Medizinrecht

Hilfsmittel – Beinprothesenversorung nach Genehmigungsfiktion

Aktenzeichen  L 5 KR 323/14

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 13 Abs. 3a S. 7, § 40
SGG SGG § 54, § 88
SGB X SGB X § 45 Abs. 2 S. 1, S. S. 2, § 47

 

Leitsatz

Die Gesetzgebungsmaterialien zur Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V enthalten keinen Hinweis, dass der Gesetzgeber Körperersatzstücke als Hilfsmittel vom Regelungsbereich der Norm ausnehmen wollte. (redaktioneller Leitsatz)
Die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten nicht nur einen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch einen Naturalleistungsanspruch. (redaktioneller Leitsatz)
Gegenstand einer nachträglichen Beseitigung der Genehmigungsfiktion ist ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt iSd § 47 SGB X. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 6 KR 339/13 2014-06-03 Urt SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 3. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch der Berufung.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 143, 151 SGG) ist in der Sache nicht erfolgreich. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 03.06.2014 zutreffend entschieden, dass der Kläger aufgrund des Eintritts einer Genehmigungsfiktion einen Anspruch hat auf Versorgung mit der streitgegenständlichen Beinprothese. Diese wurde mit dem Bescheid vom 03.12.2015 nicht wirksam beseitigt. Der Kläger begehrt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha), sondern die Versorgung mit einer Beinprothese. Die vom Kläger begehrte Beinprothese ist nicht Gegenstand einer medizinischen Reha sondern der Hilfsmittelversorgung. Damit ist der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3 a SGB V eröffnet.
1. Gemäß § 13 Abs. 3 a SGB V hat die Krankenkasse (KK) über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die KK eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (§ 13 Abs. 3a S 2 SGB V). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (§ 13 Abs. 3a S 3 SGB V). Eine hiervon abweichende Frist ist nur für den Fall der Durchführung eines im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) vorgesehenen Gutachterverfahrens bestimmt (§ 13 Abs. 3a S. 4 SGB V). Kann die KK die Fristen nach S 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (§ 13 Abs. 3a S. 5 SGB V). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a S 6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die KK zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a S 7 SGB V). Für Leistungen zur medizinischen Reha gelten die §§ 14, 15 SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbstbeschaffter Leistungen (§ 13 Abs. 3a S 9 SGB V).
2. In Anwendung dieser Regelungen ist festzustellen, dass bei der Beklagten am 16.05.2013 ein Antrag des Klägers eingegangen ist auf Versorgung mit einem Beinprothesensystem Genium Bionic Prosthetik System 3 B 1 und einem Triton Prothesenfuß 1 C 60. Beigefügt war der Kostenvoranschlag der als Leistungserbringer zugelassenen Firma H. in Höhe von insgesamt 47.652,45 Euro sowie eine entsprechende ärztliche Verordnung vom 23.04.2013. Damit lag der Beklagten ein vollständiger, hinreichend bestimmter Leistungsantrag vor.
Fest steht weiter, dass die Beklagte über den Antrag erst am 10.07.2013 entschieden hat. In der Zwischenzeit hat sie dem Kläger mit Schreiben vom 27.05.2013 mitgeteilt, dass sie die eingereichten Unterlagen an den MDK zur Prüfung weitergeleitet habe. Weitere Mitteilungen an den Kläger sind bis zur Bescheiderteilung nicht erfolgt.
Die Beklagte hat somit über den Antrag des Klägers nicht innerhalb der Fristen des § 13 Abs. 3a SGB V entschieden. Das Schreiben der Beklagten, vom 27.05.2013, mit dem sie dem Kläger mitgeteilt hat, dass die eingereichten Unterlagen an den MDK zur Prüfung weitergegeben worden seien, war nicht geeignet, den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern. Zum einen war zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 31.07.2013 auch die Frist nach § 13 Abs. 3a S. 2 SGB V verstrichen. Die Beklagte hat unstreitig den Kläger weder darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie die Fristen des § 13 Abs. 3a SGB V nicht einhalten kann, noch hinreichende Gründe für die Verzögerung vorgebracht, noch hat sie einen konkreten Entscheidungstermin benannt.
3. In der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2016 hat der Kläger glaubhaft angegeben, dass er bereits seit 2012 eine neue Prothese benötigt, die alte ist aufgebraucht. Die Beteiligten haben unstreitig gestellt, dass der Leistungsantrag des Klägers auf eine Versorgung mit einer Oberschenkelprothese gerichtet ist – und zwar nicht nach dem Stand der Technik im Jahr 2013 sondern zum Zeitpunkt der Versorgung.
Bei dieser streitgegenständlichen Versorgung mit einer Prothese handelt es sich nicht um eine Leistung der medizinischen Reha. Nach dem Urteil des BSG vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R) verdeutlicht der Regelungszweck im Gesamtsystem, dass § 13 Abs. 3a SGB V Kostenerstattung wegen Genehmigungsfiktion für Leistungen zur medizinischen Reha nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat bewusst Leistungen zur medizinischen Reha aus dem Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3a SGB V ausgeklammert. Denn schon die Vorgaben für die Zuständigkeitsklärung bei Leistungen zur medizinischen Reha (§ 14 SGB IX) passen nicht zur gesetzlichen Regelung der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a S. 6 SGB V) nicht. Sie sind mit der Fristenregelung des § 13 Abs. 3a SGB V nicht kompatibel. Leitetet der erstangegangene Träger einen Antrag innerhalb von zwei Wochen nach seinem Eingang weiter (§ 14 Abs. 1 S 1 SGB IX), könnte dennoch innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang beim erstangegangenen Träger bereits die Genehmigungsfiktion eintreten (§ 13 Abs. 3a S 1 und S 6 SGB V). Vergleichbares gilt für die unterschiedlichen Erstattungsregelungen in § 13 Abs. 3a S 7 SGB V und § 15 SGB IX (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R – Rn. 15).
Das SGB V unterscheidet ausdrücklich den Begriff des Hilfsmittels (§ 33 SGB V) von der medizinischen Rehabilitation (§ 40 SGB V). Zwar ist der Begriff der medizinischen Reha weiter zu verstehen als die Definition in § 40 SGB V, denn er umfasst in einem weiten Sinne Leistungen, die eine KK als erstangegangener Reha-Träger nach dem Recht des eigentlich zuständigen Trägers zu erbringen hat, wenn sie den Antrag nicht weiterleitet und deshalb im Außenverhältnis zum zuständigen Träger wird. Die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich in diesem Falle im Außenverhältnis (behinderter Mensch/Reha-Träger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind (vgl. BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 4 Rn. 14 m. w. N.). Einbezogen sind z. B. Adaptionsmaßnahmen, die eine KK allein nach dem Recht des SGB V nicht leisten müsste (vgl. z. B. BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr. 4, Rn. 16 ff). Der Entscheidungszeitpunkt der KK spielt hierbei keine Rolle (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R – Rn. 16, juris). Andererseits bezieht sich der Leistungsbegriff in der Regelung des § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V – bei einem Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in einem engeren Sinne – nur auf die Leistungen zur medizinischen Reha im Sinne des SGB V. Das sind insbesondere die dort als solche bezeichneten Leistungen (§ 40 SGB V), aber auch z. B. teilweise Arbeitstherapie (vgl. z. B. BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr.1, Rn. 21 ff, 26 m. w. N.). Versicherte der GKV – wie der Kläger – haben gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 SGB V u. a. Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Reha, die „notwendig sind, um eine Behinderung ( …) abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern“. Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (§ 11 Abs. 2 S. 3 SGB V). Die KK – gemäß § 5 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX mögliche Träger von Leistungen zur medizinischen Reha – sind nach den Vorschriften des SGB V zur Erbringung medizinischer Reha-Leistungen demgegenüber nur unter den dort genannten Voraussetzungen verpflichtet (vgl. § 11 Abs. 2, § 40 SGB V; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr. 4, Rn. 18). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliche Leistung des SGB V, die – wie hier – dazu dient, eine Behinderung auszugleichen, als eine Leistung der medizinischen Reha im Sinne des § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V zu verstehen wäre. Bei der hier streitgegenständlichen Prothese handelt es sich um ein Körperersatzstück, das dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dient und unter den Hilfsmittelbegriff des § 33 SGB V fällt (vgl. auch § 4 Abs. 3 der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation – Rehabilitationsrichtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SGB V i. d. F. vom 16.03.2004: Nach der dortigen Definition handelt es sich bei der Versorgung mit Prothesen nicht um eine medizinische Rehabilitation).
Es findet sich in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 13 Abs. 3a SGB V kein Hinweis, dass es der Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, wie Körperersatzstücke als Hilfsmittel vom Regelungsbereich dieser Vorschrift auszunehmen. Damit ist die streitgegenständliche Oberschenkelprothese grundsätzlich einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V zugänglich.
4. Der Antrag des Klägers betraf eine Leistung, die er für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Zum einen ist nach seinen glaubhaften Angaben die alte Oberschenkelprothese bereits verschlissen, zum anderen hat er von seinem behandelnden Arzt eine entsprechende Verordnung erhalten. Nicht maßgeblich ist, ob die Leistung auch im Sinne von § 2 Abs. I SGB V erforderlich ist, denn dies stünde dem Sanktionscharakter der Norm entgegen.
5. Die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten nicht nur einen Kostenerstattungsanspruch sondern auch einen Naturalleistungsanspruch. Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren (vgl. LSG NRW Beschluss vom 23.5.2014 – L 5 KR 222/14 B ER – Juris Rn. 7 m. w. N.). Ansonsten wären mittellose Versicherte vom Wirkungsbereich der Norm faktisch ausgeschlossen. Für diese Auslegung spricht schließlich auch der Sanktionscharakter der Vorschrift (vgl. hierzu Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/10488 S 32, zu Art. 2 Nr. 1).
6. Der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2015 nach § 45 SGB X hat die Genehmigungsfiktion hinsichtlich des Antrages vom 16.05.2013 nicht wirksam beseitigt.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass der fingierte Verwaltungsakt nach § 13 Abs. 3a SGB V begünstigend, aber rechtswidrig sei, da der Kläger keinen Anspruch habe auf die Versorgung mit der streitgegenständlichen Geniumprothese. Dies ergebe sich aus der sozialmedizinischen Stellungnahme des MDK vom 21.06.2015, aus der hervorgeht, dass die beantragte Versorgung nicht notwendig sei und damit auch nicht im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB V wirtschaftlich und zweckmäßig. Es bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen i. S. d. § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X, das einer Rücknahme einer fingierten Leistungsgenehmigung entgegenstünde. Auch innerhalb des unmittelbaren Behinderungsausgleiches bestehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 3/12 R, nur ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf Optimalversorgung. Die begehrte Versorgung mit der Geniumprothese lasse keine gravierenden Vorteile gegenüber der aktuellen Versorgung erkennen.
Durch die Genehmigungsfiktion habe der Kläger eine Rechtsposition erlangt, die dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenkasse widerspreche und somit durch eine Rücknahme zu korrigieren sei. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X sei das Vertrauen in der Regeln schutzwürdig, wenn der Begünstigte die erbrachte Leistung verbraucht oder eine Vermögensposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Der Kläger habekeine Vermögensdispositionen getroffen.
Über diesen Bescheid hat die Beklagte die Genehmigungsfiktion nicht wirksam beseitigt. Der Bescheid vom 03.12.2015 setzt sich intensiv damit auseinander, ob der Kläger außerhalb einer Genehmigungsfiktion einen Anspruch gehabt hätte auf die Versorgung mit der streitgegenständlichen Prothese. In dem Bescheid ist zusammengefasst, weshalb der Kläger keinen Anspruch hätte auf Versorgung mit der streitgegenständlichen Prothese. Weiter ist ausgeführt, dass die vorliegende Genehmigungsfiktion zum Nachteil der Solidargemeinschaft gehe und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Insoweit überwiege das öffentliche Interesse das private Interesse, so dass eine Korrektur des rechtswidrigen Zustandes durch eine Rücknahme der Genehmigungsfiktion zu erfolgen habe. Weiter ist wörtlich ausgeführt: „Durch die Genehmigungsfiktion haben Sie eine Rechtsposition erlangt, die dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenkasse widerspricht und somit durch eine Rücknahme korrigiert werden muss.“ Dies lässt erkennen, dass die Beklagte verkannt hat, dass es sich bei § 45 SGB X um eine Ermessensentscheidung handelt. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Gegenstand des Widerrufs der Genehmigungsfiktion ist im Übrigen nicht ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, sondern ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt nach § 47 SGB X. Dies folgt daraus, dass die Genehmigungsfiktion für sich rechtmäßig eingetreten ist. Die fingierte Genehmigung schützt den Adressaten dadurch, dass sie ihre Wirksamkeit ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen über Erledigung, Widerruf und Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verliert. Ihre Rechtmäßigkeit beurteilt sich nach der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 13 Abs. 3a SGB V, nicht nach den Voraussetzungen des geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs (BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R -, Rn. 32, juris). Die Voraussetzungen des § 47 SGB X liegen jedoch nicht vor.
Der Weg über § 47 SGB X anstelle über § 45 SGB X trägt der gesetzgeberischen Intention Rechnung, dass die gesetzliche Krankenversicherung innerhalb enger Fristen über die Anträge zu entscheiden und ansonsten die beantragte Leistung als bewilligt zu gelten hat. Da es sich bei dieser Vorschrift nicht um einen reinen Kostenerstattungsanspruch handelt, sondern auch ein Sachleistungsanspruch hierdurch geschaffen werden kann, wären diejenigen Versicherten benachteiligt, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, sich die streitgegenständliche Leistung bei Eintritt der Genehmigungsfiktion selbst zu verschaffen, um dann auf Kostenerstattung klagen. Eine Anwendung von § 45 SGB X würde dazu führen, dass nur diejenigen Versicherten vor einer Rücknahme des fingierten Verwaltungsaktes geschützt wären, die die Leistung nach Eintritt der Fiktion bereits selbst beschafft haben. Der vorliegende Fall zeigt auch, dass dem Willen des Gesetzgebers nur dann Rechnung getragen werden kann, wenn es der Krankenversicherung verwehrt bleibt, über den Umweg des § 45 SGB X dann doch noch eine materielle Prüfung des Sachleistungsanspruches in den Rechtsstreit einzuführen. Dies war vom Gesetzgeber erkennbar gerade nicht gewollt. Zudem habe die Beklagte spätestens seit Abfassung der Klageerwiderung vom 13.08.2013 volle Tatsachenkenntnis i. S. § 47 Abs. 2 S. 5, § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X, so dass der Bescheid vom 03.12.2015 bereits mangels Einhaltung der Jahresfrist rechtswidrig ist und keine Wirkung entfalten kann. Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 SGB X nicht erfüllt sind, kann auch auf diesem Weg die Genehmigungsfiktion nicht beseitigt werden kann.
Im Ergebnis ist daher die Berufung zurückzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
8. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.


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