlagen übermittelte.
Mit Schriftsatz vom 17. August 2020 teilte der Bevollmächtigte mit, dass eine Begutachtung des Antragstellers stattgefunden habe, die Vorlage des Gutachtens sich jedoch noch verzögere.
Mit Schreiben vom 24. August 2020 sandte die … Süd Life Service GmbH die Fahrerlaubnisunterlagen zurück.
Mit Schriftsatz vom 17. September 2020 teilte der Bevollmächtigte dem Landratsamt mit, dass der Antragsteller außerstande sei, das entsprechende ärztliche Gutachten vorzulegen, da es im Widerspruch zu den Angaben stehe, die der Antragsteller vor Ort gegenüber der Sachverständigen gemacht habe. Zwischen der Gutachterin und dem Antragsteller bestehe eine erhebliche Diskrepanz, die dazu geführt habe, dass der Antragsteller jegliches Vertrauen in die Gutachterin verloren habe. Es werde deshalb um Fristverlängerung bis zum 30. September 2020 gebeten, sodass der Antragsteller ein entsprechendes Gutachten bei der … Thüringen Fahrzeug GmbH & Co. KG einholen könne.
Mit Schreiben vom 18. September 2020 hörte das Landratsamt den Antragsteller zum beabsichtigten Entzug seiner Fahrerlaubnis sowie zur Versagung des Antrags auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30. September 2020. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 14.11.2011 – 11 CS 11.2349) wurde darauf hingewiesen, dass die geltend gemachte Diskrepanz bzw. der Vertrauensverlust weder zeitnah vorgebracht noch näher substantiiert seien, sodass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV vorlägen.
Mit Schriftsatz vom 17. September 2020 wies der Bevollmächtigte darauf hin, dass die Zeitverzögerung durch seine urlaubsbedingte Abwesenheit bedingt gewesen sei und in der zitierten Entscheidung des BayVGH der Bitte nach einem anderen Gutachter entsprochen worden sei. Der Antragsteller sei Berufskraftfahrer und auf seine Fahrerlaubnis zwingend angewiesen. Für seinen Arbeitgeber fahre er im Jahresdurchschnitt 33.000 km. Auch sei vorliegend von erheblichen Diskrepanzen auszugehen. Im Gutachten fänden sich Antworten des Antragstellers, die er überhaupt nicht gesagt bzw. so nicht erklärt habe.
Mit Schreiben vom 29. September 2020 teilte das Landratsamt mit, dass an der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis und Ablehnung der Erteilung der Fahrerlaubnisklassen C und CE festgehalten werde. Auf den Schriftverkehr wird im Übrigen verwiesen.
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Nr. 1) und gab ihm auf, den Führerschein Nr. … spätestens sieben Tage nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Der Antrag vom 5. März 2020 auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen C und CE nach Ablauf wurde abgelehnt (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4) und für den Fall, dass der Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids nicht oder nicht fristgerecht nachgekommen wird, ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR angedroht. Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nrn. 6 und 7). Zur Begründung wurde auf die o. g. Vorgänge verwiesen und ausgeführt, der Entzug der Fahrerlaubnis stütze sich auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV. Die Versagung der Erteilung der Fahrerlaubnis stütze sich auf § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG. Da der Antragsteller das rechtmäßig geforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe, sei auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zu schließen mit der Folge, dass die Fahrerlaubnis zu entziehen sei. Der Antragsteller sei in der Vergangenheit mehrfach polizeilich und strafrechtlich in Erscheinung getreten und sei hierbei meist stark alkoholisiert gewesen. Die Voraussetzungen nach ICD-10 für die Kriterien einer Alkoholabhängigkeit seien aus Sicht des Landratsamtes gegeben. Zudem nehme der Antragsteller starke Schmerzmittel ein und habe im alkoholisierten Zustand des Öfteren aggressiv gegenüber seiner Familie reagiert. Bei einer Alkoholabhängigkeit sei die Kraftfahrteignung für beide Fahrerlaubnisgruppen nicht mehr gegeben (Nr. 8.3 der Anlage 4 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde habe deshalb nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV rechtmäßig eine ärztliche Begutachtung angeordnet, da die Fahreignung aufgrund einer Alkoholabhängigkeit habe ausgeschlossen sein können. Ein ärztliches Gutachten sei geeignet, da durch dieses festgestellt werden könne, ob beim Antragsteller tatsächlich die gesicherte Diagnose einer Alkoholabhängigkeit nach den ICD-10-Kriterien bestehe, welche zum Ausschluss der Kraftfahrereignung führen würde. Das Gutachten sei auch erforderlich, da der Fahrerlaubnisbehörde kein weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung stehe, mit dem geklärt werden könne, ob diese Erkrankung tatsächlich bestehe. Die finanziellen und zeitlichen Aufwendungen stünden im angemessenen Verhältnis dazu, dass die Eignungsfrage abschließend geklärt werden könne und sei somit verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Antragsteller sei ohne berechtigten Grund der Anordnung vom 18. Juni 2020 nicht fristgerecht nachgekommen. Er habe sich zwar der Begutachtung unterzogen, das erstellte ärztliche Gutachten jedoch nicht vorgelegt. Er habe damit nicht in ausreichendem Maß an der Klärung der an seiner Fahreignung bestehenden Zweifel mitgewirkt. Diese Zweifel hätten sich daher zur Überzeugung der Behörde zu der Gewissheit verdichtet, dass der Antragsteller derzeit zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei (§ 11 Abs. 8 FeV). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahelegen könnten, seien nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht. Gründe für eine Abweichung vom Regelfall nach Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV seien ebenfalls nicht vorgetragen. Die Aussage, die Ausführungen der Gutachterin im Gutachten der … Süd Life Service GmbH würden sich nicht mit den durch den Antragsteller getroffenen Aussagen decken, müsse als reine Schutzbehauptung angesehen werden, damit er noch die Möglichkeit erhalte, eine erneute Begutachtung durchführen zu lassen mit dem Ziel, ein für ihn positives Gutachten zu erhalten. Es werde in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass das dem Antragsteller vorliegende Gutachten für diesen negativ ausgefallen sei. Vielmehr hätten die Bedenken gegen das Gutachten der … Süd Life Service GmbH unter Vorlage des angegriffenen Gutachtens gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde geäußert werden können, sodass diese eine etwaige Nachbesserung des Gutachtens bzw. eine neue Begutachtung hätte fordern können. Dies sei in diesem Fall jedoch nicht erfolgt. Diese Verfahrensweise sei auch dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2011 – 11 CS 11.2349 – zu entnehmen. Auf unsubstantiierte Einwendungen hin eine neue Begutachtungsmöglichkeit zu eröffnen, widerspreche Sinn und Zweck des § 11 Abs. 8 FeV. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei deshalb geboten gewesen und der Antrag auf Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis der Klassen C und CE nach deren Ablauf zu versagen gewesen. Die angeordnete Maßnahme entspreche auch der Verhältnismäßigkeit. Sowohl der Entzug der Fahrerlaubnis wie die Versagung des Antrags auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE nach Ablauf stünden zu dem erstrebten Erfolg der Maßnahme, nämlich der Wahrung der Sicherheit und Ordnung des öffentlichen Straßenverkehrs zu dienen, nicht außer Verhältnis, zumal die Maßnahme dem Betroffenen durch die vorangegangenen Hinweise und Belehrungen nicht unvorbereitet treffe. Das individuelle Interesse des Antragstellers auch in beruflicher Hinsicht, müsse gegenüber den im Raum stehenden Interessen der übrigen Verkehrsteilnehmer an einer sicheren Teilnahme am Straßenverkehr zurückstehen. Die Ablieferungspflicht des Führerscheins beruhe auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV. Da die Fahrerlaubnis erloschen sei, sei die Ablieferung des Führerscheines notwendig, damit kein falscher Rechtsschein bestehe.
Die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis sei dringend geboten, um die Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Straßenverkehr aufrechtzuerhalten, indem der Antragsteller mit absoluter Sicherheit daran gehindert werde, fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Fahrerlaubnisinhaber, deren Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in erheblichem Maße zumindest zweifelhaft erscheine, stellten eine erhebliche Gefahr für den öffentlichen Straßenverkehr dar. Der rechtstreue Verkehrsteilnehmer könne von der zuständigen Behörde erwarten, dass ungeeigneten Fahrern die Fahrerlaubnis entzogen werde, um andere Verkehrsteilnehmer wirksam zu schützen. Es bestehe deshalb ein dringendes öffentliches Interesse daran, dass ein ungeeigneter Fahrerlaubnisinhaber nicht durch Ausschöpfung formeller Rechtspositionen bis zum Abschluss eines eventuellen Verwaltungsstreitverfahrens weiter im öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen könne. Die zuständige Behörde habe hier rasch und nachdrücklich zu handeln, um die Rechtsordnung zu wahren. Aus diesen Gründen müsse das private Interesse des Antragstellers an einer weiteren Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr hinter den elementaren Sicherheitsbedürfnissen aller anderen Verkehrsteilnehmer zurückstehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheindokuments notwendig, da durch das weitere Vorliegen eines Führerscheindokuments bei dem Betroffenen mit diesem Dokument der falsche Rechtsschein einer bestehenden Fahrerlaubnis erweckt werden könne. Die Androhung des Zwangsgeldes beruhe auf Art. 23 Abs. 1, 29, 30, 31 und 36 VwzVG. Auf den dem Bevollmächtigten am 5. Oktober 2020 zugestellten Bescheid wird im Übrigen verwiesen.
Am 9. Oktober 2020 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Landratsamt ab.
2. Am 5. November 2020 ließ der Antragsteller gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 2. Oktober 2020 Klage (W 6 K 20.1705) erheben mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids und der Erteilung der Fahrerlaubnis der Klassen C und CE. Hierüber ist noch nicht entschieden. Im zugrundeliegenden Verfahren ließ der Antragsteller beantragen,
die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamtes S. vom 2. Oktober 2020 auszusetzen und dem Antragsgegner aufzugeben, den vom Kläger abgegebenen Führerschein unverzüglich wieder zurückzugeben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, zutreffend sei, dass der Antragsteller wegen vorsätzlicher Körperverletzung vom Amtsgericht Schweinfurt verurteilt worden sei. Im Bescheid sei hierbei ein Vermerk des Polizeibeamten berücksichtigt worden, dass er zum Zeitpunkt der Tat merklich alkoholisiert, aber nicht „besoffen“ gewesen sei. Bei der Verurteilung habe dies jedoch keine Berücksichtigung gefunden. Auch seien damals keinerlei Untersuchungen zum Alkoholzustand vorgenommen worden, sodass hier nur von einer Pauschalierung ausgegangen werden könne, die nicht objektivierbar sei. Hinzu komme, dass diese Tat nicht den Straßenverkehr tangiert habe. Dennoch sei sie vom Landratsamt in der Entscheidung berücksichtigt worden. Zutreffend sei auch, dass der Antragsteller am 21. Februar 2020 in polizeilichen Sicherheitsgewahrsam genommen wurde und zu diesem Zeitpunkt eine Atemalkoholkonzentration von 1,01 mg/l vorgelegen habe. Auch dieser Vorfall habe zu keinem Zeitpunkt den Straßenverkehr tangiert. Der Antragsteller habe weder ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt noch habe er beabsichtigt, ein Fahrzeug zu führen. Dennoch sei diese Entscheidung vom Landratsamt berücksichtigt worden. Unzutreffend sei, dass der Antragsteller in der Vergangenheit mehrfach polizeilich und strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Anhand der vorhandenen Unterlagen sei dies nicht der Fall. Am 14. August 2020 habe eine Begutachtung des Antragstellers durch die … Süd Life Service GmbH stattgefunden. Nach Erhalt des Gutachtens habe der Antragsteller nach seinen Angaben eine erhebliche Diskrepanz zwischen seinen tatsächlichen Ausführungen und den im Gutachten festgehaltenen Ausführungen seinerseits feststellen können. Hinzu komme, dass durch die Begutachtungsstelle „absolut unpassende“ und nicht sachbezogene Fragen gestellt worden seien. Aufgrund des Jahresurlaubs des Unterzeichners habe dies jedoch erst im September mit dem Antragsteller ausführlich besprochen werden können. Der Antragsteller sehe sich nach wie vor außerstande, das Gutachten aufgrund der nach seinen Angaben unzutreffend festgehaltenen Angaben seiner Äußerungen vorzulegen. Um dies zu verdeutlichen und darzulegen, werde Seite 8 des Gutachtens als Anlage vorgelegt. Dort seien die Laborbefunde im Rahmen der Untersuchung festgehalten. Hierbei zeige sich nur im Bereich des Gamma-GT bei einer 0,7 Übersteigung des Normwertes bis 60 U/L eine minimalste Auffälligkeit, während der festgestellte CDT-Wert von 1,1% bei einem Normbereich von 0,00 – 1,7% für eine geringe Wahrscheinlichkeit eines regelmäßigen Alkoholkonsums spreche. Während nach Angaben der Gutachter dieser Wert einen Alkoholkonsum (warum?) nicht ausschließe, solle der minimal erhöhte GGT-Wert auf eine akute toxische Belastung der Leber hinweisen. Völlig unbeachtet sei dabei, dass der Kläger, wie im Gutachten ebenfalls festgehalten, zum Zeitpunkt der Begutachtung Medikamente eingenommen habe. Die Begutachtung sei größtenteils auf die unzutreffend festgehaltenen Angaben des Antragstellers gestützt worden. Dem Antragsteller hätte deshalb die Möglichkeit einer erneuten Begutachtung durch die Firma … Thüringen Fahrzeug GmbH & Co. KG eingeräumt werden müssen. Hinzu komme, dass sich der Kläger unabhängig von der Entscheidung des Antragsgegners hierzu bereits mit dieser Firma im Verbindung gesetzt habe, sodass ihm auch keine Verzögerungstaktik vorgeworfen werden könne. Das Landratsamt habe sich jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen geweigert, die Unterlagen dorthin zu schicken. Durch die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung sei der Antragsteller in seiner beruflichen Tätigkeit als Berufskraftfahrer erheblich eingeschränkt, da er zwingend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Das Landratsamt lasse bei seiner Entscheidung das gebotene Augenmaß vermissen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei besonders zu beachten. Auf das Schreiben des Arbeitgebers, wonach der Antragsteller im Schnitt 33.000 km für ihn zurücklege, werde hingewiesen. Der Verlust des Führerscheins bedeute für den Antragsteller den Verlust seines Arbeitsplatzes. Der Antragsteller sei bisher nicht im Verkehr unter Alkoholeinfluss auffällig geworden und habe den Konsum von Alkohol und das Fahren von Kraftfahrzeugen strikt getrennt.
Das Landratsamt beantragte für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, bei Abwägung der widerstreitenden Belange, komme dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts höheres Gewicht zu, als dem Aufschubinteresse des Antragstellers. Das Landratsamt habe deshalb die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis zurecht erlassen. Auf die Ausführungen im Bescheid vom 2. Oktober 2020 werde Bezug genommen. Es komme nicht darauf an, dass der Antragsteller anlässlich der vorsätzlichen Körperverletzung und der Aufnahme in polizeilichen Sicherheitsgewahrsam am 21. Februar 2020 kein Kraftfahrzeug geführt habe. Bei der gesicherten Diagnose einer Alkoholabhängigkeit führe auch ein Alkoholkonsum außerhalb des Straßenverkehrs zum Verlust der Fahreignung. Ob eine solche Diagnose (Alkoholabhängigkeit) vorliege, hätte durch das angeordnete ärztliche Gutachten geklärt werden sollen. Soweit ausgeführt werde, es sei unzutreffend, dass der Antragsteller in der Vergangenheit mehrfach polizeilich und auch strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, könne dies durch die polizeiliche Erkenntnisanfrage vom 3. März 2020 sowie den rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Schweinfurt vom 26. Juni 2019 widerlegt werden. Die Kriterien des ICD-10, wie der starke Wunsch Alkohol zu trinken, dürften erfüllt sein. Im Attest des Hausarztes vom 4. März 2020 seien Probleme in Bezug auf den Konsum von Alkohol, Tabak, Arzneimittel und Drogen geäußert worden. Auch habe eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Alkoholkonsums vermutet werden können, da der Antragsteller laut Aussage seiner Ehefrau bereits längere Zeit abhängig sei und nahezu täglich Alkohol konsumieren würde. Zudem habe er sich seiner Tochter und seiner Frau gegenüber aggressiv verhalten. Weiter habe der Antragsteller einem Promillewert von 2,02 Promille, der für eine hohe Toleranzentwicklung bei Alkohol spreche, erreicht. Auch habe er trotz des hohen Promille-Wertes laut Aussage der Polizei fehlerfrei sprechen, gehen und stehen können. Anzeichen für Ausfallerscheinungen habe es nicht gegeben. Ein anhaltender Substanzkonsum trotz eindeutig schädlicher Folgen habe vorgelegen, da beim Antragsteller bereits seit 7. März 2005 eine alkoholbedingte Lebererkrankung und seit 10. Februar 2011 eine alkoholinduzierte akute Pankreatitis ohne Angabe einer Organkomplikation diagnostiziert wurden und er dennoch weiterhin wohl regelmäßig hohe Mengen Alkohol konsumiert habe. Auch habe er starke Schmerzmittel einnehmen müssen, welche in Verbindung mit Alkohol schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit sowie die Verkehrstauglichkeit haben können. Auch habe er im alkoholisierten Zustand des Öfteren aggressiv gegenüber seiner Familie reagiert und habe in diesem Zustand seine Tochter geschlagen. Bei einer Alkoholabhängigkeit bestehe für beide Fahrerlaubnisgruppen keine Fahreignung mehr (Nr. 8.3 der Anlage 4 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde habe deshalb nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV eine ärztliche Begutachtung angeordnet, da die Fahreignung aufgrund einer Alkoholabhängigkeit ausgeschlossen sein konnte. Ein ärztliches Gutachten war geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um festzustellen, ob beim Antragsteller tatsächlich die gesicherte Diagnose einer Alkoholabhängigkeit nach den ICD 10-Kriterien bestehe, welche zum Ausschluss der Fahreignung führen würde. Der Antragsteller sei ohne berechtigten Grund der Anordnung vom 18. Juni 2020 nicht fristgerecht nachgekommen. Er habe sich zwar der Begutachtung unterzogen, das ärztliche Gutachten der Fahrerlaubnisbehörde jedoch nicht vorgelegt und damit nicht in ausreichendem Maße an der Klärung der an seiner Fahreignung bestehenden Zweifel mitgewirkt. Diese hätten sich deshalb zur Gewissheit verdichtet, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist (§ 11 Abs. 8 FeV). Die Einräumung einer erneuten Begutachtung sei im Hinblick auf die im Verwaltungsverfahren gänzlich unsubstantiierten Einwände, die zudem erst nach Kenntniserlangung von dem für die Fahrerlaubnis negativen Begutachtungsergebnis vorgebracht wurden, veranlasst gewesen. Die Beibringung eines neuen Fahreignungsgutachtens zu gestatten, wäre auf die Einräumung der Möglichkeit hinausgelaufen, den Eintritt der sich aus § 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV ergebenden zwingenden Rechtsnachfolge so lange hinauszuzögern, bis es dem Betroffenen gelungen wäre, sich ein ihm günstiges Gutachten zu verschaffen. Dies sei mit dem Sinn und Zweck der vorgenannten Norm nicht vereinbar (vgl. BayVGH vom 14.11.2011). Auch die nunmehrigen Ausführungen zeigten nur einen Ausschnitt aus dem Gutachten und gerade nicht auf, dass das Gutachten im Widerspruch zu den Ausführungen des Antragstellers stehe. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei somit geboten gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg, denn er ist teilweise unzulässig. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er jedenfalls unbegründet.
1. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller beantragen lässt, dem Antragsgegner aufzugeben, den abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder an ihn herauszugeben. Für diesen Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Denn für den Fall, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgreich ist, ist nichts dafür vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner nicht von sich aus die Konsequenzen hieraus ziehen und dem Antragsteller seinen Führerschein zurückgeben würde (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2007 – 11 CS 06.2028 – juris).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 5. November 2020 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 2. Oktober 2020 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1) und Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2) ist zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides) entfällt, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 5 des Bescheides ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar (Art. 21a VwZVG, § 80 Abs. 1 Nr. 3 VwGO).
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs bzw. der Anordnung abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat.
2. Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 2. April 2020 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (2.1). Auch ergibt eine von den Erfolgsaussichten der Hautsache losgelöste gerichtliche Abwägung kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (2.2).
2.1 Nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, hat die erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg, da die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 2. Oktober 2020 rechtmäßig war und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 – 14 FeV entsprechende Anwendung. Nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV bestimmt die Behörde in der Anordnung auch, von wem das Gutachten zu erstellen ist; dies kann gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV auch ein Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung sein. Nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV besteht im Falle der Alkoholabhängigkeit keine Fahreignung für die Fahrerlaubnis der Klassen der Gruppen 1 (Klassen A und B) und 2 (Klassen C und D). Die Wiedereignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV dann wieder gegeben, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht, was eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung voraussetzt und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist.
Hinsichtlich der genannten Zweifel ist nicht erforderlich, dass eine Erkrankung oder ein Mangel bereits feststeht, allerdings darf die Beibringung des Gutachtens nur aufgrund konkreter Tatsachen, nicht auf einen bloßen Verdacht „ins Blaue hinein“ bzw. auf Mutmaßungen, Werturteilen, Behauptungen oder dergleichen hin verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – juris Rn 26). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf die Behörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, sofern der Betroffene hierauf in der Gutachtensanforderung hingewiesen wurde (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV). Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Untersuchungsanordnung formell und materiell rechtmäßig ist und die Weigerung ohne ausreichenden Grund erfolgt (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25/04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 25.6.2008 – 11 ZB 08.1123 – juris). Im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – ZfSch 2013, 177).
Die behördlicherseits vorgegebene Fragestellung in der Gutachtensanordnung muss insbesondere den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ergebenden Anforderungen gerecht werden. Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festzulegenden Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV). Der Betroffene hat die Fahrerlaubnisbehörde darüber zu unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat (§ 11 Abs. 6 Satz 3 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde teilt der untersuchenden Stelle mit, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind und übersendet ihr die vollständigen Unterlagen, soweit sie unter Beachtung der gesetzlichen Verwertungsverbote verwendet werden dürfen (§ 11 Abs. 6 Satz 4 FeV). Die Untersuchung erfolgt aufgrund eines Auftrages durch den Betroffenen (§ 11 Abs. 6 Satz 5 FeV).
Die vorstehend aufgeführten Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 FeV für den Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen sind gegeben, da der Antragsteller das geforderte ärztliche Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hat, obwohl die Gutachtensanforderung nach summarischer Prüfung sowohl in materiell-rechtlicher (2.1.1) als auch in formeller Hinsicht (2.1.2) rechtmäßig war und auch keine Veranlassung für eine erneute Begutachtung bestand (2.1.3).
2.1.1 Gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung vom 18. Juni 2020 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bestehen nach summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes keine durchgreifenden Bedenken, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV i. V. m. Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV vorliegen.
Im vorliegenden Fall bestanden hinreichende Tatsachen für die Annahme einer beim Antragsteller vorliegenden Alkoholabhängigkeit. Das Landratsamt hat diese Tatsachen in der Begutachtungsanordnung vom 18. Juni 2020 hinreichend dargelegt, sodass darauf verwiesen werden kann. Dass bezüglich des Vorfalls am 26. Mai 2018, der zur strafrechtlichen Verurteilung mit Strafbefehl des Amtsgerichts Schweinfurt vom 8. Juni 2019 führte, kein Zusammenhang mit dem Straßenverkehr festzustellen war, ebenso nicht bei der polizeilichen Ingewahrsamnahme am 21. Februar 2020 vor dem Hintergrund eines Familienstreits, steht den berechtigten Zweifeln an der Fahreignung des Antragstellers nicht entgegen, da es im Falle der Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3. der Anlage 4 zur FeV) wegen des damit verbundenen Kontrollverlustes hierauf nicht ankommt. Lediglich im Falle des sog. Alkoholmissbrauchs (Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV) ist maßgeblich, ob das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum hinreichend sicher getrennt werden kann. Der Antragsteller war bei den genannten Vorfällen jeweils stark alkoholisiert. Bei der polizeilichen Ingewahrsamnahme am 21. Februar 2020 wurde eine AAK von 1,01 mg/l festgestellt, was einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 2,2 Promille entspricht und bereits einen Wert jenseits gesellschaftsüblichen Trinkens darstellt (vergleiche § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV, wonach bereits beim Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr mit einer BAK von 1,6 Promille oder mehr eine medizinisch-psychologische Begutachtung erforderlich ist). Dass im Rahmen der strafrechtlichen Verurteilung mit Strafbefehl vom 8. Juni 2019 die Alkoholisierung konkret nicht festgestellt wurde, ist unschädlich, da es im Rahmen des Strafverfahrens (Körperverletzung nach §§ 223, 230 StGB) hierauf nicht weiter ankam. Eine Bindungswirkung des Strafbefehls nach § 3 Abs. 4 StVG besteht nicht. Des Weiteren waren Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit im ärztlichen Attest der Hausärztlichen Praxis vom 4. März 2020 zu sehen, das verschiedene alkoholinduzierte Diagnosen enthielt (alkoholische Leberkrankheit, alkoholinduzierte akute Pankreatitis, Probleme mit Bezug auf den Konsum von Alkohol, Tabak, Arzneimittel oder Drogen; Z. n. alkoholinduzierte akute Pankreatitis). Zu Recht geht das Landratsamt in der Begutachtungsanordnung davon aus, dass durch diese aktenkundigen Tatsachen bereits die ICD-10-Kriterien für Abhängigkeit erfüllt sein konnten. In jedem Fall lagen hinreichende Tatsachen für die Annahme einer Alkoholabhängigkeit vor, sodass nach § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen war, ohne dass hierfür der Behörde Ermessen eingeräumt wäre.
Auch die Fragestellungen in der Gutachtensanordnung sind nicht zu beanstanden. Diese bezwecken die ärztliche Feststellung, ob Alkoholabhängigkeit gegeben ist und ob die hierfür mindestens erforderlichen drei Kriterien des ICD-10 vorliegen. Auch die Frage, ob (zwischenzeitlich) eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung stattgefunden hat und ein entsprechender Abstinenzzeitraum zurückgelegt wurde, sind ärztlich zu beantwortende Fragestellungen im Rahmen einer ärztlichen Begutachtung einer vorliegenden Alkoholabhängigkeitserkrankung. Die Fragestellung ist deshalb im Hinblick auf die zu klärenden Eignungsbedenken anlassbezogen, angemessen und verhältnismäßig.
2.1.2 Auch sonst bestehen gegen die Aufforderung zur Beibringung des ärztlichen Gutachtens keine Bedenken. Der Antragsteller wurde ausdrücklich auf die Folgen der Nichtbeibringung des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV hingewiesen. Ferner enthält die Anordnung die gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV geforderten Mitteilungen. Zwar wurde nicht Nr. 8.3 (Abhängigkeit) der Anlage 4 zur FeV im Rahmen der Angabe der Rechtsgrundlage zitiert, sondern lediglich Nr. 8 (Alkohol) der Anlage 4 zur FeV. Dies ist vorliegend jedoch nicht zu beanstanden. Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV weist unter dem Überbegriff „Alkohol“ auf verschiedene Alkoholproblematiken hin. Die Fragestellung und die Ausführungen des Landratsamts weisen eindeutig auf die zu klärende Frage einer Alkoholabhängigkeit hin. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller infolge der Zitierung der Rechtsgrundlage einem Irrtum über Gegenstand und Umfang der Begutachtung unterlegen oder in seiner Entscheidungsfreiheit bezüglich der Durchführung der Begutachtung eingeschränkt gewesen sein könnte, mithin in seiner Rechtsposition oder Rechtsverteidigung beeinträchtigt wurde, wurden weder vorgetragen noch sind diese ersichtlich, sodass – selbst wenn man darin einen Mangel sehen wollte – dies letztlich ohne Auswirkungen blieb.
2.1.3 Auch die Frist zur Beibringung des Gutachtens war ausreichend bemessen, um die Begutachtung durchführen zu können. Eine weitere Fristverlängerung zur Durchführung einer weiteren Begutachtung war nicht erforderlich. Der Kläger hat die geforderte Begutachtung durchführen lassen, das von der … Süd Life Service GmbH in S. erstellte Gutachten jedoch unter Hinweis auf „Diskrepanzen“ nicht vorgelegt. Zutreffend geht das Landratsamt unter Hinweis auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 14.11.2011 – 11 CS 11.2349 – juris) davon aus, dass im vorliegenden Fall die Fristverlängerung zur Vorlage eines weiteren Gutachtens nur dann veranlasst gewesen wäre, wenn der Antragsteller das Gutachten vorgelegt und substantiierte Einwendungen dagegen erhoben hätte, die sich auch nicht durch eine ergänzende Stellungnahme des ärztlichen Gutachters hätten ausräumen lassen. Solche Einwendungen wurden bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Bescheiderlasses nicht vorgebracht und sind – ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankommt – auch im gerichtlichen Verfahren nicht erkennbar. Soweit der Antragsteller Seite 8 des Gutachtens (Laborbefunde) vorlegen lässt, ersetzt dies weder die Vorlage des vollständigen Gutachtens noch kann er damit die behaupteten „Diskrepanzen“ bzw. die erstmals behaupteten „absolut unpassenden“ und „nicht sachbezogenen“ Fragen belegen. Die Ausführungen auf der vorgelegten Seite 8 des Gutachtens, die die erhobenen Laborbefunde im Rahmen der ärztlichen Begutachtung darstellen, sind weder per se zu beanstanden (siehe zur Sensitivität und Spezialität verschiedener Alkoholmarker und ihrer Aussagekraft Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl., S. 284 ff) noch ist mangels Vorliegen des gesamten Gutachtens, insbesondere der abschließenden Bewertungen der erhobenen Befunde, erkennbar, welche Schlussfolgerungen die Gutachterin letztlich aus den erhobenen Laborparametern gezogen hat bzw. mit welchem Gewicht diese in die abschließende Bewertung eingeflossen sind und ob die Einnahme von Medikamenten mit in die Bewertung einbezogen wurde. Soweit der Kläger angibt, das im Gutachten Aussagen dargestellt sind, die er so nicht getätigt hat, kann dies mangels konkreten Vortrags und Vorlage des Gutachtens durch das Gericht nicht beurteilt werden.
2.2 Auch eine zusätzliche, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelöste gerichtliche Abwägung des Vollzugs- und Suspensivinteresses ergibt kein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Es bestehen gegenwärtig nicht nur erhebliche Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers, sondern diese haben sich wegen Nichtvorlage des zu Recht angeforderten Gutachtens zur Gewissheit seiner Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verdichtet (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass allein schon die am 22. Februar 2020 festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,01 mg/l AAK bzw. 2,2 Promille BAK ohne massive Ausfallerscheinungen unabhängig von einer bestehenden Abhängigkeit bereits auf einen chronischen Alkoholkonsum und damit auf ein Alkoholproblem des Antragstellers hinweist, das die Gefahr von Auffälligkeiten im Straßenverkehr in sich birgt (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2020 – 11 CS 19.2237 – juris Rn. 15 m.w.N.). Wenn der Antragsteller demgegenüber angibt, noch nie im Straßenverkehr mit Alkohol auffällig geworden zu sein, so kann diesem Argument im Hinblick auf eine hohe Dunkelziffer unentdeckter Alkoholfahrten kein durchgreifendes Gewicht zugemessen werden. Es kann daher nicht verantwortet werden, den Antragsteller bis zur abschließenden Klärung des Rechtsstreits in der Hauptsache am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Der Entzug der Fahrerlaubnis mag im Einzelfall einschneidende Folgen für die Lebensführung des Betroffenen haben. Jedoch können persönliche Härten beim Entzug der Fahrerlaubnis, der als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit ergeht, nicht berücksichtigt werden. Es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, dass ungeeignete Kraftfahrer wegen der damit verbundenen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter, insbesondere Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, nicht am Straßenverkehr teilnehmen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie Nr. 46.1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Streitwertrelevant sind hier die Fahrerlaubnisklassen A, B und CE, die die anderen Fahrerlaubnisklassen mit umfassen. Die Fahrerlaubnisklassen A und B sind jeweils mit dem Auffangstreitwert (5.000,00 EUR) die Fahrerlaubnisklasse CE mit 1 1/2 Auffangstreitwert (7.500,00 EUR) anzusetzen. Der summierte Streitwert von 17.500,00 EUR war im Eilverfahren zu halbieren.


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