Medizinrecht

Kein Erstattungsanspruch der privaten gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung

Aktenzeichen  S 39 KR 1907/15

Datum:
26.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 51 Abs. 1 Nr. 2, § 57 Abs. 1
BGB BGB § 426, § 812
VVG VVG § 78
SGB V SGB V § 13 Abs. 3, § 69 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

1 Für einen Erstattungsstreit zwischen einer privaten Auslandskrankenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. (redaktioneller Leitsatz)
2 Rechtsbeziehungen zwischen der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung können nur bei gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage bestehen.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Begründetheit eines Auskunftsanspruchs ist es notwendig, dass ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte überhaupt möglich erscheint.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 35.759,65 Euro festgesetzt.

Gründe

II.
Die Klage ist zulässig.
Das Sozialgericht München ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 57 Abs. 1 SGG sachlich und örtlich zuständig. Es handelt sich nach Auffassung der Kammer vorliegend um eine Angelegenheit der GKV. Nach der Rechtsprechung des BSG muss nicht abschließend entschieden werden, ob eine Streitigkeit zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur vorliegt. Ausreichend ist, dass das Klagebegehren jedenfalls „eine Angelegenheit der GKV betrifft“ (vgl. BSG, Beschluss vom 21.7.2016, B3 SF 1/16 R, Rn. 7). Die Zulässigkeit des Rechtswegs richtet sich nach dem Streitgegenstand (BSG, a.a.O., Rn. 8). Es ist darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge wesentlich von Bestimmungen des Zivilrechts oder des Rechts der GKV geprägt wird (BSG, a.a.O., Rn. 8). Das Streitverhältnis ist dann in diejenige Gerichtsbarkeit zu verweisen, die ihm nach der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht, und durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den streitigen Anspruch besonders geeignet ist (BSG, a.a.O., Rn. 8). Die Klage richtet sich gegen eine GKV und die Beklagte wird von der Klägerin in ihrer Funktion als GKV in Anspruch genommen. Die Klage wird primär auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt, welchen die Klägerin aus einer Entscheidung des BSG, Urteil vom 03. April 2014 – B 2 U 21/12 R –, BSGE 115, 247-256, SozR 4-7610 § 812 Nr. 7, herleitet. In diesem Urteil hat sich das BSG auch in Rn. 10 (juris) dahingehend geäußert, dass für derartige Ansprüche der Sozialrechtsweg eröffnet ist. Soweit zivilrechtliche Ansprüche zur Klagebegründung angeführt werden, sind diese nur unterstützend erhoben. Dies ändert jedoch nichts an der Zuständigkeit der Sozialgerichte. Denn das sachlich zuständige Gericht muss über den Gesamtanspruch entscheiden sofern nur der Rechtsweg für einen von ihnen gegeben ist (BSG, Beschluss vom 30.9.2014, B8 SF 1/14 R, Juris).
Die Klage ist als Stufen-Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Die Klägerin ist klagebefugt. Dies ergibt sich unabhängig von anderen zwischen der P-Stadt Insurance plc und der Klägerin bestehenden Vereinbarungen jedenfalls aus der Abtretungserklärung der „P-Stadt Insurance“ vom 30. Januar 2017. Die Versicherten haben jeweils unstreitig im Rahmen ihres Gold-Kreditkartenvertrags eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen. Es wird im Rahmen der Vertragsbedingungen des Kreditkartenvertrags auf die oben zitierten Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwiesen. In diesen ist als Versicherer die P-Stadt Insurance plc und als Risikoträger die Klägerin genannt. Bezüglich der Auslandskrankenversicherung treten nach außen, d. h. gegenüber den versicherten Personen, daher nur die beiden genannten Versicherungen auf. Diese haben eine Leistungsverpflichtung gegenüber den Versicherten. Aus diesem Grund ist die Klägerin auch klagebefugt. Ausreichend für die Klagebefugnis ist, dass die Klägerin im eigenen Namen klagt und das Bestehen eines Rechtsanspruchs behauptet. Die Klagebefugnis scheidet nur dann aus, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt der Klägerin zustehen kann. Hiervon kann bereits auf Grund der Nennung der Klägerin als Risikoträgerin in den zur gegenüber den Versicherten zur Leistungsverpflichtung führenden AVB nicht ausgegangen werden. Ob die Klägerin tatsächlich, sollte der behauptete Anspruch dem Grunde nach bestehen, auf Grund des Vertragskonstrukts geleistet hat und daher den Anspruch innehat, ist Frage der Begründetheit der Klage.
Die Klägerin hat eine Stufenklage erhoben. Diese ist zulässig, unabhängig davon, ob der geltend gemachte Auskunftsanspruch zu einem Zahlungsanspruch führt (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 56, Rn.5, BSG, Urteil vom 23. März 2011 – B 6 KA 11/10 R –, BSGE 108, 35-56, SozR 4-2500 § 115b Nr. 3).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Auskunfts- und Erstattungsanspruch hängen in der Weise zusammen, dass die Klägerin zunächst Auskunft von der Beklagten darüber fordert, in welcher Höhe sie den jeweiligen Versicherten die Kosten für die durchgeführten Auslandsbehandlungen erstatten müsste. Nach Erhalt dieser Auskunft will sie den ihr nach ihrer Auffassung zustehenden Erstattungsanspruch geltend machen. Daher ist für die Begründetheit des Auskunftsanspruchs notwendig, dass ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte überhaupt möglich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2011 – B 6 KA 11/10 R –, BSGE 108, 35-56, SozR 4-2500 § 115b Nr. 3).
Ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte besteht jedoch nach Auffassung der Kammer bereits dem Grunde nach nicht. Daher kann auch kein diesbezüglicher Auskunftsanspruch bestehen.
Ein solcher Erstattungsanspruch ergibt sich nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, auf den sich die Klägerin primär stützt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist nach heute herrschender Meinung ein eigenständiges Institut des allgemeinen Verwaltungsrechts. Voraussetzung dieses Anspruchs ist eine Vermögensverschiebung in einem öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnis ohne Rechtsgrund und ohne Vertrauensschutz des Empfängers (vgl. Sozialgericht München, Gerichtsbescheid vom 05.05.2017, S 29 KR 1910/15; Hesse in Beck‘scher Online Kommentar § 50 SGB X, Rn. 9, Kopp/Ramsauer VwVfG § 49a Rn. 28; BVerwG 12.3.1985 NJW 1985 2436).
Es liegt kein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten vor. Es treffen zwei unterschiedliche Versicherungssysteme, nämlich das der privaten und das der gesetzlichen Krankenversicherung, aufeinander. Rechtsbeziehungen zwischen Beteiligten dieser beiden Systeme können nur bei gesetzlicher oder vertraglicher Grundlage bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 17.6.2008, B1 KR 24/07R, Juris, Rn. 30; Sozialgericht München, Gerichtsbescheid vom 05.05.2017, S 29 KR 1910/15). Gesetzliche Regelungen bzw. Vereinbarungen der Beteiligten auf die der klägerische Anspruch gestützt werden könnte, bestehen nicht (vgl. hierzu ausdrücklich auch Rundschreiben des Bundesverwaltungsamtes an die bundesunmittelbaren Krankenkassen vom 4. Februar 2014, Aktenzeichen IV 4-90.44-0730/2009). Die Klägerin wickelt die Kostenerstattung mit den jeweiligen Versicherten allein auf zivilvertraglicher Grundlage (AVB) mit diesen ab. Sie bewegt sich hier nicht im System der gesetzlichen Krankenversicherung oder des SGB V. Sie agiert insoweit auch nicht öffentlich-rechtlich, sondern allein privatrechtlich als privater Krankenversicherer. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch scheidet deshalb bereits mangels Vorliegens eines öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses aus.
Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß der §§ 812 ff BGB besteht gegen die Beklagte nicht. §§ 812 ff BGB sind unmittelbar nur auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse anwendbar. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist als lex specialis aus dem Rechtsgedanken der §§ 812 ff BGB heraus als eigenständige öffentlich-rechtliche Sonderform entwickelt worden (Palandt, 76. Auflage, 2017, Einführung vor § 812 BGB, Rn. 9). Ein Nebeneinander der beiden Anspruchsgrundlagen ist deshalb nicht möglich (vgl. BSG, Urteil vom 08. November 2011 – B 1 KR 8/11 R –, BSGE 109, 236-254, SozR 4-5560 § 17b Nr. 2). Zur Abgrenzung der beiden Ansprüche ist auf die Natur der Rechtsbeziehungen, die von § § 812 ff BGB betroffen sein sollen, abzustellen (Palandt, a.a.O.). Die Klägerin nimmt die Beklagte als GKV in ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts und auf Basis des Anspruchs den der Versicherte gegen die Beklagte aus öffentlichem Recht, nämlich dem SGB V, haben kann, in Anspruch. Die Klage erfolgt nicht auf Grund eines privatrechtlichen Tätigwerdens der Beklagten. Damit liegt kein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten vor. Ein Anspruch aus §§ 812ff BGB scheidet aus diesem Grund aus.
Davon unabhängig gilt im allgemeinen Bereicherungsrecht der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsbeziehung (Leistungskondiktion) (vgl. Palandt, a.a.O., § 812, Rn. 7, Rn. 13, Rn. 54 ff). Soweit ein Leistungsvorgang in einem Mehrpersonenverhältnis vorliegt, ist bei rechtsgrundloser Leistung auch die Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehungen vorrangig (Palandt, a.a.O., Rn. 54). Vorliegend besteht eine (vertragliche) Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und ihren jeweiligen Versicherten sowie ein (gesetzliches) Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und den Versicherten. Eine Rechtsbeziehung – gesetzlich oder vertraglich – zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht jedoch nicht (s. o.). Damit besteht der Vorrang der Leistungskondiktion. Soweit die Klägerin von einer rechtsgrundlosen Leistung ausgeht, muss sie sich an den jeweiligen Versicherten wenden.
Das BSG hat in der von der Klägerin zitierten Entscheidung vom 03.04.2014, B 2 U 21/12 R, ausnahmsweise den direkten Ausgleich zwischen einem privaten Krankenversicherer und der gesetzlichen Unfallversicherung zugelassen. Diese Entscheidung ist auf den hier vorliegenden Fall nach Auffassung der Kammer jedoch nicht übertragbar. Maßgeblicher Unterschied der hier vorliegenden Konstellation zum vom BSG entschiedenen Fall ist, dass im dortigen Fall die ausnahmsweise erstattungspflichtige Beklagte ihre gesetzlich bestehende Leistungspflicht zunächst rechtswidrig abgelehnt hatte und die dortige Klägerin auf Grund des privatrechtlichen Versicherungsvertrags „im Umfang des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes nicht verpflichtet war“ (BSG, Urteil vom 03. April 2014 – B 2 U 21/12 R –, BSGE 115, 247-256, SozR 4-7610 § 812 Nr. 7) zu leisten, dies jedoch dennoch getan hat.
Im hier vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin aber rechtmäßig auf Grund ihrer vertraglichen Verpflichtung wirksam eine Leistung erbracht. Es besteht, anders als im Bereich der Kranken- und Unfallversicherung, keine grundsätzliche Subsidiarität der Leistung der Klägerin gegenüber der Leistung der Beklagten (vgl. AG Bielefeld, Urteil vom 04. April 2017 – 404 C-145/16 –, juris; Sozialgericht München, Gerichtsbescheid vom 05.05.2017, S 29 KR 1910/15). Dies ergibt sich bereits aus den AVB, welche der Leistung der Klägerin an den jeweiligen Versicherungsnehmer zu Grunde liegen. Der Leistungsanspruch ist nach den dort getroffenen Regelungen nicht von einer (Nicht-)leistung der Beklagten abhängig, sondern die Klägerin leistet unbedingt und lässt sich mögliche Erstattungsansprüche aus einem anderen Rechtsverhältnis (hier: zur GKV) von ihren Versicherten abtreten. Die Klägerin hat daher nicht wie im zitierten BSG-Urteil irrtümlich Versicherungsleistungen an ihren Versicherungsnehmer erbracht, sondern auf Grund ihrer primären – unabhängig von der Leistung der Beklagten bestehenden – Leistungspflicht vertragsgerecht und damit rechtmäßig geleistet. Damit hat die Klägerin auch hauptsächlich einen eigenen Leistungszweck verfolgt (Erfüllung der vertraglichen Pflichten gegenüber den jeweiligen Versicherungsnehmern). Ein weiterer Unterschied zum von der Klägerin zu Klagebegründung herangezogenen BSG-Urteil ergibt sich daraus, dass im Fall der hier vorliegenden Auslandskrankenversicherung die Zahlung der Klägerin als PKV an ihre eigenen Versicherten keine Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten als GKV und ihren gesetzlich Versicherten hat. Die Leistung der Klägerin führt nicht dazu, dass die (möglicherweise bestehende) gesetzliche Leistungsverpflichtung der Beklagten erfüllt ist. Es gibt – anders als im Verhältnis der Krankenzur Unfallversicherung – keine Regelung, dass der Versicherte im Falle der Doppelversicherung (und eine solche liegt hier bezüglich des Auslandskrankenversicherungsschutzes zumindest teilweise vor), die Leistung nur einmal beanspruchen kann. Die Beklagte kann trotz Zahlung der Klägerin weiterhin Erstattungsansprüchen der jeweiligen Versicherten ausgesetzt sein und davon geht die Klägerin in ihren AVB auch aus, wenn sie sich diese Ansprüche abtreten lässt. Insoweit wird auch auf die Ausführungen des SG München im Gerichtsbescheid 05.05.2017, S 29 KR 1910/15, verwiesen: „Letztendlich ist es nicht von Belang, aus welchen Finanzquellen die Versicherten Geldmittel als Ersatz für die Sachleistung der GKV bezogen haben (eigenes Vermögen, Kredit, private Versicherungsleistung). Ein Erlöschen des Leistungsanspruchs gegenüber der GKV ist im Falle der Zahlung durch die PKV jedenfalls nicht schon dadurch begründbar (sondern bedarf weiterer Prüfungen etwa im Rahmen von § 13 Abs. 3 SGB V bzw europäischen Rechtsvorschriften – siehe oben). Die beiden Rechtsbereiche sind diesbezüglich strikt getrennt.“ Eine solche alternative Leistungspflicht von GKV und PKV kann nur dann bestehen, wenn die PKV ausdrücklich nur insoweit leisten möchte, als eine Leistungspflicht der GKV ausscheidet. Hier ist dann auch eine entsprechende Vereinbarung mit dem Versicherten erforderlich, dass er den Anspruch gegen die GKV durchsetzen muss (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 1 KR 24/07 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr. 17). Eine solche Vereinbarung mit den Versicherten liegt jedoch gerade nicht vor.
Damit scheidet auch unter Heranziehung der Entscheidung des BSG vom 3.4.2014, B 2 U 21/12 R, ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch oder ein aus §§ 812ff BGB folgender Erstattungsanspruch aus.
Auch ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Grundlage eines Gesamtschuldnerausgleiches gemäß § 426 BGB oder § 78 VVG kommt vorliegend nicht in Betracht.
Die Ausgleichsregelung des § 78 VVG ist nicht anwendbar, da das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) nur für die Beziehungen privater Versicherer untereinander gilt (vgl. Amtsgericht Bielefeld, Urteil vom 4. April 2017,404 C145/16). Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Insbesondere kann eine solche nicht auf § 69 Abs. 1 S. 4 SGB V gestützt werden. Der Verweis bezieht sich nur auf die analoge Anwendung der „Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches“, nicht jedoch des § 78 VVG (vgl. Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes an die bundesunmittelbaren Krankenkassen vom 4. Februar 2014; Amtsgericht Bielefeld, Urteil vom 4. April 2017,404 C145/16).
Auch die Anwendung des § 426 BGB wird durch § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V unter den Vorbehalt der dortigen Voraussetzungen gestellt. Die analoge Anwendung von BGB-Vorschriften – auch soweit Rechte Dritter betroffen sind (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB V) – ist auf die in § 69 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB V enumerativ aufgeführten Rechtsbeziehungen (nämlich Krankenkassen und ihre Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden und zu den Krankenhäusern und deren Verbänden) beschränkt. Die Klägerin als PKV lässt sich hierunter nicht subsumieren (vgl. SG München im Gerichtsbescheid 05.05.2017, S 29 KR 1910/15).
Im Übrigen liegt eine Gesamtschuldnerschaft, wie sie auch die Anwendung des § 426 BGB bereits nach dem Wortlaut voraussetzt, zwischen PKV und GKV auf Grund der strikten Trennung beider Versicherungssysteme nicht vor. Vertragliche Regelungen zwischen der Klägerin und der Beklagten, die eine solche begründen könnten, bestehen nicht. Auch eine gesetzliche Anordnung der Gesamtschuldnerschaft fehlt. Vielmehr besteht Gesamtschuldnerschaft nach der dem Gesamtschuldnerausgleich zu Grunde liegenden Vorschrift des § 421 S. 1 BGB nur dann, wenn mehrere eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Genau dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Der jeweilige Versicherte ist trotz der Leistung der Klägerin noch berechtigt, die Leistung auch von der Beklagten zu fordern (vgl. die obigen Ausführungen). Damit liegt kein Fall des § 421 BGB vor und die Anwendung des § 426 BGB scheidet aus.
Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus der (analogen) Anwendung der Regelungen der §§ 677ff BGB, der Geschäftsführung ohne Auftrag, aus. Die §§ 677 ff sind auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung dem Grunde nach anwendbar und gelten dann entsprechend, wenn es sich bei dem ohne Auftrag geführten Geschäft um ein öffentliches Geschäft handelt. Die Anwendung ist aber ausgeschlossen soweit es bei diesem öffentlichen Geschäft um die Erfüllung von Aufgaben einer Behörde geht, die in der ausschließlichen Zuständigkeit oder im Ermessen dieser Behörde liegen (Palandt, 76. Auflage 2017, Einführung vor § 677 BGB, Rn. 13). So ist der Fall hier gelagert. Die Entscheidung über die Frage, ob und in welcher Höhe bei Auslandskrankenfällen seitens der Beklagten (Sach-)leistungen zu erbringen sind, liegt in der alleinigen Zuständigkeit der Beklagten. Es ist nicht ersichtlich, dass diesbezüglich eine parallele Entscheidungskompetenz der klagenden PKV besteht (vgl. SG A-Stadt im Gerichtsbescheid 05.05.2017, S 29 KR 1910/15).
Ein Anspruch hätte sich im Übrigen deshalb nur noch aus dem abgetretenen Anspruch des Patienten gegen seine gesetzliche Krankenversicherung ergeben können. Die in § 10 AVG vorgenommene Abtretung des Anspruchs führt jedoch nicht zu einer Übertragung der Prozessführungsbefugnis, so dass außer dem Versicherten niemand aktivlegitimiert ist (vgl. BSG, Urteil vom 03. April 2014 – B 2 U 21/12 R –, BSGE 115, 247-256, SozR 4-7610 § 812 Nr. 7, Rn. 13). Eine gesetzliche Prozessstandschaft der Klägerin für den jeweiligen Versicherten ist nicht geregelt. § 10 AVB sieht eine gewillkürte Prozessstandschaft nicht vor. Zudem müsste die Klage dann ausdrücklich so erhoben worden sein (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auflage 2017, § 54, Rn.11a). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Damit war die Stufenklage insgesamt abzuweisen, da ein Leistungsanspruch dem Grunde nach ausscheidet und deshalb auch der Auskunftsanspruch keine Grundlage hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 197a Abs. 1 SGG, § 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer sieht hier keinen Anlass, den Streitwert, wie von der Klägerin beantragt, festzusetzen. Der Streitwert ist gemäß § 51 Gerichtskostengesetz (GKG) nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für diese ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 44 GKG ist bei der Stufenklage für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere, maßgebend. Die Kammer sieht im Rahmen ihrer Ermessensausübung die sich aus dem Antrag ergebende Bedeutung der Sache für die Klägerin in dem jeweiligen an den Versicherten geleisteten Betrag. Das Ziel der Klägerin ist es, den Betrag von der Beklagten zu erhalten, den diese im Rahmen des SGB V an den Versicherten jeweils hätte leisten müssen. Soweit dies der gesamte an ihre Versicherungsnehmer jeweils gezahlte Betrag ist, möchte sie also auch diesen von der Beklagten erhalten. Dass auf Grund der Unterschiede der Versicherungssysteme im Einzelfall gegebenenfalls nur ein niedriger Betrag zustehen könnte, mindert nicht den ursprünglich mit der Klage verfolgten Wert der Sache für die Klägerin (vgl. auch SG München, Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2017 – S 55 KR 2264/16 –, juris).


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