Medizinrecht

Grundsicherung, Leistungen, Bescheid, Bewilligung, Wohngeld, Sozialhilfe, Erwerbsminderung, Erledigung, Unterkunft, Leistungsanspruch, Kostenentscheidung, Ablehnung, Auslegung, Zahlung, Erledigung des Verfahrens, Erledigung des Rechtsstreits, Kosten des Verfahrens

Aktenzeichen  AN 15 K 20.00927

Datum:
31.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26525
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WoGG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 u. S. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin ein Zwölftel und die Beklagte elf Zwölftel. Gerichtskosten werden nicht erhoben.  

Gründe

1. Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wobei die nicht anwaltlich vertretene Klägerseite dies im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 25. Januar 2021 in Auslegung der dort abgegebenen Stellungnahme erklärt hat (vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung, 40. EL Februar 2021, VwGO § 161 Rn. 15) und der Klägerbevollmächtigte auch in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts erklärt hat, in Streit stehe nur noch das Wohngeld für den Monat Januar 2020, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend). Eine Einstellung bei nur teilweiser Erledigung des Rechtsstreits kann dabei auch im Urteilstenor erfolgen und bedarf keines gesonderten Beschlusses (Rennert, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, VwGO § 92 Rn. 24).
2. Die ansonsten zulässig erhobene Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht für den Monat Januar 2020 kein Wohngeld in Form eines Mietzuschusses zu, so dass die als Versagungsgegenklage statthafte Klage abzuweisen war (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht auf die Gründe des angefochtenen Bescheids vom 27. April 2020 Bezug und macht sich diese für die Entscheidungsgründe dieses Urteils zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist noch auszuführen, dass die Änderung der Rechtslage aufgrund des Artikels 26 Abs. 4 des Bundesteilhabegesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) mit Wirkung zum 1. Januar 2020 im Hinblick auf die Reformierung des Leistungsrechts für Menschen mit Behinderungen auch rechtliche Auswirkungen bezogen auf Wohngeldleistungen mit sich brachten und nicht lediglich – wie der Klägerbevollmächtigte annimmt – eine Verschiebung der Leistungsmodalitäten, etwa in Bezug auf Auszahlung von Geldleistungen an einen bestimmten Empfänger, erfolgt ist. Die bisher für in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe lebende Menschen mit Behinderungen von den Trägern der Sozialhilfe finanzierten und erbrachten sog. „Komplexleistungen“ nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) werden seit dem 1. Januar 2020 bei erwachsenen Menschen mit Behinderungen in der Regel in behinderungsbedingte Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) Teil 2 (sog. Fachleistungen) und in existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII (u.a. Regelsatz, Bedarfe für Unterkunft und Heizung) getrennt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX Teil 2 (bisher im 6. Kapitel SGB XII verankert) werden damit nicht mehr abhängig von der Wohnform, sondern personenzentriert erbracht. Infolgedessen wurde auch die bisherige Aufgliederung in ambulante, teilstationäre und vollstationäre Leistungen zum 1. Januar 2020 aufgegeben (vgl. Bundesministerium der Finanzen, BMF-Schreiben v. 24.3.2020 – Az. III C 3 – S 7172/19/10002 – DStR 2020, S. 658). Im Hinblick auf die Gewährung von Wohngeld ist damit nunmehr zu prüfen, ob ein Wohngeldausschluss aufgrund des Bezugs einer vorrangigen Transferleistung, die auch der Sicherung der Unterkunftskosten dient, gemäß § 7 Abs. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) besteht. Soweit der Klägerbevollmächtigte argumentiert, der Klägerin stehe Wohngeld für Januar 2020 schon deswegen zu, weil die Klägerin solches auch zuvor, d.h. im Jahr 2019 erhalten habe, verkennt er insoweit die geänderte Rechtslage. Es mag sein, dass die Klägerin im Jahr 2019 deshalb wohngeldberechtigt war, weil die übrigen ihr zukommenden Leistungen, die durch den Bezirk Mittelfranken verwaltet und ausgezahlt wurden, als „Komplexleistung“ nach früherem Teilhaberecht nicht unter einen der Ausschlusstatbestände des § 7 Abs. 1 WoGG zu fassen waren. Entscheidend ist für den hier noch streitgegenständlichen Monat Januar 2020 aber auf die Rechtslage ab Inkrafttreten der weiteren Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2020 abzustellen, da sich aus dem Bundesteilhabegesetz oder dem Wohngeldgesetz keine für die Klägerin im Sinne ihres Klagebegehrens günstigeren Übergangsvorschriften ergeben.
Im vorliegenden Fall besteht ein Ausschluss vom Bezug von Wohngeld für die Klägerin im Monat Januar 2020 aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WoGG. Nach dieser Vorschrift sind nicht wohngeldberechtigt Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, wenn bei deren Berechnung Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind. Das ist ausweislich des vom Bezirk Mittelfranken an die Beklagte übersandten Bogens über die Berechnung von Grundsicherung für den Monat Januar 2020 der Fall (vgl. Bl. 138 – 140 d. Wohngeldakte).
Es greift auch nicht zu Gunsten der Klägerin ein „Ausschluss vom Ausschluss“ gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 WoGG. Danach besteht der Ausschluss trotz eines Bezugs einer der in § 7 Abs. 1 Satz 1 WoGG genannten Leistungen nicht, wenn 1. die Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ausschließlich als Darlehen gewährt werden oder 2. durch Wohngeld die Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, des § 19 Abs. 1 und 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder des § 27a des Bundesversorgungsgesetzes vermieden oder beseitigt werden kann und a) die Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 7 während der Dauer des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung von Grund und Höhe dieser Leistungen noch nicht erbracht worden sind oder b) der zuständige Träger eine der in Satz 1 Nr. 1 bis 7 genannten Leistungen als nachrangig verpflichteter Leistungsträger nach § 104 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch erbringt. Für eine darlehensweise Gewährung der Grundsicherung für den Monat Januar 2020 durch den Bezirk Mittelfranken ist nichts vorgetragen oder ersichtlich. Die Hilfsbedürftigkeit der Klägerin konnte in diesem Monat darüber hinaus bereits vollständig durch die Grundsicherung beseitigt werden, so dass es dazu nicht kumulativ der Wohngeldzahlung für die Beseitigung einer Hilfsbedürftigkeit bedurfte. Wohngeld dient gemäß § 1 Abs. 1 WoGG der Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens, nicht aber der Sicherung sonstiger sozialer Bedürfnisse. Seine Inanspruchnahme erwiese sich als missbräuchlich, wenn seine Gewährung zur wirtschaftlichen Sicherung des angemessenen und familiengerechten Wohnens tatsächlich nicht notwendig ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 5 C 21/12 – NVwZ-RR 2013, S. 719). Der Klägerin wurde im Monat Januar 2020 unwidersprochen durch den Bezirk Mittelfranken Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 949,83 Euro bewilligt und ausgezahlt. Damit ist der sozialhilferechtliche Bedarf der Klägerin im Monat Januar 2020 vollständig gedeckt. Dieser setzt sich zusammen aus den Kosten für die Unterkunft in Höhe von 494,70 Euro (vgl. Bl. 126/127 d. Wohngeldakte), dem sozialhilferechtlichen Regelsatz für einen volljährigen Menschen in einer Einrichtung im Sinne des SGB XII (Regelbedarfsstufe 2 für das Jahr 2020 in Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes) in Höhe von 389,00 Euro und einem Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII in Höhe von 66,13 Euro (17 Prozent vom Regelbedarf). Dem gegenüber sind die Kosten für die durch die Lebenshilfe … in Rechnung gestellte Verpflegung der Klägerin, ihrer Betreuung und Pflege und für das Führen eines eigenen Bankkontos dem Grunde nach aus dem sozialhilferechtlichen Regelbedarf zu decken, soweit im Hinblick auf die Verpflegung nicht ein Mehrbedarfszuschlag nach § 42b Abs. 2 SGB XII oder ein sonstiger Mehrbedarf nach § 42b Abs. 1 SGB XII zu leisten ist. Ein solcher Mehrbedarf ergibt sich aus dem Berechnungsbogen zur Grundsicherung des Bezirkes Mittelfranken für den Monat Januar 2020 nicht. Da die Mittagsverpflegung der Klägerin ausweislich des vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Schreibens der Lebenshilfe … ab dem 1. Januar 2020 ein Angebot der Lebenshilfe an die bei ihr wohnenden Menschen darstellt, hätte es insoweit zumindest näheren Sachvortrags der Klägerseite bedurft, dass dieses Angebot auch tatsächlich im Januar 2020 angenommen wurde. Mit der tatsächlich geleisteten Grundsicherung für Januar 2020 in Höhe von 949,83 Euro ist der Bedarf der Klägerin damit gedeckt, so dass der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WoGG nicht zur Anwendung kommt.
Für den vorliegenden Streitgegenstand gänzlich unerheblich ist, dass zum einen eine Erhöhung des Wohnentgeltes, das die Klägerin an die Lebenshilfe … zu zahlen hat, mit Wirkung zum 1. März 2020 eingetreten ist und zum anderen, dass der Bezirk Mittelfranken auch noch nach dem Januar 2020 Leistungen der Grundsicherung bewilligt hat, die jedoch in der Folge mit Ablauf des Monats Mai 2020 eingestellt wurden (vgl. Bl. 180 d. Wohngeldakte).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich als gemischte Kostenentscheidung (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO) einmal aus § 154 Abs. 1 VwGO, soweit die Klage noch aufrechterhalten wurde und die Klägerin unterlegen ist und zum anderen aus § 161 Abs. 2 VwGO als Ermessensentscheidung des Gerichts, soweit das Verfahren erledigt ist. Hierbei war der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Da sich die Beklagte hinsichtlich der Aufhebung ihres Bescheids vom 27. April 2020 für den Bewilligungszeitraum ab 1. Februar 2020 in die Rolle des Unterlegenen begeben hat und das erledigende Ereignis in ihre Verantwortungssphäre fällt (vgl. Bl. 176 d. Wohngeldakte sowie die Gründe des Aufhebungs- und Bewilligungsbescheides vom 26. Mai 2020), entspricht es billigem Ermessen, sie insoweit mit den Kosten des Verfahrens zu belasten. Ausgehend vom ursprünglich mit der Klage angebrachten Streitgegenstand, der die Leistung von Wohngeld für den regelmäßigen Bewilligungszeitraum über zwölf Monate umfasste, entspricht das Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen daher der ausgeurteilten Kostenquote in Zwölftel-Teilen.
Gerichtskosten werden gemäß § 188 VwGO in wohngeldrechtlichen Streitigkeiten nicht erhoben (BVerwG, U.v. 23.4.2019 – 5 C 2/18 – NVwZ-RR 2019, S. 1002).


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