Medizinrecht

Feststellung Kampfhundeigenschaft – Rottweilerrüde

Aktenzeichen  RO 4 K 18.1997

Datum:
15.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27101
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3, Art. 37 Abs. 1
KampfhundeVO § 1 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Das Gutachten eines Sachverständigen, gegen den die Besorgnis der Befangenheit besteht, ist zur Widerlegung der Kampfhundeigenschaft nach § 1 Abs. 2 KampfhundeVO nicht geeignet. (Rn. 29)
2. Ist das Ergebnis eines Wesenstests nicht plausibel und nachvollziehbar, dann kann die Vermutung der Kampfhundeigenschaft damit nicht widerlegt werden. An der Plausibilität und Nachvollziehbarkeit fehlt es insbesondere dann, wenn der Sachverständige nicht erläutert, wieso er trotz bekannter Beißvorfälle in der Vergangenheit zu einem positiven Ergebnis gelangt. (Rn. 30)
3. Die Gemeinde ist bei ihrer Entscheidung über ein Negativattest nicht auf die Feststellungen des Sachverständigen zum Zustand und Verhalten des Hundes im Zeitpunkt der Begutachtung beschränkt. Sie darf vielmehr auch andere relevante Faktoren wie etwa frühere Beißvorfälle berücksichtigen. (Rn. 32)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen. Die danach noch rechtshängige Fortsetzungsfeststellungsklage hinsichtlich der Nr. 2 des Bescheids vom 26.11.2018 ist unzulässig (dazu I.). Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet (dazu II.).
I.
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Widerruf des befristeten Negativattests vom 6.12.2017 durch Nr. 2 des Bescheids vom 26.11.2018 rechtswidrig gewesen ist. Eine solche Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Daran fehlt es hier.
Als Fortsetzungsfeststellungsinteresse genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – NVwZ 2013, 1481). In der Rechtsprechung haben sich dazu vier Fallgruppen herausgebildet: die Wiederholungsgefahr, dass Präjudizinteresse, das Rehabilitierungsinteresse und das objektive Rechtsklärungsinteresse bei typischerweise kurzfristig erledigten, tiefgreifenden Grundrechtseingriffen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 111).
Der Kläger hat kein Feststellungsinteresse dargelegt, das zu einer dieser Fallgruppen gehören würde. Der drohende Widerruf eines (weiteren) Negativattests steht schon deshalb nicht im Raum, weil dem Hund „A.“ ein solches nicht erteilt wurde. Entsprechend fehlt es an der konkreten Gefahr einer Wiederholung. Der Widerruf ist auch nicht mit einer Stigmatisierung des Betroffenen in der Öffentlichkeit einhergegangen, die ein Rehabilitationsinteresse begründen könnte. In Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids lag darüber hinaus kein sich typischerweise kurzfristig erledigender, tiefgreifender Grundrechtseingriffe, wie dies etwa bei bestimmten Polizeimaßnahmen der Fall wäre. Der Kläger hat auch kein typisches Präjudizinteresse dargetan. Dieses wäre zu bejahen, wenn der Kläger aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts einen Amtshaftungsprozess oder sonstigen zivilrechtlichen Rechtsstreit führt oder führen wollen würde (BVerwG, U.v. 8.12.1995 – 8 C 37/93 – NJW 1997, 71). Derartiges ist indes weder vorgetragen noch ersichtlich.
Seine Bevollmächtigte hat zur Begründung eines Feststellungsinteresses vielmehr darauf verwiesen, dass die Anordnungen in Nr. 1, 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids weiter Wirkung entfalteten und deshalb noch im Raum stünden. Die Erledigung des Widerrufs dürfe nicht dazu führen, dass dieser als Grundlage der Abgabeanordnung nicht mehr überprüft werde. Auch wenn damit wohl eine Art Präjudizwirkung geltend gemacht werden soll, so trägt die Einlassung doch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Denn ob der Widerruf des Negativattests im Bescheid vom 26.11.2018 rechtmäßig war, ist aus mehreren Gründen nicht vorgreiflich für die Frage, ob die Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung rechtmäßig sind oder nicht. Erstens hat das Negativattest infolge der Befristung seine Wirksamkeit zwischenzeitlich ohnehin verloren, weshalb selbst dann, wenn der Widerruf rechtswidrig gewesen wäre, nunmehr kein Negativzeugnis mehr vorläge. Zweitens ist das Gericht durch die eingetretene Bestandskraft des Widerrufs nicht gehindert, die Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung im Bescheid vom 26.11.2018 zu überprüfen. Der Beklagtenbevollmächtigte irrt insoweit, wenn er meint, dass die Frage nach der Aggressivität und Gefährlichkeit des Hundes „A.“ auf die Beurteilung Nr. 1 und 3 des Bescheids keinerlei Einfluss haben könne und die Bestandskraft des Widerrufs der Erteilung eines neuen Negativattests entgegenstehe. Das Gericht hat die Haltungsuntersagung und die Abgabeanordnung insbesondere auf ihre Verhältnismäßigkeit hin zu prüfen. In diesem Rahmen kommt auch der Möglichkeit eines erneuten Negativattests Bedeutung zu (siehe dazu unter II.1b)). Drittens fehlt es an einer Präjudizwirkung, weil das widerrufene Negativattest allein aufgrund des jungen Alters des Hundes erteilt worden war, nicht aber auf Grundlage eines Wesenstests, wie er für die Erteilung eines unbefristeten Negativzeugnisses erforderlich ist. Das Gericht hat bereits in seinem Beschluss vom 8.1.2019 im Verfahren RO 4 S 18.2008 dargestellt, dass für den Widerruf befristeter Negativatteste – weil ein Nachweis fehlender Aggressivität und Gefährlichkeit in solchen Fällen noch nicht vorliegt – keine gesteigerten Anforderungen an die Tatsachen zu stellen sind, die gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG zu einem Widerruf führen können. Demgegenüber liegt bei der Erteilung unbefristeter Negativzeugnisse ein von der Sicherheitsbehörde zu würdigendes Sachverständigengutachten vor. Angesichts dieser Unterschiede ist die Widerruflichkeit eines befristeten Negativattests nicht vorgreiflich für die Frage, ob ein unbefristetes erteilt werden kann.
II.
Soweit sich die Klage gegen Nr. 1, 3 und 5 des Bescheids vom 26.11.2018 richtet, ist sie zwar zulässig, aber unbegründet. Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung (dazu 1.) sind ebenso rechtmäßig wie die Kostenentscheidung (dazu 2.) und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Haltungsuntersagung und die Abgabeanordnung in Nr. 1 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind rechtmäßig. Sie sind in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (dazu a)) und stützen sich in zulässiger Weise auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG (dazu b)). Darüber hinaus genügen sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu c)) und sind ermessensfehlerfrei ergangen (dazu d)).
a) Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung begegnen in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Insbesondere liegt kein beachtlicher Verstoß gegen die Anhörungspflicht nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor.
Das Gericht kann die Frage offenlassen, ob die Beklagte bei der Überprüfung der klägerischen Hundehaltung am 19.11.2018 ihrer Pflicht aus Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG genügt hat, dem Kläger unter Ankündigung der beabsichtigten Maßnahmen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – NJW 2012, 2823/2824). Hierfür spricht, dass sie ausweislich ihres Vortrags den Kläger darauf hingewiesen hat, dass eine Haltungsuntersagung erwogen werde. Der klägerische Einwand, der Zweck des Termins am 19.11.2018 habe sich ihm nicht erschlossen und er sei von dem streitgegenständlichen Bescheid überrascht worden, stellt dies nicht notwendig in Abrede. Letztlich bedarf die Frage aber keiner Entscheidung, weil ein etwaiger Anhörungsmangel zwischenzeitlich gemäß Art. 46 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt ist. Denn die Beklagte hat dem Kläger den angegriffenen Bescheid im Rahmen eines Gesprächstermins am 28.11.2018 übergeben. Aus dem dazu gefertigten Aktenvermerk ergibt sich, dass die Beklagte dem Kläger dabei nicht lediglich ihre Entscheidung erläuterte, sondern dass sie auch das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis nahm, aber unter Berücksichtigung der vorgebrachten Einwände keine Veranlassung sah, von ihrer Entscheidung abzugehen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 7 C 5.14 – NVwZ-RR 2016, 449; BayVGH, B.v. 15.9.2016 – 20 ZB 16.587 – juris Rn. 5 ff.). Damit wurde, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes festgestellt hat (B.v. 27.2.2019 – 10 CS 19.180 – BA S. 8), eine etwaig unterbliebene Anhörung wirksam nachgeholt.
b) Offen bleiben kann auch, ob Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung auf von der Hundehaltung ausgehende, konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit gestützt werden konnten. Insoweit wäre zu berücksichtigen, dass für „A.“ ein bestandskräftiger Leinen- und Maulkorbzwang besteht und dass es seit dessen Anordnung am 31.8.2018 offenbar nicht zu weiteren Vorfällen gekommen ist. Zugleich wäre einzustellen, ob der Kläger die genannten Anordnungen vollständig einhält oder nicht. Auf diese Gesichtspunkte kommt es aber nicht an, weil jedenfalls die beklagtenseits gegebenen Begründung trägt, die ungenehmigte Haltung des nunmehr als Kampfhund einzustufenden „A.“ verwirkliche die Ordnungswidrigkeit des Art. 37 Abs. 4 LStVG und sei deshalb nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG zu unterbinden. Für den Hund liegt seit dem sofort vollziehbaren Widerruf in Nr. 2 des Bescheids vom 26.11.2018 kein wirksames Negativattest mehr vor mit der Folge, dass das Tier nach Art. 37 Abs. 1 LStVG, § 1 Abs. 2 KampfhundeVO als Kampfhund zu betrachten ist. Entsprechend wurde aus der genehmigungsfreien Haltung eines Nicht-Kampfhundes eine genehmigungspflichtige, aber ungenehmigte Kampfhundehaltung im Sinne des Art. 37 Abs. 4 LStVG. Die Beklagte war nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG befugt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die weitere Begehung dieser Ordnungswidrigkeit zu unterbinden (BayVGH, B.v. 30.6.2014 – 10 CS 14.1245 – juris Rn. 17). Sie hat ihre Haltungsuntersagung und ihre Abgabeanordnung ausweislich der Begründung des angegriffenen Bescheids – ungeachtet weiterer Ausführungen zur Gefährlichkeit des Hundes und zur Erfüllung des Leinen- und Maulkorbzwangs – auch auf diese Vorschrift gestützt.
c) Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung sind auch verhältnismäßig und genügen daher Art. 8 LStVG.
Insbesondere war die Beklagte – anders als der Kläger meint – nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen gehalten, sich auf den Leinen- und Maulkorbzwang zu beschränken. Denn der den Leinen- und Maulkorbzwang enthaltende Bescheid vom 31.8.2018 und der angegriffene Bescheid haben unterschiedliche Schutzrichtungen und verfolgen verschiedene Zwecke. Mit dem Leinen- und Maulkorbzwang sollten konkrete, von dem Hund „A.“ ausgehende Gefahren beseitigt werden. Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung bezwecken im Gegensatz dazu, die ungenehmigte, ordnungswidrige Haltung des nunmehrigen Kampfhundes „A.“ zu unterbinden (vgl. Schwabenbauer in Schwabenbauer/Möstl, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.4.2018, Art. 37 Rn. 112). Sie stellen sich als zusätzliche, neben Maulkorb- und Leinenzwang mögliche Maßnahmen dar, die auf der Rassezugehörigkeit des Hundes beruhen. Entsprechend kommt es für ihre Verhältnismäßigkeit nicht darauf an, ob die von dem Hund „A.“ ausgehenden konkreten Gefahren durch den Leinen- und Maulkorbzwang vollständig und zuverlässig beseitigt wurden oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass die Anordnung vom 31.8.2018 nicht die ordnungswidrige Haltung des nunmehrigen Kampfhundes „A.“ legalisiert hat.
Haltungsuntersagung und Abgabeanordnung sind auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Kampfhundehaltung lediglich formell illegal wäre und der bestehende rechtwidrige Zustand in Kürze rechtmäßig werden würde. Zwar ist von der Haltungsuntersagung abzusehen, wenn sich der rechtswidrige Zustand in Kürze ändern wird (BayVGH, B.v. 30.6.2014 – 10 CS 14.1245 – juris Rn. 17), etwa weil ein Negativattest beantragt ist und die Voraussetzungen für seine Erteilung vorliegen. Ein solcher Fall ist im Hinblick auf den Hund „A.“ aber nicht zu bejahen. Zwar hat der Kläger für das Tier ein Negativzeugnis beantragt. Jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens kann ein solches aber nicht erteilt werden (dazu aa)). Im Übrigen erscheint es angesichts der vorangegangenen Beißvorfälle auch fraglich, ob der Nachweis nicht gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit tatsächlich noch in genügender Weise erbracht werden kann (dazu bb)).
aa) Der Kläger hat nach dem momentanen Sachstand keinen Anspruch auf Erteilung eines Negativattests für seinen Hund „A.“. Gemäß § 1 Abs. 2 KampfhundeVO wird bei Tieren der Rasse Rottweiler die Eigenschaft als Kampfhund vermutet, solange der zuständigen Behörde nicht nachgewiesen wird, dass der betreffende Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist. Ist der Nachweis erbracht, dann erteilt die Behörde ein Negativattest und die Haltung des Tieres bedarf keiner Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 1 LStVG (Schwabenbauer in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.7.2019, Art. 37 LStVG Rn. 47).
Nr. 37.3.2 der Vollzugsbekanntmachung zum Landesstraf- und Verordnungsgesetz (VollzBekLStVG) bestimmt, dass der Halter die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass das konkrete Tier keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweist. Der Nachweis kann gemäß der Vorschrift durch die Vorlage eines Gutachtens (Wesenstest) einer für das Hundewesen sachverständigen Person erfolgen. Ob die Widerlegung der Vermutung durch den Wesentest gelungen ist, hat die Gemeinde unter Beteiligung des Veterinäramtes zu beurteilen (Nr. 37.3.5 VollzBekLStVG). Sie hat bei ihrer Prüfung aber keinen Beurteilungsspielraum, sondern unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (Schwabenbauer in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.7.2019, Art. 37 LStVG Rn. 38). Vor diesem Hintergrund ist dem Kläger der Nachweis fehlender gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit mit den beiden vorgelegten Gutachten bislang nicht gelungen.
Das Gutachten des Sachverständigen H. hat die Beklagte wegen der Besorgnis der Befangenheit zurecht zurückgewiesen und unberücksichtigt gelassen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob das von der Beklagten angeführte innenministerielle Schreiben vom 2.12.2017 einen Einzelfall betroffen hat. Entscheidend ist vielmehr, dass Nr. 37.3.3 VollzBekLStVG vorgibt, ein Sachverständiger dürfe nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Der Ausschluss von Sachverständigen bei Besorgnis der Befangenheit beruht folglich auf einer höchstbehördlich angeordneten, gleichförmigen Verwaltungspraxis und ist daher von der Kammer zu berücksichtigen. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht angesichts dessen davon aus, dass die Widerlegung der Kampfhundeigenschaft durch
„Vorlage eines Gutachens einer für das Hundewesen sachverständigen und nicht befangenen Person“ erfolgt (BayVGH, B.v. 6.7.2012 – 10 CS 12.1367 – juris Rn. 25). Im Übrigen gilt, dass die allgemeine verfahrensrechtliche Regelung des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG nicht nur für Amtsträger gilt, sondern auch für Sachverständige, die im Verwaltungsverfahren für die Behörde tätig werden (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 21 Rn. 7). Vor diesem Hintergrund hatte die Beklagte zu berücksichtigen, dass für den Sachverständigen H. ein Grund vorlag, der geeignet war, Misstrauen gegen eine neutrale Gutachtenserstellung zu rechtfertigen. Denn der Sachverständige war als Hundetrainer selbst bei der Ausbildung des Hundes „A.“ tätig geworden. Unabhängig davon, dass das Tier den Sachverständigen also schon vorher kannte und wohl auch an ihn gewöhnt war, was den Wert der gutachterlichen Aussage erheblich schmälert, hatte Herr H. in seinem Gutachten also letztlich über den Erfolg seines eigenen Hundetrainings zu befinden. Er wurde damit letztlich als „Gutachter in eigener Sache tätig“, was beim objektiven Betrachter Misstrauen hinsichtlich seiner Neutralität begründet. Dass die Klägerbevollmächtigte vor der Beauftragung Herrn H.s das Einverständnis der Beklagtenseite erbeten, aber von dieser keine eindeutige Aussage erhalten hat, macht die Zurückweisung des Gutachtens nicht unzulässig. Denn dem neutralen Verhalten der Beklagten lässt sich kein Verzicht auf die Zurückweisung eines ausgeschlossenen Gutachters entnehmen. Dass das behördliche Vorgehen rechtsmissbräuchlich gewesen wäre, ist ebenfalls nicht erkennbar. Zu beachten ist vielmehr, dass der Kläger seit 19.12.2018 vollziehbar zur Abgabe des Tieres verpflichtet, dem aber bislang nicht nachgekommen ist.
Das sodann vorgelegte Gutachten des Sachverständigen w. liefert nicht den erforderlichen Nachweis, dass „A.“ keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat, wie auch das Verwaltungsgericht Ansbach, festgehalten, dass die Vermutung der Kampfhundeigenschaft mittels eines defizitären Gutachtens nicht widerlegt werden kann (BayVGH, B.v. 18.11.2011 – 10 CS 11.1626 – juris Rn. 24; VG Ansbach, B.v. 29.6.2011 – AN 5 S 11.00984 – juris Rn. 24). Während der Gutachter im zugrundeliegenden Fall auf unzutreffender beziehungsweise unvollständiger Tatsachengrundlage beurteilt hatte, weist das Gutachten des Sachverständigen w. eine substanzielle Lücke auf, die seine Plausibilität und Nachprüfbarkeit in Frage stellt und es daher für die Widerlegung gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit ungeeignet macht (BayVGH, B.v. 16.9.2013 – 22 AS 13.1672 – juris Rn. 35). Denn der Gutachter hatte zwar Kenntnis von den sicherheitsrelevanten Vorfällen mit dem Hund „A.“, er hat sich aber in keiner Weise damit auseinandergesetzt. Stattdessen hat er im Ergebnis seines Gutachtens schlicht bejaht, dass das Tier keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweise. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, wieso der Sachverständige trotz zweier feststehender Beißvorfälle zu diesem Ergebnis kommt. Die gutachterliche Schlussfolgerung wäre indes nur dann nachvollziehbar, wenn sich der Sachverständige mit den Beißvorfällen auseinandergesetzt und erläutert hätte, wieso er ungeachtet der hierin zum Ausdruck gekommenen Gefährlichkeit des Hundes eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit des Tieres verneint.
Auf eine entsprechende Beanstandung der Beklagten hat der Gutachter nur erwidert, dass ihm die Sachbearbeiterin der Beklagten gesagt habe, eines Gutachtens zu den Beißvorfällen bedürfe es nicht. Dieser Vortrag weist zwar aus, dass es möglicherweise zu einem Missverständnis zwischen Sachverständigem und Beklagter gekommen ist. Denn die Beklagte benötigte in der Tat kein eigenständiges Gutachten zu den Beißvorfällen und etwaigen Anordnungen gemäß Art. 18 Abs. 2 LStVG. Sehr wohl wäre es aber zur Nachvollziehbarkeit des Wesenstests erforderlich gewesen, dass sich der Gutachter in diesem Rahmen mit den Beißvorfällen auseinandergesetzt hätte. Dass es bei der Vermittlung dieser Zusammenhänge offenbar zu einem Missverständnis kam, ist für die vorliegend entscheidungserhebliche Frage nach „…s“ Kampfhundeigenschaft ohne Belang. Relevant ist allein, dass das Gutachten aufgrund des genannten Defizit die Vermutung gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit nicht zu widerlegen vermag.
bb) Ohnehin ist zu beachten, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung über die Erteilung des Negativattests neben dem Wesenstest auch weitere Faktoren zu berücksichtigen hat. Sie ist entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten nicht etwa darauf beschränkt, ausschließlich den Zustand und das Verhalten des Hundes im Zeitpunkt der Begutachtung zu berücksichtigen. Denn zum einen spricht § 1 Abs. 2 Satz 1 KampfhundeVO nur allgemein von dem Nachweis, dass das Tier keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweise. Er schränkt die Behörde also für diesen Nachweis nicht auf ein bestimmtes Beweismittel ein und enthält insbesondere keinen Automatismus der Gestalt, dass allein aufgrund eines positiven Wesenstests stets ein Negativattest erteilt werden müsste. Diese Offenheit setzt sich in Nr. 37.3.2 VollzBekLStVG fort, wonach der Nachweis durch Vorlage eines Gutachtens einer sachverständigen Person erfolgen kann. Darüber hinaus sieht Nr. 37.3.5 VollzBekLStVG ausdrücklich vor, dass die Gemeinde unter Beteiligung des Veterinäramtes zu prüfen hat, ob mit dem Wesenstest die beabsichtigte Widerlegung der vermuteten Kampfhundeigenschaft gelungen ist. Satz 2 eröffnet explizit die Möglichkeit, dass die Behörde nach Vorlage des Gutachtens in begründbarer Weise nicht davon überzeugt ist, dass der Hund keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit aufweist. Zweifel gehen zu Lasten des Halters.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat vor diesem Hintergrund insbesondere Beißvorfälle als Tatsachen gewertet, die gegen eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung aus § 1 Abs. 2 KampfhundeVO sprechen können (BayVGH, B.v. 18.11.2011 – 10 CS 11.1626 – juris Rn. 26). Es ist deshalb denkbar, dass die Beklagte trotz eines positiven Wesentests rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, der Nachweis fehlender gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit sei nicht gelungen.
d) Vom Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO überprüfbare, innere Ermessensfehler sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte ausweislich der Begründung ihres Bescheids nicht verkannt, dass ihr bei den Anordnungen grundsätzlich ein Ermessen zukam. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber, dass die Haltung eines Kampfhundes ohne die erforderliche Erlaubnis regelmäßig zu unterbinden und die Abgabe anzuordnen ist; das Ermessen der Sicherheitsbehörde ist entsprechend reduziert (VG München, B.v. 3.8.2009 – M 22 K 09.2388 – juris Rn. 5; VG Ansbach, B.v. 29.6.2011 – AN 5 S 11.00984 – juris Rn. 27).
2. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hält sich die erhobene Verwaltungsgebühr in dem von Nr. 2.II.1/1 Kostenverzeichnis vorgegebenen Rahmen.
III.
Bei der gerichtlichen Kostenentscheidung hat die Kammer hinsichtlich des eingestellten Teils gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO berücksichtigt, dass die Beklagte insoweit wohl unterlegen wäre, weil die Androhung unmittelbaren Zwangs der von Art. 34 Satz 1 VwZVG geforderten Subsidiarität zuwiderlief. Hinsichtlich der übrigen Anordnungen im streitgegenständlichen Bescheid begründet § 155 Abs. 1 Satz 1 eine Kostentragungspflicht des Klägers. Weil ein Unterliegen der Beklagten folglich nur hinsichtlich eines geringen Teils anzunehmen ist, erscheint es sachgerecht, dem Kläger gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 die Kosten insgesamt aufzuerlegen.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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