Medizinrecht

Keine Anzeichen für Vorliegen eines Alkoholmissbrauchs

Aktenzeichen  B 1 S 18.951

Datum:
27.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47458
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 2a

 

Leitsatz

1 Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Fall der Nichtbeibringung eines Gutachtens gem. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch im Übrigen den Anforderungen des § 11 FeV entspricht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Unter Alkoholmissbrauch iSd § 13 S. 1 Nr. 2a FeV versteht man nicht den übermäßigen Gebrauch von Alkohol. Ein Alkoholmissbrauch liegt nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (nur dann) vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können (vgl. BVerwG BeckRS 2008, 36526). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine hohe Alkoholgewöhnung sagt für sich genommen noch nichts Hinreichendes über die Gefahr zukünftiger Trunkenheitsfahrten aus. Vielmehr müssen weitere tatsächliche Umstände hinzukommen, die in der Gesamtschau mit der vermuteten Alkoholproblematik bei realistischer Betrachtung die Annahme rechtfertigen, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids des Landratsamts K* … vom 30. August 2018 wird wiederhergestellt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die am … geborene Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen (B, BE, C1, C1E, M, L und T/S).
Die Polizeiinspektion K … teilte dem Landratsamt K … am 6. August 2017 folgenden Sachverhalt mit: Die Antragstellerin habe am … 2018 gemeldet, dass an der Araltankstelle in J … ein tschechischer Pkw stehen würde, dessen Fahrer unter Einfluss berauschender Mittel stehe. Nach dem Eintreffen der Polizei habe der tschechische Fahrer nicht angetroffen werden können. Es habe sich aber herausgestellt, dass die Antragstellerin selbst stark alkoholisiert gewesen sei. Sie habe sich auf dem Fahrersitz ihres geparkten Autos befunden. Ein freiwilliger Atemalkoholtest habe das Ergebnis von 1,35 mg/l ergeben. Die Antragstellerin habe geäußert, sich umbringen zu wollen und habe mit dem Schlüssel angedeutet, sich die Pulsadern aufschneiden zu wollen. Sie habe geäußert, dass sie mit diesem Ergebnis ihrer Mutter und ihrer Schwester einen Denkzettel verpassen wolle. Die Antragstellerin sei um 4.40 Uhr in das Bezirksklinikum O … verbracht worden.
Laut Bericht des Bezirksklinikums O … vom … 2017 habe die Antragstellerin angegeben, eine Flasche Wein und an der Tankstelle einen Cocktail getrunken zu haben. Sie sei zur Tankstelle gefahren und habe dort etwas getrunken. Ein Kunde hätte gewollt, dass sie einsteige. Sie sei dann von der Polizei mitgenommen worden. Die Alkoholisierung betrage „2,53 ‰ im AAK“. Die Unterbringung sei aufgrund Suizidäußerung unter Alkoholeinfluss erfolgt und richterlich angeordnet worden. Die Entlassung sei nach Ausschluss der Suizidalität und nach Ausnüchterung ohne Entzugserscheinungen erfolgt. Diagnosen: Alkoholintoxikation akut – F10.0, Alkoholmissbrauch – F10.1, Emotional instabile Persönlichkeit, impulsiv – F60.30.
Bei einer persönlichen Anhörung der Antragstellerin durch das Landratsamt gab diese an, sich an der Tankstelle eine Flasche Wein und eine Schnapsflasche gekauft zu haben und diese dort in unmittelbarer Nähe getrunken zu haben. Sie sei von dem Tschechen angesprochen worden, der sie habe nach Hause bringen wollen. Sie habe sich durch diesen bedroht gefühlt und habe die Polizei verständigt. Grund für ihre Verhaltensweise sei, dass sie an einem Burnout gelitten habe. Sie habe bei der Rentenversicherung eine Kur für sich und ihre drei minderjährigen Kinder beantragt. Sie sei nie mit Alkohol Auto gefahren und habe sonst nie etwas getrunken.
Mit Schreiben vom 26. September 2017 wurde die Antragstellerin zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens eines weitergebildeten Arztes der Fachrichtung Neurologie/Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation aufgefordert. Die Fragestellung lautete:
„1. Liegt bei der o.g. Person eine Alkoholabhängigkeit vor? Für diesen Fall sind im Gutachten Aussagen zu treffen, welche 3 Kriterien nach ICD 10 im vorliegenden Einzelfall erfüllt sind, ob eine erfolgreiche Entwöhnung stattgefunden hat und falls ja, ob Abstinenz für 12 Monate nachgewiesen ist.
2. Liegt bei der o.g. Person eine Erkrankung vor, die nach Anlage 4 FeV Ziff. 7.5 (Psychose, Depression) die Fahreignung in Frage stellt?“
Es könne zur Ergänzung ein medizinisch-psychologisches Gutachten empfohlen werden.
Die Antragstellerin legte (nachdem ihr vom Landratsamt eine Fristverlängerung gewährt worden war) das ärztliche Gutachten des … vom 22. Januar 2018 vor. In der Begutachtung gab die Antragstellerin an, … in verschiedenen psychosomatischen Kliniken wegen einer Borderlinestörung gewesen zu sein. Sie habe seit dem Vorfall im … 2017 nichts mehr getrunken. Sie habe nie regelmäßig Alkohol getrunken, nur zu Feierlichkeiten ein Glas Sekt. Sie habe sich einmal im …2017 zugeballert. Sie habe eine neue Arbeit als Reinigungskraft (15 Stunden die Woche) angefangen und habe nicht gewusst, wie sie die Kinderbetreuung in den Sommerferien organisieren solle. Zu der Tankstelle sei sie mit einem Freund gefahren. Dieser habe ihr Auto gefahren. Sie habe sich an der Tankstelle einen Piccolo Sekt und eine Dose Whisky Cola gekauft, der Freund sei dann ohne Auto abgehauen. Da die Polizisten gesagt hätten, sie solle allein nach Hause laufen, habe sie geantwortet, dass sie sich dann ja gleich umbringen könne. Sie habe nicht an einen Suizid gedacht, sondern an die Gefahren auf dem Weg. Die Gutachter stellten die Diagnosen: schädlicher Alkoholgebrauch (ICD-10 F10.1) und Alkoholintoxikation am … 2017 (F10.0). Die Tatsache, dass die Antragstellerin bei Aufnahme in das Krankenhaus eher die Symptome eines leichten bis mittelschweren Alkoholrausches gezeigt habe, deute auf eine Alkoholgewöhnung hin. Ein Alkoholabhängigkeitssyndrom sei aber nicht gegeben. Es lägen normwertige Leberwerte vor (Laborwerte aus 02/2014, 06/2014 und 12/2017). Die gestellten Fragen werden wie folgt beantwortet:
„1: Bei Frau B liegt nach ICD-10-Kriterien keine Alkoholabhängigkeit vor. Es besteht jedoch ein Alkoholmissbrauch gemäß ICD-10 F10.0. Von einer Alkoholgewöhnung ist auszugehen. Abstinenz ist für zwölf Monate noch nicht nachgewiesen. Glaubhaft besteht eine Abstinenz seit dem Ergebnis vom 2. August 2017.
2. Bei Frau B liegen keine Erkrankungen gemäß Anlage 4 FeV Ziff. 7.5 (depressive Psychose) vor, die nach Anlage 4 FeV Ziff. 7.5 die Fahreignung in Frage stellen. Sie hat zwar in ihrer Persönlichkeit emotional-instabile Elemente und wirkt auch im Rahmen der Begutachtung affektiv labil. Hinweise für eine Persönlichkeitsstörung oder eine Depression ergeben sich jedoch nicht.
Zur Kraftfahreignung:
Gemäß der Fahrerlaubnisverordnung besteht unter Punkt 8.1 und 8.2 bei einem Missbrauch wieder Kraftfahreignung, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Bei Alkoholmissbrauch sind gemäß der Begutachtungsleitlinie zur Kraftfahreignung die Voraussetzungen, die an das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr gestellt werden, nicht erfüllt. Hier ist bei Frau B der Beobachtungszeitraum derzeit zu kurz. Die vollzogene Änderung im Umgang mit Alkohol ist noch nicht stabil und motivational gefestigt. Frau B legt zum Nachweis ihrer Abstinenz Laborwerte vor einschließlich eines normwertigen CDT aus 12/2017. Absolute Alkoholkarenz ist bis zum August 2018 zu fordern. Bis dahin sollten regelmäßige suchtmedizinische Beratungen und regelmäßige Laborkontrollen vorgewiesen werden.“
Aus einem Aktenvermerk des Landratsamts vom 31. Januar 2018 ist zu entnehmen, dass der Antragstellerin geraten worden sei abzuklären, ob sie eine MPU bestehen würde. Es werde ihr hierfür Zeit bis zum 9. Februar 2018 gegeben. Sollte die Aussicht auf eine negative MPU im Raum stehen, wäre es sinnvoll, sich das Geld für die MPU und die Anordnung zu sparen und den Führerschein freiwillig abzugeben und erst nach den erforderlichen Voraussetzungen für eine MPU einen neuen Führerschein zusammen mit der MPU zu beantragen. Ohne Rückmeldung müsse man die MPU anordnen und wenn diese nicht durchgeführt werde, müsse ein Entziehungsbescheid ergehen.
Mit Schreiben vom 11. April 2018 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten äußern, dass in dem Gutachten ein Abstinenznachweis von 12 Monaten gefordert werde. Dabei sei im Gutachten von einem glaubhaften Abstinenznachweis seit dem … 2017 ausgegangen worden. Die Antragstellerin befinde sich in einer medizinischen Rehabilitation (für die Dauer von 15 Wochen). Für diesen Zeitraum sei eine Abstinenz glaubhaft gemacht. Der Abstinenznachweis bis zum … 2018 könne somit erbracht werden.
Mit Schreiben vom 25. April 2018 ordnete das Landratsamt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer Begutachtungsstelle für Fahreignung bis zum 31. Juli 2018 mit folgender Fragestellung an:
„Liegen körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit einem unkontrollierten Konsum von Alkohol in Zusammenhang gebracht werden können? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann?.“
Auf Grund des vorgelegten Gutachtens könne möglicherweise ein Alkoholmissbrauch vorliegen, der nach den Eignungsrichtlinien der Anlage 4 der FeV (Ziffer 8.1) die Fahrtauglichkeit in Frage stellt. Der Behörde stehe nach § 13 Nr. 2 Buchst. a und e FeV kein Ermessen zu. Auf § 11 Abs. 8 FeV wurde hingewiesen.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2018 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten ausführen, dass die Ansicht, dass Zweifel an der Fahreignung bestünden, nicht geteilt werde und dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht beigebracht werde.
Mit Bescheid vom 30. August 2018 entzog das Landratsamt K* … der Antragstellerin die Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1). Es ordnete an, dass der Führerschein unverzüglich beim Landratsamt abzugeben ist (Nr. 2). Für den Fall, dass die Antragstellerin dieser Verpflichtung nicht spätestens 5 Tage nach Zustellung des Bescheids nachkommen sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250 EUR angedroht (Nr. 4). Weiter wurde die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 angeordnet (Nr. 3). Die Mitteilungen der ermittelnden Polizeibeamten hätten auf eine Alkoholabhängigkeit oder einen Alkoholmissbrauch nach Nr. 8.1 und 8.3 sowie auf eine Erkrankung mit einem neurologisch/psychiatrischen Hintergrund nach Nr. 7.5 der Eignungsrichtlinien hingewiesen. Das vorgelegte Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass bei der Antragstellerin ein Alkoholmissbrauch gemäß ICD-10 F10.0 vorliege. Von Alkoholgewöhnung sei auszugehen. Alkoholmissbrauch führe nach den Eignungsrichtlinien der Anlage 4 Nr. 8.1 zur FeV zum Ausschluss der Eignung, ohne dass es darauf ankomme, ob die Person strafrechtlich oder verkehrsrechtlich negativ aufgefallen sei. Wer Alkohol missbrauche, habe wo möglich nicht die Fähigkeit, den Konsum von Alkohol und das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr zu trennen. Aufgrund der Weigerung, das Gutachten beizubringen, und der Tatsache, dass bei der Antragstellerin möglicherweise Alkoholmissbrauch vorgelegen habe (der nach Nr. 8.1 der Anlage 3 zur FeV möglicherweise die Fahreignung in Frage stelle), sei die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2a FeV angeordnet worden. Auf die Nichteignung der Antragstellerin könne nach § 11 Abs. 8 FeV geschlossen werden, da sie das geforderte Gutachten nicht beigebracht habe. Es folgen Ausführungen zur sofortigen Vollziehung.
Die Antragstellerin gab am 6. September 2018 ihren Führerschein bei der PI … ab, welche ihn an das Landratsamt … weiterleitete.
Mit Schreiben vom 10. September 2018, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben (B 1 K 18.952) und zugleich beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2018, dortig zu Ziffern 1 und 2 wird wiederhergestellt, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufgehoben.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Antragstellerin 20 Jahre im Besitz der streitgegenständlichen Fahrerlaubnis und zu keinem Zeitpunkt in Erscheinung getreten sei. Sie sei alleinerziehende Mutter dreier Kinder (geb. …, … und …*). Die Antragstellerin sei seit dem Vorfall abstinent. Dies werde durch die Ergebnisse der Abstinenzkontrollen über den Facharzt G. bewiesen (Anlage K6). Die Antragstellerin habe sich bis zum …freiwillig entschlossen, eine Therapie zu absolvieren. Sie sei mit guten Ergebnissen hinsichtlich Alkoholabhängigkeit und Missbrauch entlassen worden. Hierzu wurde der Entlassbericht vorgelegt. Diesem ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin an einem schädlichen Gebrauch von Alkohol gelitten habe. Deshalb habe sie sich von anderen Gruppenteilnehmern missverstanden gefühlt. Es sei gemeinsam entschieden worden, die Behandlung mit ärztlichem Einverständnis zu beenden. Bei der abschließenden Entlassungsuntersuchung habe sich keinerlei Hinweis auf ein path.-somatisches Geschehen ergeben. Diagnosen: psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol (schädlicher Gebrauch; F10.1), ebenso durch Tabak (schädlicher Gebrauch F17.1) und emotional instabile Persönlichkeitsstörung: impulsiver Typ (F60.30). Die Antragstellerin habe das Gutachten so gedeutet, dass wenn sie sich suchtmedizinischen Beratungen und regelmäßigen Laborkontrollen unterziehe, Kraftfahreignung bestehe, da durch entsprechende Nachweise die Änderung des Trinkverhaltens als gefestigt zu gelten habe. Das Landratsamt habe nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin aus der Bezirksklinik mit keinerlei Entzugserscheinungen entlassen worden sei. Auch der Aktenvermerk des Landratsamts vom 22. September 2017 sei nicht berücksichtigt worden. Die Antragstellerin sei zur Versorgung ihrer Kinder als alleinerziehende Mutter auf den Führerschein angewiesen. Die … und … geborenen Kinder wiesen psychosoziale Störungen auf und seien in Behandlung der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Bei dem Vorfall am …2017 habe es sich um einen einmaligen Lapsus gehandelt, der auf eine krasse Überforderungssituation der Antragstellerin zurückzuführen sei. Der Entzug der Fahrerlaubnis sei unverhältnismäßig. Die Begründung des Sofortvollzugs entspreche nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Es sei ihr die Fahrerlaubnis vorläufig zu belassen, da sie sich von Anfang an konstruktiv an den Aufklärungsmaßnahmen beteiligt habe und Karenzzeiten hinsichtlich des Alkoholgenusses eingehalten worden seien. Die Antragstellerin stelle keine Gefährdung für den Straßenverkehr dar.
Mit Schreiben vom 19. September 2018, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 20. September 2018, beantragte das Landratsamt, den Antrag abzulehnen.
Der Sachverhalt sei auf eigenen Wunsch der Antragstellerin per E-Mail erläutert worden. Aufgrund der Ergebnisse im Gutachten und der Tatsache, dass bei der Antragstellerin möglicherweise Alkoholmissbrauch vorgelegen habe, sei das medizinisch-psychologische Gutachten angeordnet worden. Ein Ermessensspielraum sei nicht ersichtlich. Der vorgelegte Entlassbericht spreche eher gegen die Antragstellerin, da es dort heiße, dass die Aussage, seit dem … 2017 abstinent zu sein, den Angaben aus dem Sozialbericht widerspreche, in dem am … 2017 ein stationärer Aufenthalt (1 Tag) wegen Alkoholintoxikation vermerkt sei und dass sich die Antragstellerin selbst im Bereich des missbräuchlichen Konsums einordne. Offensichtlich sei es am … 2017 zu einem so starken Alkoholkonsum gekommen, dass die Antragstellerin stationär aufgenommen worden sei. Der genannte Sozialbericht sei nicht vorgelegt worden.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
II.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig und begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen.
Ausgehend von oben genannten Grundsätzen ist nach summarischer Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, festzustellen, dass der Bescheid vom 30. August 2018 rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, weil der Antragsgegner nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung der Antragstellerin schließen durfte, da die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens vom 25. April 2018 rechtswidrig war.
Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Fall der Nichtbeibringung eines Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch im Übrigen den Anforderungen des § 11 FeV entspricht. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 11 FeV Rn. 55).
An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung sind auch formal strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Antragsteller die Gutachtensaufforderung mangels Verwaltungsaktsqualität nicht direkt anfechten kann. Er trägt das Risiko, dass ihm gegebenenfalls die Fahrerlaubnis bei einer Weigerung deswegen entzogen wird. Der Gutachter ist an die Gutachtensaufforderung und die dort formulierte Fragestellung sowie die dort genannten Rechts- und Beurteilungsgrundlagen gebunden. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde und nicht Aufgabe des Gutachters oder des Antragstellers, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar und fehlerfrei festzulegen (vgl. BVerwG, B.v. 5.2.2015 – 3 B 16/14 – Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 21 mit Anmerkung Liebler, BayVGH, B.v. 25.7.2016 – 11 CS 16.1256 – juris).
An einer rechtmäßigen Gutachtensanordnung fehlt es hier. Die Beibringungsanordnung vom 25. April 2018 erfüllt voraussichtlich jedenfalls die materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen nicht. In dieser Hinsicht müssen der Anordnung tatsächliche Umstände zugrunde gelegt werden, die einen Eignungsmangel als nahe liegend erscheinen lassen. Das ist nicht der Fall.
Der Antragsgegner hat seine Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, auf § 13 Satz 1 Nr. 2a FeV gestützt.
Gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 1 FeV kann ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangt werden, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen von Alkoholmissbrauch vorliegen. In diesen Fällen ergeben sich aus einem ärztlichen Gutachten, das zur Abklärung einer Alkoholabhängigkeit angeordnet wurde, Informationen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Untersuchte z.B. aufgrund eines unreflektierten Umgangs mit Alkohol zukünftig ein Fahrzeug unter Alkohol im Straßenverkehr führen wird und Alkoholmissbrauch begeht (Hahn/Kalus, Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, § 13 FeV Rn. 28-29, beck-online). Das kann der Fall sein, wenn er gegenüber dem ärztlichen Gutachter Angaben zu seinem Trink- und anschließendem Verhalten gemacht hat, die darauf schließen lassen, dass er deutlich mehr trinkt als gesellschaftlich üblich und er sich der Gefahren von Alkohol im Straßenverkehr nicht bewusst ist oder diese verharmlost oder sogar bereits unter dem Einfluss von Alkohol am Straßenverkehr teilgenommen hat. Demgegenüber kann ein nach dem ärztlichen Gutachten deutlich erhöhter Alkoholmarker allein noch keinen hinreichenden Aufschluss über einen möglicherweise bestehenden Alkoholmissbrauch geben, weil sich hieraus nur ergibt, dass der Betroffene – ohne abhängig zu sein – hohe Alkoholmengen konsumiert, es aber dennoch nicht ausgeschlossen ist, dass er nach Alkoholkonsum strikt vom Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr absieht (Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, § 13 FeV Rn. 12-13, beck-online).
Eine Feststellung, dass sich die Antragstellerin der Gefahren von Alkohol im Straßenverkehr nicht bewusst ist, findet sich im Gutachten vom 22. Januar 2018 nicht, da nur ausgeführt wurde, dass bei der Antragstellerin ein Alkoholmissbrauch gemäß ICD-10 F10.0 vorliegt und von einer Alkoholgewöhnung, nicht aber von Abhängigkeit auszugehen ist. Dieser „Alkoholmissbrauch“ im medizinischen Sinne bezieht sich nach ICD-10 F10.0 auf psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: akute Intoxikation. Unter Alkoholmissbrauch im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2a FeV versteht man aber nicht den übermäßigen Gebrauch von Alkohol. Ein Alkoholmissbrauch liegt nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (nur dann) vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können (BVerwG, U.v. 21.05.2008 – 3 C 32.07 – juris; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 2 StVG Rn. 46). Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gutachter einen Alkoholmissbrauch in diesem Sinne bejaht hat. Zum einen ist dies daraus zu schließen, dass sich die Diagnose auf ICD-10 F10.0 (psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: akute Intoxikation) bezog. Zum anderen gab die Antragstellerin im Gutachten zu keinem Zeitpunkt an, dass sie zwischen dem Führen von Fahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen konnte, noch gaben sich für solch eine Verhaltensweise sonstige Anhaltspunkte. Die Antragstellerin wurde zwar in ihrem Auto aufgefunden. Sie gab aber im Gutachten an, dass ihr Freund sie zu der Tankstelle gefahren und sie dann weiter Alkohol getrunken habe. Es gab nach Aktenlage keinerlei Hinweise, dass die Antragstellerin vorgehabt hätte, in betrunkenem Zustand mit dem Auto zu fahren, oder sie sich sonst der Gefahren von Alkohol in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr nicht bewusst wäre. Der Gutachter führte nicht aus, dass noch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zum Trennungsverhalten eingeholt werden müsse. Auch hätte der Gutachter selbst nicht das fehlende Trennungsvermögen feststellen können, da dies nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten geklärt werden kann (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV). Das Gutachten vom 22. Januar 2018 war aber ein fachärztliches Gutachten eines weitergebildeten Arztes der Fachrichtung Neurologie/Psychiatrie.
Die Gutachtensanordnung kann ebenfalls nicht auf § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV gestützt werden. Hiernach kann ein medizinisch-psychologisches Gutachten verlangt werden, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. In der Rechtsprechung der Obergerichte ist umstritten, ob diese Vorschrift auch die Berücksichtigung nicht (unmittelbar) straßenverkehrsbezogener Alkoholauffälligkeiten gestattet. Dies ist angesichts der der Vorschrift zukommenden Auffangfunktion mit der ganz überwiegenden Auffassung der Gerichte zu bejahen. Allerdings reicht allein die Feststellung, dass bei einem Fahrerlaubnisinhaber (oder -bewerber) in der Vergangenheit – wie hier – einmal eine Alkoholkonzentration festgestellt wurde, die auf ein deutlich normabweichendes Trinkverhalten und eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung schließen lässt, nicht aus, um den Verdacht zu begründen, dass der Betroffene zukünftig ein Fahrzeug führen könnte, obwohl er hierzu aufgrund alkoholbedingter Beeinträchtigungen nicht mehr uneingeschränkt in der Lage ist. Denn hohe Alkoholgewöhnung sagt für sich genommen noch nichts Hinreichendes über die Gefahr zukünftiger Trunkenheitsfahrten aus. Vielmehr müssen weitere tatsächliche Umstände hinzukommen, die in der Gesamtschau mit der vermuteten Alkoholproblematik bei realistischer Betrachtung die Annahme rechtfertigen, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können (OVG NRW, B.v 14.11.2013 – 16 B 1146/13 und B.v. 8.04.2013 – 16 A 2704/12 – juris). Zwar kann ein fahreignungsrelevanter Missbrauch im Einzelfall auch dann anzunehmen sein, wenn ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr vorliegt. Ein solcher besonderer Umstand liegt etwa bei Berufskraftfahrern (vgl. VGH BW v. 24.8.2002 – NZV 2002, 580) und Taxifahrern (vgl. VGH Mannheim v. 29.7.2002 – NZV 2002, 582) vor, bei denen ein Dauerkonflikt gegeben ist zwischen der Neigung, oft und in größeren Mengen Alkohol zu konsumieren, und der Verpflichtung, im nüchternen Zustand ein Kraftfahrzeug zu führen. In einem Beschluss des OVG NRW vom 10. März 2015 wurde ein mittelbarer Zusammenhang auch bejaht bei einem Antragsteller, der stark alkoholisiert im stehenden Fahrzeug angetroffen wurde, ohne dass an Ort und Stelle leere Flaschen oder Ähnliches gefunden wurden, und der nach Abschluss der polizeilichen und medizinischen Feststellungen Anstalten machte, das Fahrzeug ungeachtet der fortbestehenden alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit (wieder) in Gang zu setzen (OVG NRW, B.v. 10.3.2015 – 16 E 105/15 – BeckRS 2015, 43063, beck-online). Ein solcher innerer Zusammenhang zwischen übermäßigem Alkoholkonsum und Straßenverkehr fehlt in vorliegendem Fall. Die Antragstellerin ist weder Berufskraftfahrerin, noch lag nach den polizeilichen oder medizinischen Feststellungen der Verdacht nahe, dass sie in betrunkenem Zustand das geparkte Auto in Gang setzen wollte.
Damit fehlt es an tatsächlichen Hinweisen für einen fahrerlaubnisrechtlich relevanten Alkoholmissbrauch. Aufklärungsmaßnahmen in dieser Richtung waren deshalb nicht veranlasst.
Erweist sich somit die Gutachtensanforderung als nicht ordnungsgemäß, war der Antragsgegner der Schluss auf die Nichteignung wegen der Nichtvorlage des Gutachtens verwehrt.
2. Für das Gericht besteht keine Veranlassung, den Antragsgegner im Beschlusswege dazu anzuhalten, den von der Antragstellerin abgegebenen Führerschein zurückzugeben. Es kann davon ausgegangen werden, dass das Landratsamt die notwendigen Folgerungen, die aus der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung resultieren, von sich aus vornehmen wird.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 und 46.3 und 46.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).


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