Medizinrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen die coronabedingte Schließung von Geschäften und Restaurants

Aktenzeichen  20 NE 21.406

Datum:
15.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2694
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
BayIfSMV § 12 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1, Abs. 11

 

Leitsatz

1. Die Regelungen zur Schließung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr und von Gastronomiebetrieben genügen voraussichtlich den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Betriebsschließungen nach § 28a Abs. 1 Nr. 13 und 14 IfSG führen im Regelfall noch nicht zu einem Eingriff in die Substanz der geschlossenen Betriebe und damit auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Eigentumsgrundrechts  oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, dessen Schutz ohnehin nicht über die Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG hinausgeht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Schließung von Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben ist mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite kraft Gesetzes eine grundsätzlich zur Bekämpfung von COVID-19 geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahme. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die derzeitigen Schließungen verstoßen voraussichtlich weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, noch gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. (Rn. 21 – 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragstellerin, ein großes deutsches Einzelhandelsunternehmen mit einem Sortimentsschwerpunkt im Textilbereich, betreibt ein Einzelhandelsgeschäft nebst Gastronomiebetrieb in Nürnberg. Mit ihrem Eilantrag begehrt sie die vorläufige Außervollzugsetzung des § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737), zuletzt geändert am 12. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 112).
2. Zur Begründung ihres Eilantrags vom 9. Februar 2021 führt sie an, infolge der pandemiebedingten Betriebseinschränkungen im Geschäftsjahr 2020 einen Verlust von ca. 48, 87 Mio. Euro erlitten zu haben. Für diese Einbußen habe sie bislang keinerlei staatliche Unterstützungs- oder Ausgleichsleistungen erhalten. Diverse Überbrückungs- bzw. November-/Dezemberhilfen stünden ihr nicht zu. Sie erläutert das Schutz- und Hygienekonzept in ihren Geschäftsbetrieben; ihr sei bisher kein Fall einer Infektion mit dem Coronavirus in ihren Verkaufsstellen bekannt geworden. Diverse Studien zeigten, dass das Ansteckungsrisiko im Einzelhandel sehr gering sei.
In rechtlicher Hinsicht rügt die Antragstellerin das Fehlen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Betriebsuntersagung. § 32 Satz 1 i.V.m. §§ 28, 28a IfSG seien nicht hinreichend bestimmt. Es fehlten eine Zweckbestimmung und nachvollziehbare Kriterien, die auf Tatbestandsseite den Grundrechtsschutz sicherten. Die Betriebsuntersagung, die in ihre Unternehmenssubstanz eingreife, sei mangels finanzieller Ausgleichsbestimmung mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Ermächtigungsgrundlage des §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 13 und 14 IfSG sei folglich verfassungswidrig. Die bei ihr eintretenden wirtschaftlichen Belastungen, die sich mit zunehmender Dauer vertieften, würden bisher nicht durch staatliche Hilfsprogramme abgemildert. Solche genügten ohnehin nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gesetzliche Ausgleichsregelung, da sie den Betroffenen keine gesicherte Rechtsposition einräumten und Inhalt und Grenzen der Entschädigungspflicht ungeregelt ließen. Die Betriebsuntersagung sei unverhältnismäßig. Sie sei ungeeignet, weil Studien belegten, dass sie Infektions- und Todeszahlen nicht signifikant verringerten. Als milderes Mittel kämen Auflagen zu Hygienemaßnahmen in Betracht. Im Übrigen sei der Verordnungsgeber seiner Evaluierungspflicht nicht nachgekommen; er habe bislang keine Anstrengungen zur Verbesserung der Erkenntnislage ergriffen. Der mit der Betriebsuntersagung verbundene Eingriff in die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG erweise sich auch als unangemessen. Ihrem Verlust von deutschlandweit ca. 78 Mio. Euro im Jahr 2020 stehe kein bzw. ein äußerst geringer Wirkungsgrad für das Infektionsgeschehen gegenüber. Die Maßnahmen verstießen auch gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil Supermärkte ein breites Sortiment u.a. von Textilwaren anbieten dürften; der Anteil der Lebensmittel-Discounter am Bekleidungsmarkt betrage mittlerweile 7% des Branchenumsatzes. Das saarländische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr habe ein Werbeverbot für Produkte, die nicht zum täglichen Bedarf und zur Grundversorgung gehörten, ausgesprochen; dies belege, dass die Rüge nicht abwegig sei und der Antragsgegner derzeit erheblich in das Wettbewerbsverhältnis der Unternehmen eingreife. Die Betriebsschließung sei nicht durch Gründe des Infektionsschutzes gerechtfertigt. Der Kauf eines Bekleidungsartikels im Supermarkt berge kein geringeres Infektionsrisiko. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht sonst gerechtfertigt. Die bei ihr angebotene Bekleidung diene ebenfalls der Grundversorgung der Bevölkerung. Ein Gleichheitsverstoß ergebe sich zudem aus der Ungleichbehandlung mit kleinen und mittelständischen Einzelhandelsgeschäften, die staatliche Hilfen erhielten. Der Ausschluss von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Mio. Euro von den Hilfsleistungen sei nicht gerechtfertigt.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
A.
Der zulässige Hauptantrag hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 11. BayIfSMV hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg (2.). Auch eine Folgenabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus (3.).
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 – juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – NVwZ-RR 2019, 993 – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12).
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
2. Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelungen abzulehnen, weil ein in der Hauptsache noch zu erhebender Normenkontrollantrag bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg hat.
a) Im Hinblick auf die Frage, ob die angegriffene Schließung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr und von Gastronomiebetrieben durch § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 11. BayIfSMV auf einer ausreichenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung beruht, insbesondere den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Parlamentsvorbehalt und an das Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG genügt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen umfassend Bezug genommen auf den Beschluss des Senats vom 8. Dezember 2020 (Az. 20 NE 20.2461, BeckRS 2020, 34549, Rn. 22 ff.), wonach gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 28a IfSG jedenfalls im Rahmen des Eilrechtsschutzes keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
b) Die von der Antragstellerin beanstandeten Regelungen in § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 11. BayIfSMV genügen voraussichtlich den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen. Danach müssen die Normbetroffenen in zumutbarer Weise selbst feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen; die Gerichte müssen in der Lage sein, die normative Entscheidung zu konkretisieren (BayVerfGH, E.v. 29.4.1983 – Vf. 16-VII-80 – VerfGHE 36, 56/68). Sieht eine Rechtsverordnung – wie hier § 28 Nr. 11 und Nr. 12 11. BayIfSMV – die Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit vor, muss die Vorschrift auch im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG hinreichend bestimmt sein, wobei der grammatikalischen Auslegung bzw. Wortlautgrenze dann herausgehobene Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 29.2.2012 – 9 C 8.11 – juris Rn. 12).
Soweit die Antragstellerin eine Zweckbestimmung vermisst, ob die Maßnahmen Ansteckungsrisiken weitgehend ausschließen oder aber die Überlastung des Gesundheitswesens vermeiden sollen, ist diese durch den Gesetzgeber in § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG ausdrücklich erfolgt. Darin wird klargestellt, dass Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nach § 28a Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1, nach § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 und den §§ 29 bis 32 IfSG insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten sind (vgl. BT-Drs. 19/24334 S. 73). Auch die Einwendung der Antragstellerin, es fehlten nachvollziehbare Kriterien, die auf der Tatbestandsseite einen effektiven Schutz der Grundrechtsträger vor übermäßigen staatlichem Handeln gewährleisteten, greift nicht durch. Der Gesetzgeber hat zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit besonderer Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung von SARS-CoV-2 ein gestuftes Vorgehen normiert, das sich an dem tatsächlichen (regionalen) Infektionsgeschehen orientiert (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 35). Dabei hat er insbesondere die – objektiv messbaren – Schwellenwerte von 35 und 50 Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen je 100.000 Einwohner vorgesehen (vgl. § 28a Abs. 3 Sätze 4 bis 12 IfSG). Zudem nimmt § 28a Abs. 2 IfSG grundrechtsdeterminiert eine materielle Eingrenzung von Schutzmaßnahmen im Hinblick auf ihre spezifische Eingriffsintensität vor (vgl. BT-Drs. 19/24334 S. 73).
Das Erfordernis einer weiteren Differenzierung drängt sich bei summarischer Prüfung nicht auf, zumal weiterhin die allgemeine tatbestandliche Voraussetzung des § 28 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz IfSG gilt, dass Schutzmaßnahmen nur ergriffen werden dürfen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe bei der Formulierung von Rechtsnormen ist allgemein anerkannt und stellt für sich genommen keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot dar. Nach der Eigenart der zu regelnden Sachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck ist es den Betroffenen – jedenfalls seit Inkrafttreten des Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BGBl I S. 2397) – möglich, die Rechtslage zu erkennen und ihr Verhalten danach einzurichten (vgl. BVerfG, B.v. 17.12.2019 – 1 BvL 6/16 – juris Rn. 22; BayVerfGH, E.v. 29.1.2021 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 31).
c) Die Ermächtigung zur Untersagung von Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben in § 28a Abs. 1 Nr. 13 und 14 IfSG verstößt voraussichtlich auch nicht wegen des Fehlens einer Ausgleichsregelung gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG. Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse sind als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Überschreitet der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit, indem er den Kernbereich der Eigentümerbefugnisse aushöhlt, so ist die gesetzliche Regelung unwirksam. Es ist dem Gesetzgeber aber nicht grundsätzlich verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Maßnahmen unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.22016 – 1 BvR 2821/11 u.a. – BVerfGE 143, 246 – juris Rn. 258 ff.; B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 – juris Rn. 76 ff.).
Die Betriebsschließungen nach § 28a Abs. 1 Nr. 13 und 14 IfSG führen im Regelfall noch nicht zu einem Eingriff in die Substanz der geschlossenen Betriebe und damit auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Auch Letzteres schützt nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern und keine bloßen Umsatz- und Gewinnchancen; es geht nicht über die Gewährleistung des Art. 12 Abs. 1 GG hinaus (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. – BVerfGE 143, 246 – juris Rn. 240). Bei der Beurteilung der Eingriffsintensität und der Frage, ob im jeweiligen Einzelfall ein eigentumsrelevanter Eingriff in die Substanz eines Gewerbebetriebs i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG vorliegt (vgl. auch Winter/Thürk in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 48), sind insbesondere die Dauer der Maßnahme und die Auswirkungen auf den konkreten Betrieb zu beurteilen. Auch wenn dem Vorbringen der Antragstellerin zu entnehmen ist, dass die seit 16. Dezember 2020 anhaltende Betriebsschließung ihr Unternehmen wirtschaftlich hart trifft (vgl. insbesondere die vorgelegte „Versicherung an Eides Statt“ vom 3.2.2021), und sie nach eigenem Vorbringen bislang keine staatlichen Hilfen erhalten hat, vermag der Senat gegenwärtig noch keinen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG von solchem Ausmaß erkennen, der nur durch einen durch den Gesetzgeber vorab normierten finanziellen Ausgleich verhältnismäßig sein könnte.
d) Die von der Antragstellerin angegriffenen Bestimmungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 11. BayIfSMV stehen mit der Ermächtigungsgrundlage der §§ 32 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 13 und 14, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Einklang und erweisen sich im Rahmen einer summarischen Prüfung weder als offensichtlich unverhältnismäßig noch als gleichheitswidrig. Hierzu kann im Grundsatz auf die Ausführungen des Senats in den Beschlüssen vom 5. November 2020 (Az. 20 NE 20.2468 – juris Rn. 14 ff.) und 12. November 2020 (Az. 20 NE 20.2463 – juris Rn. 33 ff.) Bezug genommen werden.
aa) Sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Geltungsdauer der 11. BayIfSMV bis zum 7. März 2021 (vgl. § 1 Nr. 9 der Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 12.2.2021, BayMBl. 2021 Nr. 112) nochmals zu verlängern, als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen des § 28a Abs. 3 Satz 4, 5 und 10 IfSG vor. Nach dem Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 14. Februar 2021 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-14-de.pdf? blob=publicationFile) ist weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld sowie in Alten- und Pflegeheimen. Die Anzahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Inzidenz) betrug am 14. Februar 2021 bundesweit 57 und in Bayern 56. Wegen der Überschreitung dieses Schwellenwertes sind nach § 28a Abs. 3 Satz 4 und 5 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen.
Abgesehen davon hat der Verordnungsgeber ungeachtet der rückläufigen Tendenz der Neuinfektionen auf die Gefahr durch neue besorgniserregenden Virusvarianten („Variants of concern“, VOC) abgestellt. Insbesondere die zunächst in Großbritannien beschriebene Variante B1.1.7 scheine eine deutlich höhere Übertragbarkeit zu besitzen, erste wissenschaftliche Daten deuteten zudem auf eine erhöhte Fallsterblichkeit hin. Für die südafrikanische VOC B.1.351 und die brasilianische VOC P.1 werde eine verringerte Wirkung neutralisierender Antikörper diskutiert, wodurch die Immunität gegenüber diesen Varianten schwächer ausgeprägt sein könnte bei Personen, die an der ursprünglichen SARS-CoV-2-Variante erkrankt waren oder den Impfstoff erhalten haben. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control – ECDC) habe die Risikoeinstufung für die Einschleppung und gemeinschaftliche Ausbreitung der VOC am 21. Januar 2021 von „hoch“ auf „sehr hoch“ geändert und warne vor einer mit einer verstärkten Ausbreitung einhergehenden Erhöhung der Hospitalisierungs- und Sterberaten in allen Altersgruppen, insbesondere aber bei älteren Menschen und Personen mit Vorerkrankungen. Es sei daher von entscheidender Bedeutung, die Übertragung und Ausbreitung von SARS-CoV-2 so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern, um Belastungsspitzen im Gesundheitswesen zu vermeiden (vgl. Begründung der Änderungsverordnung vom 12.2.2021, BayMBl. 2021, 113 S. 2).
Im Hinblick darauf kann derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber den ihm bei der Bewertung der Gefahrenlage zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Der Normgeber darf insbesondere nicht erst dann tätig werden, wenn die Tatsachengrundlage für eine beabsichtigte Regelung in der Wissenschaft übereinstimmend als gesichert bewertet wird (vgl. BayVerfGH, E.v. vom 29.1.2021 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 46; E.v. 30.12.2020 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 28 ff.; vgl. auch BVerfG, E.v. 16.4.2020 – 1 BvQ 33/20 – juris Rn. 7).
bb) Die Schließung von Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben erweist sich zur Erreichung der Ziele des Schutzkonzepts der 11. BayIfSMV voraussichtlich auch als verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und angemessen.
(1) Der Senat geht nach wie vor davon aus, dass die Schließung von Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag kraft Gesetzes eine grundsätzlich zur Bekämpfung der Coronavirus-Krankheit-2019 geeignete und erforderliche Infektionsschutzmaßnahme ist. Davon ist der Gesetzgeber durch den Erlass des mit Artikel 1 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) eingefügten § 28a IfSG ausgegangen. Zwar sind die dadurch eingeräumten Befugnisse der Infektionsschutzbehörden und damit vor allem des Verordnungsgebers nach § 32 IfSG, Untersagungs- und Beschränkungsmaßnahmen für ganze Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sowie allgemeine Verhaltenspflichten für jedermann zur Bekämpfung von COVID-19 zu erlassen, zum Teil sehr weitgehend und in die Grundrechte der Betroffenen tief eingreifend. Auf der anderen Seite muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Befugnisse allein auf das Ereignis der Corona-Pandemie zugeschnitten sind und jedenfalls flächendeckend nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag erlassen werden können. Dadurch hat der Bundestag eine Gefährdungseinschätzung durch die Corona-Pandemie, welche sowohl Gefahrenabwehrelemente als auch Gefahrenprognoseelemente (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 28.6.2004 – 6 C 21.02 – BeckRS 2004,25030) enthält, zum Ausdruck gebracht, welche grundsätzlich solch einschneidende Maßnahmen voraussichtlich rechtfertigen kann. Dass der Bundestag hier seinen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 12.5.2020 – 1 BvR 1027/20 – NVwZ 2020, 1823 – juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Bei der Entscheidung über die weitere Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite muss gegebenenfalls die Sach- und Interessenlage neu abgewogen werden. Deswegen greifen die Einwendungen der Antragstellerin, die Schließung von Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben sei nicht geeignet und erforderlich, um das Infektionsgeschehen einzudämmen, nicht durch.
Abgesehen davon zeigt sich vorliegend bei summarischer Beurteilung kein gleich wirksames, die Normbetroffenen weniger belastendes (milderes) Mittel. Zwar können auch Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen Phase der Pandemie, die weiterhin von einem starken diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt ist und in der in vielen Fällen das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden kann (vgl. auch Begründung vom 12.2.2021, BayMBl. 2021 Nr. 113, S. 2), ist die Prognose des Verordnungsgebers, dass vordringlich auf Einhaltung von Abstand und Hygiene ausgerichtete Maßnahmen weiterhin nicht genügen, sondern die Kontakte der Bevölkerung insgesamt stärker unterbunden werden müssten, um das Infektionsgeschehen weiter einzudämmen, voraussichtlich nicht fehlerhaft. Die von der Antragstellerin angeführten Studien zu den Infektionsrisiken in Einzelhandelsgeschäften bzw. sonstigen Betrieben rechtfertigen deshalb kein anderes Ergebnis.
Soweit die Antragstellerin noch stärkere Zugangsbeschränkungen zu Alten- und Pflegeheimen, intensive Test- und Quarantäneanordnungen und die kurzfristige Schaffung zusätzlicher intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten als mildere Mittel anführt, lässt sie außer Acht, dass diesbezüglich seit Ausbruch der Pandemie bereits vielfältige Maßnahmen getroffen worden sind (vgl. zum Schutz von Alten- und Pflegeheimen vgl. nur zuletzt § 1 Nr. 3 der Verordnung zur Änderung der 11. BayIfSMV vom 20.1.2021; Testkriterien für die SARS-CoV-2 Diagnostik bei symptomatischen Patienten mit Verdacht auf COVID-19, Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, Stand: 3.2.2021, z.B. Fallbasiertes Testen: Erweiterung auf sämtliche Patienten mit akuten respiratorischen Beschwerden jeder Schwere; zur Entwicklung der Zahl der Intensivbetten in Bayern vgl. LT-Drs. 18/12339 vom 2.2.2021, S. 2).
Erfolglos bleibt auch der Vortrag der Antragstellerin, die Beschränkungen für jüngere Bevölkerungsgruppen – etwa beim Besuch von Einzelhandelsgeschäften – seien nicht erforderlich, weil Schutzmaßnahmen in erster Linie gegen Risikogruppen gerichtet werden sollten. Der Staat ist verfassungsrechtlich keineswegs darauf beschränkt, den Schutz gesundheits- und lebensgefährdeter Menschen allein durch Beschränkungen ihrer eigenen Freiheit zu bewerkstelligen. Vielmehr darf er Regelungen treffen, die auch den vermutlich gesünderen und weniger gefährdeten Menschen in gewissem Umfang Freiheitsbeschränkungen abverlangen, wenn gerade hierdurch auch den stärker gefährdeten Menschen, die sich ansonsten über längere Zeit vollständig aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen müssten, ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und Freiheit gesichert werden kann (BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1021/20 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 20 NE 20.1065 – juris Rn. 33).
Auch der Einwand der Antragstellerin, es seien bislang keinerlei Anstrengungen zur Verbesserung der Erkenntnislage zur Wirkung von Schutzmaßnahmen ergriffen worden, geht fehl. Beispielsweise wird mit der nunmehr angelaufene StopptCOVID-Studie, ein Kooperationsprojekt zwischen der Universität Bielefeld und dem Robert-Koch-Institut (RKI) und gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit, eine Dokumentation der nicht-pharmazeutischen Maßnahmen zur Kontrolle der SARS-CoV-2-Pandemie in Deutschland auf Ebene der Bundesländer und auf der Ebene besonders betroffener Landkreise erarbeitet, um die relative Bedeutung von assoziierten Faktoren (Risiko- und schützende Faktoren) zu quantifizieren und eine Bewertung der Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie in Deutschland vorzunehmen (vgl. https://www.rki.de/ DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/StopptCOVID_studie.html). Im Übrigen bleibt es dabei, dass der Normgeber nicht erst dann tätig werden darf, wenn die Tatsachengrundlage für eine beabsichtigte Regelung in der Wissenschaft übereinstimmend als gesichert bewertet wird (vgl. BayVerfGH, E.v. vom 29.1.2021 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 46; E.v. 30.12.2020 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 28 ff.; vgl. auch BVerfG, E.v. 16.4.2020 – 1 BvQ 33/20 – juris Rn. 7).
(2) Auch gegen die Angemessenheit der Betriebsschließungen im Einzelhandel und der Gastronomie bestehen derzeit keine durchgreifenden Bedenken. Dabei verkennt der Senat nicht, dass diese nicht zuletzt wegen ihrer Dauer zu schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbußen der Betreiber führen und damit deren Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG schwer beeinträchtigen und ggf. im Einzelfall – mit zunehmender Dauer – auch in die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) eingreifen können.
Ob Betriebsschließungen in der konkreten Situation im entscheidungserheblichen Zeitpunkt eine angemessene Schutzmaßnahme darstellen, hat der Verordnungsgeber nach § 32 IfSG zu entscheiden. Dieser hat in einer dokumentierten Entscheidung die besonders gewichtigen infektiologischen Erfordernisse mit sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit nach § 28a Abs. 6 IfSG abzuwägen. Dabei dürfte es sich um eine prognostische Abwägungsentscheidung handeln, welche dem Verordnungsgeber einen Beurteilungsspielraum eröffnet, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (BayVGH, B. v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris Rn. 25). Der gerichtlichen Kontrolle unterliegt allerdings die Frage, ob der Verordnungsgeber von sachlichen Erwägungen ausgegangen ist. Hierbei kommt der Begründung der Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG besondere Bedeutung zu. Insoweit enthält die Begründung der 11. BayIfSMV (BayMBl. 2020 Nr. 738 S. 5) lediglich Anhaltspunkte, dass der Verordnungsgeber angesichts der dramatischen Situation der Reduzierung der Kontakte einen unbedingten Vorrang einräumen wollte. Bei der Verlängerung der Maßnahmen, zuletzt mit Verordnung vom 12. Februar 2021, ging der Verordnungsgeber davon aus, dass die Schließung der (nicht privilegierten) Einzelhandelsbetriebe und der Gastronomie mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen fortgeführt werden muss (vgl. BayMBl. 2021 Nr. 113 S. 1).
Diese Einschätzung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht rechtlich zu beanstanden (vgl. auch BayVerfGH, E.v. 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 20). Angesichts des weiterhin angespannten Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer (konkret drohenden) Überlastung des Gesundheitssystems stehen die wirtschaftlichen Folgen für die Betreiber derzeit nicht außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe. Die etwas verbesserte epidemische Lage seit dem Verordnungserlass der 11. BayIfSMV am 15. Dezember 2010 bietet gegenwärtig noch keinen Anlass zu einer anderen Einschätzung, zumal die Auswirkungen der sich rasch verbreitenden mutierten, wohl ansteckenderen Virusvarianten (VOC) auf die Gefährdungslage in Deutschland (vgl. oben Rn. 19) gegenwärtig noch nicht sicher abgeschätzt werden kann.
cc) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich ebenfalls nicht vor.
(1) Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung; solche bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18 u.a. – NJW 2019, 3054 – juris Rn. 94; B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240 – juris Rn. 40 ff.).
Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 6 Satz 3 IfSG den Infektionsschutzbehörden bei bereichsspezifischen Differenzierungen in einem Gesamtkonzept einen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist. Wichtige Gründe des Gemeinwohls können solche Ausnahmen rechtfertigen; insbesondere können die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten berücksichtigt werden (vgl. BT-Drs. 19/24334 S. 74).
(2) Ausgehend von diesen Maßstäben erweist sich die Ungleichbehandlung der geschlossenen Einzelhandels- und Gastronomiebetrieben mit den von der Antragstellerin angeführten Vergleichsgruppen voraussichtlich nicht als sachwidrig.
Soweit der Einzelhandel der Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs dient, unterscheidet er sich von Einzelhandelsbetrieben, deren Sortiment schwerpunktmäßig nicht auf solche Güter ausgerichtet ist. Dass in Supermärkten teilweise auch Textilwaren angeboten werden, ändert daran nichts. Das Abstellen auf den Schwerpunkt des jeweiligen Sortiments ist als generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung (vgl. nur BayVerfGH, E.v. 16.11.2020 – Vf. 90-VII-20 – juris Rn. 32) voraussichtlich nicht sachwidrig, zumal der Verordnungsgeber eine Ausweitung solcher „Nebensortimente“ in § 12 Abs. 1 Satz 3 11. BayIfSMV untersagt hat.
Auch die gerügte Ungleichbehandlung mit kleinen und mittelständischen Unternehmen, die bestimmte staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können, liegt nicht vor. Ob sich der Staat bei der Ausgestaltung seiner Hilfsprogramme für pandemiebedingt geschlossene Betriebe dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG gerecht wird, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Im Übrigen geht der Senat nicht davon aus, dass die mit der vorliegenden Betriebsuntersagung verbundenen Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG und ggf. in Art. 14 Abs. 1 GG nur verhältnismäßig sein können, wenn finanzielle Ausgleichsleistungen bereitgestellt werden (vgl. bereits oben Rn. 16).
3. Aber auch wenn man von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgeht, ergibt die im Rahmen des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Folgenabwägung, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) die Interessen der Antragstellerin an einer Öffnung ihrer Einzelhandels- und Gastronomiebetriebe überwiegen.
Das pandemische Geschehen ist weiterhin auf hohem Niveau. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 14. Februar 2021 (abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-14-de.pdf? blob=publicationFile) ist nach wie vor eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Nach der aktuellen Risikobewertung des RKI (Stand 12.2.2021, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) ist die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten von SARS-CoV-2 (B.1.1.7, B.1.351 und B.1.1.28) besorgniserregend. Diese besorgniserregenden Varianten (VOC) wurden inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen. Es ist noch unklar, wie sich deren Zirkulation auf die Situation in Deutschland auswirken wird. Aufgrund der vorliegenden Daten hinsichtlich einer erhöhten Übertragbarkeit der Varianten besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Verschlimmerung der Lage. Ob und in welchem Maße die neuen Varianten die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe beeinträchtigen, ist derzeit noch nicht sicher abzuschätzen. Die VOC, die zuerst im Vereinigten Königreich (B.1.1.7), in Südafrika (B.1.351) und in Brasilien (B.1.1.28) nachgewiesen wurden, sind nach Untersuchungen aus dem Vereinigten Königreich und Südafrika und gemäß Einschätzung des ECDC noch leichter von Mensch zu Mensch übertragbar und unterstreichen daher die Notwendigkeit einer konsequenten Einhaltung der kontaktreduzierenden Maßnahmen. Das individuelle Risiko, schwer zu erkranken, kann anhand der epidemiologischen/statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen können auch nach leichten Verläufen auftreten.
In dieser unsicheren Situation ergibt die Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Normen – im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten – schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 und ggf. aus Art. 14 Abs. 1 GG. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist, müssen die Interessen der Antragstellerin derzeit zurücktreten.
B.
Bei dem Hilfsantrag, die einstweilige Anordnung mit der Maßgabe zu erlassen, dass sie dann wirksam wird, wenn der Antragsgegner nicht innerhalb von einer Woche nach ihrer Zustellung in einer zu den Gerichtsakten zu reichenden Erklärung gegenüber der Antragstellerin zusichert, sie für die Folgen einer angegriffenen Maßnahmen angemessen zu entschädigen, handelt es sich betreffend das Entschädigungsverlangen bereits nicht um ein vorläufiges Rechtsschutzbegehren, das mit einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt werden könnte (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 47 Rn. 183). Abgesehen davon gelten insoweit in der Sache die obigen Darstellungen (vgl. insbesondere Rn. 15 f.).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 7. März 2021 außer Kraft tritt (vgl. § 29 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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