Medizinrecht

Gaststättenbetreiber begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen COVID 19 Maßnahme

Aktenzeichen  M 26b S 20.4629

Datum:
25.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26927
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 28
6. BayIfSMV § 23

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin betreibt die Gaststätte „… … …“ mit angeschlossenem Biergarten in M.
Mit Allgemeinverfügung vom 23 September 2020, gültig vom 24. September (0:00 Uhr) bis 1. Oktober 2020 (24:00 Uhr), ordnete die Antragsgegnerin auf infektionsschutzrechtlicher Grundlage Maßnahmen für die Landeshauptstadt M. aufgrund erhöhter Infektionszahlen (Überschreiten des Schwellenwertes am 18. September 2020) u.a. an:
„1. Abweichend von § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 6. BayIfSMV ist der Aufenthalt im öffentlichen Raum auf dem Stadtgebiet der Landeshauptstadt M. in Gruppen nur bis zu maximal 5 Personen zulässig, anstatt wie bisher von bis zu 10 Personen. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 3 der 6. BayIfSMV bleiben unberührt.
2. Die unter Nr. 1 dieser Allgemeinverfügung erlassene Kontaktbeschränkung gilt auch in allen Gastronomiebetrieben im Stadtgebiet der Landeshauptstadt M. Als Gastronomiebetriebe gelten erlaubnispflichtige und erlaubnisfreie Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes. Die jeweils verantwortlichen Gaststättenbetreiber sind verpflichtet, die erweiterten Kontaktbeschränkungen bei der Bestuhlung entsprechend zu berücksichtigen bzw. ihren Gaststättenbetrieb entsprechend zu organisieren.“
4. Abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV sind Veranstaltungen, die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht werden (insbesondere Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstage, Schulabschlussfeiern und Vereins- und Parteisitzungen) und nicht öffentliche Versammlungen nur bis zu maximal 25 Teilnehmern in geschlossenen Räumen (anstatt wie bisher bis 100 Teilnehmer) oder bis zu maximal 50 Teilnehmern unter freiem Himmel (anstatt wie bisher bis 200 Teilnehmer) gestattet, wenn der Veranstalter ein Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitet hat und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorlegen kann. § 5 Abs. 1 der 6. BayIfSMV bleibt unberührt.“
Auf die ausführliche Begründung der Allgemeinverfügung – abrufbar unter: https://www…de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Infektionsschutz/Neuartiges_Coronavirus/Corona-Massnahmen-fuer-Muenchen.html – wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin erhob am 25. September 2020 gegen die Regelungen in Nrn. 2 und 4 der Allgemeinverfügung vom 23. September 2020 Anfechtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Gleichzeitig beantragt sie im Wege des Eilverfahrens:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Nr. 2 und 4 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 23. September 2020 enthaltene Regelung wird angeordnet.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Antragstellerin auf Grundlage der bisherigen Rechtslage zahlreiche Reservierungen angenommen habe und an der Veranstaltung „Wirtshauswiesn 2020“ teilnehme.
Voraussetzung und Begründung der Allgemeinverfügung sei insbesondere die Annahme, dass der 7-Tages-Inzidenzwert des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) von 50 Fällen pro 100.000 Einwohnern in der Landeshauptstadt M. überschritten werde. Der aktuelle Wert liege aber bei 45,12 und damit deutlich unter der Grenze von 50.
Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie weder geeignet, noch erforderlich und angemessen.
Die Antragstellerin habe ein von der Antragsgegnerin genehmigtes und von ihr (der Antragstellerin) überwachtes Hygienekonzept, welches gewährleiste, dass im Gaststättenbereich Hygienemaßnahmen und der Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werde. Insbesondere könnten aufgrund der Pflicht der Gäste, Kontaktdaten zu hinterlassen, Infektionsketten problemlos nachvollzogen werden. Darin unterscheide sich ihr Gastronomiebetrieb maßgeblich vom öffentlichen und privaten Raum, in dem die Einhaltung von Hygienemaßnahmen und der Mindestabstand nicht überwacht werden könne und in dem die nach Nachverfolgung von Infektionen in der Tat schwierig sei. Deshalb sei die Erstreckung der Kontaktbeschränkung unter Nr. 1 der Allgemeinverfügung sowie die Begrenzung der Teilnehmerzahl von Veranstaltungen auf 25 bzw. 50 Personen auf Gaststätten unverhältnismäßig. Die Allgemeinverfügung enthalte diesbezüglich keine nachvollziehbare Begründung.
Im Gastronomiebetrieb der Antragstellerin sei zu keiner Zeit gegen infektionsrechtliche Bestimmungen verstoßen worden und es seien keine Covid-19-Infektionen aufgetreten. Die Beschränkung auf 5 Personen sei willkürlich.
Im Übrigen zeige der deutlich unter 50 liegende 7-Tages-Inzidenzwert sowie die aktuell wieder niedrigere Reproduktionszahl 0,80, dass die Verfügung keine valide Datenbasis habe und die Einschränkung der Grundrechte der Antragstellerin nicht rechtfertige.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 25. September 2020,
den Antrag abzulehnen
Die Allgemeinverfügung, auf deren Begründung verwiesen werde, sei zu Recht ergangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig, da Anfechtungsklagen gegen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 28 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid als voraussichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Im vorliegenden Fall hat die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage aller Voraussicht nach keinen Erfolg, so dass mangels gegenteiliger Anhaltspunkte das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt. Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung erweist sich in ihren angegriffenen Regelungen als rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einschlägige Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung ist § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Danach trifft die zuständige Behörde unter anderem dann, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
2.1 Formelle Mängel der Allgemeinverfügung sind nicht ersichtlich.
Insbesondere ergibt sich der räumliche Geltungsbereich der Verfügungen bereits aus der Überschrift der Allgemeinverfügung, wonach die verfügten Maßnahmen „für die Landeshauptstadt M.“ erfolgen und damit hinreichend deutlich das Stadtgebiet der Landeshauptstadt M. als räumlichen Geltungsbereich bezeichnet.
2.2 Nrn. 2 und 4 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 23. September 2020 sind voraussichtlich auch materiell rechtmäßig.
2.2.1 Schutzmaßnahmen i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können auch Form der Allgemeinverfügung ergehen (BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 – juris Rn. 9; Schmidt, COVID-19, § 16 Rn. 1; Häberle/Lutz, IfSG, 1. Aufl. 2020, § 28 Rn. 8). Die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 35 Satz 2 Alt. 1 BayVwVfG für den Erlass einer Allgemeinverfügung sind gegeben, insbesondere handelt es sich bei der Verfügung der Antragsgegnerin aufgrund des räumlich und zeitlich begrenzten Geltungsumfangs um die Regelung eines Einzelfalls für einen bestimmbaren Personenkreis und damit um eine konkret-generelle Regelung.
2.2.2 § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG setzt tatbestandlich lediglich voraus, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war.
Diese Voraussetzungen liegen dem Grunde nach angesichts der anhaltenden SARS-CoV-2-Pandemielage unzweifelhaft vor. Das Virus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG, der zur Lungenkrankheit COVID-19, einer übertragbaren Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG führen kann. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), handelt es sich bei der COVID-19-Pandemie weltweit und in Deutschland um eine dynamische und ernst zu nehmende Situation, wobei die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen ist. Intensive gesamtgesellschaftlicher Gegenmaßnahmen bleiben nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgen weiterhin das Ziel, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Es ist laut Robert Koch-Institut (RKI) von entscheidender Bedeutung, die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern. Hierdurch soll die Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden. Auch sollen Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand 23.9.2020).
Weitere tatbestandliche Anforderungen an ein Tätigwerden stellt § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG nicht. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist die Behörde zum Handeln verpflichtet (sog. gebundene Entscheidung).
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang herauszustellen, dass die streitgegenständliche Allgemeinverfügung nicht auf Grundlage des § 23 Abs. 2 6. BayIfSMV erlassen worden ist, sondern § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 23 Abs. 1 6. BayIfSMV als Rechtsgrundlage benennt, der im Unterschied zu § 23 Abs. 2 6. BayIfSMV eine Überschreitung der 7-Tage-Inzidenz von 50 tatbestandlich gerade nicht erfordert. Im Übrigen wurde im Gebiet der Antragsgegnerin auch unabhängig davon jedenfalls am 21. September 2020 sowohl nach den berichteten Zahlen des LGL als auch des RKI der Inzidenzwert von 50 überschritten.
2.2.3 Hinsichtlich Art und Umfang der zu treffenden Schutzmaßnahmen ist der Behörde ein Auswahlermessen eingeräumt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss. Zudem sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – BVerwGE 142, 205 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – juris Rn. 27). Die Ermessensentscheidung ist nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich überprüfbar.
Im vorliegenden Fall sind Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat ausweislich der ausführlichen Begründung der Allgemeinverfügung den der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt hinreichend ermittelt, verschiedene Handlungsalternativen auf ihre Durchführbarkeit und Wirksamkeit hin überprüft und die betroffenen Belange hinreichend abgewogen und in ein angemessenes Verhältnis gesetzt.
Die von der Antragsgegnerin in Nr. 2 (i.V.m. Nr.1) erlassene Kontaktbeschränkung in Gastronomiebetrieben auf grundsätzlich (vorbehaltlich Familienzusammenkünften) 5 Personen sowie die von ihr in Nr. 4 der Verfügung angeordnete Beschränkung der Teilnehmerzahl bei Veranstaltungen, die üblicherweise nicht für ein beliebiges Publikum angeboten oder aufgrund ihres persönlichen Zuschnitts nur von einem absehbaren Teilnehmerkreis besucht werden, auf maximal 25 Teilnehmer in geschlossenen Räumen bzw. maximal 50 Teilnehmer unter freiem Himmel erweisen sich insbesondere als notwendig und verhältnismäßig.
a) Die Antragsgegnerin hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass eine infektionsschutzrechtlich begründete Notwendigkeit für die hier in Rede stehenden Maßnahmen besteht. Dabei hat sie auf Grundlage verschiedener Erkenntnisse, die in der Begründung der Allgemeinverfügung im Einzelnen dargestellt sind und auf die insoweit Bezug genommen wird, darauf abgestellt, dass die Infektionszahlen in M. trotz bereits anderweitig ergriffener Maßnahmen weiter erheblich angestiegen sind, in den letzten Tagen basierend auf 7-Tages-Inzidenzwerten Höchststände erreicht haben und namentlich spätestens am 20. September 2020 – auch nach der Berechnung des RKI, welches im Vergleich zu den Berechnungen des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) oft niedrigere Werte ausweist – erstmals die Schwelle von 50/100.000 überschritten hat.
Der Schwellenwert von 50/100.000 markiert dabei den Wert, bei dessen Erreichen nach allgemeiner Übereinkunft konkrete Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens zu ergreifen sind (hierzu näher OVG Lüneburg, B. v. 5.6.2020 – 13 MN 195/20).
Im Konkreten werden die unter Nr. 2 und Nr. 4 der streitgegenständlichen Verfügung getroffenen Maßnahmen mit Feststellungen des Robert-Koch-Instituts sowie des Referats für Gesundheit und Umwelt der Antragsgegnerin begründet, wonach Krankheitsausbrüche insbesondere im Zusammenhang mit Feiern im Familien- und Freundeskreis zu beobachten sind (vgl. Robert-Koch-Institut, Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19), 18.9.2020, Seiten 1,2 und 7). An der Notwendigkeit der getroffenen Maßnahme hat das Gericht daher keinen Zweifel.
b) Die verfügten Maßnahmen erweisen sich auch als voraussichtlich verhältnismäßig.
Die Kontaktbeschränkung auf 5 Personen in Gastronomiebetrieben sowie die Beschränkung der Teilnehmerzahl von Veranstaltungen auf 25 bzw. 50 Teilnehmer verfolgen den legitimen Zweck, die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus durch die Reduzierung infektionsbegünstigender physischer Kontakte zeitlich und räumlich zu verlangsamen, um so eine Überlastung des Gesundheitssystems und das Risiko einer erhöhten Sterblichkeit Betroffener an einer SARS-CoV-2-Infektion zu verhindern.
Die verfügten Kontaktbeschränkungen in Gastronomiebetrieben und die Beschränkung der Teilnehmerzahl von Veranstaltungen sind geeignete Maßnahmen, die Infektionsgefahr im Rahmen der Pandemiebekämpfung zu verringern und eine Ausbreitung des Virus zu verzögern. Dabei reicht es nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen aus, dass die Maßnahme zur Zweckerreichung beiträgt (vgl. BVerwG, U.v. 2.8.2012 – 7 CN 1.11 – juris Rn. 29, BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 S 20.1821 – juris Rn. 27). Durch die Kontaktbeschränkung auf Gruppen von 5 Personen neben dem öffentlichen und privaten Raum (Nrn. 1 und 3 der Allgemeinverfügung) auch in Gastronomiebetrieben sowie die Beschränkung der Teilnehmerzahlen an Veranstaltungen wird die Höchstzahl an sich über einen längeren Zeitraum zum Zwecke der Kommunikation begegnenden Personen auch in Gaststätten reduziert, so dass auch das Risiko, mit einem Erkrankten in Kontakt zu kommen, entsprechend sinkt.
Die Beschränkung der Kontakte in Gaststätten auf Gruppen mit 5 Personen und die Beschränkung der Zahl der Teilnehmer an Veranstaltungen sind zum Zwecke des Infektionsschutzes auch erforderlich. Gleich geeignete, den Adressatenkreis weniger belastende Maßnahmen sind nicht ersichtlich.
Insbesondere das von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang angeführte Mittel der konsequenten Einhaltung und Überwachung des von der Antragsgegnerin genehmigten Hygienekonzepts erscheint angesichts der von der Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung dargestellten aktuellen Infektionslage in M. und deren epidemiologischer Bewertung nicht (mehr) als gleich geeignetes effektives Mittel, um in der jetzigen Situation die weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Nach der Darstellung der Antragsgegnerin (S. 6 ff. der Allgemeinverfügung) sind die Infektionszahlen trotz der nach Erreichen der 7-Tages-Inzidenz von 35/100.000 ergriffenen Maßnahmen Mitte September weiter erheblich angestiegen. Neben den Besuchern von sog. „Hotspots“ des öffentlichen Raumes stellt wohl die Gruppe von Besuchern von Gastronomiebetrieben ein besonders bedeutsames Übertragungsmilieu dar. Die neuerlichen Infektionen sind nach plausibler Darstellung der Antragsgegnerin nicht mehr nur auf bestimmte Infektionsherde beschränkt, sondern verteilen sich diffus in der Gesamtbevölkerung und flächig über das gesamte Stadtgebiet. Es bestehe zunehmend – wie bereits Ende Februar 2020 – die Gefahr eines exponentiellen Anstiegs der Infektionen. Eine Kontaktnachverfolgung könne dann kaum mehr gewährleistet werden.
Diese Aussagen und Bewertungen der Antragsgegnerin sind für das Gericht insbesondere im Hinblick auf den auch in Nachbarstaaten beobachtbaren starken Anstieg der Infektionszahlen (so insbesondere in Frankreich, Spanien, Tschechien und Österreich) plausibel und nachvollziehbar. Die bis dato durch die 6. BayIfSMV angeordneten Maßnahmen, darauf ausgerichtet, eine dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens durch eine Beschränkung des persönlichen Zusammentreffens einer Vielzahl von Menschen aus unterschiedlichen Hausständen zu verhindern, wozu auch der uneingeschränkte Betrieb von Gastronomiebetrieben unter Einhaltung des Mindestabstands und eines Schutzund Hygienekonzepts gehören, reichen unter diesen Umständen jedenfalls soweit das Gebiet der Antragsgegnerin in Rede steht, nicht mehr aus. Unter den dargelegten Umständen ist es nicht gleichermaßen effektiv, in Gaststättenbetrieben wie bisher auf die Festlegung von maximalen Gruppengrößen bzw. Teilnehmerzahlen zu verzichten und den Betrieb lediglich den Regelungen über den Mindestabstand, die Maskenpflicht und über ein vom Betreiber auszuarbeiten und einzuhaltendes Hygienekonzept zu überantworten.
Die von Nummer 4 der Verfügung erfassten „geschlossenen“ Veranstaltungen begründen im Übrigen ein spezifisch hohes Infektionsrisiko, da sie sich dadurch auszeichnen, dass aus einem bestimmten Anlass bestimmte Einzelpersonen zusammenkommen und eine innere Verbundenheit der Teilnehmer besteht, die dadurch in besonderem Maße auf zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation aller Teilnehmer ausgelegt sind.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Beschränkung der Teilnehmerzahl auf mehr als auf 5 Personen gleichermaßen wirksam wäre, um auf das Infektionsgeschehen hinreichend einzuwirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin insofern ein Ermessensspielraum zuzugestehen ist. Dass die Begrenzung von Gruppen auf 5 Personen bzw. im Falle von geschlossenen Veranstaltungen auf 25 Teilnehmer im Innenbereich bzw. 50 Teilnehmer im Freien die Grenzen dieses Spielraums überschreiten würde, hat die Antragstellerin nicht plausibel aufgezeigt.
Schließlich stehen die Kontaktbeschränkung sowie die Beschränkung der Teilnehmerzahlen auch nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck der Maßnahme, sondern erweist sich als voraussichtlich angemessen.
Das ausgesprochene Verbot beschränkt die Antragstellerin als Gaststättenbetreiberin in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Da der Eingriff jedoch lediglich auf der Ebene der Berufsausübung erfolgt, müssen zu seiner Rechtfertigung lediglich vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen (BVerfG, B.v. 20.12.2017 – 1 BvR 2233/17 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dies ist hier im Hinblick auf den angestrebten Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu bejahen. Die Allgemeinverfügung ordnet ferner keine vollständige Schließung von Gastronomiebetrieben an. Nach Nr. 1 der Allgemeinverfügung, auf die die streitgegenständliche Nr. 2 Bezug nimmt, bleibt § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 6. BayIfSMV zudem unberührt. Außerdem ist das Verbot aufgrund der Befristung der Allgemeinverfügung bis zum 1. Oktober 2020 zeitlich beschränkt und die Allgemeinverfügung wird im Hinblick auf die örtliche Entwicklung und vor dem Hintergrund des § 23 6. BayIfSMV fortlaufend auf ihre Wirkung und Erforderlichkeit überprüft. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die zeitlich befristete Kontaktbeschränkung auf fünf Personen in Gastronomiebetrieben oder die Begrenzung der Zahl der Teilnehmer von Veranstaltungen die Antragstellerin in eine existenzielle Notlage bringen würde, zumal zum Umfang der hierdurch verursachten Umsatzeinbußen von der Antragstellerin keine Angaben gemacht wurden.
Diesen Eingriffen steht der Schutz von Gesundheit und Leben der Allgemeinheit, insbesondere demjenigen von Risikopatienten, sowie der Schutz des öffentlichen Gesundheitssystems vor einer Überlastung bei ungehinderter Ausbreitung des Infektionsgeschehens gegenüber. Angesichts der hochwertigen Rechtsgüter Leib und Leben, die zu schützen der Staat die strenge Pflicht hat (Art. 2 Abs. 2 GG), der möglichen gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines möglichen erneuten Anstiegs von Infektionen und Erkrankungen einer Vielzahl von Personen ist der Eingriff trotz seiner Intensität als voraussichtlich angemessen zu bewerten (so auch zu Hochzeitsfeiern im Rahmen der 6. BayIfSMV BayVGH, B. v. 16.7.2020 – 20 NE 20.1500; zu Kontaktbeschränkungen in Gastststätten schon VG Würzburg, B.v. 18.9.2020, W 8 S 20.1337).
Der implizite Einwand der Antragstellerin, er werde im Vergleich mit Zusammenkünften im öffentlichen Raum sowie im privaten Bereich benachteiligt und es liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor, verfängt nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist nur dann anzunehmen, wenn wesentliche Ungleiches willkürlich gleichbehandelt wird (BVerfGE 49, 148/165; 86,81/87), wenn also für die Gleichbehandlung kein Sachgrund zu finden ist. Eine Gleichbehandlung mit Zusammenkünften im öffentlichen Raum sowie im privaten Bereich, die ebenfalls nur auf 5 Personen beschränkt sind, ist bereits deshalb sachlich gerechtfertigt, weil die Allgemeinverfügung bezüglich der in Rede stehenden Kontaktbeschränkungen an das gemeinsame und infektionsschutzrechtlich relevante Merkmal des geselligen physischen Zusammenkommens von Personen zum Zwecke der Kommunikation und der Geselligkeit anknüpfen kann, welches sowohl beim gruppenweisen Aufenthalt im öffentlichen Raum (vgl. die Zusammenkünfte an den sog. Hotspots“), bei der Zusammenkunft in privat genutzten Räumen und auf privat genutzten Grundstücken als auch gerade bei dem Aufenthalt von Gruppen in Gastronomiebetrieben gegeben ist. Die Antragstellerin weist zwar insoweit zu Recht darauf hin, dass die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Anforderungen im öffentlichen sowie insbesondere im privaten Raum weniger kontrollierbar sind als beispielsweise in ihrem Gaststättenbetrieb, der über ein von ihr verantwortetes und einzuhaltendes Schutz- und Hygienekonzept – mit der vorgeschriebenen Möglichkeit der Nachverfolgung von Kontakten – verfügt. Dieser Differenzierungsgrund ist aber nicht gewichtig genug, um die physischen Kontakte von Menschen innerhalb von Gaststättenbetrieben gegenüber anderen Lebensräumen zu privilegieren, zumal nach der Lebenserfahrung keineswegs in allen Gaststättenbetrieben die Schutzund Hygienekonzepte so gewissenhaft eingehalten werden wie bei der Antragstellerin. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass jedes Hygienekonzept in der praktischen Umsetzung Schwächen aufweist, die zwar nicht dem Gaststättenbetreiber anzulasten sind, die aber beispielsweise die Kontaktnachverfolgung erschweren, weil zum Beispiel falsche Kontaktdaten angegeben werden.
Dazu kommt, dass es gerade auch darum geht, die Anzahl der im Infektionsfall nach zu verfolgenden Kontakte zu reduzieren, um das Gesundheitsamt in der aktuellen Phase angestiegener Fallzahlen vor einer Überlastung zu schützen.
3. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Aufgrund der faktischen Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens unterbleibt dabei eine Reduzierung des Streitwerts gegenüber dem Hauptsacheverfahren um die Hälfte.


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