Medizinrecht

Exmatrikulation trotz Geltendmachung einer Prüfungsunfähigkeit

Aktenzeichen  Au 8 K 18.1003

Datum:
3.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33472
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
APO § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 6, § 14 Abs. 2
BayHSchG Art. 49 Abs. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Die Gewährung von Prozesskostenhilfe war zu versagen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung gem. § 166 VwGO iVm § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO bei summarischer Prüfung keinen Erfolg verspricht. Die Exmatrikulation ist aufgrund Nichtbestehens von Prüfungsleistungen rechtmäßig. (Rn. 32–52) (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
2 Erscheint ein Prüfling trotz Anmeldung nicht zur Prüfung, ohne einen Grund für das Versäumnis anzugeben oder wirksam zurückzutreten, gilt die Prüfung als “nicht bestanden”. (Rn. 34 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3 Gesundheitlichen Gründe, die zur Prüfungsunfähigkeit geführt haben sollen, müssen gem. § 11 Abs. 2 APO unverzüglich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. So müssen ärztliche Atteste auf Untersuchungen beruhen, die vor oder am Tag der jeweiligen Prüfung durchgeführt wurden. Während der Prüfung eintretende Prüfungsunfähigkeit muss unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht geltend gemacht werden. Eine Glaubhaftmachung 2 Wochen nach dem Prüfungstag und der Einlegung des Widerspruchs ist nicht mehr unverzüglich. (Rn. 41 – 50) (Rn. 42)(Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die nachträgliche Anrechnung von Prüfungsleistungen aus dem Vorstudium sind gem. § 14 Abs. 2 APO nur dann anrechenbar, wenn diese tatsächlich positiv erbracht worden sind. (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem das endgültige Nichtbestehen von Prüfungsleistungen und die daraus folgende Exmatrikulation festgestellt wird.
1. Der Kläger war ab dem Sommersemester 2015 an der beklagten Hochschule im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen/Logistik“ immatrikuliert. In diesem Studiengang wurde ihm mit Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2016 ein Nachteilsausgleich (Schreibzeitverlängerung oder Ersatz schriftlicher durch mündliche Prüfung) gewährt. Grundlage des Nachteilsausgleichs war eine beim Kläger diagnostizierte Erkrankung, die mit epileptischen Anfällen und Konzentrationsschwierigkeiten durch Kopfschmerzen verbunden war.
2. Mit Schreiben vom 7. März 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Immatrikulation im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“. In dem Antrag wies er auf die vorherige Immatrikulation an der Hochschule im Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen/Logistik“ hin. Eine Anrechnung von Studienleistungen aus diesem (Vor-) Studiengang und einen Nachteilsausgleich in diesem Studiengang beantragte der Kläger nicht. Der Kläger wurde von der Beklagten im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ zum Sommersemester (SS) 2017 immatrikuliert.
Zum Abschluss des ersten Studiensemesters (SS 2017) trat der Kläger zu den Prüfungen in den Modulfächern „Volkswirtschaftslehre“, „Betriebswirtschaftslehre“, „Ingenieurgrundlagen“ und „Englisch I“ nicht an. In allen vier Prüfungsfächern wurde die Prüfung als „nicht bestanden“ gewertet.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ die Überschreitung der Frist zur Erreichung der ECTS-Punkte zum Abschluss des zweiten Studiensemesters (Bl. 10 der Behördenakte).
Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag beantragte er für den Studiengang die Gewährung eines Nachteilausgleichs und legte dazu verschiedene ärztliche Atteste vor (Bl. 11 der Behördenakte). Mit E-Mail vom 29. Januar 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass über den Antrag auf Nachteilsausgleich während des laufenden Prüfungszeitraums nicht entschieden werden kann. In Antwort dazu übersandte der Kläger am 12. Februar 2018 per E-Mail unter anderem ein ärztliches „Schreiben des Herrn Dr. … bezüglich des Härtefallantrags“ (Bl. 12 der Behördenakte).
Zum Abschluss des zweiten Studiensemesters (WS 2017/2018) erschien der Kläger am 29. Januar 2018 zur (Wiederholungs-) Prüfung im Modulfach „Ingenieurgrundlagen“ und nahm an dieser Prüfung teil.
Zu den weiteren (Wiederholungs-) Prüfungen in den Modulfächern „Volkswirtschaftslehre“, „Betriebswirtschaftslehre“ und „Englisch I“, die am 6. Februar 2018 und am 8. Februar 2018 stattgefunden haben, ist der Kläger nicht erschienen. Eine schriftliche Begründung für das Nichterscheinen an diesen zwei Tagen legte der Kläger in der Folge nicht vor.
Ein am 20. Februar 2018 erlassener Bescheid zur Exmatrikulation des Klägers wegen fehlender Erreichung ausreichender ECTS-Punkte zum Abschluss des zweiten Studiensemesters wurde mit bestandskräftigem Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2018 zurückgenommen.
Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 2018 exmatrikulierte die Beklagte den Kläger wegen fehlender ausreichender Prüfungsleistungen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Kläger mehr als drei Prüfungsleistungen des Grundstudiums in der ersten Wiederholungsprüfung nicht bestanden habe. Gemäß § 13 Abs. 6 der Allgemeinen Prüfungsordnung für die gemeinsamen Bachelorstudiengänge der Hochschule … und … (APO) sei eine zweite Wiederholungsprüfung von Prüfungsleistungen im Grundstudium (die ersten beiden Lehrplansemester) nur in maximal drei Modulprüfungen zulässig. Der Kläger habe jedoch in vier Prüfungsfächern („Volkswirtschaftslehre“, „Betriebswirtschaftslehre“, „Ingenieurgrundlagen“ und „Englisch I“) die erste Wiederholungsprüfung nicht bestanden und somit nach § 13 Abs. 6 Satz 2 APO den Prüfungsanspruch verloren. Mit dem Verlust des Prüfungsanspruches sei der Kläger nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG zu exmatrikulieren.
Auf den Bescheid wird im Einzelnen verwiesen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 15. März 2018 Widerspruch ein.
Zur Begründung trug er vor, dass er aufgrund einer verdeckten Prüfungsunfähigkeit an der Modulprüfung „Ingenieursgrundlagen“ nicht ordentlich habe teilnehmen können. Auch habe er es übersehen, sich die im Vorstudiengang in den Fächern „Volkswirtschaftslehre“, „Betriebswirtschaftslehre“ und „Englisch I und II“ erbrachten Studienleistungen für den jetzigen Studiengang anrechnen zu lassen. Dies wolle er nun nachholen. Für seine Erkrankung könne er ein ärztliches Attest vom 9. Februar 2018 und vom 23. Januar 2018 vorlegen. Auch habe er es versäumt, den ihm im Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen/Logistik“ gewährten Nachteilsausgleich im gegenwärtigen Studiengang ebenfalls zu beantragen.
Auf den Widerspruch wird im Einzelnen verwiesen.
Aus dem vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest vom 23. Januar 2018 geht hervor, dass der Kläger aufgrund eines Schädelhirntraumas an starken chronischen Kopfschmerzen sowie einer verminderten Konzentrations- und Merkfähigkeit leide. Der behandelnde Arzt gehe von einer dauerhaften Herabsetzung der Belastbarkeit des Klägers aus und empfiehlt einen Nachteilsausgleich im Studium.
In dem weiteren ärztlichen Attest vom 9. Februar 2018 ist festgehalten, dass nach den glaubhaften und nachvollziehbaren Schilderungen des Klägers aufgrund von Nebenwirkungen der Medikamente am 29. Januar 2018 und am 5. Februar 2018 von Prüfungsunfähigkeit auszugehen gewesen sei. Der Kläger müsse aufgrund chronischer Erkrankungen und posttraumatischer Schäden dauerhaft Medikamente einnehmen. Die Wirkung dieser Medikamente würde einerseits die Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen und könne aber andererseits zu einer erheblichen Einschränkung des Urteilsvermögens im Sinne von „Überheblichkeit“ und damit verbundener fehlerhafter Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes und der Prüfungsfähigkeit führen. Am 29. Januar 2018 und am 5. Februar 2018 sei von einer solchen Befundkonstellation auszugehen.
Auf die vorgelegten ärztlichen Atteste wird verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2018 wurde nach der Beschlussfassung im Prüfungsausschuss der Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Februar 2018 zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Kläger die gesundheitlichen Gründe, die zur Prüfungsunfähigkeit geführt haben sollen, nicht unverzüglich angezeigt und glaubhaft gemacht habe. Eine Glaubhaftmachung sei nach der zwischen dem Prüfungstag und der Einlegung des Widerspruchs verstrichenen Zeit nicht mehr möglich. Eine Anrechnung der Prüfungsleistungen aus dem Vorstudium sei nach § 14 Abs. 2 APO ausgeschlossen.
Auf den Widerspruchsbescheid wird im Einzelnen verwiesen.
3. Der Kläger ließ am 14. Juni 2018 Klage erheben.
Zur Begründung ist mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 27. September 2018 im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kläger aufgrund der ärztlich diagnostizierten dauerhaften Erkrankung und den vorgelegten fachärztlichen Attesten am 29. Januar 2018 und am 5. Februar 2018 prüfungsunfähig gewesen sei. Der Kläger müsse dauerhaft Medikamente einnehmen, die es ausschließen würden, dass er zuverlässig selbst in ausreichender Weise seine Prüfungsunfähigkeit erkennen könne. Auch für den 31. Januar 2018 habe eine vom Kläger nicht erkannte Prüfungsunfähigkeit bestanden. An diesem Tag habe der behandelnde Arzt ein ärztliches Attest ausgestellt. In diesem Attest führt der Arzt aus, dass der Kläger am 31. Januar 2018 aufgrund posttraumatischer Kopfschmerzen an der Prüfung nicht habe teilnehmen können. Insgesamt sei davon auszugehen, dass der Kläger bei allen maßgeblichen Prüfungsterminen prüfungsunfähig gewesen sei. Für die Prüfungen in den Fächern „Volkswirtschaftslehre“, „Betriebswirtschaftslehre“ und „Englisch I“ habe der Kläger auch einen Antrag auf Anerkennung der Prüfungsleistungen aus dem Vorstudiengang gestellt.
Der Kläger lässt beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe beim Wechsel des Studiengangs zum SS 2017 die Anerkennung von Prüfungsleistungen aus dem Vorstudiengang nicht beantragt. Mit der Immatrikulation zum SS 2017 sei somit eine automatische Anmeldung zu den Prüfungen im ersten Lehrplansemester erfolgt. Zum Abschluss dieses Semesters im Juli 2017 sei der Kläger zu den vier Studienprüfungen nicht erschienen, so dass diese als jeweils „nicht bestanden“ zu werten gewesen seien. Bei den Wiederholungsprüfungen zum Abschluss des zweiten Studiensemesters (WS 2017/2018) sei der Kläger nur zu der Prüfung am 29. Januar 2018 im Prüfungsfach „Ingenieursgrundlagen“ erschienen. An den weiteren drei Wiederholungsprüfungen am 6. Februar 2018 und am 8. Februar 2018 habe der Kläger nicht teilgenommen. Die Prüfung im Fach „Ingenieursgrundlagen“ habe der Kläger nicht bestanden. Damit habe er insgesamt vier Prüfungsfächer in der Wiederholungsprüfung nicht bestanden. Gemäß § 13 Abs. 6 APO sei eine zweite Wiederholungsprüfung im Grundstudium (erste beide Lehrplansemester) in maximal drei Modulprüfungen zulässig. Eine Anrechnung der Studienleistungen aus dem Vorstudiengang in den drei genannten Prüfungsfächern sei nach § 14 Abs. 2 APO ausgeschlossen, da diese mit Abschluss des ersten Studiensemesters bereits als „nicht bestanden“ bewertet gewesen seien. Im Prüfungsfach „Ingenieursgrundlagen“ sei nicht von einer Prüfungsunfähigkeit auszugehen. Nach § 11 Abs. 2 APO seien gesundheitliche, zu einer Beeinträchtigung der Prüfungsfähigkeit führende Gründe unverzüglich schriftlich anzuzeigen und glaubhaft zu machen. Der Kläger habe an der Prüfung am 29. Januar 2018 teilgenommen. Eine Prüfungsunfähigkeit habe er dabei nicht geltend gemacht. Erstmals im Widerspruchsverfahren habe er am 15. März 2018 ein ärztliches Attest vom 9. Februar 2018 vorgelegt, aus dem sich eine Prüfungsunfähigkeit für den 29. Januar 2018 ergeben hätte. Diese Vorlage sei nicht unverzüglich im Sinne der Prüfungsordnung erfolgt. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Kläger auch am 31. Januar 2018 in ärztlicher Behandlung gewesen sei und für diesen Tag Prüfungsunfähigkeit geltend gemacht habe. Eine Prüfungsunfähigkeit für den 29. Januar 2018 sei jedoch erstmals im März 2018 bei der Beklagten geltend gemacht worden. Der Kläger habe es damit schuldhaft unterlassen, seine Prüfungsunfähigkeit zeitnah mitzuteilen. Eine nachträgliche Berücksichtigung der geltend gemachten Prüfungsunfähigkeit sei deshalb ausgeschlossen. Es wäre dem Kläger zumutbar gewesen, die im Zusammenhang mit der Prüfung am 29. Januar 2018 behauptete Prüfungsunfähigkeit bereits in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Prüfung bei der Beklagten vorzutragen.
Unter Vorlage der notwendigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung bleibt erfolglos.
Nach § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozessgewinn schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg. Mit dem im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Bescheid der Hochschule vom 20. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2018 wurde festgestellt, dass der Kläger die erste Wiederholungsprüfung in mehr als drei Prüfungsleistungen des Grundstudiums nicht bestanden und deshalb nach § 13 Abs. 6 der Allgemeinen Prüfungsordnung für die gemeinsamen Bachelorstudiengänge der Hochschulen … und … (APO) den Prüfungsanspruch verloren hat. Die Klage gegen diesen Bescheid wird nach summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren erfolglos bleiben, der angefochtenen Bescheid der Hochschule vom 20. Februar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger ist in den Prüfungsfächern „Volkswirtschaftslehre“, „Betriebswirtschaftslehre“ und „Englisch I“ zum Abschluss des ersten Studiensemesters (SS 2017) zu den Prüfungen ohne Angabe von Gründen nicht erschienen, obwohl der Kläger für diese Prüfungsfächer nach § 5 Abs. 1 Satz 2 APO (i.V.m. § 31 Abs. 1 APO, Teil B der APO für Module im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“) als angemeldet gegolten hat. Die Prüfungsleistung in diesen Fächern hat die Beklagte deshalb nach § 11 Abs. 1 Satz 1 APO mit „nicht ausreichend“ bewertet.
Das gleiche gilt für das Prüfungsfach „Ingenieurgrundlagen“, in dem der Kläger zum Abschluss des ersten Studiensemesters (SS 2017) ebenfalls nicht an der (verpflichtenden) Modulprüfung (§ 5 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 APO) teilgenommen hat.
2. Gemäß § 13 Abs. 3 APO hat der Kläger die nach dem Abschluss des ersten Studiensemesters nicht bestandenen Prüfungen in den vier vorgenannten (Modul-) Prüfungsfächern im nächsten regulären Prüfungstermin im jeweiligen Prüfungsfach zu wiederholen, vorliegend also zum Abschluss des zweiten Studiensemesters (WS 2017/2018).
a) In den Prüfungsfächern „Volkswirtschaftslehre“, „Betriebswirtschaftslehre“ und „Englisch I“ ist der Kläger ohne Angabe eines Grundes zu den Prüfungen am 6. Februar 2018 und am 8. Februar 2018 nicht erschienen. Die Prüfungsleistungen sind somit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 APO als „nicht ausreichend“ zu bewerten, so dass in diesen drei (Modul-)Prüfungsfächern (vgl. § 31 Abs. 1 APO) auch die jeweils erste Wiederholungsprüfung als nicht bestanden zu werten ist.
Für diese Prüfungsfächer hat der Kläger auch nachträglich – unabhängig von der Frage der Rechtzeitigkeit – keinen Rücktritt oder einen Grund für das Versäumnis erklärt. Die im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Atteste treffen jedenfalls für diese beiden Prüfungstage keine Aussage.
In diesen drei Prüfungsfächern konnte auch keine (nachträgliche) Anrechnung von Studienleistungen aus dem vom Kläger zuvor belegten Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen/Logistik“ nach § 14 Abs. 2 APO erfolgen, wie sie der Kläger mit dem Widerspruchsschreiben vom 15. März 2018 erstmals bei der Beklagten beantragt hat.
Die Anrechnung von Studien- und Prüfungsleistungen auf Antrag des Studenten ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 APO möglich. Diese Anrechnung ist jedoch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 a.E. APO dann ausgeschlossen, wenn die Prüfungsleistungen in diesen Fächern bereits als nicht bestanden gewertet worden sind. Dies ist vorliegend deshalb der Fall, weil mit der Nichtteilnahme des Klägers an diesen Prüfungen zum Abschluss des ersten Studiensemesters diese als (erstmals) nicht bestanden gewertet worden sind.
b) In dem vierten (Modul-) Prüfungsfach „Ingenieurgrundlagen“ hat der Kläger am 29. Januar 2018 an der Prüfung teilgenommen, er hat die Prüfung nicht bestanden (Note 5). Von dieser Prüfung konnte der Kläger nicht wirksam zurücktreten, da er die von ihm vorgetragene unerkannte Prüfungsunfähigkeit nicht unverzüglich im zeitlichen Zusammenhang mit der Prüfung vom 29. Januar 2018 schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht hat.
aa) Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 APO ist der Rücktritt von einer Prüfung unverzüglich schriftlich anzuzeigen und glaubhaft zu machen. Bei Krankheit als Rücktrittsgrund ist ein ärztliches Attest vorzulegen, das die medizinischen Befundtatsachen enthält und die Umstände nennt, die für die Beurteilung der Prüfungsunfähigkeit erheblich sind (§ 11 Abs. 2 Satz 2 APO). Das ärztliche Attest muss auf einer Untersuchung beruhen, die vor oder am Tag der jeweiligen Prüfung erfolgt ist (§ 11 Abs. 2 Satz 3 APO). Eine während der Prüfung eintretende Prüfungsunfähigkeit muss unverzüglich bei der Prüfungsaufsicht geltend gemacht werden, die Pflicht zur nachträglichen schriftlichen Anzeige und Glaubhaftmachung bleibt davon unberührt (§ 11 Abs. 2 Satz 5 APO).
Diese formalen Voraussetzungen für die Anzeige und die Glaubhaftmachung der Prüfungsunfähigkeit sind dem Kläger über das Intranet der Beklagten bekanntgegeben worden. Nach dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Auszug der Beklagten aus dem den Studierenden zugänglichen Intranet-Bereich und dem zugehörigen Informationsschreiben der Hochschule an die Studierenden (Bl. 74 ff. der Gerichtsakte) sind die Notwendigkeit einer unverzüglichen Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit dem Kläger bekannt gewesen.
bb) Die Notwendigkeit einer unverzüglichen Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit gilt auch für den Prüfungsbewerber, der tatsächlich prüfungsunfähig war, und in diesem Zustand an einer Prüfung teilgenommen hat. Denn eine den Grundsatz der Chancengleichheit zu Lasten der Mitbewerber verletzende zusätzliche Prüfungschance verschafft sich nicht nur der Prüfungsbewerber, der durch eine nachträglich vorgetäuschte Prüfungsunfähigkeit die Genehmigung des Rücktritts erreicht, sondern auch derjenige, der tatsächlich prüfungsunfähig war, sich aber in Kenntnis seines Zustands der Prüfung unterzogen hat, um sich im Falle des Misserfolgs durch den nachträglich erklärten Rücktritt den Rechtswirkungen der fehlgeschlagenen Prüfung zu entziehen (BayVGH, B.v. 23.1.2007 – 7 ZB 06.509 – juris Rn. 12).
cc) Der Kläger hat es unter Beachtung dieser Anforderungen unterlassen, die geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen.
Nach dem E-mail-Verkehr des Klägers mit dem Prüfungsreferat der Beklagten hat der Kläger am 12. Februar 2018 (Bl. 12 der Behördenakte) dem bereits am 25. Januar 2018 gestellten „Härtefallantrag“ das ärztliche Attest vom 9. Februar 2018 (Bl. 6 der Behördenakte), aus dem sich eine Prüfungsunfähigkeit für den Prüfungstag am 29. Januar 2018 ergibt, beigefügt. Damit ist der Beklagten zwar – entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass dies erst mit dem Widerspruchsschreiben vom 15. März 2018 der Fall gewesen sein soll – erstmals am 12. Februar 2018 eine Prüfungsunfähigkeit des Klägers bekannt geworden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob mit dem „Härtefallantrag“ bereits eine eindeutige Willenserklärung (zu diesem Kriterium vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2007 – 7 ZB 06.509 – juris Rn. 13) gegenüber der Prüfungsbehörde zum Rücktritt von der Prüfung vom 29. Januar 2018 zum Ausdruck gebracht worden ist. Denn jedenfalls war auch der mit dem Schreiben vom 12. Februar 2018 erst nach zwei Wochen nach dem Prüfungstag vom 29. Januar 2018 erklärte Rücktritt von der Prüfung nicht mehr unverzüglich.
Für das zeitliche Kriterium der „Unverzüglichkeit“ ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Mitwirkungspflicht des Prüfungsbewerbers gebietet es, dass er sich bei jedem Zweifel an seiner Prüfungsfähigkeit, unabhängig von einer zutreffenden Einschätzung der Auswirkungen der Erkrankung, unverzüglich um eine (ärztliche) Aufklärung seines Gesundheitszustandes bemüht und diese der Prüfungsbehörde mitteilt (BayVGH, B.v. 23.1.2007 – 7 ZB 06.509 – juris Rn. 12).
Der Kläger hat sich am 31. Januar 2018 in ärztlicher Behandlung befunden. Dies geht aus dem von ihm im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Attest vom 31. Januar 2018 (Bl. 57 der Gerichtsakte) hervor. In diesem ärztlichen Attest wird dem Kläger wegen „posttraumatischer Kopfschmerzen“ Prüfungsunfähigkeit für diesen Tag attestiert. Die Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit auch für die Prüfung am 29. Januar 2018 und deren ärztliche Bestätigung zur Glaubhaftmachung wäre dem Kläger damit erkennbar bereits im Zusammenhang mit dieser ärztlichen Untersuchung möglich gewesen.
Hinzu kommt, dass dem Kläger aufgrund des ihm gewährten Nachteilsausgleichs im Rahmen des Studiengangs „Wirtschaftsingenieurwesen/Logistik“ und seines nunmehr am 23. Januar 2018 im jetzigen Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen“ erneut beantragten Nachteilsausgleichs bekannt gewesen ist, dass Zweifel an seiner uneingeschränkten Prüfungsfähigkeit bestehen. Vor diesem Hintergrund ist ein Zuwarten des Klägers zur ärztlichen Klärung der Prüfungsfähigkeit für die von ihm abgelegte Prüfung vom 29. Januar 2018 bis zum 9. Februar 2018 in keiner Weise nachvollziehbar.
Der Kläger hat mit dem ärztlichen Attest vom 9. Februar 2018 somit nicht unverzüglich seine Prüfungsunfähigkeit für die Prüfung vom 29. Januar 2018 im (Modul-) Prüfungsfach „Ingenieurgrundlagen“ geltend gemacht. Ein wirksamer Rücktritt von der Prüfung ist damit ausgeschlossen, so dass die Beklagte zu Recht das Nichtbestehen auch dieser (Modul-) Prüfung festgestellt hat.
c) Der Kläger hat somit in allen vier (Modul-) Prüfungsfächern „Volkswirtschaftslehre“, „Betriebswirtschaftslehre“, „Englisch I“ und „Ingenieurgrundlagen“ die erste Wiederholungsprüfung im Grundstudium nicht bestanden und nach § 13 Abs. 6 Satz 2 APO den Prüfungsanspruch damit endgültig verloren.
3. Mit dem endgültigen Verlust des Prüfungsanspruchs gemäß § 13 Abs. 6 Satz 2 APO ist nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG die Exmatrikulation verbunden. Die Klage gegen den Bescheid vom 20. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids wird auch insoweit voraussichtlich erfolglos bleiben.


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