Medizinrecht

Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Maskenpflicht

Aktenzeichen  20 NE 21.172

Datum:
1.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1835
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6
11. BayIfSMV § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1. Wenn der Betreiber eines Ladengeschäfts von seinen Kunden die Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Maskenpflicht verlangen sollte, so wäre die Berechtigung hierzu allein zivilrechtlich zwischen Ladenbetreiber und Kunde zu klären. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen setzt im Regelfall die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung voraus, die nachvollziehbare Befundtatsachen sowie eine Diagnose enthält.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Der Antragsteller, der in Bayern lebt, wendet sich gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 15. Dezember 2020 (11. BayIfSMV; BayMBl. 2020 Nr. 737), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. Januar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 75), und beantragt dessen vorläufige Außervollzugsetzung.
Er verfügt über ein ärztliches Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 11. BayIfSMV, wendet sich jedoch dagegen, dass der Nachweis der Befreiung in jeder Situation nur durch Vorlage des ärztlichen Attests erfolgen könne und daher stets der Befreiungsgrund und die zugrundeliegende medizinische Diagnose offenbart werden müsse. Zur Begründung verweist er u.a. auf die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 4. Januar 2021 (OVG 11 S 132/20) und führt ergänzend aus, dass die Anforderungen an den Nachweis eines Befreiungstatbestands schon aus Kompetenzgründen nicht durch die angegriffene Verordnung geregelt werden könnten.
2. Der Antrag ist bereits unzulässig und deshalb abzulehnen. Er enthält schon keine schlüssige Darlegung einer möglichen Verletzung in eigenen Rechten (vgl. dazu Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 41) bzw. der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abzuwehrenden „schweren Nachteile“ i.S.d. § 47 Abs. 6 VwGO.
Soweit sich der Antragsteller ausdrücklich dagegen wendet, dass zum Nachweis der Befreiung von der Maskenpflicht der Befreiungsgrund und die zugrundeliegende medizinische Diagnose gegenüber jedermann – etwa auch privaten, nicht zur Verschwiegenheit verpflichteten Ladenbetreibern – offenbart werden müsse, verkennt er den Regelungsgehalt der angegriffenen Norm. Wie der Antragsgegner in seiner Erwiderung zutreffend ausführt, gilt die Verpflichtung zur Glaubhaftmachung eines Befreiungstatbestands ausschließlich gegenüber den für den Vollzug des Infektionsschutzrechts zuständigen Behörden. Die Betreiber von Einrichtungen, in denen für die Besucher, Kunden, Begleitpersonen, Gäste oder Nutzer eine (ggf. FFP2-) Maskenpflicht gilt, haben diesen gegenüber die Maskenpflicht weder durchzusetzen noch etwaige Verstöße zu sanktionieren. Wenn – wie in dem vom Antragsteller genannten Beispiel – der Betreiber eines Ladengeschäfts von seinen Kunden den Nachweis oder die Glaubhaftmachung eines Befreiungstatbestands verlangen bzw. den Zugang zum Laden davon abhängig machen sollte, so wäre die Berechtigung hierzu allein im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Ladenbetreiber und Kunde zu klären.
Unabhängig davon hat die vom Antragsteller angegriffene Norm des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 11. BayIfSMV schon keine eigenständige Regelungswirkung, die sich zu Lasten des Antragstellers auswirken könnte. Wie der Senat bereits zu § 1 Abs. 2 Nr. 2 7. BayIfSMV – wortgleich mit § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 11. BayIfSMV – festgestellt hat, setzt die Glaubhaftmachung eines Befreiungstatbestands aus gesundheitlichen Gründen im Regelfall die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung voraus, die nachvollziehbare Befundtatsachen sowie eine Diagnose enthält (BayVGH, B.v. 26.10.2020 – 20 CE 20.2185 – juris Rn. 18 f.; so auch OVG NRW, B.v. 24.9.2020 – 13 B 1368/20 – juris Rn. 11). Dies ergibt sich zum einen aus dem allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsatz, wonach die Darlegungslast für das Vorliegen eines Befreiungstatbestands denjenigen trifft, der sich auf den Befreiungstatbestand beruft und dessen Einflussbereich die darzulegenden Tatsachen unterliegen (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 54). Zum anderen muss wegen der spezifischen Zielsetzung der (ggf. FFP2-)Maskenpflicht – der Verhinderung bzw. Verlangsamung einer weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2-Infektionen in der Bevölkerung – gewährleistet sein, dass die mit der Kontrolle und Durchsetzung der Maskenpflicht befassten Behörden und Gerichte aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen überprüfen können. Vor diesem Hintergrund hat die vom Antragsteller angegriffene Bestimmung keine eigenständige Regelungswirkung, sondern enthält nur einen deklaratorischen Hinweis auf die Rechtslage, zumal nach dem Wortlaut der Norm („insbesondere“) die Würdigung der zur Begründung eines Befreiungstatbestands geltend gemachten Tatsachen ausdrücklich dem Einzelfall vorbehalten bleibt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 14. Februar 2021 außer Kraft tritt (§ 29 11. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 hier nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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