Medizinrecht

Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung bei eventueller Versorgungsehe

Aktenzeichen  3 B 16.1899

Datum:
8.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30421
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 11 Abs. 1, Art. 34 Nr. 1, Art. 35 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die Vermutung einer Versorgungsehe kann widerlegt werden, wenn eine Gesamtbetrachtung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände müssen umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Beamten zum Zeitpunkt der Heirat war. Ebenso steigen mit der Dauer des zeitlichen Abstands zwischen dem Heiratsentschluss und der später in Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung erfolgten Heirat die Anforderungen an die Wirklichkeitsnähe der Gründe für den Aufschub der Heirat. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ermittlung der maßgeblichen Umstände obliegt nach dem Amtsermittlungsgrundsatz dem Dienstherrn, die materielle Beweislast, also die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises, trägt demnach, wer den Anspruch auf Witwengeld geltend macht. Lassen sich solche besonderen Umstände nicht feststellen, geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zulasten der Witwe. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 14.294 2015-04-16 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. April 2015 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen vom 14. Januar 2014 verpflichtet, der Klägerin Witwengeld gemäß Art. 35 BayBeamtVG zu gewähren.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 14. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Witwengeld im Sinne von Art. 35 BayBeamtG (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 35 Abs. 1 BayBeamtVG erhält die Witwe eines verstorbenen Beamten auf Lebenszeit, der die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG erfüllt (sog. „Versorgungsurheber“ i.S.d. Art. 34 Nr. 1 BayBeamtVG), Witwengeld. Kein Anspruch besteht, wenn die Ehe weniger als ein Jahr gedauert hat, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falls ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, der Witwe eine Versorgung zu verschaffen (Art. 35 Abs. 2 Nr. 1 BayBeamtVG).
Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch zu, da sie die gesetzliche Vermutung einer sog. „Versorgungsehe“ glaubhaft widerlegen konnte.
1. Eine Ehedauer von weniger als einem Jahr begründet die gesetzliche Vermutung einer sog. Versorgungsehe. „Besondere Umstände“, die die Vermutung einer Versorgungsehe entkräften können, sind unter Zugrundelegung der Maßstäbe aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2016 – 2 C 21.14 – juris Rn. 15-23 zur entsprechenden Vorschrift des § 19 BeamtVG; ebenso BSG, U.v. 5.5.2009 – B 13 R 55/08 R – BSGE 103, 99 zu dem inhaltsgleichen § 46 Abs. 2a SGB VI; vgl. von der Weiden, jurisPR-BVerwG 9/2016 Anm. 5) solche, die auf einen anderen Beweggrund der Heirat als die Versorgungsabsicht schließen lassen. Umstände, bei denen ein anderer Beweggrund als die Versorgungsabsicht nahe liegt, sind etwa gegeben, wenn der Beamte unvorhergesehen verstorben ist, im Zeitpunkt der Heirat also nicht mit seinem Tod zu rechnen war. Musste im Zeitpunkt der Heirat hingegen wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem Tod des Beamten gerechnet werden, liegt das Motiv einer Versorgungsehe nahe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O. – juris Rn. 17) kann jedoch auch ein bereits vor der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung getroffener Heiratsentschluss ein „besonderer Umstand“ sein, sofern die Heirat aus „wirklichkeitsnahen Gründen“ nur aufgeschoben, der Heiratsentschluss aber nicht aufgegeben worden ist (Fortentwicklung der früheren Begrifflichkeit zur „konsequenten“ Verwirklichung des vor der Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschlusses). Die „neue Formel“ von der aus wirklichkeitsnahen Gründen nur aufgeschobenen Heirat bei auch zwischenzeitlich nicht aufgegebenem Heiratsentschluss (von der Weiden, jurisPR-BVerwG 9/2016 Anm. 5) zielt auf einen weniger strengen Maßstab (vgl. von der Weiden, a.a.O.; VGH BW, U.v. 15.6.2016 – 4 S 1562/15 – juris Rn. 26). Dieser ist auch für den Fall zur Anwendung zu bringen, dass eine ursprünglich für einen späteren Zeitpunkt geplante Eheschließung früher umgesetzt wird. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann dementsprechend bei einem Vorziehen des ursprünglich geplanten Hochzeitstermins aus krankheitsbedingten Gründen nicht davon gesprochen werden, der bereits getroffene Heiratsentschluss sei nicht hinreichend konsequent verwirklicht worden, weil an der ursprünglichen Planung (Heirat nach dem Umzug in die neue Wohnung) nicht festgehalten worden sei.
Die Vermutung einer Versorgungsehe kann also widerlegt werden, wenn eine Gesamtbetrachtung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände müssen umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Beamten zum Zeitpunkt der Heirat war. Ebenso steigen mit der Dauer des zeitlichen Abstands zwischen dem Heiratsentschluss und der später in Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung erfolgten Heirat die Anforderungen an die Wirklichkeitsnähe der Gründe für den Aufschub der Heirat (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2016 – 2 C 21.14 – juris Rn. 19).
Die Ermittlung der maßgeblichen Umstände obliegt nach dem Amtsermittlungsgrundsatz dem Dienstherrn, die materielle Beweislast, also die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises, trägt demnach, wer den Anspruch auf Witwengeld geltend macht. Lassen sich solche besonderen Umstände nicht feststellen, geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zulasten der Witwe (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2004 – 3 B 00.1704 – juris Rn. 43; B.v. 28.7.1998 – 3 B 96.2242 – juris Rn. 28; BSG, U.v. 30.01.1970 – 2 RU 175/67 – BeckRS 1970, 247; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, 138. Ergänzungslieferung, März 2019, § 19 Rn. 58, 62; Strötz, in: Fürst, GKÖD, Band I, Stand 2019, § 19 BeamtVG Rn. 29). Für die Widerlegung der Vermutung stehen der Witwe alle zulässigen Beweismittel zur Verfügung. Eine Beschränkung der Beweistatsachen oder der Beweismittel auf „äußere, objektiv erkennbare“ Umstände unter Ausschluss von „inneren, subjektiven“ Umständen ist nicht zulässig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob der seitens des Hinterbliebenen vorgetragene Sachverhalt – unterstellte man ihn als wahr – der Annahme einer Versorgungsehe tatsächlich entgegenstünde. Wird dies bejaht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob der schlüssige Vortrag glaubhaft ist. Dabei muss das Gericht die volle Überzeugung davon gewinnen, dass der vorgetragene Sachverhalt wahrheitsgemäß ist und die Motivation für die Heirat zutreffend wiedergibt (BVerwG, U.v. 28.01.2016 – 2 C 21.14 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 24.6.2016 – 3 ZB 16.840 – juris Rn. 5). Hierbei entscheidet das Gericht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung und ist dabei im Grundsatz nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden. Es würdigt den Prozessstoff nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Dabei bedarf die richterliche Überzeugung von der Wahrheit einer streitigen Behauptung nicht der absoluten Sicherheit. Ausreichend ist die persönliche Gewissheit des Richters, die vernünftige Zweifel an der Wahrheit, nicht aber die rein gedankliche Möglichkeit der Unwahrheit ausschließt. Trotz des höchstpersönlichen Charakters der Beweiswürdigung, der dem Gericht einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht allerdings nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, das heißt sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten (vgl. BayVGH, B.v. 13.06.2012 – 8 ZB 11.2377 – juris Rn. 12 m.w.N.; Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 108, Rn. 47 ff.).
2. Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin ein Anspruch auf Witwengeld gemäß Art. 35 BayBeamtVG zu, da die gesetzliche Vermutung einer sog. Versorgungsehe glaubhaft widerlegt werden konnte.
Der Senat ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung der dort durchgeführten Beweisaufnahme sowie der Beweisaufnahme vor dem Verwaltungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin und der Beamte am 30. Juli 2011 nicht zum überwiegenden Zweck der Versorgung der Hinterbliebenen geheiratet haben.
Die Klägerin trägt vor, bei der Eheschließung hätten Versorgungsgesichtspunkte keine Rolle gespielt. Es sei allein um die Erfüllung des sehnlichsten Wunsches beider Eheleute gegangen, ihre Zusammengehörigkeit auch nach außen zu dokumentieren und eine feste Verbindung einzugehen. Es sei der größte Wunsch ihres Mannes gewesen, dem nach ihren Angaben vor dem Verwaltungsgericht bis zuletzt nicht bewusst gewesen sei, wie ernst sein Zustand gewesen sei. Dieser habe die Eheschließung unbedingt gewollt. Sie habe diesen Wunsch gern erfüllt, auch wenn sie zu dieser Zeit davon genervt und überfordert gewesen sei. Sie habe ihrem Mann damit eine Freude machen und ihm Hoffnung geben wollen, palliativen Einfluss auf die Krankheit ausüben wollen.
Letztere Motive sind dem Senat nachvollziehbar. Sie kommen – ohne das Hinzutreten weiterer Motive – für die Widerlegung der Vermutung der Versorgungsehe in Betracht.
Bei einer Gesamtbetrachtung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat überwiegen diese von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe den Versorgungszweck und sind diesem auch zumindest gleichwertig (2.1). Zwar kommt als besonderer Umstand hier gerade nicht die Konstellation in Betracht, dass im Zeitpunkt der Heirat nicht mit dem Tod des Beamten zu rechnen gewesen wäre (2.2). Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass als besonderer Umstand ein bereits vor der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung (2.3) getroffener konkreter Heiratsentschluss (2.4) gefasst worden ist und die für nach der Fertigstellung der Eigentumswohnung beabsichtigte Heirat aus wirklichkeitsnahen Gründen auf den 30. Juli 2011 vorgezogen worden ist. Der Klägerin ist es gelungen, diesen insofern schlüssigen Vortrag glaubhaft zu machen.
2.1 Der von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggrund der Eheschließung, das einander gegebene Heiratsversprechen trotz dramatischer Verschlechterung der Gesundheit innerhalb kurzer Zeit gleichwohl zu erfüllen, kam nicht nur in der Schilderung der Klägerin, sondern auch in allen Zeugenaussagen eindeutig zum Ausdruck. Die Bekannten und Familienangehörigen der Klägerin stellten insoweit übereinstimmend und für den Senat ohne Einschränkung überzeugend die Heirat als Liebesheirat dar und hoben die Harmonie des Paares hervor. Sämtliche vom Senat befragten Zeugen hatten – trotz vielfacher Nachfragen des Gerichts – keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Eheschließung auch materielle Gesichtspunkte von Bedeutung waren. Insoweit wurde zum einen von der Zeugin W. geschildert, dass sie der Klägerin geraten habe, sie solle Herrn K. noch befragen und aufschreiben, was sie an wichtigen Dingen wissen müsse; die Klägerin habe aber auf finanzielle Dinge damals keinen Wert gelegt. Dies wird bestätigt durch die Angabe der Klägerin, sie habe nach dem Tod des K. keinen Zugriff auf dessen Konten gehabt und keinen Überblick, welche Handwerkerrechnungen noch offen gewesen seien. Hätten Versorgungsgesichtspunkte und finanzielle Absicherung der Klägerin damals im Vordergrund gestanden, hätte die Erteilung entsprechender Vollmachten nahegelegen. Zum anderen schilderten die Zeugen, dass ihnen die berufliche Vergangenheit des verstorbenen Ehemanns der Klägerin als Polizeibeamter unbekannt oder für sie ohne Belang gewesen sei, was in Anbetracht dessen, dass dieser bereits zum 1. Mai 1996 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist, nachvollziehbar erscheint. Dagegen spricht auch nicht, dass die Klägerin Alleinerbin geworden ist, und mitgeteilt hat, dass sich ihr Ehemann mit seinen Schwestern, von denen eine mittlerweile ebenfalls verstorben sei, nicht verstanden habe. Denn Art. 35 Abs. 2 Nr. 1 BayBeamtVG stellt nur auf den Umstand der Versorgungsverschaffung ab, nicht auf die mit einer Heirat möglicherweise verbundenen erbrechtlichen Konsequenzen. Ebenso wenig hält es der Senat für angängig, allein aus der Tatsache, dass jeder von ihnen bereits früher verheiratet und beide im Zeitpunkt der Eheschließung über 55 Jahre alt gewesen sind, eine andere Motive überwiegende Versorgungsabsicht abzuleiten. Hätte diese bei der Klägerin bestanden, wäre auch ihr späterer gesundheitlicher Zusammenbruch und die damit verbundene längerfristige Arbeitsunfähigkeit nicht in gleicher Weise erklärbar.
2.2 Auch bei einer schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis ist der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet worden ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt jedoch der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die zu einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung führen.
Insoweit ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Ehe am 30. Juli 2011 in Kenntnis einer schweren Erkrankung und der deshalb eingeschränkten Lebenserwartung des Beamten geschlossen worden ist. Die Eheleute haben hier nicht nur in Kenntnis des Vorliegens einer lebensbedrohlichen Krankheit, sondern zu einer Zeit geheiratet, als die Ärzte sich bei der Entlassung aus dem Klinikum Großhadern entschließen mussten, auf eine rein lindernde Behandlung umzusteigen, da im Verlauf die Aussicht auf Besserung und Rehabilitation nicht mehr gegeben, und bei Verlegung in die Palliativstation in R. am 29. Juli 2011 davon auszugehen war, dass der Beamte „innerhalb der nächsten Wochen am Tumorleiden in der Tumorkachexie oder im Leberversagen versterben“ werde (vgl. Arztbericht der LMU an die Klägerin vom 14. November 2013 sowie Bericht der LMU an die weiterbehandelnden Kollegen der Palliativstation R. vom 28. Juli 2011).
2.3 Die vorgelegten medizinischen Unterlagen belegen jedoch auch, dass zum Zeitpunkt des Verlöbnisses (24. Dezember 2010) den späteren Eheleuten das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung des Beamten nicht bekannt war. Insoweit schildert der Professor der chirurgischen Direktion im später verfassten Arztbericht, dass epikritisch festgestellt werden könne, dass der Beamte mit einem Überraschungsbefund aus Wohlbefinden am 16. Juni 2011 zur Einweisung in die Klinik gekommen sei. Dies steht in Übereinstimmung mit der Schilderung der Klägerin, ihr (späterer) Ehemann habe drei bis viermal bei einem Restaurantbesuch geäußert, er könne nicht mehr so viel essen und ein Druckgefühl beklagt, so dass er auf ihre Anregung Ende Mai 2011 zu Dr. K. gegangen sei.
2.4 Ob ein Verlöbnis als hinreichend ernsthafter und konkreter Heiratsentschluss aufzufassen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Heiratsabsichten können nur dann die Vermutung der Versorgungsehe nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 BayBeamtVG widerlegen, wenn sie hinreichend ernsthaft und konkret sind. Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat, ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, reichen nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (vgl. LSG BW, U.v. 16.10. 2012 – L 11 R 392/11 – juris Rn. 27; BayLSG, U.v. 20.2.2013 – L 1 R 304/11 – juris Rn. 41 jeweils zu § 46 Abs. 2a SGB VI).
Insoweit schließt sich der Senat zunächst der Einschätzung des Verwaltungsgerichts an, dass sich die Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann am 24. Dezember 2010 verlobt hat. Die Angaben der Klägerin und ihrer nochmals als Zeugin vernommenen Schwester haben auch den Senat überzeugt. Die Verlobung im Familienkreis wurde in den wesentlichen Grundzügen übereinstimmend geschildert. Dass Herr K. um die Hand der Klägerin angehalten und ihr den ersten von geplanten drei Ringen geschenkt hatte, wurde ihrer Familie im Rahmen des der Bescherung und dem Abendessen nachfolgenden Spaziergangs im Schnee mitgeteilt. Im Anschluss daran habe man darauf angestoßen. Die Tatsache des Verlöbnisses wurde zwar zunächst im Freundeskreis nicht generell bekannt gemacht. Freunde und Bekannte hatten aber jedenfalls noch vor Bekanntwerden der Krankheit von den Heiratsplanungen des Paares erfahren. So bekundete der Zeuge R. glaubhaft, dass er schon zu Silvester davon ausgegangen sei, dass das Paar sowieso zusammen bleiben werde und dass bei einem gemeinsamen Essen im Frühjahr über die spätere Heirat gesprochen und gezeigt worden sei, wo sich die künftige Ehewohnung befinde. Die Zeugin V. erfuhr nach ihren Angaben vom Verlöbnis ebenso im Januar 2011 wie der vom Verwaltungsgericht vernommene Zeuge D., der im Juni 2011 in einem Lokal am Bodensee gefragt worden war, ob er die Organisation der Hochzeit übernehme. Selbst in der Nachbarschaft war die geplante Heirat bekannt (Bestätigung der Eheleute B. vom 10. Mai 2013).
In der Gesamtschau war die ursprüngliche Planung, die Ehe nach dem Einzug in die neue Eigentumswohnung noch im Jahr 2011 zu schließen, hinreichend konkret. Für den Senat bestehen keine Zweifel, dass die für die Feierlichkeit ausgesuchte Lokalität in L. praktisch feststand und aufgrund der guten Bekanntschaft der Klägerin mit der Inhaberin eine Reservierung außerhalb der Tourismussaison ab Oktober keine Probleme bereitet hätte. Wenn dabei die beabsichtigte Feier von einzelnen Zeugen teils als kleiner Kreis, teils als großes Fest bezeichnet wurde, ergibt sich aus dieser unterschiedlichen subjektiven Einschätzung kein beachtlicher Einwand. Auch der Umstand, dass die Frage, wer als Treuzeuge bei der Hochzeit fungieren sollte, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat erst geklärt wurde, als die Trauung als Nottrauung in Angriff genommen wurde, spricht nicht gegen den festen Willen der Partner zur Eheschließung, zumal Treuzeugen für die Eheschließung rechtlich nicht erforderlich sind. Mit dem ursprünglichen Plan, nach der Fertigstellung der Eigentumswohnung zu heiraten, deren vollständige Herstellung für den 30. September 2011 im notariellen Kaufvertrag zugesagt war und die tatsächlich nur um einen Monat verzögert vollständig hergestellt worden ist, lag eine auch im Familien- und Bekanntenkreis bekannte zeitliche Konkretisierung der vielfach zum Ausdruck gekommenen festen Heiratsabsicht vor, die in Anbetracht des Umstands, dass vor Bekanntwerden der Krankheit des Beamten kein Zeitdruck bestanden hat, als hinreichend ernsthaft und konkret anzusehen ist. Bei einer Verlobung binnen Jahresfrist, nachdem die Beziehung eingegangen worden ist, und einer geplanten Umsetzung der Heiratsabsicht ebenfalls binnen Jahresfrist liegt eine gegenteilige Annahme ersichtlich fern. Der Umstand, dass diese Planung durch die Krankheit des Beamten nicht beibehalten, sondern abgekürzt werden musste, bestätigt, dass die Heiratsabsicht ernsthaft und konkret war, weil ansonsten eine Umsetzung in so kurzer Zeit kaum hätte erfolgen können.
3. Vor diesem Hintergrund ist der der Klägerin obliegende Beweis, dass keine Versorgungsehe vorliegt, als erbracht anzusehen. Sie hat damit einen Anspruch auf Witwengeld.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2, 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht vorliegen.


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